European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060NC00018.23H.0808.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Ordinationsantrag der Antragstellerin vom 18. 7. 2023 wird abgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner, dessen Sitz sich nach dem Klagsvorbringen in Deutschland befindet, im Europäischen Mahnverfahren die Zahlung von 12.179,81 EUR sA. Mit dem Antragsgegner sei der Gerichtsstand Wien vereinbart worden.
[2] Gegen den vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien erlassenen Zahlungsbefehl erhob der Antragsgegner Einspruch. Das Erstgericht stellte fest, dass der Antragsgegner fristgerecht Einspruch erhoben habe, und forderte gleichzeitig die Antragstellerin auf, binnen 30 Tagen das für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens zuständige Gericht namhaft zu machen.
[3] Die Antragstellerin beantragte daraufhin, die Rechtssache dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung könne die örtliche Zuständigkeit des sachlich zuständigen Bezirksgerichts nicht bestimmt werden. Der Oberste Gerichtshof möge innerhalb des Landesgerichtssprengels Wien gemäß § 28 Abs 1 Z 3 JN das örtlich zuständige Bezirksgericht bestimmen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
[5] 1. Wurde bereits ein inländisches Gericht angerufen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Voraussetzungen für die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts so lange nicht gegeben, als dieses seine Zuständigkeit nicht rechtskräftig verneint hat (RS0046450; RS0046443). Zwar ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall (noch) nicht gegeben (vgl 10 Nc 21/21a; 10 Nc 13/13p). Der Oberste Gerichtshof kann aber einen bereits davor vorgelegten Ordinationsantrag abweisen, wenn die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen einer Ordination keinesfalls gegeben sind (vgl 4 Nd 507/98; Garber in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 28 JN Rz 134; vgl auch 6 Nc 21/12h). Ein solcher Fall liegt hier vor.
[6] 2.1. Die Ordination nach § 28 Abs 1 JN setzt voraus, dass zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (RS0118239, RS0108569).
[7] 2.2. Die Antragstellerin übersieht, dass sie nach ihrem Vorbringen mit dem Antragsgegner den Gerichtsstand „Wien“ vereinbart hat und damit die örtliche Zuständigkeit der in Wien gelegenen Gerichte. Damit sind mehrere Gerichte örtlich zuständig. Nach dem österreichischen Verfahrensrecht steht der Antragstellerin in diesem Fall – bei Vorliegen auch der sachlichen Zuständigkeit – die Wahl unter den mehreren örtlich zuständigen Gerichten eines Orts (Wien) zu (9 Nc 1/21b; RS0046844; Mayr in Rechberger/Klicka,ZPO5 § 104 JN Rz 29).
[8] 2.3. Auch Art 25 EuGVVO räumt den Parteien die Möglichkeit ein, die Zuständigkeit der Gerichte einer (bestimmten) Stadt eines Mitgliedstaats zu vereinbaren. Für diesen Fall bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht (EuGH C‑222/15 [Höszig/Alstom Thermal Services] Rn 48; vgl RS0116423; RS0118240). Haben daher die Parteien die Zuständigkeit der Gerichte eines Orts (hier: Wien) vereinbart, so hat der Kläger die Wahl unter den in Frage kommenden Gerichten (7 Nc 10/09v [zu Art 23 EuGVVO]; Simotta in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ Art 25 EuGVVO Rz 94/1).
[9] 2.4. Da die Parteien im vorliegenden Fall nach dem Vorbringen der Antragstellerin eine örtliche Zuständigkeit vereinbart haben, war der Ordinationsantrag daher abzuweisen.
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