OGH 5Ob77/23v

OGH5Ob77/23v17.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, Dr. Steger und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ * KG *, vertreten durch Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH & Co KG, *, 2. P* GmbH, ebenda, beide vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien T*, vertreten durch Mag. Michael Stuxer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 330.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2023, GZ 15 R 170/22p‑87, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00077.23V.0717.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch. Die Erstbeklagte war Miteigentümerin der Liegenschaft und baute das Dachgeschoss des Hauses aus. Die erforderlichen Baumeister‑, Zimmermanns‑, Dachdecker‑ und Spenglerarbeiten führte sie selbst oder durch ihre Subunternehmerin, die Nebenintervenientin aus. Die Arbeiten wiesen eine Reihe von Mängeln auf.

[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 1.473 EUR sA für dringliche Sanierungsarbeiten, wies das restliche Zahlungsbegehren von 328.527 EUR hingegen ab, weil nicht feststellbar war, dass die dem Zahlungsbegehren zugrunde liegenden Arbeiten laut Kostenvoranschlag notwendig und der Höhe nach angemessen wären. Dem Begehren festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige Kosten im Zusammenhang mit der Sanierung der im Ersturteil näher beschriebenen Mängel und Schäden sowie mit der Herstellung eines gültigen baubehördlichen Konsenses für das dokumentierte Bauvorhaben haften, gab es statt.

[3] Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin in der Hauptsache nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1.1. Die Frage der Aktivlegitimation wurde im Verfahren erster Instanz (an dem sich die Nebenintervenientin nicht beteiligt hatte) nicht angesprochen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Frage des materiellen Rechts (RIS‑Justiz RS0107961). Die Entscheidung darüber ist eine meritorische über den Klageanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen und demnach über Tat- wie auch Rechtsfragen (vgl RS0035170). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Frage der Aktiv‑ oder Passivlegitimation sei in der Regel nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen, es bedürfe eines Tatsachenvorbringens, aus dem sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt, entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RS0065553). Wird – wie hier – die Aktivlegitimation nicht bestritten, ist daher jedenfalls Tatsachenvorbringen erforderlich, das geeignet wäre, die Sachlegitimation der Klägerin in Frage zu stellen (RS0065553 [T8]). Dies fehlte hier.

[6] 1.2. Im Verfahren erster Instanz beschränkten sich die Einwendungen der Beklagten im Wesentlichen auf das (angeblich) fehlende Feststellungsinteresse, eine Verletzung der Wartungspflicht der Klägerin, deren Verstoß gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit wegennicht durchgeführter Sofortmaßnahmen und die Höhe der Schadensbehebungskosten. Die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin (etwa unter Hinweis auf die fehlende Abtretung der der Klageführung zugrunde liegenden Ansprüche) wurde nicht nur nicht eingewendet, aus dem Gesamtkontext des Prozessvorbringens der Beklagten ließe sich vielmehr sogar ableiten, die Aktivlegitimation der Klägerin werde schlüssig zugestanden. Eine reine Rechtsfrage, die auch ohne jegliches Vorbringen noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen wäre (vgl RS0035170 [T4]), war hier nicht zu beantworten, weil es – mangels Behauptungen im Verfahren erster Instanz – an jeglichen (positiven oder negativen) Feststellungen zu einer (allenfalls) erforderlichen Abtretung der Schadenersatzansprüche an die Klägerin fehlte. Die Entscheidung 6 Ob 115/18g (der entsprechendes Vorbringen zugrunde lag) ist daher nicht einschlägig.

[7] 1.3. Da das Gericht nicht berufen ist, die Parteien zur Erhebung von Einwendungen zu veranlassen, für die das von ihnen erstattete Vorbringen keinen Anlass gibt (RS0037026 [T5]), hatte das Erstgericht die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin auch nicht zu erörtern und durch Erforschung der auf die Kette der Vertragsbeziehungen anzuwendenden Sachnormen den Beklagten etwa Einwendungen gegen den Klageanspruch überhaupt erst zu ermöglichen (vgl RS0009201). Ob die Erstbeklagte (als damalige Mit‑ und Wohnungseigentümerin) den Dachgeschossausbau aufgrund eines Vertrags mit der Klägerin selbst oder aber mit den einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümern durchführte, blieb im Verfahren unerörtert (das Klagevorbringen legt im übrigen eher ersteres nahe), weil dafür mangels Vorbringens der Beklagten kein Anlass bestand. Die erstmals in der Berufung aufgestellte und in der Revision wiederholte Behauptung, es hätte eine Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft und Abtretung der Schadenersatzansprüche nach § 18 Abs 2 WEG gebraucht, als unzulässige Neuerung zu werten, ist daher nicht korrekturbedürftig. Sekundäre Feststellungsmängel liegendazu nicht vor, weil solche nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der Parteien in Betracht kommen (RS0053317 [T4]), das hier aber fehlt.

[8] 1.4. Ob den Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach Maßnahmen zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die allgemeine Teile einer Liegenschaft im Miteigentum betreffen, zur ordentlichen Verwaltung gehören und zu deren Geltendmachung daher die Eigentümergemeinschaft grundsätzlich aktivlegitimiert sei, tatsächlich gefolgt werden könnte, bedarf mangels Relevanz daher keiner weiteren Erörterung.

[9] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung (RS0038849; RS0038817) verdrängt die Möglichkeit der Leistungsklage bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage. Das gilt dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, wenn also weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogene Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Anspruchs nicht in Betracht kommen (RS0039021). Ist der Schaden schon eingetreten und der Ersatzanspruch bezifferbar, scheidet ein Feststellungsanspruch im Allgemeinen aus, weil bloße Schwierigkeiten, einen bereits eingetretenen Schaden zu beziffern, für sich allein ein Feststellungsbegehren nicht rechtfertigen können (RS0038849 [T15, T17]). Abzustellen ist darauf, ob der Geschädigte die Höhe eines bereits eingetretenen und dem Grunde nach bekannten Schadens durch naheliegende und zweckmäßige Maßnahmen ermitteln kann. Solche Maßnahmen muss er vor Einbringung einer Leistungsklage ergreifen, um so die Voraussetzung für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen (RS0118968). Die Rechtsprechung (3 Ob 153/16w; 3 Ob 72/20i) bejaht das Interesse an der Feststellung von Gewährleistungsansprüchen dann, wenn der Berechtigte einen bestimmten Leistungsanspruch noch nicht mit Leistungsklage verfolgen kann, weil er entweder die Beschaffenheit (Ursache) von Mängeln noch nicht genau kennt oder die Möglichkeit der Mängelbehebung noch nicht beurteilen kann oder wenn dem Werkbesteller die Erhebung von Schadenersatzansprüchen nach § 933a ABGB noch offen steht, er jedoch die Entwicklung des Mangelschadens und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen und ‑kosten noch nicht beurteilen und deshalb künftige Mangelfolgeschäden nicht ausschließen kann (3 Ob 153/16w mwN). Die Judikatur kennt daher Ausnahmefälle, in denen trotz bereits eingetretenen Schadens die (alleinige) Feststellungsklage zulässig ist.

[10] 2.2. Die Frage, ob das Feststellungsinteresse gegeben ist, ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0039177 [T1]). Eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor. Aufgrund der Feststellungen zu den Mängeln, den bislang gescheiterten Versuchen der Klägerin einen Kostenvoranschlag mit einem angemessenen Betrag einzuholen oder überhaupt ein Unternehmen zu finden, das gewillt wäre, zeitnah die Sanierung zu einem angemessenen Preis durchzuführen und dafür Gewähr zu leisten sowie zu dem Umstand, dass sich der notwendige Sanierungsaufwand derzeit nur schätzen, nicht aber konkret beziffern lässt (was zur – mittlerweile rechtskräftigen – Teilabweisung des Großteils des Zahlungsbegehrens führte), hält sich die Auffassung der Vorinstanzen, hier lasse sich trotz bereits eingetretenen Schadens der Sanierungsaufwand nicht mit naheliegenden zweckmäßigen Maßnahmen ermitteln, in dem von der zitierten Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen. Konkrete Maßnahmen, die die Klägerin noch ergreifen könnte, um den tatsächlichen Sanierungsaufwand beziffern und zur Grundlage eines Leistungsbegehrens machen zu können, nennt die Revision gar nicht. Auch insoweit bedarf es daher keiner Korrektur der Entscheidung des Berufungsgerichts.

[11] 3.1. In einem Feststellungsurteil ist genau zu bezeichnen, welches Recht oder Rechtsverhältnis als bestehend oder nicht bestehend festgestellt wird (RS0037874 [T31]). Zwar ergibt sich die Notwendigkeit der Bestimmtheit des Klagebegehrens und eines darauf gegründeten Urteilsspruchs nicht – wie beim Leistungsurteil – aus der Erwägung, dass es zur Zwangsvollstreckung geeignet sein muss, wohl aber aus dem Zweck und der Funktion der Feststellungsklage und in ihrer Rechtskraftwirkung. Wäre das Begehren unbestimmt, könnte das Urteil die Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien nicht erfüllen, sodass auch Feststellungsbegehren ausreichend zu individualisieren sind (RS0037437 [T11]).

3.2. Bei anderen als Geldleistungsklagen ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO nach der Rechtsprechung (RS0037874) allerdings schon dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprach‑ und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhang mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist. Dementsprechend hat das Gericht ein Begehren richtig zu fassen und ist in diesem Rahmen nicht an die Formulierung gebunden (RS0037440 [T5, T11]). Auch die ausreichende Bestimmtheit eines Feststellungsbegehrens (und eines Feststellungsurteils) hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorliegen könnte, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts von diesen Grundsätzen abweicht (RS0037437 [T5]). Dies ist hier nicht der Fall.

[12] 3.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Spruch definiere mit ausreichender Bestimmtheit, für welche Kosten die beklagten Parteien der Klägerin haften, ist nicht zu beanstanden, zumal die vom Urteilsspruch umfassten Mängel und Schäden durch den Verweis auf die Gutachten des Sachverständigen ausreichend spezifiziert sind. Da die umfangreichen Sanierungsarbeiten eine neuerliche Planung und damit (möglicherweise) auch die Einholung einer neuen Baubewilligung erfordern, ist auch die Auffassung, eine konkrete, bereits erteilte Baubewilligung müsse nicht genannt werden, nicht korrekturbedürftig. Durch den Ausspruch der Haftung der Beklagten für die Kosten der Herstellung eines gültigen baubehördlichen Konsenses wird nach allgemeinem Verständnis ohnedies zum Ausdruck gebracht, dass sie für alle zur Erreichung einer baubewilligungskonformen Errichtung des in den genannten Gutachten dokumentierten vertikalen Zubaus erforderlichen Kosten einzustehen haben. Dabei nur auf die Umschreibung des Bauvorhabens abzustellen, ohne einen Einreichplan (oder eine noch zu erwirkende) Baubewilligung zu nennen, ist im hier zu beurteilenden Einzelfall ebenso wenig zu beanstanden.

[13] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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