OGH 5Ob60/23v

OGH5Ob60/23v31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch Peissl & Partner Rechtsanwälte OG in Köflach, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen 8.321,39 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2023, GZ 18 R 67/22i‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 18. August 2022, GZ 7 C 1417/21h‑16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00060.23V.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte verkaufte der Klägerin, die im Bereich Handel und Aufbereitung von Oldtimern und Sportwägen unternehmerisch tätig ist, einen gebrauchten Porsche 993, Erstzulassung 1996, um 54.000 EUR. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Beklagte ungeachtet des vereinbarten Gewährleistungsverzichts aufgrund einer Zusage, das defekte Schiebedach könne unter Verwendung eines Reparaturkits, das rund 500 EUR koste, repariert werden, für diesen Mangel einzustehen hat, der Reparaturaufwand in Höhe des Klagebetrags erforderte. Auch ob der Klägerin ein auf Irrtumsrecht gegründeter Anspruch auf Vertragsanpassung aus diesem Grund zusteht, ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens.

[2] Das Erstgericht verneinte einen Anspruch auf Gewährleistung oder Irrtumsanpassung.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Revision ließ es mit der Begründung zu, der Frage des Umfangs des Gewährleistungsausschlusses beim Verkauf eines Privaten an einen Unternehmer komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, in der sie die Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung, hilfsweise eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen anstrebt.

[5] Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[6] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

[7] 1.1. Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist grundsätzlich durch Auslegung im Einzelfall (§§ 914 f ABGB) nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0016561; RS0018564 [T13]). Dabei ist nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (RS0016561 [T3]). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RS0018561). Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erstreckt sich deshalb ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht nicht auf arglistig verschwiegene Mängel und auch nicht auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (RS0018523), was auch im Fall einer schlüssigen Zusage gilt (RS0018561 [T2]).

[8] 1.2. Auch wenn diese ständige Rechtsprechung überwiegend Fallkonstellationen betraf, in denen es um Vertragsverhältnisse zwischen Privaten oder aber den Erwerb von Kraftfahrzeugen durch einen Privaten von einem Händler ging, ist kein Grund ersichtlich, weshalb sie auf den Erwerb durch einen Händler von einem Privaten nicht anzuwenden sein sollte. So ging etwa die Entscheidung 9 Ob 45/17h davon auch im Fall eines Erwerbs von Liegenschaftsanteilen durch eine GmbH, die dort ein Bauprojekt verwirklichen wollte, von einem Privaten aus. Gründe dafür, weshalb diese – Gewährleistungsrecht im Allgemeinen betreffenden – höchstgerichtlichen Rechtsprechungsgrundsätze für die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht maßgeblich wären, nennt weder das Berufungsgericht noch die Revisionswerberin. Dass die Vorinstanzen an die Klägerin als Unternehmerin einen weitaus strengeren Maßstab angelegt hätten als dies bei einem Verbraucher der Fall wäre, ist nicht ersichtlich.

[9] 2.1. Nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls kann beurteilt werden, ob eine (schlüssige) Zusage vorliegt oder nicht, weshalb insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (4 Ob 197/16y). Die Auslegung eines Vertrags im Einzelfall wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936), was hier nicht der Fall ist.

[10] 2.2. Nach den Feststellungen wies der Beklagte die Mitarbeiter der Klägerin darauf hin, dass das Dach kaputt ist und es laut der ihm von einer Fachfirma erteilten Information dafür ein Reparaturkit gebe, das 500 EUR koste. Wenn die Vorinstanzen daraus nicht ableiten konnten, der Beklagte habe der Klägerin zugesichert, der gesamte Aufwand zur Schadensbehebung am Dach des PKW betrage nur 500 EUR, ist dies im Einzelfall nicht zu beanstanden. Gerade im Hinblick auf die im Vorfeld des Vertragsabschlusses geführten Gespräche es als nicht gerade naheliegend anzusehen, dass die Klägerin – als auf Handel und Aufbereitung von entsprechenden Fahrzeugen spezialisiertes Unternehmen – diese Aussage im Sinn einer Zusicherung einer Reparatur um 500 EUR verstehen hätte dürfen, ist unbedenklich. Den Umstand, dass der Beklagte als Kaufpreisvorstellung für den Porsche in unrepariertem Zustand 60.000 EUR, in repariertem Zustand hingegen 70.000 EUR nannte, auch unter Berücksichtigung der ihm jedenfalls bekannten notwendigen Reparaturen betreffend Reifen, Hitzeschutzblech und Batterie eher als Indiz dafür zu werten, dass der Beklagte selbst nicht davon ausging, das von ihm ausdrücklich als kaputt genannte Dach werde um lediglich 500 EUR repariert werden können, ist keine grobe Fehlbeurteilung. Wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, der Beklagte habe weder ausdrücklich noch schlüssig einen Reparaturaufwand für das Dach in Höhe von nur 500 EUR zugesichert, ist dies daher ebenso wenig zu beanstanden wie ihre Auffassung, die vom Beklagten hier nicht verschwiegene Reparaturbedürftigkeit des Daches sei vom Gewährleistungsverzicht erfasst.

[11] 3.1. Die hilfsweise von der Klägerin begehrte Vertragsanpassung nach § 872 ABGB hat den Zweck, den Zustand herbeizuführen, der bei irrtumsfreiem Handeln bestünde. Könnte daher der Irrende bei wesentlichem Irrtum den Vertrag stets aufrecht erhalten, dessen Inhalt aber beliebig verändern, würde seinem Partner ein Vertrag aufgezwungen, den dieser nicht geschlossen hätte (RS0014770 [T5]; RS0016237 [T3]; 3 Ob 23/13y). Die Vertragsanpassung nach § 872 ABGB setzt daher voraus, dass auch der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hypothetisch den Willen gehabt hätte, den Vertrag zu den Bedingungen abzuschließen, an die der Irrende nunmehr den Vertrag angepasst haben will (RS0016237). Die Behauptungs‑ und Beweislast hiefür trifft die Vertragsanpassung begehrende Partei (RS0016262). Steht positiv fest, dass der Vertragspartner nicht zu den geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte, ist die Vertragsanpassung abzulehnen, sonst ist darauf abzustellen, mit welchem Inhalt die redliche, nicht in Irrtum verfangene Partei einen Vertrag abgeschlossen hätte (RS0016262 [T7]).

[12] 3.2. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen hätte der Geschäftsführer der klagenden Partei bei Kenntnis der wahren Kosten der Dachreparatur das Fahrzeug vom Beklagten zwar nicht oder nur um 40.000 EUR gekauft. Es steht aber auch positiv fest, dass der Beklagte zu diesem Kaufpreis nicht verkauft hätte. Wenn die Vorinstanzen angesichts dieser Sachverhaltsgrundlage eine Vertragsanpassung ablehnten, steht dies mit der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang. Die jedenfalls auch einzelfallabhängige (RS0118891) Auslegung der Urteilsfeststellungen dahin, der Beklagte hätte das Fahrzeug nicht zu dem Preis gekauft, den der Geschäftsführer der Klägerin im Fall seiner Kenntnis vom wahren Ausmaß des Reparaturaufwands geboten hätte, ist nicht zu beanstanden. Feststellungen dahin, der Beklagte sei nach wie vor der Auffassung, die Reparatur erfordere nur 500 EUR, wurden nicht getroffen, insoweit weicht die Revision vom festgestellten Sachverhalt ab und ist daher nicht gesetzesgemäß ausgeführt (RS0043312 [T14]).

[13] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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