OGH 4Ob197/16y

OGH4Ob197/16y25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Mag. Bernhard Folta, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei Ing. F***** M*****, vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2016, GZ 13 R 4/16b‑67, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. November 2015, GZ 2 Cg 13/13s‑63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00197.16Y.1025.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Mit Kaufvertrag vom 23. 2. 2010 erwarb die klagende Partei vom Beklagten eine Liegenschaft samt Zinshaus. Bereits vor Abschluss des Kaufvertrags stellte ein von der klagenden Partei als Privatgutachter beauftragter Bautechniker ua statische Mängel der Balkone (Loggien) fest. Der Beklagte legte die von der klagenden Partei in den Kaufvertragsverhandlungen zur Statik der Balkone verlangten Unterlagen (ua ein Abnahmeprotokoll eines Prüfingenieurs) vor Abschluss des Kaufvertrags nicht vor. Im Kaufvertrag wurde letztendlich festgehalten, dass der klagenden Partei der Zustand des Kaufobjekts aufgrund erfolgter Besichtigung bekannt sei, und ua vereinbart, dass der Beklagte für eine bestimmte Beschaffenheit oder Eigenschaft nicht hafte. Zur Zahlung des Kaufpreises von 1.160.000 EUR wurde vereinbart, dass ein restlicher Betrag von 30.000 EUR erst dann auszuzahlen sei, wenn ein Sachverständiger die Behebung von elf konkret angeführten Mängeln bestätige. Die problematische Statik der Balkone war davon nicht umfasst. Die Zahlung der restlichen 30.000 EUR wurde neben der Vorlage anderer Urkunden aber auch von der Vorlage einer nicht näher definierten „ Unterlage Statik Balkone “ abhängig gemacht.

Die klagende Partei begehrte 30.000 EUR als Ersatz der von ihr im Jahr 2012 vorgenommenen Verbesserung und stützte sich dabei – für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – auf Gewährleistung. Der Beklagte berief sich unter anderem auf einen Gewährleistungsausschluss.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, wobei sie die klägerischen Gewährleistungsansprüche im Wesentlichen mit dem Hinweis auf einen umfassenden Gewährleistungsverzicht verneinten. Auch der (bei den Vertragsverhandlungen bekannte) Zustand der Balkone sei vom Gewährleistungsausschluss umfasst. Die Mangelfreiheit der Balkone sei nicht iSd § 922 ABGB vereinbart worden.

Das Berufungsgericht betrachtete die ordentliche Revision zunächst nicht als zulässig. Über einen Antrag nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erachtete, weil vom Obersten Gerichtshof eine ähnlich gelagerte Konstellation noch nicht entschieden worden sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass hier die Mangelfreiheit von Balkonen als „stillschweigend vereinbarte Eigenschaft“ gewertet werde.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt. Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. Für die Reichweite einer generell formulierten Ausschlussvereinbarung spielt es eine wesentliche Rolle, ob es bloß um gewöhnlich vorausgesetzte oder eigens vereinbarte, also zugesicherte Eigenschaften geht (vgl P. Bydlinski in KBB 4 § 929 ABGB Rz 6 mwN auf die Rsp). Während die erste Fallgruppe vom Ausschluss erfasst wird (zB 6 Ob 138/98g; 2 Ob 176/10m; 8 Ob 7/10b), haftet der Verkäufer bei Zusage bestimmter Eigenschaften der Sache auch im Fall eines vereinbarten Ausschlusses der Gewährleistung (RIS‑Justiz RS0018523).

2.1 Der Umfang eines Gewährleistungsausschlusses ist durch Auslegung im Einzelfall (§§ 914 f ABGB) nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0016561).

2.2 Es kann hier aber nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, ob eine (schlüssige) Zusage vorliegt oder nicht, weshalb insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (2 Ob 304/02y). Die Auslegung eines Vertrags im Einzelfall begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936).

3. Von einer krassen Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

3.1 Die Auslegung der Vorinstanzen, dass der Beklagte die Mangelfreiheit der Balkone im Vertrag nicht (schlüssig) zugesagt hat, ist jedenfalls vertretbar, zumal auch die Auszahlung des restlichen Kaufpreises wohl von der Behebung zahlreicher (anderer) baulicher Mängel, nicht aber von der Herstellung der Mangelfreiheit der Balkone abhängig gemacht wurde.

3.2 Hinzu kommt, dass der klagenden Partei vor der Unterfertigung des Kaufvertrags der mangelhafte Zustand der Balkone bereits bekannt war. Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit eines vertraglichen Verzichts auf Gewährleistungsansprüche sogar bei verborgenen Mängeln (RIS‑Justiz RS0018564), jedenfalls aber dann, wenn der Mangel für den Käufer – etwa durch Besichtigung sowie Informationsaufnahme – erkennbar gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0018555 [T5]).

4. Das von den Vorinstanzen im Anlassfall gewonnene Ergebnis bedarf daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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