OGH 9ObA8/23a

OGH9ObA8/23a23.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende,die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauerund Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. phil. Dr. iur. Robert Toder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei BUAK Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse, *, vertreten durch Noss & Windisch Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A* s.r.o., *, wegen 2.731,56 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2022, GZ 7 Ra 56/22i‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00008.23A.0323.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach § 1151 Abs 1 1. Halbsatz ABGB liegt ein Dienstvertrag vor, wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet; hingegen liegt nach § 1151 Abs 1 2. Halbsatz ABGB ein Werkvertrag vor, wenn jemand die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt. Zu den wesentlichen Merkmalen dieser Vertragstypen und deren Abgrenzung gibt es umfangreiche oberstgerichtliche Judikatur (vgl RS0021330, RS0021306, RS0021299, RS0021322, RS0021284, RS0021494 uva), die auch von der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

[2] 2. Nach dem festgestellten Sachverhalt betreibt die Beklagte ein Bauunternehmen in der Slowakei. Die Erfüllung ihrer Aufträge wickelt sie ausschließlich über Subunternehmer ab. Die Zusammenarbeit erfolgt mit selbständigen Unternehmern verschiedener Tätigkeitsbereiche, wie zB Fliesenlegern, Maurern usw, die die Beklagte je nach den Bedürfnissen der jeweiligen Auftraggeber kontaktiert. Zur Erfüllung eines Auftrags eines deutschen Unternehmens für Fliesenlegerarbeiten in Österreich beauftragte die Beklagte für die Zeit von 7. 5. 2018 bis 8. 6. 2018 drei selbständig tätige slowakische Staatsbürger als Subunternehmer mit deren Verrichtung. Diese drei Personen waren mit eigener Gewerbeberechtigung selbständig in der Slowakei unternehmerisch tätig und arbeiteten für verschiedene Auftraggeber. In dem dazu schriftlich zwischen der Beklagten und den drei Subunternehmern abgeschlossenen Werkvertrag wurde ein Entgelt von 15 EUR pro Stunde inclusive aller Abgaben und Steuern vereinbart. Die Beklagte bezahlte ihren Subunternehmern einen Teil der Unterkunft. Einem Subunternehmer erstattete sie nach Rechnungslegung auch die Treibstoffkosten für die Anreise von der Slowakei.

[3] Die drei Handwerker konnten ihre Arbeitszeit frei einteilen und waren hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort lediglich durch die Gegebenheiten und Wünsche des Kunden auf der Baustelle beschränkt. Die genaue Ausgestaltung der Arbeitsweise wurde ihnen von der Beklagten nicht vorgegeben. Sie verwendeten für die Arbeiten jeweils ihr eigenes Werkzeug. Alle drei sind bei der zuständigen slowakischen Sozialkasse gemeldet und dort als Selbständige versichert. Nach Erfüllung dieses Auftrags waren die drei Subunternehmer nicht mehr für die Beklagte tätig.

[4] Ausgehend von diesem Sachverhalt hält sich die – grundsätzlich einzelfallbezogene (RS0021284 [T17]) – übereinstimmende Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die bei der geforderten Gesamtbetrachtung (RS0021284 [T12, T20]) ein Überwiegen der Merkmale der persönlichen Abhängigkeit verneinten, innerhalb des ihnen bei dieser Beurteilung zukommenden Ermessensspielraums. Dem Argument der Rechtsmittelwerberin, aufgrund der arbeitsteiligen Vorgangsweise der Fliesenleger liege die geforderte Einbindung in die betrieblichen Abläufe der Beklagten vor, kann ebenso wenig gefolgt werden wie jenem, dass eine grundsätzliche freie Arbeitszeiteinteilung schon deshalb nicht vorgelegen habe, weil sie sich in zeitlicher Hinsicht untereinander absprechen hätten müssen. Mit ihren Ausführungen zu den von einem der Handwerker für die anderen beiden geführten Arbeitszeitaufzeichnungen, den regelmäßigen Arbeitszeiten und dem Erfordernis, Absenzen vom Geschäftsführer der Beklagten genehmigen zu lassen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Wenn die Rechtsmittelwerberin auf die Abrechnungsmodalitäten verweist und argumentiert, dass eine Abrechnung nach Arbeitsstunden ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei, ist dem zu erwidern, dass auch beim Werkvertrag der Regiepreis nach der Arbeitszeit bemessen werden kann und dies durchaus auch häufig vorkommt. Die Ausgestaltung der Entgeltzahlung hat daher nur wenig Indizwirkung für das Bestehen eines Arbeitsvertrags. Auch die Höhe des Entgelts, auf welche sich die Revisionswerberin ebenfalls bezieht, ist grundsätzlich kein Kriterium für oder gegen einen Arbeitsvertrag (Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 122 mwN). Mit ihren weiteren Ausführungen zu den Arbeitsmitteln und dem „Geschäftsmodell“ der Beklagten entfernt sie sich einmal mehr vom festgestellten Sachverhalt, sodass die Rechtsrüge in diesen Bereichen nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

[5] 3. § 1 Abs 1 Satz 2 BUAG sieht vor, dass für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne des BUAG vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend ist. Deshalb sind aber nicht „andere Maßstäbe“ (so die Revisionswerberin) für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft in der Baubranche maßgebend, weil auch allgemein gilt, dass die rechtliche Qualifikation der Abgrenzung Arbeitsvertrag zum Werkvertrag nicht vom Willen und der Bezeichnung durch die Parteien abhängt (RS0021330 [T14]). Maßgebend ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen (RS0021284 [T15]), insbesondere die tatsächliche Gestaltung in Bezug auf die Arbeitsleistung (Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 64). Da die Gewichtung der einzelnen Kriterien der persönlichen Abhängigkeit immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt (vgl RS0021284 [T12]), ist dabei freilich auch die jeweilige Branche, in der das zu beurteilende Vertragsverhältnis abgeschlossen wurde, zu berücksichtigen (vgl Warter/Mosler, Arbeitnehmerbegriff und Angestellten-tätigkeit am Bau, Zum Anwendungsbereich des BUAG und des BSchEG, in Mosler [Hrsg], Festschrift 75 Jahre Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse [2021] 61). Dass speziell zur Baubranche ausreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, begründet für sich alleine aber noch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042656).

[6] 4. Nach der Rechtsprechung, die auch die Revision zitiert,kann beim Werkvertrag das maßgebliche Ergebnis der Arbeitsleistung, nämlich das selbständige Werk, auch im Verein mit anderen erbracht werden (7 Ob 40/05s; RS0021313). Richtig ist zwar, dass der VwGH in manchen Entscheidungen für das Vorliegen eines Werkvertrags verlangt, dass bereits im Vertrag und damit im Vorhinein ein Werk individualisiert und konkretisiert wird. Es müsse sich dabei um eine in sich geschlossene Einheit handeln. Für einen Werkvertrag sei ein „gewährleistungstauglicher“ Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können, essenziell (VwGH 2012/09/0092; Ra 2018/08/0028 Rz 22 mwN). Nach R. Müller (Dienstvertrag oder Werkvertrag? – Überblick über die Rspr des VwGH zu § 4 ASVG, DRdA 2010, 367 [373]) scheitern an diesem Kriterium zB in der Regel all jene Versuche, jene Dienstleistungen zu Werkverträgen umzugestalten, deren „Erfolg“ – so man einen definieren könnte – auch von einem Dritten abhängen.

[7] Die Erwägungen des VwGH werden daher zwar durchaus ergänzend auch bei der Frage einer Einordnung als Arbeitsvertrag insoweit zu beachten sein, als es darum geht, ob der Vertrag tatsächlich eine Erfolgsverbindlichkeit begründet (Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 138/1); darüber hinaus werden sie, soweit sie mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht in Einklang stehen, vom Senat nicht geteilt.

[8] 5. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte (was hier nicht der Fall ist), wäre sein Verfahren mangelhaft geblieben (RS0043371 [T13, T32]). Das Berufungsgericht ist dabei aber nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0040180 [T2]).

[9] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Ein Kostenersatz für ihre unzulässige außerordentliche Revision sieht auch § 33h Abs 2a BUAG nicht vor (vgl RV 1185 BlgNR XXV. GP  5).

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