OGH 5Ob166/22f

OGH5Ob166/22f31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Mag. G* P*, vertreten durch die Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Löschung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots und eines Fruchtgenussrechts ob EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juni 2022, AZ 47 R 144/22g, mit dem über den Rekurs des Einschreiters Dr. R* P*, MSc, *, vertreten durch die Celar Senoner Weber‑Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 1. März 2022, TZ 771/22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00166.22F.0131.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin einer Liegenschaft in Wien. Gegenstand des Verfahrens ist deren Antrag, die Löschung der auf ihren Anteilen lastenden Rechte (Belastungs- und Veräußerungsverbot und Fruchtgenussrecht) aufgrund einer Verzichtserklärung des Berechtigten einzuverleiben.

[2] Das Erstgericht bewilligte die Löschung antragsgemäß. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Berechtigten Folge und wies den Antrag ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher unzulässig und zurückzuweisen. Die Begründung dieses Beschlusses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 126 Abs 3 GBG; § 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach § 87 Abs 1 GBG sind Urkunden, aufgrund deren eine Eintragung erfolgen soll, im Original beizulegen. Diese Voraussetzung bezieht sich auf Grundbuchsurkunden, die in materieller und formeller Hinsicht die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung enthalten (RS0061070).

[5] Ergeben sich die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung aus mehreren Urkunden zusammen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, aufgrund deren iSd § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll. Diese müssen daher alle gemeinsam im Original vorgelegt werden (vgl RS0061072; RS0061050; RS0124536).

[6] 2. Die Antragstellerin legte als Eintragungsgrundlage für die beantragte Löschung eine (einseitige) Verzichtserklärung des Berechtigten vor. Das Rekursgericht vertrat – ungeachtet der verfehlten Bezugnahme auf das Erfordernis eines gültigen Rechtsgrundes iSd § 26 Abs 2 GBG – inhaltlich die Rechtsansicht, dass diese Verzichtserklärung allein die konstitutiven Voraussetzungen für die vorzunehmende Grundbuchshandlung nicht enthalte. Nach dem Verständnis des Rekursgerichts erfährt der in der Verzichtserklärung erklärte Verzichtsvertrag seine nähere Ausgestaltung in einem außergerichtlichen Vergleich, auf den diese Urkunde zwar verweist, den die Antragstellerin aber nicht vorgelegt hat (arg: „Auf Grund des am 18. 2. 2021 abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleichs verzichtet [der Einschreiter] gemäß Punkt 5.06 […]“). Dieses Auslegungsergebnis des Rekursgerichts ist jedenfalls keine ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[7] Damit sind nicht alle wesentlichen Eintragungsgrundlagen für die Löschung in der späteren einseitigen Verzichtserklärung enthalten, ein vollständiges Bild über den Inhalt des Verzichts lässt sich nur aus der Verzichtserklärung und dem Vergleich zusammen gewinnen. Diese Urkunden hängen zusammen und müssen daher gemeinsam vorgelegt werden. Der Berechtigte führte dazu in seinem Rekurs allerdings aus, dass die einschlägige Bestimmung im außergerichtlichen Vergleich eine bis dato nicht erfüllte Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung vorsehe, die Bedingungen, an die der Verzicht geknüpft sei, nicht nachzuweisen sei. Die Antragstellerin hat das in ihrem Revisionsrekurs nicht bestritten.

[8] 3. Eine unterbliebene Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses an die Antragstellerin hat keinen Einfluss auf dessen materielle Berechtigung. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 124 GBG, wonach von einem Rechtsmittel gegen den Beschluss des Erstgerichts alle Personen zu verständigen sind, ist überdies mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz geheilt (5 Ob 74/14i; RS0060789; vgl auch 5 Ob 195/08z).

[9] Das Rechtsmittelverfahren in Grundbuchsachen ist einseitig (§ 124 letzter Satz, § 126 Abs 2 letzter Satz GBG). Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (5 Ob 74/14i; 5 Ob 195/08z; RS0043962 [T7, T11]).

[10] 4. Die Bestimmung des § 82a GBG bezieht sich seinem Wortlaut nach zwar nur auf den Antrag in erster Instanz. Die darin normierte Verbesserungsmöglichkeit schlägt aber wertungsmäßig auf das Rekursverfahren und auf Formmängel von Rechtsmitteln durch. In der vorliegenden Konstellation, in der nicht das Erstgericht, das den Antrag bewilligt hatte, sondern erst das Rekursgericht das Fehlen der erforderlichen Urkunde erkannte, ist ein Verbesserungsauftrag zur Behebung dieses Formmangels daher grundsätzlich auch im Rekursverfahren zulässig (5 Ob 65/21a; 5 Ob 217/20b; RS0133593). Eine mit dem Revisionsrekurs vorgelegte Urkunde könnte daher iSd § 82a Abs 5 GBG berücksichtigt werden (5 Ob 217/20b).

[11] Die Verbesserung in Form der Vorlage einer fehlenden Urkunde wäre freilich nur dann noch in dritter Instanz zu berücksichtigen, wenn es sich dabei tatsächlich nur um ein Formgebrechen handelte. Ob dies hier der Fall war oder die unterlassene Vorlage des Vergleichs nicht vielmehr als – nicht verbesserbarer – Inhaltsmangel zu werten wäre, kann hier dahinstehen. Auf die Frage der Verbesserbarkeit des Fehlens dieser Urkunde ist nämlich schon deshalb nicht einzugehen, weil die Antragstellerin gemäß § 82a Abs 5 GBG gehalten gewesen wäre, diese Urkunde mit Geltendmachung des Verfahrensmangels vorzulegen.

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