European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132350
Spruch:
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Die Revisionsrekursbeantwortung des bücherlichen Eigentümers wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Erstantragstellerin kaufte von der Zweitantragstellerin am 20. 12./23. 12. 2019 zwei Liegenschaften. Laut Kaufvertrag soll die Verstorbene aufgrund des mit ihrem geschiedenen Ehegatten abgeschlossenen – näher bezeichneten – gerichtlichen Vergleichs vom 5. 10. 2018 im Aufteilungsverfahren „außerbücherliche Eigentümerin“ einer der beiden verkauften Liegenschaften gewesen sein. Im Grundbuch war ob dieser Liegenschaft noch das Alleineigentum des geschiedenen Gatten der Verstorbenen einverleibt. Tatsächlich übertrug dieser laut Vergleich im Aufteilungsverfahren die Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Einfamilienhaus in das Eigentum der (nunmehrigen) Zweitantragstellerin, die – vertreten durch den Verlassenschaftskurator – die Eigentumsübertragung annahm. Der Vergleich enthält eine Aufsandungserklärung. Die Zweitantragstellerin verpflichtete sich zur Leistung einer Ausgleichszahlung, für die keine pfandrechtliche Sicherstellung vereinbart wurde. Der Vergleich wurde vom Verlassenschaftsgericht mit der Maßgabe abhandlungsbehördlich genehmigt, dass die Ausgleichszahlung mit rechtskräftigem Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens nach der Verstorbenen fällig werde und im Verzugsfall 4 % ab Rechtskraft als vereinbart gelten sollten. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.
[2] Die Antragstellerinnen begehrten hinsichtlich der Gegenstand des Aufteilungsverfahrens bildenden verkauften Liegenschaft die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erstantragstellerin im Weg einer Sprungeintragung, hinsichtlich der weiteren verkauften, im bücherlichen Alleineigentum der Verstorbenen stehenden Liegenschaft hingegen die Abschreibung des den Gutsbestand dieser Liegenschaft bildenden Grundstücks, Zuschreibung an die erstgenannte Liegenschaft und infolge dessen die Löschung jener Liegenschaft aufgrund Gutsbestandslosigkeit. Sie legten dazu den zwischen ihnen abgeschlossenen Kaufvertrag, den Beschluss des Abhandlungsgerichts über die Bestellung des Verlassenschaftskurators, die Negativbestätigung der Grundverkehrsbehörde betreffend den Kaufvertrag, den Beschluss des Abhandlungsgerichts über die Genehmigung des im Aufteilungsverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleichs samt Rechtskraftbestätigung, eine Abschrift des Protokolls aus dem Aufteilungsverfahren mit Vergleichsabschluss samt Rechtswirksamkeitsbestätigung, das Ehescheidungsurteil, den Beschluss des Abhandlungsgerichts über die Genehmigung des Kaufvertrags samt Rechtskraftbestätigung, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung betreffend den Vergleich, die Sterbeurkunde der Verstorbenen und einen Rangordnungsbeschluss vor.
[3] Das Erstgerichtbewilligte die begehrten Grundbuchshandlungen.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des geschiedenen Ehegatten und bücherlichen Eigentümers Folge und wies die Grundbuchsanträge ab. Seinem Argument, die Liegenschaft sei an die Verlassenschaft nach seiner geschiedenen Gattin nicht rechtswirksam übertragen worden, sei nicht zu folgen. Das Grundbuchsgericht sei an den rechtskräftigen Beschluss des Abhandlungsgerichts über die Genehmigung des Vergleichs im Aufteilungsverfahren gebunden, es habe diesen nicht inhaltlich zu überprüfen oder auszulegen. Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfung sei aber ein vom Erstgericht nicht wahrgenommener Abweisungsgrund aufzugreifen. Bei der Sprungeintragung nach § 22 GBG müsse eine geschlossene Kette von entsprechenden Urkunden vorgelegt werden, was auch für die Erfüllung der grundverkehrsrechtlichen Voraussetzungen gelte. Eine Genehmigung oder Negativbestätigung der Grundverkehrsbehörde (allenfalls eine Bescheinigung der Gemeinde aus dem örtlichen Flächenwidmungsplan oder Bescheinigung, dass das Grundstück außerhalb einer Beschränkungszone für Zweitwohnsitze liege, zumal die Gemeinde E* in § 14 des stmk GVG als Vorbehaltsgemeinde genannt sei) nach § 30 Abs 2 Z 5 stmk GVG betreffend die Eigentumsübertragung laut Vergleich im Aufteilungsverfahren sei nicht vorgelegt worden. Das Fehlen dieser Urkunde hindere eine Bewilligung. Eine Verbesserung iSd § 82a GBG komme nicht in Betracht, weil sich diese Vorschrift nur an das Grundbuchsgericht erster Instanz richte und es dem Rekursgericht verwehrt sei, ein Verbesserungsverfahren hinsichtlich des verfahrenseinleitenden Antrags durchzuführen. Deshalb sei das Gesuch abzuweisen. Eine bloß teilweise Bewilligung in Bezug auf die zweitgenannte (zuvor im Alleineigentum der Verstorbenen stehende) Liegenschaft komme wegen des untrennbaren Zusammenhangs nicht in Betracht.
[5] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil der Sachverhalt anders gelagert sei als in der Entscheidung 5 Ob 162/13d. Hier werde das Fehlen der erforderlichen Urkunde der Grundverkehrsbehörde erstmals vom Rechtsmittelgericht aufgegriffen. Dadurch werde die Antragstellerin mit einer „Überraschung“ konfrontiert, die möglicherweise eine andere Vorgangsweise erfordere.
[6] Dagegen richten sich die Revisionsrekurse beider Antragstellerinnen, in dem sie – unter gleichzeitiger Vorlage einer Negativbestätigung der Grundverkehrsbehörde zu dem im Aufteilungsverfahren abgeschlossenen Vergleich – die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, hilfsweise eine Aufhebung anstreben.
[7] Der bücherliche Eigentümer hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, die aufgrund der im Grundbuchsverfahren angeordneten Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens (§ 126 Abs 2 iVm § 124 letzter Satz GBG) als unzulässig zurückzuweisen war (RIS‑Justiz RS0116902).
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revisionsrekurse sind ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) – Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig und zeigen auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[9] 1.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt des Einbringens des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn diese durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112921 [T5, T14], RS0112769 [T12]). Das ist hier in Bezug auf die vom Rekursgericht und den Rechtsmittelwerbern angesprochene Frage der Reichweite der Verbesserungsvorschrift des § 82a GBG bei erstmaliger Wahrnehmung von Formmängeln durch das Rechtsmittelgericht der Fall.
[10] 1.2. Der erkennende Senat hat sich jüngst zu 5 Ob 217/20b mit dieser Frage befasst. Für das Grundbuchsverfahren eröffnete danach die Grundbuchsnovelle 2008 durch die Einführung des § 82a GBG erstmals die Möglichkeit einer Verbesserung. Weist ein Antrag ein Formgebrechen auf, das die ordnungsgemäße Behandlung zu hindern geeignet ist, so ist dem Antragsteller der Auftrag zu erteilen, das Formgebrechen längstens binnen einer Woche zu beseitigen (§ 82a Abs 1 erster Satz GBG). Als verbesserbares Formgebrechen ist es insbesondere anzusehen, wenn im Antrag eine für die Erledigung erforderliche Urkunde nicht oder, falls dies vorgeschrieben ist, nicht in Urschrift angeschlossen ist (§ 82a Abs 2 erster Satz GBG). Wird in einem Rekurs gegen die Abweisung eines Antrags geltend gemacht, dass dem Antragsteller ein Auftrag iSd § 82a Abs 1 GBG zu erteilen gewesen wäre, so ist mit dem Rekurs auch das Formgebrechen zu beseitigen (§ 82a Abs 5 GBG). Die Bestimmung bezieht sich zwar nur auf den Antrag in erster Instanz, die dort normierte Verbesserungsmöglichkeit schlägt aber wertungsmäßig auch auf das Rekursverfahren und auf Formmängel von Rechtsmitteln durch (5 Ob 217/20b unter Hinweis auf Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 123 GBG Rz 31; Rechberger/Bittner, Grundbuchsrecht2 Rz 280).
[11] 1.3. Der Fachsenat sprach zu 5 Ob 162/13d= immolex 2014/35, 123 [Cerha] = RS0127162 [T1] – in einem Fall der Abweisung des Grundbuchsantrags bereits in erster Instanz – aus, dass sich § 82a Abs 1 bis 3 GBG über die Beseitigung von Formgebrechen von Anträgen ausschließlich an das Grundbuchsgericht erster Instanz richtet und das Rekursgericht deshalb kein Verbesserungsverfahren über den verfahrenseinleitenden Antrag durchführen darf, zumal dem Antragsteller die Abweisung seines Antrags wegen eines Formgebrechens bei Rekurserhebung ohnehin bekannt ist und er daher weder eine Belehrung noch einen Auftrag zur Behebung des Formgebrechens benötigt. Der erkennende Senat hielt dieses Argument im Fall der Bewilligung des Antrags in erster Instanz bereits für nicht überzeugend (5 Ob 50/15m; 5 Ob 217/20b) und bejahte mit der Literatur (Koller/Streller, Grenzen der Verbesserung nach § 82a GBG, NZ 2013, 242 [247]; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 82a GBG Rz 9) eine Verbesserungspflicht im Rekursverfahren dann, wenn das Rekursgericht den vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrund verneint, aber (erstmals) erkennt, dass ein vom Erstgericht nicht erkanntes oder nicht offengelegtes Formgebrechen vorliegt, das nach § 82a GBG verbessert werden kann.
[12] 1.4. Die Grundsätze der Entscheidungen 5 Ob 50/15m und 5 Ob 217/20b sind auch hier anzuwenden. Nicht das Erstgericht, das den Antrag bewilligt hatte, sondern erst das Rekursgericht erkannte das Fehlen der erforderlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigung/Negativbestätigung. Eine Verbesserung (in Form der Vorlage der fehlenden Urkunde im Revisionsrekurs entsprechend der Wertung des § 82a Abs 5 GBG) wäre daher dann zulässig gewesen, wenn es sich dabei tatsächlich nur um ein Formgebrechen handelte. Ob dies hier der Fall war oder die unterlassene Vorlage des grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheids oder der erforderlichen Negativbestätigung nicht vielmehr als – nicht verbesserbare – Inhaltsmängel zu werten wären (vgl Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 82a GBG Rz 3; Koller/Streller, NZ 2013, 243; Rassi, Grundbuchsrecht³Rz 5.80), kann hier dahinstehen.
[13] 2.1. Hier ist die Frage einer Bewilligungspflicht nach dem steiermärkischen Grundverkehrsgesetz (stmk GVG) maßgeblich. Dieses gilt sowohl (§ 2 leg cit) für land‑ und forstwirtschaftliche Grundstücke als auch (§§ 13, 14 leg cit) für Baugrundstücke in Vorbehaltsgemeinden, in denen Beschränkungen für Zweitwohnsitze gemäß § 30 Abs 2 des stmk ROG festgelegt sind, so auch E*, wo die hier zu beurteilenden Liegenschaften liegen. § 29 Abs 1 stmk GVG sieht zivilrechtliche Wirkungen der Verkehrsbeschränkungen dieses Gesetzes dahin vor, dass das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nicht durchgeführt werden darf, solange die nach den Bestimmungen des Gesetzes erforderliche verwaltungsbehördliche Genehmigung nicht erteilt oder eine erforderliche Erklärung nicht abgegeben wurde. § 30 Abs 1 GVG ordnet an, dass ein Recht an einem land‑ und forstwirtschaftlichen Grundstück im Grundbuch nur eingetragen werden darf, wenn dem Grundbuchsgesuch die rechtskräftige Genehmigung beigeschlossen ist oder die rechtskräftige Feststellung, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist. § 30 Abs 2 GVG verlangt für die Eintragung eines Rechts an einem Baugrundstück den Anschluss einer Erklärung iSd § 17 GVG oder der rechtskräftigen Feststellung, dass eine Erklärung nicht erforderlich ist.
[14] 2.2. Dementsprechend machte der Kaufvertrag zwischen den Antragstellerinnen in seinem Punkt 8 die Rechtswirksamkeit des Vertrags (ua) vom Vorliegen einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung/Negativbestätigung bzw Vorliegen einer Baulandbestätigung abhängig. Der Text des im Aufteilungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs zwischen der Verstorbenen und ihrem geschiedenen Ehegatten enthielt eine solche Bedingung hingegen nicht. In sachlicher Hinsicht gelten die Bestimmungen des stmk GVG aber (vgl § 2 Abs 1 bzw § 13 Abs 1 leg cit) für Rechtsgeschäfte (unter Lebenden), somit grundsätzlich auch für diesen Vergleich, was im Revisionsrekursverfahren niemand in Zweifel zieht. Die Beurteilung der Frage, ob die in den als Eintragungsgrundlage vorgelegten Vertragsurkunden genannten Liegenschaften den Bestimmungen des stmk GVG unterliegen, obliegt aber nur der Grundverkehrsbehörde, das Grundbuchsgericht hat keine Möglichkeit allfällige Zweifel am Erfordernis einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung auszuräumen (5 Ob 46/18b [zum stmk GVG]; vgl auch RS0060508). Dies gilt auch für die Ausstellung einer Negativbestätigung (vgl RS0081755).
[15] 2.3. Grundsätzlich müssen Genehmigungen von Verwaltungsbehörden, die Voraussetzung einer bücherlichen Eintragung sind, mit der Bestätigung ihrer Rechtskraft versehen sein. Dies gilt auch für Bescheide, mit denen dem Grundbuchsgericht nachzuweisen ist, dass ein zu verbüchernder Erwerbsvorgang keiner behördlichen Genehmigung – etwa einer Genehmigung der Grundverkehrsbehörde oder der Ausländergrundverkehrskommission – bedarf. Für eine Rechtskraftbestätigung genügt eine gesonderte oder etwa auf dem die Eintragungsgrundlage bildenden Vertrag angebrachte Behördenerklärung, nach der – in einer jegliche Bedenken ausschließenden Art und Weise – bestätigt wird, dass der betreffende Genehmigungsbescheid keinem die Rechtskraft hemmenden Rechtszug mehr unterliegt (RS0099943 [T6]). Nach der Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 222/09x [zum K-GVG]; 5 Ob 32/12k [zum TGVG]; 5 Ob 112/18k [zum Sbg GVG]) ist aber auch die „Negativbestätigung“ – ungeachtet ihrer Bezeichnung – ein Bescheid der Grundverkehrsbehörde, der unabhängig davon, ob das GVG seine Rechtskraft als Voraussetzung einer Grundbuchseintragung ausdrücklich verlangt, rechtskräftig sein muss (vgl RS0036880 [T26]), weil es nicht Sache des Grundbuchsgerichts ist, bei Fehlen einer Rechtskraftbestätigung Erwägungen über die Anfechtbarkeit eines verwaltungsbehördlichen Bescheids anzustellen (RS0099943; 5 Ob 32/12k). Da die hier vorgelegten, von den Antragstellerinnen beantragten Bescheinigungen der Grundverkehrsbehörde nach „§ 2 Abs 2“ (gemeint wohl: Abs 3) stmk GVG, wonach der Kaufvertrag und der am 5. 10. 2018 abhandlungsbehördlich genehmigte Vergleich nicht dem Anwendungsbereich des stmk GVG unterliegen, für das Grundbuchsgericht bindend darüber absprechen sollen, dass diese Rechtsgeschäfte weder der Genehmigungspflicht nach § 2 Abs 1 stmk GVG noch der Erklärungspflicht nach § 13 Abs 1 stmk GVG unterliegen, sind sie als Negativbestätigungen im Sinn der Rechtsprechung anzusehen. Da sie aber jeweils keine Rechtskraftbestätigung enthalten, erfüllte die Vorlage der vom Rekursgericht vermissten Negativbestätigung im Revisionsrekurs jedenfalls nicht die Anforderungen des § 82a Abs 5 GBG, der die Beseitigung des Formgebrechens mit dem Rechtsmittel verlangt. Eine Bewilligung aufgrund der beiden nicht mit Rechtskraftbestätigung versehenen Negativbestätigungen kam vielmehr nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts nicht in Betracht.
[16] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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