European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00132.22Y.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Spruch:
1. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2.1. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das gänzlich abweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
2.2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 5.752,34 EUR (darin 704,39 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist ein Verein zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern iSd § 14 Abs 1 UWG. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Rechtsanwaltschaft, insbesondere im Rahmen des UWG. Ihm gehören rund 900 Rechtsanwälte an.
[2] Die Beklagte ist ein Prozessfinanzierer. Sie finanziert „Mietzinsverfahren“.
[3] Ein Wohnungsmieter trat der Beklagten alle Ansprüche gegen seinen Vermieter auf Festsetzung und Rückforderung der aufgrund des Mietvertrags an den Vermieter gezahlten Beträge zum Inkasso ab. Die Beklagte beantragte in der Folge bei der Schlichtungsstelle der Gemeinde Wien die Überprüfung des Hauptmietzinses und des Entgelts für die mitgemieteten Einrichtungsgegenstände. Da die Schlichtungsstelle darauf hinwies, dass die Aktivlegitimation der Beklagten fraglich sei, erhielt der Mieter die Ansprüche rückzediert, worauf dieser der Schlichtungsstelle den Parteiwechsel und die Bevollmächtigung eines Mieterschutzvereins bekanntgab. Die Beklagte ließ sich nur bis Februar 2019 Ansprüche ihrer Kunden abtreten, da ihr seit der Entscheidung 5 Ob 190/19f klar ist, dass sie von Mietern zedierte Ansprüche vor der Schlichtungsstelle nicht durchsetzen kann.
[4] Die Beklagte schaltet regelmäßig Werbung auf Social‑Media‑Kanälen, wo sie unter der Überschrift „Altbaumieten senken geht ganz einfach“ damit wirbt, dass kein Kostenrisiko gegeben sei, kein Kündigungsgrund vorliege und kein Aufwand entstehe. Die Beklagte verwendet auch Slogans wie „Schnell & kostenlos“ und „Du kannst nur gewinnen“. Auf der Website der Beklagten wird erläutert, dass eine Mietsenkung nicht unter die im Mietrechtsgesetz definierten wichtigen Kündigungsgründe falle. Die Beklagte leiste keine Rechtsauskunft, Rechtsberatung oder sonstige rechtliche Dienstleistungen, sondern organisiere die Finanzierung spezialisierter Rechtsanwälte und Juristen. Dabei würden sämtliche anfallende Kosten für den Mieter übernommen und ausschließlich im Erfolgsfall der Mietsenkung eine Provision auf die Rückerstattung der bereits zu viel bezahlten Altbaumiete fällig. Der Mieter trage somit kein zusätzliches Kostenrisiko.
[5] Die Beklagte verweist in ihren Formularen an mehreren Stellen darauf, dass der Kunde den Rechtsanwalt frei wählen kann. Sie weist auch in den Gesprächen mit den Interessenten darauf hin. Die Beklagte arbeitet regelmäßig mit Rechtsanwälten zusammen, zur Zeit mit mindestens fünf Kanzleien. Sie ist auch offen dafür, dass der Kunde einen Rechtsanwalt namhaft macht.
[6] Die mit der Beklagten kooperierende Mietrechtsvereinigung ist ein Verein, der sich durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Sofern ein Vereinsmitglied eine Mietrechtssache verfolgen möchte, kann es dem Verein Vollmacht zur Vertretung erteilen. Das Vollmachtsformular sieht ua die Berechtigung des Vereins vor, Subvollmachten an Dritte zu erteilen, insbesondere an Rechtsanwälte, die vom Verein ausgewählt werden. Wenn die Sache gerichtshängig wird, finanziert ein Prozessfinanzierer wie die Beklagte die Gerichtsgebühren und Sachverständigenkosten. Wenn das Vereinsmitglied keine Vertragsbeziehung mit einem Prozessfinanzierer hat, werden ihm diese Kosten vorgeschrieben. Die Beklagte hat keine persönlichen oder finanziellen Verflechtungen mit dem Verein.
[7] Die Beklagte wirbt im Internet unter der eingetragenen Marke „P* Prozessfinanzierung“ mit dem Slogan „Schließung wegen Coronavirus. Wir helfen Ihrem Unternehmen, keine Miete zu bezahlen“ und vermittelt den Interessenten eine Rechtsanwältin.
[8] Die Beklagte bewirbt die „P* Prozessfinanzierung“ mit dem Bild eines vermeintlichen Rechtsanwalts, bei dem es sich um ein „Stock-Foto“ eines Fotomodells handelt. Das Konzept „Mietzinsreduktion für Firmenkunden“ bewarb die Beklagte pauschal um 180 EUR auch in einer Presseaussendung.
Der Kläger begehrte, gestützt auf §§ 1, 2 UWG, die Beklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,
a) nicht nur Prozessfinanzierung zu betreiben, sondern auch selbst direkt oder indirekt die Durchsetzung prozessfinanzierter Ansprüche zu betreiben, insbesondere sich derartige Ansprüche zedieren zu lassen, und dann im eigenen Namen geltend zu machen (verstellte Zessionen im Sinne der Winkelschreiberei- verordnung);
b) gegenüber potenziellen Kunden, denen eine Überprüfung der Miete in Altbauten angeboten wird, zu behaupten, dass sie nur gewinnen könnten und kein Risiko, insbesondere kein Kündigungsgrund und keinen Aufwand haben würden, soweit nicht klar und unmissverständlich auch zum Ausdruck gebracht wird, dass befristete Mietverträge in der Regel nach Anruf von der Schlichtungsstelle nicht verlängert werden und die Durchsetzung allfälliger (anderer) Mieteransprüche oder Wünsche erschwert werden kann;
c) die freie Anwaltswahl des Kunden des Prozessfinanzierers zu beschränken, indem ihm die vollständige Organisation des Prozesses angeboten und durchgeführt wird und mit dieser besonderen Kompetenz geworben wird;
d) im Zusammenhang mit der Prozess- finanzierung den Beitritt zu einem Verein, insbesondere dem [...] von den die Prozessfinanzierung erlangenden Klienten zu verlangen, zu vermitteln, oder zu fördern, dies mit dem Ziel, dass die prozessfinanzierten Ansprüche von diesem durchgesetzt werden;
e) darüber hinaus öffentlich anzubieten, um einen Pauschalpreis, insbesondere 180 EUR, die Möglichkeit der Einstellung der Mietzinszahlungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise zu prüfen, sei es auch nur, indem zu einem im Vorhinein von ihr definierten Pauschalpreis rechtsanwaltliche Dienstleistungen angeboten oder vermittelt werden;
f) marktschreierisch und aggressiv für anwaltliche Dienstleistungen in Medien zu werben, insbesondere mit dem Bild eines mexikanischen Rechtsanwalts unter der Marke P* Prozessfinanzierung im Zusammenhang der Covid-19‑Krise;
[9] Weiters begehrte der Kläger die Urteilsveröffentlichung.
[10] Die Beklagte wendete ein, die Zessionen würden nicht in Umgehung des § 1 Winkelschreibereiverordnung (Verordnung des Justizministeriums vom 8. 6. 1857, JMV) erfolgen. Diese stelle nur das – von der Beklagten nicht praktizierte – Verfassen von Eingaben vor Gericht unter Strafe. Allfällige Verstöße seien verjährt und im Übrigen fehle angesichts der Entscheidung 5 Ob 190/19f, wonach eine Abtretung des Anspruchs auf Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses keine Aktivlegitimation im mietrechtlichen Außerstreitverfahren begründe, die Wiederholungsgefahr. Die Werbeaussagen seien wahr. Die Kunden der Beklagten seien berechtigt, ihren Anwalt frei zu wählen und würden auch darauf hingewiesen. Die Organisation des Prozesses durch die Beklagte ändere nichts daran. Der Mieterschutzverein sei von der Beklagten unabhängig. Die Beklagte biete keine Rechtsberatung an, die Werbung sei nicht marktschreierisch und die Werbung mit dem Stock-Foto eines lächelnden Mannes im Anzug sei nicht aggressiv. Jedenfalls sei die Rechtsansicht der Beklagten vertretbar. Es fehle an der Spürbarkeit allfälliger Verstöße gegen Rechtsnormen.
[11] Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab.
[12] a. Die Beklagte habe durch die „verstellten Zessionen“ gegen die Winkelschreibereiverordnung verstoßen. Es fehle aber an der Wiederholungsgefahr, weil seit der Entscheidung 5 Ob 190/19f klargestellt sei, dass eine Abtretung des Anspruchs auf Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses keine Aktivlegitimation im mietrechtlichen Außerstreitverfahren begründe. Die Strafbarkeit des als Verwaltungsdelikt zu qualifizierenden Verstoßes gegen die Winkelschreibereiverordnung sei bei der Klageeinbringung im Übrigen verjährt gewesen.
[13] b. Die Beklagte biete ihre Dienstleistungen wahrheitsgemäß an („kein Kostenrisiko“, „kein Kündigungsgrund“, „kein Aufwand“). Sie kläre die Kunden ausreichend darüber auf, dass ein befristetes Mietverhältnis möglicherweise nicht mehr verlängert werde.
[14] c. Das Klagebegehren sei schon nach seiner Formulierung unklar, weil die freie Anwaltswahl nicht dadurch beschränkt werde, dass dem Kunden die vollständige Organisation des Prozesses angeboten werde. Die Beklagte gebe ihren Kunden die Möglichkeit zur freien Wahl ihres Anwalts. Da die Beklagte mit mindestens fünf Kanzleien zusammenarbeite, könne die Rechtsprechung zur freien Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung nutzbar gemacht werden: Dort sei deren Einschränkung auf wenige Rechtsanwälte zulässig.
[15] d. Es gebe keine unmittelbaren rechtlichen oder finanziellen Verbindungen zwischen der Beklagten und dem Mieterschutzverein. Die Beklagte gehe erlaubterweise ihrem Unternehmensgegenstand als Prozessfinanzierer nach, der Verein seiner Tätigkeit als Interessenvertreter iSd § 37 Abs 3 Z 9 MRG. Die Beklagte dürfe es verlangen, vermitteln oder fördern, dass ihre Kunden dem Verein beitreten.
[16] e. Die Beklagte maße sich keine eigene rechtsberatende Tätigkeit an und biete transparent die Vermittlung rechtsanwaltlicher Leistungen an. Da nur vier Anfragen bei der Beklagten eingegangen seien und die Beklagtenvertreterin nur in einem Fall für weitere Schritte bevollmächtigt worden sei, fehle es auch an der Spürbarkeit eines allfälligen Wettbewerbsverstoßes.
[17] f. Das verwendete Stock-Foto begründe keine aggressive oder marktschreierische Werbung für rechtsanwaltliche Leistungen.
[18] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisungen zu b. bis f., gab jedoch dem Unterlassungsbegehren zu a. sowie einem Teil des Veröffentlichungsbegehrens statt, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
[19] Der Entscheidung 5 Ob 190/19f komme nicht jene Bedeutung zu, die ihr die Beklagte und das Erstgericht beimessen wollten. Darin sei nur geklärt worden, dass die Abtretung des Anspruchs auf Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses einschließlich des Rückforderungsanspruchs durch den Mieter keine Aktivlegitimation des Zessionars im mietrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG begründe; der Zessionar könne den Rückforderungsanspruch nur im streitigen Verfahren geltend machen. Damit bestehe aber keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Beklagte künftige Eingriffe in den rechtsanwaltlichen Vertretungsvorbehalt durch „verstellte Zessionen“ unterlassen werde. Die Abtretungserklärungen, auf denen die Gesetzesverstöße der Beklagten beruhten, würden nicht nur Ansprüche iSd § 37 Abs 1 Z 8 MRG, sondern auch solche nach Z 8a, 8b, 9, 12, 12a, 13 und 14 leg cit sowie allgemein alle gesetzlichen Ansprüche auf Festsetzung und Rückforderung der an den Vermieter gezahlten Beträge umfassen. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte versuchen werde, Ansprüche ihrer Kunden auf dem streitigen Rechtsweg im Wege „verstellter Zessionen“ geltend zu machen. Die Beklagte habe dem Kläger auch keinen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten, der zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte.
[20] Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers und gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts, hilfsweise Aufhebung.
[21] Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[22] Die Revision des Klägers ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig, die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
I. Zur Revision des Klägers
[23] 1.1. Der Kläger moniert, die angefochtene Entscheidung widerspreche der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu 4 Ob 14/18i. Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach sich der beklagte „Spielerschützer“ für die Rechte von Geschädigten einsetzte, die durch Spielen an Glücksspielautomaten des vom dortigen Kläger vertretenen Konzerns Geld verloren hatten. Der Beklagte verwendete dabei Formulierungen, die darauf abzielten, dass er selbst die Spieler vertritt und dafür im Nachhinein zehn bis zwanzig Prozent des erstrittenen Betrags erhält. Der Senat entschied, dass das Verbot des pactum de quota litis auch auf jenen Fall übertragen wird, dass ein Nichtberechtigter unter der Vorspiegelung, dazu befugt zu sein, gewerbsmäßig Leistungen erbringt, die einer bestimmten Berufsgruppe vorbehalten sind; unterliegt diese Berufsgruppe dem Verbot des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB, besteht kein Anlass, eine mit einem Nichtberechtigten abgeschlossene Honorarvereinbarung von diesem Verbot auszunehmen.
[24] 1.2. Die Frage, ob eine Beratungstätigkeit, die iSd § 8 Abs 2 RAO nur Rechtsanwälten vorbehalten ist, ausgeübt wird, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (4 Ob 20/13i).
[25] 1.3. Im vorliegenden Fall liegt keine Werbepraxis der Beklagten vor wie in der oben zitierten Entscheidung. Die Beklagte steht einerseits in keiner finanziellen und persönlichen Verbindung zum Mieterschutzverein, der seine Mitglieder teils durch eigene Mitarbeiter, teils durch beauftragte Rechtsanwälte behördlich oder gerichtlich vertreten lässt, und andererseits wirbt die Beklagte nicht damit, dass sie ihre Kunden direkt vertritt, sondern verweist stets darauf, dass Rechtsanwälte oder Vereine finanziert werden. Darüber hinaus ist es den Kunden möglich, den Rechtsanwalt frei zu wählen. Durch die Abweisung der Begehren b.–f. wird daher kein Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 14/18i begründet.
[26] 2.1. Vertretbar haben die Vorinstanzen auch die Notwendigkeit verneint, ausdrücklich davor zu warnen, dass die Anrufung der Schlichtungsstelle reflexartig bewirke, dass Hauseigentümer nicht bereit seien, das Bestandverhältnis zu verlängern, zumal die Beklagte ohnehin darüber aufklärt, dass ein befristetes Mietverhältnis möglicherweise nicht verlängert wird.
[27] 2.2. Dasselbe trifft auf die Beurteilung der Vorinstanzen zu, dass die „vollständige Organisation des Prozesses“ keine Einschränkung der freien Anwaltswahl bedeutet, zumal den Kunden auch offen steht, selbst Rechtsanwälte namhaft zu machen.
[28] 2.3. Ebenfalls auf keine Bedenken stößt die Kooperation der Beklagten mit dem Mieterschutzverein, zumal sie diesem gegenüber kein Weisungsrecht hat, sich auf die Prozessfinanzierung beschränkt und der Verein, der als Interessenvertreter iSd § 37 Abs 3 Z 9 MRG tätig ist, selbstständig entscheidet, ob er die konkrete Sache einem Rechtsanwalt übergibt oder den Mieter selbst vertritt.
[29] 2.4. Zum Angebot im Zusammenhang mit der Einstellung der Mietzinszahlungen haben bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass kein an einen Prozessfinanzierer gerichtetes Verbot besteht, ihren Kunden bestimmte Leistungen zu einem Pauschalpreis anzubieten, und dass die Beklagte selbst keine rechtsanwaltlichen Dienstleistungen anbietet.
[30] 2.5. Vertretbar ist auch die Beurteilung, wonach die Werbung der Beklagten, weder im Zusammenhang mit der „Corona-Krise“, noch hinsichtlich des Stock-Fotos lauterkeitsrechtlich unzulässig wäre. Die Verwendung des Coronavirus als „Aufhänger“ für die Werbung ist nicht generell unzulässig, und dass ein Prozessfinanzierer den Einsatz von Rechtsanwälten bewirbt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Verwendung von „Stock-Fotos“ ist in der Werbung gang und gäbe, bedienen sich doch – wie vom Erstgericht festgestellt – auch österreichische Anwaltsinstitutionen dieser Methoden.
[31] 3. Zusammenfassend hat der Kläger keine grobe Unrichtigkeit der bekämpften Entscheidung aufgezeigt, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Seine Revision ist daher zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Beklagten
[32] 1.1. Das Berufungsgericht qualifizierte die Handlungen der Beklagten, die sich (ua) die Ansprüche ihrer Kunden auf Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG) abtreten ließ und diese im eigenen Namen vor der Schlichtungsstelle und dem Außerstreitgericht geltend machte, als Verstoß gegen den Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte und die Bestimmungen der JMV.
[33] 1.2. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision, die JMV sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie nicht selbst, sondern vertreten durch einen Rechtsanwalt vor Gericht eingeschritten sei. Die berufsmäßige Parteienvertretung in mietrechtlichen Außerstreitverfahren sei zudem gemäß § 37 Abs 3 Z 9 MRG keine den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit. Zumindest handle es sich dabei aber um eine vertretbare Rechtsansicht nach § 1 UWG. Außerdem sei die von § 1 Abs 1 Z 1 UWG vorausgesetzte Spürbarkeit der nachteiligen Wettbewerbsbeeinflussung nicht gegeben. Auch die Wiederholungsgefahr liege nicht vor, weil die Beklagte den etwaigen Verstoß lange Zeit vor Klagseinbringung aus eigenem Antrieb beseitigt habe und eine Wiederholung nicht ernstlich und greifbar zu besorgen sei.
[34] 2.1. Gemäß § 8 Abs 2 RAO ist die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten und vor allen Gerichten und Behörden der Republik Österreich den Rechtsanwälten vorbehalten. Unberührt vom anwaltlichen Vertretungsmonopol bleiben gemäß § 8 Abs 3 RAO aber ua die in „sonstigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts eingeräumten Befugnisse von Personen oder Vereinigungen zur sachlich begrenzten Parteienvertretung“.
[35] 2.2. Als Winkelschreiber nach § 1 JMV ist anzusehen, „wer, ohne berechtigter Rechtsfreund zu sein, in denjenigen Streitsachen, in welchen sich die Parteien nach den Vorschriften der Prozessordnung eines Rechtsfreundes bedienen müssen, unbefugter Weise im Namen einer Partei einschreitet oder Eingaben für sie verfasst“, aber auch „wer, ohne von der zuständigen Behörde dazu berechtigt zu sein, es zu seinem Geschäftsbetrieb macht, Rechtsurkunden oder gerichtliche Eingaben in oder außer Streitsachen, wenn auch das Einschreiten eines Rechtsfreundes bei denselben gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, für Parteien zu verfassen oder als Bevollmächtigter derselben bei Gericht einzuschreiten ...“
[36] 2.3. „Verstellte Zessionen“ sind immer dann anzunehmen, wenn sich aus der Häufigkeit von Zessionen an den als Kläger Einschreitenden ergibt, dass dieser, indem er nicht als Vertreter für den Gläubiger, sondern im eigenen Namen formell als Kläger auftritt, die Vorschriften gegen die Winkelschreiberei umgehen will (1 Ob 63/63). Sowohl § 8 Abs 2 RAO als auch die JMV verbieten nur die unbefugte gewerbsmäßige im Sinne von regelmäßiger und auf Gewinn gerichteter Parteienvertretung (RS0071721). Für die Annahme der Regelmäßigkeit kann selbst eine einmalige Handlung ausreichen, wenn nach den Umständen auf eine Wiederholungsabsicht zu schließen ist (vgl auch § 1 Abs 4 GewO).
[37] 2.4. Nach § 37 Abs 3 Z 9 MRG können in Verfahren über die in Abs 1 leg cit genannten Angelegenheiten in erster und zweiter Instanz die Parteien selbst vor Gericht handeln und sich durch jede Person vertreten lassen, die volljährig und geschäftsfähig ist und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist. In dritter Instanz müssen sich die Parteien entweder durch einen Rechtsanwalt oder Notar oder durch einen Interessenvertreter vertreten lassen. Interessenvertreter ist ein Funktionär oder Angestellter eines Vereins, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken der Schutz und die Vertretung der Interessen der Vermieter oder der Mieter gehören und der sich regelmäßig mit der Beratung seiner Mitglieder in Mietangelegenheiten in mehr als zwei Bundesländern befasst; er ist zur Vertretung von Parteien in allen Instanzen befugt.
[38] 2.5. § 37 Abs 3 Z 9 MRG dient der Abgrenzung gegenüber der unzulässigen Winkelschreiberei (RS0070400; RS0070403).
[39] 2.6. Eine Vertretung nach § 37 Abs 3 Z 9 MRG ist auch dann zulässig, wenn sie berufsmäßig oder gewerbsmäßig erfolgt. Eine solche Tätigkeit stellt auch keinen Verstoß gegen die Winkelschreiberei dar (vgl VwGH 2009/06/0189; 2010/06/0207).
[40] 3.1. Die Beklagte beruft sich auf § 37 Abs 3 Z 9 MRG. Dabei verweist sie zutreffend darauf, dass die Vertretung in diesem Bereich durch „jede eigenberechtigte Person“ nicht in den Vorbehaltsbereich der Rechtsanwälte eingreift. Die Zulässigkeit einer derartigen Vertretung ist an keine weiteren Voraussetzungen, etwa dass sie nicht berufsmäßig oder gewerbsmäßig erfolgt, geknüpft (siehe oben 2.6.). Die Beklagte hat durch den festgestellten (einzigen) Fall der Zession daher nicht gegen das Winkelschreibereiverbot verstoßen.
[41] 3.2. Auch abgesehen von der Frage der Winkelschreiberei macht der bloße Umstand der Abtretung das Einschreiten der Beklagten nicht unlauter, entspricht doch die Abtretung der Ansprüche an einen klagebefugten Verband oder an einen sonstigen Rechtsträger (Verein, GmbH) zum Inkasso und die klageweise Geltendmachung im eigenen Namen des Rechtsträgers der Praxis der „Sammelklage österreichischer Prägung“ (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 227 Rz 4; 4 Ob 116/05w).
[42] 3.3. Im Übrigen hat das Erstgericht zutreffend die Wiederholungsgefahr verneint. Die Beklagte hat dargetan (vgl RS0080065), dass aufgrund der – von ihr veranlassten – Entscheidung 5 Ob 190/19f (wonach die Abtretung des Anspruchs auf Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses einschließlich des Rückforderungsanspruchs durch den Mieter nicht die Aktivlegitimation des Zessionars im mietrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG begründet) die Wiederholung einer derartigen Abtretung äußerst unwahrscheinlich ist. Für die Geltendmachung von abgetretenen Ansprüchen durch die Beklagte im streitigen Verfahren bestehen keine Anhaltspunkte.
[43] 3.4. Der Revision der Beklagten ist somit Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, dass das gänzlich abweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
[44] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren beträgt 17.000 EUR.
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