OGH 6Ob31/22k

OGH6Ob31/22k25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. I* M*, Rechtsanwältin, *, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der M* GmbH, *, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am * verstorbenen W* K*, zuletzt *, vertreten durch Dr. Raimund Danner und Dr. Madeleine Danner LL.M., Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 8.750 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. November 2021, GZ 22 R 271/21p‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 1. Juli 2021, GZ 2 C 290/20w‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00031.22K.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Im Jahr 2010 gründeten der im August 2020 verstorbene W* K* und J* P*, beide mit Wohnsitz in Österreich, die M* Ltd („M Ltd“) mit dem Registersitz in W*, Großbritannien. Da sie beide namentlich nicht aufscheinen wollten, wurde ein Treuhanddirektor eingesetzt, der unmittelbar nach der Bestellung zurücktrat, und W* K* und J* P* eine Generalvollmacht für die M Ltd eingeräumt, um für die M Ltd uneingeschränkt tätig werden zu können. Die Rechtsform der Limited und die Treuhandkonstruktion wählten W* K* und J* P* bewusst, um Haftungen und die wesentlich höheren Gründungskosten einer GmbH zu vermeiden. Der tatsächliche Hauptverwaltungssitz der M Ltd befand sich in Österreich.

[2] Geplant war die Eintragung der M Ltd in das österreichische Firmenbuch. Nachdem diese jedoch nicht genehmigt worden war, suchte W* K* eine andere Lösung und schlug die Gründung einer GmbH vor. Diese erfolgte im Jahr 2012 in der Form, dass die M Ltd als einzige Gesellschafterin die M* GmbH („M GmbH“) mit Sitz in Österreich gründete. Die notwendige Hälfte des Stammkapitals der M GmbH in Höhe von 17.500 EUR wurde vom Geschäftskonto der M Ltd bei einer inländischen Bank gezahlt und zwischen W* K* und J* P* besprochen, dass es sich dabei jeweils zur Hälfte um 50 % ihrer jeweiligen Stammeinlage handeln solle. Die M Ltd konnte und sollte ihre Gesellschafterrechte betreffend den W* K* zugeordneten Hälfteanteil nur in dessen Sinne ausüben. Zweck dieser Treuhandhaltung war die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse an der M GmbH. Alleiniger eingetragener Geschäftsführer der M GmbH war J* P*. Faktischer Geschäftsführer hingegen war W* K*, der betriebsintern und nach außen als Geschäftsführer auftrat und an der Spitze der Entscheidungshierarchie stand.

[3] Die M Ltd wurde am 18. 12. 2018 aus dem englischen Register gelöscht. Im August 2019 wurde über das Vermögen der M GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt. Die restliche Stammeinlage der als Alleingesellschafterin eingetragenen M Ltd haftete zu diesem Zeitpunkt mit 17.500 EUR aus, wobei mittlerweile ein Hälfteanteil von 8.750 EUR von J* P* bezahlt wurde.

[4] Die Klägerinbegehrt die Zahlung von 8.750 EUR sA. Die M Ltd habe einen Hälfteanteil an der M GmbH treuhändig für W* K* gehalten. Dieser sei indirekt beherrschender Gesellschafter der M GmbH gewesen und habe faktisch sowohl intern als auch nach außen die Geschäftsführungausgeübt. Er habe mit J* P* die M Ltd in der Absicht gegründet, die wahren Eigentümer der Gesellschaft zu verschleiern und möglichst wenig Kapital in die Gesellschaft einzubringen, sodass der Haftungsfonds für die Gläubiger möglichst gering gehalten werden habe sollen. Es liege ein offenkundiger Umgehungsfall vor, bei dem aufgrund des Gläubigerschutzes der mitbeherrschende Treugeber nicht besser gestellt werden solle, als ein direkt beteiligter Gesellschafter. Die Beklagte hafte daher für den noch ausständigen Teil der Stammeinlage der M GmbH. Nach der Löschung der M Ltd bestehe eine Restgesellschaft als Offene Gesellschaft weiter, weshalb die Beklagte die Stammeinlage auch aufgrund der gesetzlichen Nachhaftung schulde. W* K* habe das Geschäftskonto der M Ltd auch zu privaten Zwecken genutzt und hafte aufgrund eingetretener Vermögensmischung für die Schulden der M Ltd und somit auch für die offene Stammeinlage der M GmbH. Er habe weiters dadurch, dass er Kunden der M GmbH abgeworben habe, den Konkurs selbiger verschuldet. Schließlich habe er für die M GmbH eine Finca in Spanien erworben, den Kaufvertrag aber auf seine Gattin abschließen lassen, die als Eigentümerin eingetragen worden sei. Kaufpreis und Investitionskosten habe indes die M GmbH bezahlt. Die Herausgabe der Finca an die M GmbH sei verweigert worden und sei der Gesellschaft dadurch ein Schaden von rund 300.000 EUR entstanden.

[5] Die Beklagte wendet ein, W* K* sei nie beherrschender wirtschaftlicher Eigentümer der M GmbH oder der M Ltd gewesen. Eine Durchgriffshaftung bestehe nicht. Eine solche bestünde nur in Einzelfällen, wozu die Behauptungen der Klägerin aber nicht ausreichten. Für die Insolvenz der M GmbH sei J* P* allein verantwortlich gewesen. Über den angesprochenen Kundenstamm habe W* K* selbst verfügt; er sei nicht in die M GmbH eingebracht worden und habe daher auch nicht abgeworben werden können. Es sei aus steuerlichen Gründen geplant gewesen, die im Eigentum seiner Frau stehende Finca an die GmbH zu vermieten. Die Kaufpreiszahlung für die Finca sei mit ausständigen Provisionsforderungen des W* K*, die den Kaufpreis überstiegen, ratenweise gegenverrechnet worden.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die M Ltd habe 50 % der Anteile an der M GmbH treuhändig für W* K* gehalten, der die M GmbH als faktischer Geschäftsführer geleitet habe. Zweck der Treuhand sei die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse an der M GmbH gewesen. Durch die Zwischenschaltung der M Ltd habe die Kapitalaufbringungsvorschrift des § 63 Abs 1 GmbHG umgangen werden sollen. W* K* hafte daher in analoger Anwendung des § 63 Abs 1 GmbHG unmittelbar für die offene Stammeinlage.

[7] Das Berufungsgerichtbilligte die Rechtsansicht des Erstgerichts und bestätigte dessen Entscheidung. In – wie hier – offenkundigen Umgehungsfällen sei § 63 Abs 1 GmbHG auf den Treugeber analog anzuwenden. Weiteren Vorbringens oder Feststellungen zu den Motiven für die beabsichtigte Umgehung oder dahin, dass das Vermögen der M Ltd planmäßig nicht zur Aufbringung der Stammeinlage ausgereicht hätte, habe es nicht bedurft.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Frage, ob gegen die Verlassenschaft nach einem verstorbenen faktischen Geschäftsführer einer GmbH, der mittels Treuhandkonstruktion über eine Limited mittelbar wirtschaftlicher Eigentümer des Geschäftsanteils gewesen sei und durch diese Konstruktion persönliche Haftungen verhindern habe wollen, ein unmittelbarer Anspruch auf Einzahlung der aushaftenden Stammeinlage bestehe, vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[10] 1. Soweit die Revision erstmals die mangelnde Parteifähigkeit der beklagten Verlassenschaft infolge der behaupteten Überlassung des gesamten Nachlassvermögens von W* K* an Zahlungs statt (nach Streitanhängigkeit, aber) vor Schluss der Verhandlung erster Instanz rügt, genügt der Hinweis darauf, dass nach gefestigter Rechtsprechung bei Überlassung an Zahlungs statt der Zustand des ruhenden Nachlasses fortbesteht (2 Ob 26/22w; RS0007687). Selbst wenn man mit der Revision und der darin zitierten Lehrmeinung von Fink (in Fasching/Konecny, ZPO3 § 155 Rz 58) von einem Wegfall der Parteifähigkeit der beklagten Verlassenschaft als Folge der Überlassung an Zahlungs statt ausginge, wären hier nach Ansicht des Senats die Wertungen der Entscheidung des verstärkten Senats zu 8 ObA 2344/96f (RS0110979) heranzuziehen. Danach hätte die Klägerin das Wahlrecht, ob sie das Verfahren fortsetzen will oder nicht. Aus deren Entgegnung in der Revisionsbeantwortung auf den Einwand der Beklagten ist aber ihr Fortsetzungswille erkennbar. Es ist somit jedenfalls das Verfahren fortzusetzen.

[11] 2. Die Revision lässt – wie schon die Berufung – die Beurteilung der Vorinstanzen unbekämpft, wonach die M Ltd 50 % der Anteile an der M GmbH als Treuhänderin für W* K* als Treugeber hielt.

[12] 3. Eine Haftung des W* K* als Treugeber für die von der M Ltd als Treuhänderin zu leistende Stammeinlage besteht nicht:

[13] 3.1. Die Frage, ob ein verbandsrechtliches Verhältnis des Treugebers W* K* zur M GmbH bestand, unterfällt dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I‑VO und unterliegt daher dem Gesellschaftsstatut der M GmbH; sie ist somit nach inländischem Recht zu beurteilen (vgl 6 Ob 220/20a [ErwGr 2.2.]). Davon gingen die Parteien und die Vorinstanzen (implizit) ohnehin aus.

[14] 3.2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum grundsätzlichen Verhältnis eines an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Treugebers zur Gesellschaft, dass nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen sind (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]; 2 Ob 67/14p; 6 Ob 37/08x). Der Treugeber hat nicht etwa eine aus seiner gesellschafterähnlichen Stellung abgeleitete Teilrechtsposition innerhalb der Gesellschaft; Gesellschafter ist vielmehr ausschließlich der Treuhänder. Er allein ist Träger der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten, zwischen dem Treugeber und der Gesellschaft bestehen keine Rechtsbeziehungen (RS0123563; vgl RS0010762 [T1]). Das gilt auch für eine offene Treuhand (RS0123563 [T3]). Der Treuhänder übt der Gesellschaft gegenüber eigene Rechte im eigenen Namen aus und ist aktiv sowie passiv klagslegitimiert. Die Gesellschaft wiederum hat alle geschuldeten Leistungen vom Treuhänder zu fordern und geschuldete Leistungen an diesen zu erbringen (6 Ob 71/21s [ErwGr 3.3.2.]; 6 Ob 216/18k [ErwGr 1.4.]).

[15] 3.3. Diese Grundsätze gelten auch für die aus dem Gesellschafterverhältnis entspringende Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage gemäß § 63 Abs 1 GmbHG. Daher ist aus dem bloßen Umstand des Vorliegens eines Treuhandverhältnisses keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten. Die abstrakte Gefahr, dass die Gläubiger der GmbH bei einem finanzschwachen Treuhänder auf dessen mögliche Befreiungsansprüche gegen den Treugeber verwiesen wären, reicht dafüralleine nicht aus (aA BGH 13. 4. 1992, II ZR 225/91 BGHZ 118, 107 mwN; Pentz in Rowedder, GmbHG6 [2017] § 24 Rn 18). Denn den Interessen der Gesellschaftsgläubiger an der Erlangung ihres Haftungsfonds stehen jene in der Regel ebenso beachtenswerten Interessen des Treugebers gegenüber, an seiner bloß mittelbaren Beteiligung festzuhalten und nach außen hin nicht in Erscheinung zu treten (Cetin,Treuhandbeteiligungen an GmbHs [2014] 157). Dass die wirtschaftliche Zuordnung der Gesellschaftsanteile zum Treugeber nicht offengelegt werden soll, entsprichtdem Wesen der Treuhand und führt nicht von vornherein zu deren Missbilligung. Anders als bei der Kapitalerhaltung, die selbst bei zur Gänze geleisteter Einlage zu beachten ist und umfänglich über die Einlagepflicht hinausgeht, geht es hier auch nicht um Fragen der Rückzahlung verbotener Leistungen (dazu unter Punkt 5.1.1. f) der Gesellschaft, bei der, vor allem zur Missbrauchsverhinderung, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund steht.

[16] 3.4. Im Hinblick auf den Zweck des § 63 Abs 1 GmbHG, der vor allem die Kapitalaufbringung sicherstellen soll, ist für ein Überwiegen der Gläubigerinteressen an einem weiteren diesbezüglichen Haftungsfonds auch nicht ausschlaggebend, ob der Treugeber gesellschaftsintern mit Leitungs- oder Herrschaftsrechten ausgestattet ist, dem Treugeber also eine mitbeherrschende Rechtsposition zukommt(dies genügen lassend Baier in Gruber/Harrer, GmbHG2 [2018] § 63 Rz 10; vgl Gruber,Treuhandbeteiligung an Gesellschaften [2001] 228 ff, 282 f; zur vergleichbaren deutschen Rechtslage vgl Ulmer, Zur Treuhand an GmbH‑Anteilen, in FS Odersky 873 [886]). Eine dem treuhändig gehaltenen Gesellschaftsanteil entsprechende Mitbestimmung im Sinne der in der zitierten Literatur geforderten Risikobeherrschung betreffend die Kapitalausstattung der Gesellschaft wird dem Treugeber überdies im Regelfall auch ohne gesonderte Einräumung durch die Mitgesellschafter – wenn auch indirekt – schon über die Vertragsbeziehung zum Treuhänder möglich sein. Auch eines Interessensausgleichs gegenüber den Mitgesellschaftern bedarf es wegen einer gesellschaftsinternen Ausstattung des Treugebers mit Leitungs- oder Herrschaftsrechten regelmäßig nicht, läge es doch an ihnen, vertraglich für eine von ihnen gewünschte unmittelbare Haftung des Treugebers zu sorgen (idS auch Cetin,Treuhandbeteiligungen an GmbHs [2014] 158).

[17] 3.5. Ausnahmsweise haftet aber auch der Treugeber für die vom Treuhänder übernommene Einlagepflicht, wenn die Zwischenschaltung eines Treuhänders offenkundig Umgehungs- bzw Missbrauchszwecken dient. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Treuhänder nur deshalb eingeschaltet wurde, um eine diesbezügliche Haftung des Treugebers zu vermeiden und der Treuhänder von vornherein nicht über die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel verfügt, seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage nachzukommen („Strohmann“; so zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Schütz in MünchKomm GmbHG4 § 24 Rn 51; vgl auch Leuschner in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG Großkommentar I3 [2019] § 24 Rn 29;Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in FS 100 Jahre GmbHG 247). In diesen Fällen ist ein erweiterter Haftungsfonds in Form der solidarischen Haftung des Treuhänders und des Treugebers für die Aufbringung der Stammeinlage auch im Hinblick auf den dann höher als die Treugeberinteressen zu bewertenden Schutz der Gesellschaftsgläubiger sachgerecht (ähnlich Schopper in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 63 Rz 12, der allerdings zusätzlich eine gesellschaftsinterne mitbeherrschende Stellung des Treugebers verlangt; aA und generell gegen eine Haftungserstreckung F. Schumacher in U. Torggler, GmbHG § 63 Rz 3; zur deutschen Rechtslage etwa Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz3 [2017] § 24 Rn 45 mwN), die dadurch nicht auf den mit Unsicherheiten behafteten (dazu Baier in Gruber/Harrer, GmbHG2 [2018] § 63 Rz 10) und aufwändigeren Weg über eine Pfändung und Überweisung eines im Regelfall bestehenden Befreiungsanspruchs des Treuhänders gegen den Treugeber verwiesen bleiben.

[18] 3.6. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

[19] Die bei der Gründung der M GmbH gewählte Treuhandkonstruktion unter Beteiligung der M Ltd, die dazu diente, dass die wirtschaftlichen Eigentümer nach außen hin nicht in Erscheinung traten, führte per se nicht zu einer Haftung des W* K* für die geltend gemachte Stammeinlage. Ebensowenig konnte die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme der von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform der Limited rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn dadurch im Inland gegebenenfalls bestehende höhere Anforderungen für die Kapitalaufbringung umgangen werden sollten (vgl 9 ObA 125/08k mwN). Dass der M Ltd, von deren Geschäftskonto überdies die Hälfte der Stammeinlage stammte, als Treuhänderin die Mittel zur Aufbringung der insgesamt übernommenen Stammeinlage von vornherein fehlten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Daher scheidet ein auf die Treugeberstellung des W* K* gestützter Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen Stammeinlage aus.

[20] 3.7. Auf die Ausführungen der Revision, wonach eine Haftung des Treugebers für die Stammeinlage eine höchstpersönliche Verpflichtung und daher unvererblich sei, muss nicht mehr eingegangen werden.

[21] 4. Eine Restgesellschaft in Form einer Offenen Gesellschaft nach Löschung der M Ltd aus dem englischen Register besteht nicht:

[22] 4.1. Erfolgte kein Heimfall an die englische Krone und war auch keine Wiedereintragung im Heimatregister zu erreichen, wurde das in Österreich gelegene Vermögen einer vor dem Brexit gelöschten Limited, die damit ihre Rechtsfähigkeit verloren hat, einer mit der gelöschten Limited nicht identen österreichischen juristischen Person („Restgesellschaft“) zugewiesen (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.6.]), um das etwa bei Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht sachgerechte Ergebnis zu vermeiden, dass die Gesellschafter (anders als die Gesellschafter der Limited) unbeschränkt als Gesamtschuldner für die Gesellschaftsschulden haften (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.8.]). Auf diese „Restgesellschaft“ sind die Normen der Nachtragsliquidation für die GmbH analog anzuwenden (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.8.]). Aus den Bestimmungen des UGB über die Haftung der Gesellschafter einer OG ist für die Klägerin daher nichts zu gewinnen.

[23] 4.2. Bestand im Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“) bereits eine solche inländische Restgesellschaft, deren Rechts- und Handlungsfähigkeit nach österreichischem Gesellschaftsrecht zu beurteilen war (6 Ob 178/14s [ErwGr 4.6.]), bliebe auch der Wegfall der Niederlassungsfreiheit durch den Brexit darauf ohne Einfluss. Zu einer Gesamtrechtsnachfolge auf die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bildenden Gesellschafter (oder den Alleingesellschafter) käme es lediglich bei einer im Zeitpunkt des Brexit existenten englischen Limited mit Verwaltungssitz im Inland (vgl 9 Ob 74/21d; 10 Ob 41/21h; RS0134015). Das ist hier aber nicht der Fall.

[24] 5. Ob nach den weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen eine Haftung der Beklagten besteht, kann noch nicht beurteilt werden:

[25] 5.1.1. Auch Fragen der Erhaltung des Gesellschaftskapitals der M GmbH, etwa der Einlagenrückgewähr, unterfallen dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I‑VO und unterliegen daher dem Gesellschaftsstatut (17 Ob 12/21w [ErwGr 5.1. f]; 9 Ob 68/13k [ErwGr III 1.6.]). Sie sind nach inländischem Recht zu beurteilen (vgl auch 6 Ob 220/20a [ErwGr 2.2.]).

[26] 5.1.2. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind grundsätzlich die Gesellschaft und die Gesellschafter. Dritte sind in der Regel nur bei Kollusion oder grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig (RS0105536). Verboten sind auch – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – auf Veranlassung eines Gesellschafters vorgenommene Zuwendungen der Gesellschaft an einen dem Gesellschafter nahestehenden Dritten, so etwa nahe Angehörige, zumal die Zuwendungen dann wirtschaftlich gesehen dem Gesellschafter selbst zukommen (6 Ob 114/17h [ErwGr 1.3.]). Dies gilt jedenfalls für den Ehegatten des Gesellschafters (6 Ob 195/18x [ErwGr 2.2.]). Neben dem (unmittelbaren) Gesellschafter sind nach der Rechtsprechung sowohl der Treugeber des Gesellschafters (1 Ob 719/78) als auch der mittelbare Gesellschafter (6 Ob 21/20m) Adressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr.

[27] Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall W* K* als Verbotsadressat zu qualifizieren und werden Zuwendungen der M GmbH an seine Ehegattin, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, vom Verbot erfasst.

[28] 5.1.3. Nach dem klägerischen Vorbringen läge daher eine Einlagenrückgewähr vor. Eine solche könnte aber auch gegeben sein, wenn sich eine allfällige Gegenleistung bzw die behauptete Gegenverrechnung mit Provisionsansprüchen nicht als ausreichend werthaltig erweist und das Geschäft dem Fremdvergleich nicht standhielte (vgl 6 Ob 89/21p [ErwGr 3.1.]; 6 Ob 232/16k [ErwGr 1.3. f]).

[29] 5.1.4. Ausgehend von der vom Revisionsgericht nicht geteilten Rechtsansicht der Vorinstanzen, wurden zum diesbezüglichen Vorbringen keine Feststellungen getroffen. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht diese Feststellungen nachzuholen haben.

[30] 5.2.1. Das Erstgericht ging offenbar davon aus, dass die vom Geschäftskonto der M Ltd erfolgte (teilweise) Zahlung der Stammeinlage der M GmbH aus dem Vermögen der M Ltd erfolgte. Ob W* K* selbst Gesellschafter der M Ltd war, ist noch nicht abschließend geklärt. Das wurde zwar vom Erstgericht entsprechend dem zunächst übereinstimmenden Vorbringen der Parteien als unstrittig festgehalten. In der Folge behauptete die Klägerin allerdings, dass dessen Geschäftsanteil an der M Ltd treuhändig von der S* Ltd gehalten worden sei. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wählten W* K* und J* P* schon betreffend die M Ltd eine „Treuhandkonstruktion“ und waren sie „wirtschaftliche“ Eigentümer der M Ltd. Das Berufungsgericht und auch die Revision gehen davon aus, dass die M Ltd mittels einer Treuhandkonstruktion gegründet worden sei. Vor diesem Hintergrund ist aus der bloßen Behauptung, W* K* habe das Geschäftskonto der M Ltd auch zu privaten Zwecken verwendet, nicht abzuleiten, aus welchem Rechtsgrund dadurch eine Haftung der Beklagten für die hier geltend gemachte Verbindlichkeit der M Ltd bestehen soll. Im fortgesetzten Verfahren wird diese behauptete Anspruchsgrundlage ebenso zu erörtern sein wie deren kollisionsrechtliche Anknüpfung, und die Klägerin wird ihr Vorbringen dementsprechend zu konkretisieren haben.

[31] 5.2.2. Bisher ist auch unklar geblieben, ob die Klägerin mit ihrem (rudimentären) Vorbringen zum Abwerben von Kunden der M GmbH durch W* K*das Klagebegehren auch auf Schadenersatz stützen will. Feststellungen dazu wurden ebenfalls nicht getroffen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht auch dies mit der Klägerin zu erörtern haben. Sollte ein solcher Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden, wird die Klägerin aufzufordern sein, konkretes Vorbringen zu erstatten, aus dem sich ein solcher Anspruch (auch ziffernmäßig) ableiten lässt.

[32] 5.2.3. Allenfalls werden in der Folge diesbezügliche Feststellungen zu treffen und auch diese Anspruchsgrundlagen zu beurteilen sein.

[33] 5.3. Aus den angeführten Gründen erweisen sich die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung als unvermeidlich.

[34] 6. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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