OGH 1Ob719/78

OGH1Ob719/7825.10.1978

SZ 51/148

Normen

Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §82 Abs1
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §82
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §82 Abs1
Gesellschaft-mit-beschränkter-Haftungs-Gesetz §82

 

Spruch:

Eine Verpflichtung der Gesellschaft mbH zur Ausschüttung von Gewinn ohne Rücksicht darauf, ob ein solcher bilanzmäßig ausgewiesen ist, widerstreitet der zwingenden Norm des § 82 Abs. 1 GmbHG und ist daher ohne rechtliche Wirkung

OGH 25. Oktober 1978, 1 Ob 719/78 (OLG Wien 1 R 73/78; HG Wien 22 Cg 1022/77)

Text

Mit Notariatsakt vom 5. April 1973 errichteten Ing. Josef K und Dr. Gustav A eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma der beklagten Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien; diese Firma ist im Handelsregister Wien zu HRB 14 977 eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Beteiligung an Unternehmen für die Erzeugung von Metallfenstern und Metalltüren. Ing. Josef K und Dr. Gustav A übernahmen und leisteten je eine Stammeinlage von 50 000 S. Dr. Gustav A übte seine Gesellschaftsrechte nur als Treuhänder der Klägerin aus.

Die Klägerin begehrt einen Betrag von 118 300 S samt Anhang mit der Begründung, sie übe seit Bestehen der Beklagten ihre Gesellschaftsrechte insofern aus, als sie vereinbarungsgemäß von der beklagten Gesellschaft m.b.H. unabhängig von der Ertragslage vierzehnmal jährlich einen monatlich garantierten Gewinn bezogen habe, der "derzeit" monatlich 16 900 S betrage. Dies gehe auf eine im September 1973 zwischen den Gesellschaftern getroffene Vereinbarung zurück, wonach sie als Gesellschafterin die Hälfte des vom Geschäftsführer und Gesellschafter Ing. Josef K bezogenen garantierten Gewinnes erhalten solle. Mit Schreiben vom 1. Juli 1977 habe Ing. Josef K die Zahlung dieses garantierten Gewinnes ab 1. Juli 1977 verweigert. Darin liege ein grober Mißbrauch seiner Position als Geschäftsführer.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, die Klägerin behaupte gar nicht, das Entgelt für irgendwelche Leistungen zu beanspruchen, sondern begehre einen garantierten Gewinn; sie bringe zum Ausdruck, daß sie diese Zahlungen ohne Rücksicht darauf begehre, ob überhaupt ein Reingewinn erzielt worden sei. Sie behaupte auch nicht, daß ihr der begehrte Gewinn auf Grund einer bestimmten Jahresbilanz zustehe, sondern berufe sich ausschließlich auf eine Vereinbarung mit dem Mitgesellschafter Ing. Josef K. Vereinbarungen dieser Art seien aber gemäß § 82 GmbHG nichtig.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was zunächst den geltend gemachten Rechtsgrund der Klage betrifft, so ist davon auszugehen, daß gemäß § 226 Abs. 1 ZPO in der Klage die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers grundet, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben sind. Dieses Tatsachenvorbringen in der Klage ist der Klagsgrund (SZ 46/109; SZ 44/21 u. a.). Geht aus dem Klagsvorbringen hervor, daß der Kläger den von ihm vorgetragenen Sachverhalt rechtlich unrichtig qualifizierte, schließt dies noch nicht die Notwendigkeit der Prüfung aus, ob der geltend gemachte Anspruch bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts nicht doch begrundet wäre (JBl. 1975, 34 u. a.). Das Gericht ist jedoch nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (§ 405 ZPO). Das Gericht darf daher auch die Tatsachen nicht völlig selbständig sammeln und daraus Schlüsse ziehen (1 Ob 746/76; 1 Ob 6/70). Allein das Vorbringen des Klägers ergibt das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist (Fasching III, 20 und 36). Die Klage und das sonstige Vorbringen des Klägers muß also so viel an rechtserzeugenden Tatsachen enthalten, daß der geltend gemachte Anspruch auf Grund dieser Tatsachen substantiiert erscheint (JBl. 1974, 46 u. a.). Die Klägerin legte nun ihren Prozeßstandpunkt eindeutig durch ihr Tatsachenvorbringen klar, daß ihr vereinbarungsgemäß unabhängig von der Ertragslage der beklagten Partei ein garantierter Gewinn zustehe.

Geht man davon aus, so steht dem Begehren der Klägerin, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, die Bestimmung des § 82 GmbHG entgegen. Nach dieser Gesetzesbestimmung haben die Gesellschafter, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach der jährlichen Bilanz als Überschuß der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Reingewinn, sofern dieser nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist. An die Gesellschafter dürfen daher nur Bilanzgewinne ausgeschüttet werden. Darüber hinaus sind Zahlungen nur zulässig, soweit sie im Gesetz Deckung finden (vgl. §§ 54, 74 GmbHG). Gesellschafter, zu deren Gunsten gegen die Vorschriften des Gesetzes Zahlungen geleistet werden, sind gemäß § 83 Abs. 1 GmbHG der Gesellschaft zum Rückersatz verpflichtet. Wird durch die Zahlung das Stammkapital vermindert und ist der Rückersatz weder von den Empfängern noch den Geschäftsführern zu erhalten, so sind für den Abgang am Stammkapital gemäß § 83 Abs. 2 GmbHG die Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Stammeinlagen verpflichtet. Im Hinblick auf diese Gesetzeslage vertritt Gellis, Kommentar, 248 f., zutreffend den Standpunkt, daß jede Zahlung an Gesellschafter verboten ist, es sei denn für vollbrachte Leistungen oder wo das Gesetz dies ausdrücklich gestattet; jede Zahlung ohne legitimen Titel sei verboten und falle unter die Bestimmung des § 83 Abs. 1 GmbHG. Es ist in der Rechtsprechung und Literatur auch anerkannt, daß der Norm des § 82 Abs. 1 GmbHG zwingender Charakter zukommt (HS 2260), so daß Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder Gesellschafterbeschlüsse, die dieser Bestimmung widerstreiten, ohne rechtliche Wirkung sind (Gellis a. a. O., 144, 252). Eine Gewinnbezugsgarantie, also die Verpflichtung der Gesellschaft zur Ausschüttung von Gewinn ohne Rücksicht darauf, ob ein solcher bilanzmäßig ausgewiesen ist, widerstreitet der zwingenden Norm des § 82 Abs. 1 GmbHG und ist daher ohne rechtliche Wirkung (Gellis a. a. O., 249 f.). Ob Vorauszahlungen auf den bilanzmäßig auszuweisenden Reingewinn zulässig sind (vgl. hiezu MGA HGB[26], § 82/2 und HS 2259), kann dahingestellt bleiben, weil ein solcher Anspruch nicht erhoben wurde.

Aus den Bestimmungen des deutschen GmbH-Gesetzes kann für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden. Schon in HS 2259 und 2260 wurde darauf verwiesen, daß die Bestimmung des § 82 GmbHG (im Interesse des Schutzes der Gesellschaftsgläubiger) strenger gefaßt ist als die vergleichbaren Bestimmungen der §§ 29 und 30 dGmbHG. Auf die unterschiedliche Gesetzeslage weist neuerdings auch Doralt in Kastner - Stoll, GmbH und Co. KG[2], 315, hin. Dieser Autor führt zutreffend aus, daß § 30d GmbHG nur solche Zahlungen erfasse, die das Stammkapital schmälern, wogegen das österreichische Recht jede Art der verdeckten Gewinnausschüttung, also insbesondere auch eine solche verbietet, die aus Reserven der Gesellschaft abgedeckt werden kann. Nach deutschem Recht ist also zu prüfen, ob durch die Leistung der Gesellschaft m.b.H. an ihre Gesellschafter eine Schmälerung des Stammkapitals eintritt, wogegen dies nach österreichischem Recht für die Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen Leistung irrelevant ist; die Schmälerung des Stammkapitals hat nach österreichischem Recht nur für die Haftung der Mitgesellschafter des Empfängers Bedeutung (§ 83 Abs. 2 GmbHG). Die Rechtsmeinung, die Gesellschafter könnten jede Vereinbarung treffen, welche nicht die Rückzahlung des tatsächlich wohlverwahrten Stammkapitals trifft, ist daher für das österreichische Recht unzutreffend. Wenn daher auch in der neueren deutschen Literatur gelegentlich eine Gewinnbezugsgarantie für rechtswirksam erachtet wird, sofern nur nicht bei entsprechenden Auszahlungen das Stammkapital angegriffen wird (Goerdeler - Müller in Hachenburg, GmbHG[7] § 29, Randziffer 94), ist hieraus für das strengere österreichische Recht nichts zu gewinnen. Der Meinung der Klägerin, § 82 GmbHG stehe der Auszahlung eines Gehalts nicht entgegen, ist zwar zu folgen(vgl. Gellis a. a. O., 248), doch hat die Klägerin - wie bereits ausgeführt - die Meinung, es handle sich bei den von ihr geforderten Beträgen um Gehaltsbezüge, im Verfahren erster Instanz strikt abgelehnt und sich darauf gestützt, daß sie eine garantierte Gewinnzahlung fordere.

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