European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E116831
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die D* Gesellschaft mbH & Co KG ist zu 99,5 % Gesellschafterin der Klägerin. Die Beklagte erwarb mit Kaufvertrag vom 11. 5. bzw 9. 6. 2010 das neugebildete Grundstück * EZ * KG * und ist seither grundbücherliche Eigentümerin dieser Immobilie. Die Klägerin als Mieterin und die Beklagte als Vermieterin schlossen am 17. 5. und am 1. 6. 2010 einen Mietvertrag über das betreffende Grundstück ab. Die D* Gesellschaft mbH & Co KG räumte der Beklagten in Ansehung des Grundstücks ein Andienungsrecht ein. Weiters gab die D* Gesellschaft mbH & Co KG am 17. 5. 2010 zur Sicherstellung aller Ansprüche der Beklagten im Zusammenhang mit dem von der Beklagten mit der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrag eine Garantieerklärung gegenüber der Beklagten ab. Demnach verpflichtet sich die D* Gesellschaft mbH & Co KG dazu, ein Sparbuch mit einem Einlagestand in Höhe von 150.000 EUR zugunsten der Beklagten zu verpfänden und zusätzliche Ansparleistungen in Höhe von monatlich 2.000 EUR beginnend mit 1. 1. 2011 zu erbringen. Auch diese zusätzlichen Ansparleistungen waren zugunsten der Beklagten zu verpfänden.
Am 22. 12. 2010 schlossen die D* Gesellschaft mbH & Co KG und die Klägerin einen Treuhandvertrag ab, in welchem vereinbart wurde, dass die Klägerin das von der Beklagten gemietete Grundstück zwar im eigenen Namen, aber nicht auf eigene Rechnung erworben habe und die D* Gesellschaft mbH & Co KG der Klägerin alle Kosten und Aufwendungen zu ersetzen habe, die der Klägerin aus dem Mietverhältnis und aus dem Treuhandverhältnis erwachsen werden. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die D* Gesellschaft mbH & Co KG hatte diese der Klägerin die monatlichen Mietzahlungen an die Beklagte refundiert. Die Miete wurde mit 2.562,84 EUR zuzüglich Neben‑ und Betriebskosten vereinbart.
Die Klägerin begehrt gestützt auf verbotene Einlagenrückgewähr die Feststellung, dass der Mietvertrag und das Andienungsrecht rechtsunwirksam seien. Weiters begehrt die klagende Partei die Zahlung von 189.856,85 EUR sA sowie, die Beklagte zur Übernahme des Grundstücks zu verpflichten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege kein Vermögenstransfer zwischen der Klägerin und ihrer Gesellschafterin vor, dem keine oder eine zu geringe Gegenleistung gegenüberstehen würde. Dass mit der gewählten Vertragskonstruktion die Klägerin das Insolvenzrisiko der D* Gesellschaft mbH & Co KG übernommen haben möge, stelle allenfalls ein Motiv für den Vertragsabschluss dar, bedeute für sich allein genommen jedoch noch keinen Vermögenstransfer.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Kapitalerhaltungsvorschriften unter anderem des § 82 Abs 1 GmbHG sollten nach ihrem Sinn und Zweck jede Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstehe und die wirtschaftlich das Vermögen verringert. Nach dem Vorbringen der Klägerin ging es im vorliegenden Fall allein darum, ihrer 99,5 % Gesellschafterin, der D* Gesellschaft mbH & Co KG, die Nutzung der Liegenschaft zu ermöglichen. Als der von ihrer Gesellschafterin bereits abgeschlossene Kaufvertrag nach Beendigung des Umwidmungsverfahrens wirksam geworden war, sei wegen deren inzwischen schlechten Bonität niemand mehr bereit gewesen, den Kaufpreis zu finanzieren oder ihr die Liegenschaft über einen Leasingvertrag zur Verfügung zu stellen. Auch die Beklagte habe ein Vertragsverhältnis mit der D* Gesellschaft mbH & Co KG wegen ihrer schlechten Bonität abgelehnt. Die Anmietung durch die Klägerin habe daher den alleinigen Zweck gehabt, der Beklagten das Risiko einer Insolvenz der D* Gesellschaft mbH & Co KG abzunehmen und auf die Klägerin zu verlagern. Ein eigenes Interesse an der Liegenschaft habe die Klägerin nie gehabt. Die gesamte Vertragsgestaltung sei im Einvernehmen mit der Beklagten erfolgt bzw von der Beklagten sogar ausgearbeitet worden, weshalb die Nichtigkeit der Vereinbarungen ihr gegenüber auch geltend gemacht werden könne.
Ausgehend von diesem Vorbringen würde die Anmietung durch die Klägerin und auch die Vereinbarung des Andienungsrechts dem Verbot der Einlagenrückgewähr widersprechen, weil allein durch eine solche Risikoübernahme das Vermögen der Gesellschaft zugunsten ihrer Gesellschafterin potentiell verringert werde. Daran ändere auch nichts, dass sich die Tochtergesellschaft im Treuhandvertrag verpflichtet habe, der Klägerin sämtliche Kosten und Verbindlichkeiten, die ihr aus dem Mietvertrag erwachsen, zu ersetzen und sie schad‑ und klagslos zu halten. Auch der Umstand, dass die D* Gesellschaft mbH & Co KG eine Sicherheit stellte, vermochte nicht zu verhindern, dass das Restrisiko eines darüber hinausgehenden Mietausfalls dennoch bei der Klägerin verblieb.
Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die Beweise zum Klagsvorbringen, soweit dieses bestritten sei, und zu den Einwendungen der Beklagten aufzunehmen haben und sodann eine neuerliche Entscheidung zu treffen haben.
Der Rekurs sei gemäß § 519 Abs 2 ZPO zuzulassen, weil die vorliegende Konstellation von den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zwar tendenziell erfasst sei, eine zweifelsfreie einschlägige Judikatur jedoch nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1.1. Das Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst alle Geschäfte, die einem Fremdvergleich nicht standhalten, dh die nicht oder nicht so geschlossen worden wären, wenn kein Gesellschafter daraus seinen Vorteil zöge (RIS‑Justiz RS0105540). Unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fallen nicht nur offene Barzahlungen an die Gesellschafter, sondern auch im Gewand anderer Rechtsgeschäfte erfolgte verdeckte Leistungen (RIS‑Justiz RS0105540 [T3]).
1.2. Die Kapitalerhaltungsvorschriften sollen nach ihrem Sinn und Zweck jede (unmittelbare oder mittelbare) Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Vermögen der Gesellschaft verringert. Darunter fallen Zuwendungen oder Vergünstigungen aller Art ohne Rücksicht darauf, ob sie in der Handelsbilanz der Gesellschaft (oder des Gesellschafters) einen Niederschlag finden (RIS‑Justiz RS0105532). Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zu Lasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt (RIS‑Justiz RS0105532 [T8]). Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen (RIS‑Justiz RS0105532 [T11]).
1.3. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften kann auch in der Bestellung von Sicherheiten für Dritte am Gesellschaftsvermögen oder an Teilen davon für Forderungen gegen Gesellschafter liegen. Die Bestellung einer Sicherheit für eine Schuld des Gesellschafters ist zulässig, wenn die Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung erhält, wie sie bei vergleichbaren Bankgeschäften üblich ist (RIS‑Justiz RS0105534). Dabei hat der erkennende Senat jedoch darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung, ob eine Kreditgewährung oder eine Sicherheitenbestellung gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, nicht nur auf die konkreten Konditionen abzustellen ist, sondern auch zu prüfen ist, ob das betreffende Geschäft mit Außenstehenden überhaupt geschlossen worden wäre (6 Ob 110/12p).
1.4. Verstößt ein Geschäft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, ist es nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig (RIS‑Justiz RS0105535; RS0117033 [T2]).
1.5. Eine verdeckte Einlagenrückgewähr kann im Einzelfall damit gerechtfertigt werden, dass besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft vorliegen, wenn dies nach der Formel des Fremdvergleichs dahin gedeckt ist, dass das Geschäft, das mangels objektiver Wertäquivalenz ein Vermögensopfer der Gesellschaft bedeutet, auch mit einem Außenstehenden geschlossen worden wäre (RIS‑Justiz RS0105540 [T4]).
2.1. Im vorliegenden Fall liegt die Leistung, die die Klägerin für ihre Gesellschafterin erbracht hat, nach dem Klagsvorbringen darin, dass sie dieser die Nutzung einer Liegenschaft ermöglicht hat, da die GmbH & Co KG allein dazu aufgrund ihrer schlechten Bonität nicht in der Lage gewesen wäre. Die GmbH & Co KG hat damit die von der Klägerin angemietete Liegenschaft für ihre eigenen Zwecke in Anspruch nehmen können und dafür der Klägerin jene Aufwendungen ersetzt, die diese wiederum gegenüber der Beklagten hatte. Diesbezüglich entspricht es herrschender Meinung im Schrifttum, dass auch die Inanspruchnahme von Unternehmensvermögen oder ‑leistungen eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellen kann, wenn keine entsprechende Gegenleistung erfolgt (Bauer/Zehetner in Straube, Wiener Kommentar GmbHG § 82 Rz 67).
2.2. Die unangemessen gering verrechnete Überlassung von Sachen an den Gesellschafter kann eine verbotene Einlagenrückgewähr darstellen (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/416).
2.3. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr erblickte, so ist dies aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Nach dem Vorbringen wurde es der GmbH & Co KG erst aufgrund der gewählten Konstruktion möglich, die gegenständliche Liegenschaft unter Konditionen zu nützen, die ihr sonst, also ohne Zwischenschaltung der Klägerin, nicht gewährt worden wären. Dass die Klägerin einer beliebigen anderen Gesellschaft ebenfalls die Nutzung der Liegenschaft zu denselben Konditionen ermöglicht hätte, die nicht an ihr maßgeblich beteiligt sind, ist nicht anzunehmen.
3.1. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (vgl RIS‑Justiz RS0105532 [T11]), weist der vorliegende Sachverhalt Ähnlichkeiten zu den Fällen auf, in denen die Gesellschaft für einen Kredit des Gesellschafters eine Sicherheit bestellte (vgl dazu 7 Ob 35/10b; Artmann in Jarbornegg/Strasser, AktG I5 § 52 Rz 18 f; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 62 ff), weil nach dem Klagsvorbringen offenbar erst der Umstand, dass nicht die GmbH & Co KG selbst, sondern die Klägerin die Liegenschaft angemietet hat, der GmbH & Co KG die Nutzung ermöglicht haben soll. Die Gegenleistung der GmbH & Co KG für die Klägerin bestand nach dem Klagsvorbringen im Wesentlichen offenbar bloß in der Übernahme der Aufwendungen und Kosten, sodass die Klägerin das Grundstück an ihre Gesellschafterin gewissermaßen „zum Selbstkostenpreis“ überlassen hat. Gerade der Umstand, dass die GmbH & Co KG die Liegenschaft bei der beklagten Partei aufgrund ihrer schlechten Bonität nicht direkt anmieten konnte, spricht dafür, dass die Konditionen, die ihr die Klägerin gewährt hat, eben nicht fremdüblich waren. Der Nachteil aus dem Geschäft für die Klägerin ist evident, weil die Klägerin im Mietvertrag für zehn Jahre auf eine Kündigung verzichtet hat. Damit bestand von vornherein das Risiko, dass die Klägerin im Außenverhältnis weiter für die Mietzinse haftete, obwohl sie von ihrer Gesellschafterin keinen Ersatz für ihre Aufwendungen mehr erhalten konnte, wenn diese insolvent wird. Dieses Risiko hat sich zwischenzeitlich auch tatsächlich verwirklicht.
3.2. Konkrete Vorteile für die Gesellschaft aus der gewählten Konstruktion sind nicht ersichtlich (vgl zum vergleichbaren Problem bei der Sicherheitenbestellung Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 82 Rz 17a).
3.3. Entscheidend ist, ob ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer die Sicherheit auch für einen Dritten gestellt hätte (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/417 mwN). Auch bei der Kreditgewährung an einen Gesellschafter muss der Zinssatz stets dem Risiko angemessen sein, das der Gesellschaft aus der Kreditvergabe entsteht (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/416 mwN).
3.4. Im Hinblick auf das dargelegte, der gewählten Vorgangsweise immanente Risiko ändert auch der Umstand nichts, dass die GmbH & Co KG der Klägerin eine Garantieerklärung für die Verbindlichkeiten gegeben hat. Auch insoweit kann auf die herrschende Auffassung zu den Anforderungen an die Qualität des Regressanspruchs gegenüber dem Gesellschafter bei Bestellung einer Sicherheit für einen Gesellschafterkredit durch die Gesellschaft verwiesen werden. Diesbezüglich sind hohe Anforderungen zu stellen; der Regressanspruch muss einer dinglichen Sicherheit gleichkommen (Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 52 Rz 68 f).
4.1. Wenngleich das Verbot der Einlagenrückgewähr sich in erster Linie an die Gesellschaft richtet, kann es auch einem Dritten entgegengehalten werden, wenn dieser entweder kollusiv gehandelt hat oder wenn sich eben der Missbrauch, dh der Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, geradezu „aufdrängen“ musste, er sohin grob fahrlässig gehandelt hat oder sogar positive Kenntnis hatte (RIS‑Justiz RS0105536 [T2, T4]; RS0105537; Nowotny aaO Rz 4/427; Bauer/Zehetner in Straube, Wiener Kommentar GmbHG § 82 Rz 88).
4.2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin vorgebracht, dass ausgehend von der schlechten Bonität der Gesellschafterin die gesamte Vertragsgestaltung im Einvernehmen mit der Beklagten erfolgt sei bzw sogar von der Beklagten vorgenommen wurde, weshalb die Nichtigkeit ihr gegenüber auch geltend gemacht werden könnte. Damit ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zutreffend, dass die Nichtigkeit – sofern sich das diesbezügliche Vorbringen der klagenden Partei als wahr erweist – auch auf die Beklagte durchschlägt, weil diese dann vom Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr sogar positive Kenntnis hatte, sich ihr der diesbezügliche Verdacht aber zumindest offenbar aufdrängen musste.
Der vorliegende Fall ist daher anhand der bereits vorliegenden, gesicherten Rechtsprechung zweifelsfrei zu lösen, sodass der Rekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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