OGH 6Ob191/22i

OGH6Ob191/22i21.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K*gesellschaft mbH, *, 2. R* Gesellschaft mbH, *, 3. S*, alle vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Z* GmbH, 2. Dr. T* W*, beide *, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs, Feststellung und 25.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2022, GZ 3 R 86/22x‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00191.22I.1221.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Aktenwidrigkeit und die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor:

[2] 1.1. Dass das Berufungsgericht den Inhalt des unstrittig echten, überdies ohnehin von den Klägern vorgelegten Urkundenkonvoluts Beil ./O seiner Beurteilung zugrunde legte, ist nicht zu beanstanden (6 Ob 41/21a [ErwGr 4.]; RS0121557 [T3]). Weshalb sich aus diesem Konvolut entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ergeben soll, dass jene (anderen) Medien, die (auch) die hier inkriminierten, im Online-Medium der Erstbeklagten veröffentlichten Artikel zum Anlass für ihre eigene Berichterstattung nahmen, lediglich „im Konjunktiv“ über eine Verdachtslage berichteten, legt die Revision nicht dar.

[3] 1.2. Das Berufungsgericht hat unter Heranziehung des Inhalts dieses Urkundenkonvoluts die auf dieses Bezug nehmenden erstinstanzlichen Feststellungen einzelfallbezogen dahin ausgelegt (vgl RS0118891 [T4, T5]), dass jene (anderen) Medien, die die hier inkriminierten Artikel „aufgegriffen“ haben, die darin enthaltenen Vorwürfe nicht wiederholt, sondern lediglich über einen (aufgrund der „Chat“-Nachricht tatsächlich vorliegenden) Verdacht berichtet haben. Damit hat es den ihm obliegenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

[4] 2. Ausgehend von dieser Beurteilung ist die von der Revision herangezogene Rechtsprechung zum Gebot der Zurücknahme einer kreditschädigenden Behauptung in gleich wirksamer Form wie die Verbreitung (RS0004655) sowie zu einer Weiterverbreitung von auf einer Pressekonferenz getätigten Äußerungen (6 Ob 188/19v)nicht einschlägig. Ein Abweichen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zeigt die Revision damit nicht auf.

[5] 3. § 1330 ABGB ist jene Norm, die im Zusammenhang mit dem Recht auf Ehre § 16 ABGB konkretisiert (6 Ob 40/09i [ErwGr 1.2.]). Es entspricht dabei gefestigter Rechtsprechung, dass nach § 1330 ABGB ein immaterieller (ideeller) Schaden nicht ersatzfähig ist (6 Ob 283/01p; 6 Ob 135/97i; 6 Ob 37/95).Davon ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Ob die hier inkriminierten Äußerungen im Sinne des Vorwurfs einer strafbaren Handlung nicht nur kreditschädigend, sondern auch ehrenrührig iSd § 1330 Abs 1 ABGB waren (vgl 6 Ob 135/20a [ErwGr 1.1.]), kann somit dahinstehen.

[6] 4.1. Soweit ein Schaden bereits eingetreten ist, besteht für ein Feststellungsbegehren grundsätzlich kein Raum, weil diesbezüglich bereits eine Leistungsklage erhoben werden könnte (6 Ob 192/21k [ErwGr 6.2.]; RS0038849). Voraussetzung für ein Feststellungsbegehren ist, dass die klagende Partei ihr Feststellungsinteresse begründet und darlegt, weshalb ihr die an sich mögliche Leistungsklage im konkreten Fall nicht zumutbar ist oder welche derzeit noch nicht bekannten künftigen Schäden ihr aus dem Anlassfall erwachsen könnten (RS0127761 [T1]; vgl RS0038949).

[7] 4.2. Die Auslegung des Prozessvorbringens ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828; vgl auch RS0113563) und stellt, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0042828 [T23]). Auch die Frage, ob das Prozessvorbringen einer Partei so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalls (6 Ob 135/20a [ErwGr 2.4.]; RS0044273 [T59]).

[8] 4.3. Nach dem Vorbringen der Drittklägerin ist es aufgrund der inkriminierten Artikel der Beklagten zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen und zur Absage von Bewerbungsgesprächen gekommen. Weshalb die Drittklägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts den daraus entstandenen Vermögensschaden nicht bereits beziffern und mit Leistungsklage geltend machen hätte können, legt die Revision jedoch nicht schlüssig dar.

[9] 4.4. Welche allfälligen künftigen Vermögensschäden möglich seien, hat die Drittklägerin weder in erster Instanz noch in ihrer Revision behauptet und ihr Klagebegehren auf die Feststellung der Haftung „für alle ihr durch die Verbreitung des Artikels […] zugefügten Schäden“ gerichtet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, vom Begehren der Drittklägerin seien im vorliegenden Fall nicht auch allfällige, ihr künftig erwachsende Vermögensschäden mit umfasst, stellt keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

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