OGH 4Ob177/22s

OGH4Ob177/22s20.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka und Dr. Annerl sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Ernst Ortenburger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Mag. Wolfgang Andreas Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR sA, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 47.500 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. August 2022, GZ 4 R 78/22b‑20, mit dem die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Sankt Pölten als Handelsgericht vom 1. April 2022, GZ 3 Cg 31/22k‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00177.22S.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der beklagten Partei werde zur Sicherstellung des mit Klage geltend gemachten Anspruches auf das Unterbleiben wettbewerbswidriger Handlungen, insb von Kennzeichenverletzungen aufgetragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Kennzeichen, das Firmenlogo oder die Firmenbezeichnung 'R*', 'R*',

 

oder ein anderes verwechslungsfähiges ähnliches Kennzeichen/Zeichen/Bezeichnung zu verwenden oder verwenden zu lassen, insbesondere zur Kennzeichnung und Bewerbung ihrer Produkte und Dienstleistungen und/oder als Teil einer Internet-Domain, zum Beispiel www.r*.at, www.r*.at, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.488,60 EUR (darin 248,10 EUR USt) bestimmten Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei hat ihre eigenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.754,24 EUR (darin 680,79 EUR USt und 2.669,50 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Beide Parteien sind im selben Geschäftszweig tätig. Der frühere (bis Juni 2021) Alleineigentümer und -geschäftsführer der Klägerin hält einen 5,98 %‑Anteil an der Beklagten, deren Geschäftsführer er bis Mai 2021 war.

[2] Im Juni 2021 wurden die Geschäftsanteile der – damals als S* GmbH firmierenden – Klägerin an den nunmehrigen Alleineigentümer und ‑geschäftsführer abgetreten, der umgehend die Umbenennung der Klägerin auf die aktuelle Firma R* GmbH durchführte. Kurz vor Abtretung hatte der nunmehrige Eigentümer und Geschäftsführer der Klägerin am 7. 6. 2021 beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum folgende Unions-Wort-Bild-Marke (mit ihrem Firmenkern als Wortbestandteil) registrieren lassen, die seither im Geschäftsbetrieb der Klägerin verwendet wird:

 

 

[3] Die 88,09 %-Mehrheitseigentümerin und Geschäftsführerin der Beklagten ist die Lebensgefährtin des nunmehrigen Beklagtenvertreters, für den seit 15. 7. 2021 beim Österreichischen Patentamt folgende Wort-Bild-Marke registriert ist (welche ebenfalls, groß geschrieben, den Firmenkern der Klägerin als einen Wortbestandteil enthält):

 

[4] Die Klägerin arbeitete nach der Abtretung im Juni 2021 mit ihrem ehemaligen Eigentümer und dessen Unternehmungen bis Dezember 2021 eng zusammen, bis es zu einem persönlichen Zerwürfnis zwischen diesem und dem nunmehrigen Eigentümer kam.

[5] Aufgrund des anfangs guten Verhältnisses registrierte der scheidende Eigentümer für die Klägerin im Juni 2021 die von der Klägerin für ihren Geschäftsbetrieb genutzte, ihren Firmenkern enthaltende Domain www.r*.at, wobei die Klägerin sämtliche Kosten für die Domain (Serverhosting, Jahresgebühr etc) trug.

[6] „Infolge des Zerwürfnisses“ hatte die Klägerin ab Dezember 2021 keinen Zugriff mehr auf die Domain- und Mailserverzugangsdaten.

[7] Sucht man mit Google nach dem Begriff „R*“ [= Wortbestandteil der Marke und Firmenkern der Klägerin] lautet der erste Vorschlag „R* G* GmbH * [= Firma und Adresse der Beklagten]“. Klickt man darauf, öffnet sich auf der rechten Seite ein Fenster mit „R*“ [= Wortbestandteil der Marke und Firmenkern der Klägerin], dazu Firmenname und Adresse der Beklagten; ein beigefügtes Foto zeigt aber den Firmensitz der Klägerin.

[8] Das vom Beklagtenvertreter registrierte Markenlogo befand sich auch auf der Website www.r*.at, deren Adresse den Firmenkern der Klägerin enthält. Diese Website stammt nicht von der Klägerin. Auf dieser Website befanden sich Telefonnummer und eine Adresse der Beklagten in Wien, an der auch die Kanzlei des Beklagtenvertreters ihren Sitz hat.

[9] Die Klägerin begehrte die aus dem Spruch ersichtliche Unterlassung, Urteilsveröffentlichung sowie 10.000 EUR Schadenersatz. Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens begehrte sie eine – wortidente – einstweilige Verfügung. Die Beklagte verstoße gegen §§ 1, 2 und 9 sowie Anh Z 13 UWG, § 43 ABGB und § 37 UGB.

[10] Die Beklagte äußerte sich zum Sicherungsantrag dahin, dass sie nicht Eigentümerin, Inhaberin, Verwenderin oder irgendwie sonst Berechtigte der im Spruch genannten Domains und Websites sei und keine Verfügungsgewalt über diese habe. Die Klägerin sei schon nach eigenem Vorbringen markenrechtlich nicht aktiv legitimiert. Der frühere Eigentümer und Geschäftsführer der Klägerin sei nunmehr nur Zwerggesellschafter der Beklagten und übe keinerlei gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftliche oder sonst faktische Kontrolle über diese aus; inwiefern hier eine „Zurechnung“ zur Beklagten erfolgen können solle, bleibe völlig offen und nebulös. Die österreichische Wort-Bild-Marke sei auf den Beklagtenvertreter und nicht auf die Beklagte registriert. Die Übertragung von Geschäftsanteilen der Klägerin vom Juni 2021 sei ein – gerichtlich angefochtenes – Scheingeschäft und diene nur dazu, den Zugriff von Gläubigern, zu denen auch die Beklagte zähle, auf das Vermögen des früheren Eigentümers zu vereiteln.

[11] Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, die beklagte Partei gebe sich auf der Google-Seite im Business Account der „R* GmbH“ [= Firmenkern der Klägerin] unzulässigerweise als klagende Partei aus und erweckt damit gegenüber den allgemeinen Verkehrskreisen den falschen Anschein, als wäre sie die klagende Partei. Die klagende Partei habe der widerrechtlichen Verwendung ihrer Zeichen durch die beklagte Partei weder zugestimmt noch diese geduldet.

[12] Durch ihre Handlungen verletze die Beklagte das Ausschließlichkeitsrecht der Klägerin an ihrer Firma nach § 9 UWG. Die Beklagte nutze auch eine den Firmenkern der Klägerin enthaltende Website, was aufgrund der Gleichheit der Kennzeichen „frappante Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 MSchG“ begründe, die den Tatbestand des § 9 UWG erfülle. Die Geschäftspraktiken der Beklagten würden Verwechslungsgefahr mit einem Produkt, einer Dienstleistung und den Unternehmenskennzeichen der Klägerin erfüllen, was gemäß § 2 Abs 3 Z 1 UWG als irreführend gelte, da das Verhalten der Beklagten geeignet sei, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Durch das von der Beklagten gesetzte Verhalten beeinflusse sie geschäftliche Entscheidungen der beteiligten Verkehrskreise (Unternehmer wie Endverbraucher) durch Irreführung und verletze damit § 2 UWG. § 18 UWG regle die Passivlegitimation des Unternehmensinhabers im Fall einer Unterlassungs- und Schadenersatzklage; dieser hafte, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen worden sei, sofern der Wettbewerbsverstoß den Interessen des Unternehmensinhabers entspreche.

[13] Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es verwarf eine geltend gemachte Nichtigkeit, verneinte Verfahrensmängel und gab der Beweisrüge nicht Folge. Die Haftung der Beklagten nach § 18 UWG setze voraus, dass eine unlautere Handlung eines Dritten geschäftliche Interessen der Beklagten verfolge und, dass die Beklagte rechtlich die Möglichkeit habe, diese Handlung abzustellen. Der unterscheidungskräftige Firmenkern der Klägerin werde im geschäftlichen Verkehr zugunsten des Geschäftsbetriebs der Beklagten genützt. Diese Zeichenverwendung sei geeignet, iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG eine Verwechslungsgefahr mit der Klägerin herbeizuführen. Es sei zwar nicht festgestellt, welche natürliche Person diese irreführende Zeichenverwendung zum Nutzen der Beklagten im Internet durchgeführt oder veranlasst habe, und es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, dass ein Organ oder Repräsentant der Beklagten daran beteiligt gewesen wäre oder davon zumindest gewusst hätte. Die Rekurswerberin bestreite zudem weiterhin, selbst (durch ihre Organe oder Dienstnehmer) Zugriff oder Einfluss auf Domain, Website, Mailserver und den Google-Auftritt zu haben oder Betreiberin der Website zu sein. Auf all das komme es aber nicht an, weil die Beklagte auch für einen – ohne ihr Wissen – in ihrem Geschäftsinteresse handelnden Dritten (Dienstnehmer, Auftragnehmer, Geschäftspartner) hafte, wenn sie nur rechtlich die Möglichkeit habe, dessen Verhalten abzustellen. Aus dem Beschlusssachverhalt könne gefolgert werden, dass der frühere Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin den notwendigen Zugriff auf die Domain- und Mailserverzugangsdaten gehabt habe; in erster Instanz habe die Beklagte sogar ausdrücklich zugestanden, dass diesbezüglich nur jener der richtige Adressat sein könne. Ihrem nunmehrigen Argument, er sei ihr aufgrund seiner Beteiligung mit gerade 5,96 % und mangels wechselseitiger Einflussmöglichkeiten nicht zuzurechnen, sei nicht zu folgen. Es sei nicht maßgeblich, ob er auf das Unternehmen oder die Geschäfte der Beklagten Einfluss nehmen könne. Er unterliege als Minderheitsgesellschafter ebenso gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten gegenüber der beklagten Gesellschaft wie als ehemaliger Geschäftsführer. Diese Pflichten orientierten sich im Einzelfall an den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten. Aus dieser Treuepflicht ergebe sich positiv die Pflicht, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, und negativ die Pflicht, alles zu unterlassen, was dieses Interesse schädige. Rechtsverstöße, wozu auch lauterkeitswidrige Handlungen zählten, könnten, auch wenn sie geschäftliche Interessen der Gesellschaft förderten, nicht in deren Interesse liegen. Der Gesellschaft komme daher, wenn Gesellschafter oder ehemalige Geschäftsführer ein derartiges Verhalten in ihrem Interesse setzten, diesen gegenüber ein Anspruch auf Unterlassung zu, zumal dann, wenn eine Interessenabwägung ergebe, dass keine (gerechtfertigten) überwiegenden Eigeninteressen des Täters daran bestünden, wofür es hier keinerlei Anhaltspunkt gebe. Dasselbe gelte im Übrigen im Verhältnis der Beklagten zu ihrem bevollmächtigten Rechtsvertreter, das ebenfalls durch ein Nahe- und Vertrauensverhältnis geprägt sei, das die Auftrag- und Vollmachtgeberin berechtige, von jenem als Kennzeicheninhaber Abhilfe zu verlangen, wenn damit in ihrem Namen, hier unter Anführung ihrer Anschrift und Telefonnummer, in Kennzeichenrechte Dritter eingegriffen werde. Die Beklagte habe daher sehr wohl rechtlich die Möglichkeit, Abhilfe gegen die beanstandeten irreführenden Geschäftspraktiken zu schaffen, die, soweit erkennbar, nur ihr selbst geschäftlich nutzen würden, wobei es nicht schade, wenn diese auch noch eine andere Zielsetzung verfolgen würden.

[14] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand als 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[15] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

[18] Die Beklagte führt darin zusammengefasst ins Treffen, es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Zurechnung nach § 18 UWG vor.

[19] Der Revisionsrekurs ist damit im Recht.

[20] 1. Nach § 18 erster Satz UWG kann der Inhaber eines Unternehmens wegen einer nach den §§ 1, 1a, 2, 2a, 7, 9, 10 Abs 1, 11 Abs 2 und 12 UWG unzulässigen Handlung auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen worden ist.

[21] 2. Gesetzliche Voraussetzung ist demnach, dass der betreffende Wettbewerbsverstoß „im Betrieb des Unternehmers“ begangen wurde, was weit auszulegen und primär im organisatorischen Sinn zu verstehen ist. Es wird daher auch die Tätigkeit solcher Personen erfasst, die zwar nicht Dienstnehmer oder Beauftragte des Unternehmers sind, dennoch aber, wenngleich nur in lockerer Form, in den Betrieb eingegliedert und in welcher Funktion immer, dauernd oder vorübergehend für diesen tätig, jedenfalls faktisch und nach dem äußeren Anschein in den Betrieb eingegliedert sind (vgl RS0079689; RS0079912). Es muss sich also um Personen handeln, die im Auftrag des Unternehmers – etwa aufgrund eines Werkvertrags, eines Bevollmächtigungsvertrags, eines freien Dienstvertrags und ähnliches – bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten, aber auch Geschäftspartner des Inhabers des Unternehmens (RS0079674). Dabei kommt es darauf an, ob der Unternehmensinhaber aufgrund dieser Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Verstoß zu verhindern oder abzustellen (vgl RS0079809, RS0079799 [insb T8]). Zwar ist ein Unternehmer im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann; das gilt aber nicht, wenn er diese Dritten – etwa in einer von ihm veranstalteten Werbeaktion als Werbeträger – nutzt und sie so in seine Interessenverfolgung eingliedert (vgl 4 Ob 1/13w mwN). So kann auch ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf diese Weise in die Vertriebsorganisation „eingegliedert“ sein und die Haftung des auftraggebenden Unternehmens begründen (vgl RS0079674 [T4]; RS0079604; vgl auch RS0121746 zur Unerheblichkeit der Weisungsbefugnis für die Haftung des Geschäftsherrn für Fehlverhalten des Erfüllungsgehilfen). Ohne solche Eingliederung eines Dritten in die Organisation besteht aber auch dann keine Haftung, wenn jener bloß im Interesse des Unternehmensinhabers tätig wird, dieser Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der unlauteren Wettbewerbshandlung hat oder die Tätigkeit dem Unternehmer zugute kommt oder nützt (vgl 17 Ob 26/07h mwN; RS0079799; RS0079924).

[22] Keine Haftung nach § 18 UWG besteht, wenn die beanstandete Handlung eine rein private Tätigkeit eines Angestellten war, mag sie auch räumlich im Betrieb des Unternehmens vorgenommen worden sein oder es sich um eine Ware gehandelt haben, die der Art nach zum Vertriebsgegenstand des Unternehmens gehört (vgl RS0079799 [T2]; 4 Ob 38/01v; 17 Ob 9/09m). Dies entspricht dem Zweck der Unternehmerhaftung, dem Unternehmensinhaber zum Ausgleich für den nutzbringenden Einsatz betrieblicher Hilfspersonen auch das damit verbundene Risiko aufzubürden, was dort seine Grenze findet, wo der Beauftragte bloß „gelegentlich“ seiner Tätigkeit, das heißt ohne inneren Zusammenhang zum erteilten Auftrag, einen Verstoß begeht, der dem Unternehmer „in keiner Weise“ zugute kommt (vgl RS0079674 [T27]); dies ist etwa dann der Fall, wenn der Täter ohne Billigung des Unternehmensinhabers unter missbräuchlicher Ausnutzung der betrieblichen Infrastruktur (Betriebsorganisation) Privatgeschäfte betreibt und damit nicht für das Unternehmen, sondern für eigene Zwecke und auf eigene Rechnung tätig wird (17 Ob 9/09m = RS0125255).

[23] 3.1. Nach dem von den Vorinstanzen als bescheinigt festgestellten Sachverhalt ist nicht ersichtlich, wer die einen Unterlassungsanspruch begründenden Maßnahmen gesetzt hat. Die „Feststellung“ des Erstgerichts, dass sich die Beklagte als Klägerin ausgebe und welchen Anschein sie erwecke, ist in Wahrheit eine rechtliche Wertung und Beurteilung, der jedoch im Tatsächlichen die Grundlage dafür fehlt, dass ein solcher objektiver Anschein von der Beklagten hervorgerufen worden wäre. Es steht daher weder fest, dass die Beklagte selbst (wie die Klägerin behauptete) noch welche andere konkrete Person die fraglichen Handlungen gesetzt hätte; insbesondere steht auch – entgegen der vom Rekursgericht angedeuteten Ansicht – nicht außer Streit, dass der frühere Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin dies getan hätte. Weiters finden sich auch keinerlei Feststellungen dazu, dass und in welcher Weise die Beklagte diesen oder eine andere Person im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung in ihre Organisation oder ihr Interessenverfolgungsprogramm eingegliedert hätte.

[24] 3.2. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die bloße gesellschaftsrechtliche Treuepflicht eines Kleingesellschafters oder die nachvertragliche Treuepflicht eines ehemaligen GmbH-Geschäftsführers zur Begründung einer aktuellen Eingliederung in die Organisation oder für die Begründung einer rechtlichen Möglichkeit ausreicht (vgl RS0079809, RS0079799 [T8]), um dem Unternehmer zugute kommende Verstoßhandlungen jener Personen zu verhindern oder abzustellen.

[25] 3.3. Dasselbe gilt für den Rechtsanwalt einer Partei, bei dem – jedenfalls ohne (hier gerade nicht bescheinigte) konkrete besondere Umstände – nicht angenommen werden kann, dass er seine Tätigkeit iSd § 18 UWG als Glied der Organisation des Unternehmens wahrnähme (vgl 4 Ob 353/78, ÖBl 1979, 70 = RS0079788; RS0079689 [T14]; Herzig in Wiebe/Kodek, UWG2 [2022] § 18 Rz 17). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekursbeantwortung hängen diese Kriterien nicht von einer seit der UWG‑Nov 2007 kein Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG mehr bildenden Absicht ab, fremden Wettbewerb zu fördern (vgl dazu RS0077619 [T20]).

[26] Soweit der Beklagtenvertreter in eigener Person, außerhalb des Mandatsverhältnisses zur Beklagten, betrachtet werden soll, fehlt es neben Feststellungen zur anderweitigen Eingliederung auch an jedem konkreten Tatsachensubstrat, dass er die fraglichen Handlungen begangen oder zu verantworten hätte.

[27] 4. Zusammengefasst trägt der im Provisorialverfahren bescheinigte Sachverhalt die von den Vorinstanzen gezogene Rechtsfolge der Haftung der Beklagten als Unternehmerin nach § 18 UWG nicht. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidungen waren im Sinne einer Abweisung des Provisorialantrags abzuändern.

[28] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.

[29] Bemessungsgrundlage im Provisorialverfahren sind 47.500 EUR; der Ansatz TP 3A für die erstinstanzliche Äußerung ON 6 beträgt daher 825,60 EUR, der Ansatz TP 3B für den Rekurs 1.030,20 EUR und der Ansatz TP 3C für den Revisionsrekurs 1.236,30 EUR.

[30] Die Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren über einstweilige Verfügungen nach TP 2 und TP 3a GGG ermäßigen sich jeweils auf die Hälfte des Tarifs (Anm 2 zu TP 2 und Anm 1a zu TP 3 GGG).

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