OGH 4Ob1/13w

OGH4Ob1/13w12.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch B & S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Mai 2012, GZ 2 R 84/12f‑14, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15. März 2012, GZ 19 Cg 1/12m‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Begründung

Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem Markt für Personentransporte auf der Westbahnstrecke. Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte mit Klage und Sicherungsantrag wegen mehrerer Lauterkeitsverstöße bei der Werbung für ihr Angebot in Anspruch. Davon sind im vorliegenden Revisionsrekursverfahren nur mehr Werbemaßnahmen der Beklagten in Zügen der Klägerin strittig. Ein Mitarbeiter der Beklagten hatte am 11. November 2011 im Internet zu einer „Feier der Westbahn“ eingeladen und den ersten hundert Erscheinenden eine Belohnung in Aussicht gestellt. Am Treffpunkt erhielten die Teilnehmer Werbemittel der Beklagten, die sie nach Art einer Startnummer über die Oberbekleidung hängen mussten. Vertreter der Beklagten zeigten ihnen dann die neue „Westbahnflotte“, führten sie durch den Westbahnhof und bewirteten sie mit einem Krapfen und Salzgebäck. Daraufhin wurden die Teilnehmer zum Bahnsteig gebracht, um einen „Westbahn-Zug“ zu erwarten. Da dieser noch nicht eingetroffen war, bestiegen mehrere Teilnehmer in der werbemäßigen Aufmachung einen zur Abfahrt bereitgestellten Zug der Klägerin, gingen durch die Waggons und stiegen wieder aus. Sie sprachen keine Fahrgäste an, die Abfahrt verzögerte sich nicht.

Am 12. November 2011 fand ein Mitarbeiter der Klägerin in einem Zug der Westbahnstrecke etwa 40 Werbefolder der beklagten Partei auf den Sitzen. Es ist nicht bescheinigt, dass die Folder aufgrund einer Anweisung oder mit Einverständnis der Beklagten verteilt worden wären. Am 29. November 2011 warben vier von der Beklagten angeworbene Personen an einem Busbahnhof für deren Dienstleistungen und bestiegen danach einen Zug der Klägerin, wobei einer von ihnen sein Werbeshirt „Besseres Service im Zug“ in den Unternehmensfarben der Beklagten über dem Mantel anbehielt.

Auf dieser Grundlage beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen, insbesondere durch den Einsatz von Promotoren mit T-Shirts und/oder sonstigen Textilien, die jeweils Werbeslogans für die Beklagte, insbesondere in den Farben der Beklagten tragen und/oder durch das Auflegen von Foldern.

Die Beklagte habe durch die Werbung in den Zügen der Klägerin deren Hausrecht verletzt. Darin liege ein planmäßiges „Guerillamarketing“, also der Versuch, mit geringen Mitteln große Werbewirkung zu erzielen. Nach der Rechtsprechung seien schon Werbemaßnahmen vor dem Geschäft eines Mitbewerbers unlauter; umso mehr müsse das für Werbung in den Zügen der Klägerin gelten.

Die Beklagte wendet ein, dass sie nicht für das Verhalten „privater“ Teilnehmer an einer „Informationsveranstaltung“ einzustehen habe; diese hätten „eigenmächtig“ gehandelt. Das Begehren sei zu allgemein gehalten, da es schlechthin jede Werbung in den Zügen der Klägerin erfasse; der Insbesondere-Zusatz schränke dies nicht ein. Die Beklagte müsste demnach für jedes Verhalten einer Person einstehen, die (zufällig) eines ihrer Werbemittel mit sich führe. Folgte man dieser Auffassung, fiele es etwa auch einem Lebensmittelhändler zur Last, wenn Kunden in Geschäften eines Mitbewerbers seine Einkaufstaschen verwendeten. Werbemaßnahmen in der Nähe eines Mitbewerbers, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln, seien nicht unzulässig. Es verstoße gegen die „Meinungsäußerungs- und Bekleidungsfreiheit“ iSv Art 8 und 10 EMRK, wenn ein Promotor der Beklagten ein „harmloses Message-T-Shirt“ ausziehen müsse, um in einem Zug der Klägerin mitfahren zu dürfen. Ein allenfalls unlauteres Verhalten habe keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt.

Das Erstgericht untersagte der Beklagten,

in den Zügen der Klägerin Werbemaßnahmen zu setzen und/oder durch Dritte setzen zu lassen, insbesondere durch den Einsatz von Promotoren mit T-Shirts und/oder sonstigen Textilien, die jeweils Werbeslogans für die Beklagte, insbesondere in den Farben der Beklagten tragen.

Das Mehrbegehren, der Beklagten insbesondere das Auflegen von Foldern in den Zügen der Klägerin zu verbieten, wies es ab. Zwar sei das Abwerben von Kunden nicht grundsätzlich unzulässig, die Klägerin müsse aber keine Werbemaßnahmen der Beklagten in ihren eigenen Zügen dulden. Bei den aufgelegten Foldern habe die Klägerin keine gezielte Werbeaktion der Beklagten bescheinigen können.

Das von der Beklagten angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Aufgrund eines Bewertungsauftrags durch den Obersten Gerichtshof (4 Ob 132/12h) und eines Zulassungsantrags der Beklagten sprach es letztlich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Bezug auf das noch strittige Unterlassungsbegehren 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Schon aufgrund des Hausrechts müsse niemand Werbemaßnahmen eines Mitbewerbers in eigenen Geschäftsräumlichkeiten (hier Zügen) dulden. Der Inhaber eines Unternehmens habe nach § 18 UWG für Handlungen von Personen einzustehen, die im Betrieb des Unternehmens tätig seien, wofür auch eine lockere, bloß vorübergehende Eingliederung genüge. Dabei handle es sich um eine Erfolgshaftung, die kein Verschulden des Unternehmensinhabers erfordere. Es genüge, dass er die rechtliche Möglichkeit habe, kraft seiner Beziehung zur handelnden Person für das Abstellen der wettbewerbswidrigen Handlung zu sorgen. Im konkreten Fall müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, dass eine Gruppe von Personen, die von ihr zu Werbezwecken mit einer auffallenden Oberbekleidung versehen worden sei, einen Zug der Klägerin bestiegen habe, ohne von den Mitarbeitern der Beklagten daran gehindert worden zu sein. Gleiches gelte für den Promotor, der mit einem Werbe-T-Shirt der Beklagten in einen Zug der Klägerin eingestiegen sei. Die Spürbarkeitsgrenze sei wegen der Größe des Adressatenkreises in und vor den Zügen der Klägerin überschritten. Das Verbot sei ausreichend bestimmt. Eine erhebliche Rechtsfrage liege vor, weil Rechtsprechung zur lauterkeitsrechtlichen Relevanz von Verletzungen des Hausrechts fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Auffassung des Rekursgerichts, Werbung in Geschäftsräumlichkeiten eines Mitbewerbers verstoße gegen dessen Hausrecht und sei daher unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG, trifft zu.

1.1. Soweit kein gezieltes Abfangen von Kunden vorliegt, ist Werbung in unmittelbarer Nähe des Geschäfts eines Mitbewerbers zwar zulässig ( Handig in G.Kodek / Wiebe , UWG 2 [2012] § 1 Rz 417 ff; Duursma in Gumpoldsberger / Baumann , UWG [2006] § 1 Rz 98; beide mwN). Auch muss ein Geschäftsinhaber trotz seines Hausrechts Testkäufe dulden, wenn sich die damit Beauftragten wie andere Kunden verhalten und den normalen Geschäftsablauf nicht stören (4 Ob 28/93 = SZ 66/65 ‑ Alibikauf; RIS-Justiz RS0010362). Davon zu unterscheiden ist aber die Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers. Einer solchen Werbung könnte sich der Geschäftsinhaber schon aufgrund seiner dinglichen oder quasidinglichen Rechtsstellung widersetzen (§ 354 ABGB, allenfalls iVm § 370 ABGB). Eine konkludente Zustimmung zu einem solchen Verhalten wird der Mitbewerber regelmäßig nicht annehmen können; auch ein tauglicher Rechtfertigungsgrund ist nicht zu erkennen. Insbesondere kann sich der Mitbewerber nicht auf seine Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Denn diese ist mit dem Grundrecht des Verletzten auf Achtung seines ‑ weit verstandenen ( Grabenwarter / Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 [2012] § 25 Rz 3 ff; Mayer , Österreichisches Bundesverfassungsrecht 4 [2007] Art 5 StGG Anm II.1) - Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) und seines Hausrechts (Art 9 StGG, Art 8 EMRK) abzuwägen. Angesichts der unzähligen anderen Möglichkeiten, für ein bestimmtes Angebot zu werben, wird die Meinungsäußerungsfreiheit eines Unternehmens durch die Unzulässigkeit einer Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers (hier in den Zügen der Klägerin) keinesfalls in unverhältnismäßiger Weise beschränkt.

1.3. Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers verstößt somit gegen die nach allgemeinem Zivilrecht bestehende Verpflichtung, dessen Hausrecht zu achten. Damit fällt dieses Verhalten grundsätzlich in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ (4 Ob 225/07d = ÖBl 2008, 237 [ Mildner ] ‑ Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239) und ist daher ‑ außer bei Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht oder bei Fehlen der Eignung zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs ‑ unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Eine vertretbare Rechtsansicht wird nur in ‑ hier nicht erkennbaren ‑ Ausnahmefällen vorliegen, da der werbende Unternehmer im Allgemeinen weder mit einer konkludenten Zustimmung des Geschäftsinhabers noch mit einer sonstigen Rechtfertigung seines Verhaltens rechnen kann. Da die Klage im vorliegenden Verfahren ohnehin von dem im Hausrecht beeinträchtigten Unternehmen erhoben wird, kann offen bleiben, ob auch dritte Mitbewerber die Verletzung dieses Hausrechts geltend machen könnten (vgl zu einer ähnlichen Problematik 4 Ob 20/08g = ÖBl 2008, 282 [ Gamerith ] ‑ Prominentenbildnisse).

2. Die Beklagte hat für das Verhalten ihrer Werbeträger einzustehen.

2.1. Nach § 18 UWG kann der Inhaber eines Unternehmens auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer „anderen“ Person begangen worden ist. Dabei handelt es sich um eine Erfolgshaftung (RIS-Justiz RS0079818). Sie setzt voraus, dass der Wettbewerbsverstoß im Betrieb des Unternehmens begangen wurde, wobei dieser Begriff weit auszulegen und primär im organisatorischen Sinn zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0079689, vgl auch RS0079912). Dabei genügt bereits eine lockere Eingliederung (RIS-Justiz RS0079689). Entscheidend ist, dass der Unternehmensinhaber aufgrund seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]; RS0079799, RS0079809). Diese Möglichkeit besteht jedenfalls dann, wenn der Unternehmer dem Handelnden Weisungen erteilen kann; demgegenüber ist es unerheblich, ob der Unternehmer ‑ etwa bei weisungswidrigem Verhalten des Handelnden - faktisch in der Lage ist, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]).

2.2. Im vorliegenden Fall ist offenkundig, dass die Beklagte die Teilnehmer an ihrer Veranstaltung als Werbeträger für ihr Unternehmen nutzte. Dadurch wurden sie, wenn auch nur locker und für kurze Zeit, in ihr Unternehmen eingegliedert. Eine rechtliche Einflussnahmemöglichkeit bestand, weil die Beklagte die Übergabe der Werbebekleidung und die ‑ eine zumindest faktische Gegenleistung für den Werbeauftritt bildende ‑ Verköstigung von der Bedingung abhängig machen konnte, die Züge der Klägerin nicht zu betreten. Zwar ist ein Unternehmer im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Beziehungen zu Dritten so zu gestalten, dass er auf deren Verhalten rechtlich Einfluss nehmen kann (4 Ob 83/93 = ÖBl 1993, 256 ‑ Vorsicht bei Lockvogelange-boten; RIS-Justiz RS0079809; zuletzt etwa 4 Ob 153/08s = wbl 2009, 311 ‑ Fußball-Lieblinge). Das gilt aber nicht, wenn er diese Dritten in einer von ihm veranstalteten Werbeaktion als Werbeträger nutzt und sie so in seine Interessenverfolgung eingliedert. Hier kann es für die Anwendung von § 18 UWG keinen Unterschied begründen, ob er mit solchen „Laienwerbern“ (formell) Verträge schließt oder ob er sie nur durch faktische Gegenleistungen (hier insbesondere durch die Verköstigung) zu einem Verhalten in seinem Sinn bewegt. Die sonst mögliche Auslagerung der Verantwortung für die Werbeaktion auf die Werbeträger verbietet insofern ein restriktives Verständnis von § 18 UWG.

2.3. Das Durchgehen durch den Zug der Klägerin stand nach den Feststellungen des Erstgerichts in engem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Werbeaktion der Beklagten. Die Eingliederung der Werbeträger in das Unternehmen der Beklagten war daher noch aufrecht. Gleiches gilt für das Besteigen eines Zugs durch einen noch als Werbeträger bekleideten „Promotor“ der Beklagten. Schon damit ist der Tatbestand des § 18 UWG erfüllt. Es schadet daher nicht, dass das Erstgericht keine Feststellungen zur weiteren Behauptung der Klägerin getroffen hat, dass Leute der Klägerin die Werbeträger am Westbahnhof durch den Zug geführt und damit das beanstandete Verhalten sogar veranlasst hätten.

3. Auch die weiteren Einwände der Beklagten schlagen nicht durch. Die Werbung im Zug der Klägerin hob sich von üblichen Werbemethoden ab, war für deren Kunden unerwartet und musste schon aus diesem Grund hohe Aufmerksamkeit erregen. An ihrer Eignung, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, besteht daher kein Zweifel. Das Verbot ist weder unbestimmt noch zu weit. Das untersagte Verhalten ‑ Werbung in Verletzung des Hausrechts der Klägerin ‑ ist ihm eindeutig zu entnehmen; genau darauf ist auch der materiell‑rechtliche Anspruch gerichtet. Die Beklagte muss dabei nicht für das Verhalten jeder Person einstehen, die „zufällig“ eines ihrer Werbemittel mitführt; entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagten das Verhalten dieser Person aufgrund der nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Eingliederung in deren Unternehmen zuzurechnen ist. Das Verbot begründet daher keine von der Beklagten nicht mehr beherrschbare Verantwortung für Dritte.

4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Beklagten scheitern. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers ist wegen der damit verbundenen Verletzung des Hausrechts im Regelfall unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

Der Unternehmensinhaber haftet nach § 18 UWG auch für Personen, die er ‑ wenngleich nur locker und für kurze Zeit ‑ als Werbeträger in sein Unternehmen eingliedert.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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