European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0240DS00014.22A.1206.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
* wird vom Vorwurf freigesprochen, sie habe dadurch, dass sie im Zeitraum April 2018 bis Juni 2018 ihre Leistungen nicht an ihre Mandanten, sondern an eine Miteigentümergemeinschaft, zu der sie in keinem Auftragsverhältnis stand, fakturierte, wodurch Letzterer die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug eröffnet wurde, ihre Berufspflichten verletzt sowie die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigt.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwältin * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.
[2] Danach hat sie im Zeitraum von April bis Juni 2018 ihre Leistungen nicht an ihre Mandanten (* und *; ES 4), sondern an eine Miteigentümergemeinschaft (die *; ES 4 f), zu der sie in keinem Auftragsverhältnis stand, fakturiert, wodurch Letzterer die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug eröffnet wurde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung der Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe.
[4] Ihr kommt Berechtigung zu:
[5] Vorliegend stellte der Disziplinarrat fest (ES 4 f), dass die Beschuldigte * und * bei der Geltendmachung gesellschaftsbezogener Ansprüche (§ 1188 ABGB; actio pro socio) gegen den Anzeiger zu Gunsten der (im Rahmen eines Bauherrenmodells gebildeten) * vertrat. Hiefür legte sie die Honorarnoten HN 557/2017 und HN 83/2018 zunächst an ihre (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Mandanten. Die Kosten für die Tätigkeit der Beschuldigten wurden aber nicht von * und * allein, sondern auch von anderen Miteigentümern der * getragen, welche die Geltendmachung der Forderungen unterstützten. Am 5. April 2018 ersuchte die – von den 36 Miteigentümern der *mit der Liegenschaftsverwaltung betraute – * die Beschuldigte, ihre Honorarnoten HN 557/2017 und HN 83/2018 auf die „*“, zu „korrigieren“. Nach zustimmender Äußerung ihrer Mandanten und Nachfrage bei zwei Steuerberatern nahm die Beschuldigte die gewünschte Umschreibung vor. In der Folge legte sie weitere Honorarnoten gleich direkt an die *, obwohl zu dieser kein Auftragsverhältnis bestand. Die Honoraransprüche der Beschuldigten wurden nicht aus den Mitteln der * beglichen; dennoch machte letztere die darin ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Der Sachverhalt gelangte den Miteigentümern der *, Vertretern der WKStA sowie des Finanzamts und den involvierten Steuerberatern zur Kenntnis.
[6] In subjektiver Hinsicht konstatierte der Disziplinarrat (teils disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung; ES 4 und 7 ff), dass die Beschuldigte über die „Problematik Bescheid“ wusste, dass „man eine Rechnung nicht auf eine 'falsche' Person ausstellen darf“ und dass die * „eine solche 'falsche' Person“, nämlich „nicht der direkte Auftraggeber“ war (ES 4). Der Beschuldigten war „von Anfang an bekannt“, dass sie durch ihre Vorgangsweise der * die Möglichkeit eröffnete, einen ihr nicht zustehenden Steuervorteil durch die Geltendmachung von Ausgaben als Aufwand in Anspruch zu nehmen, welche jene tatsächlich nie hatte (ES 7, 9, 10). Sie hielt es ernstlich für möglich, „dass es nicht gesetzeskonform bzw nicht 'in Ordnung' ist, wenn sie diese Rechnungen umschreibt“, und fand sich damit ab (ES 8).
[7] In rechtlicher Hinsicht erblickte der Disziplinarrat in der „Fakturierung an eine falsche Person“ einen Verstoß gegen die anwaltliche Berufspflicht, „Honorarnoten ausschließlich an die von ihm vertretenen Personen zu richten“ (ES 11); es sei Rechtsanwälten (zufolge RIS‑Justiz RS0055890) standesrechtlich verboten, bei bedenklichen Rechtsgeschäften mitzuwirken (ES 10). Da das inkriminierte Verhalten einer größeren Anzahl von Personen zur Kenntnis gelangte, seien auch Ehre oder Ansehen des Standes verletzt (ES 11).
[8] Der Sache nach berechtigt ist die Berufung zunächst, soweit sie die rechtliche Unterstellung des inkriminierten Verhaltens (auch) unter das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (§ 1 Abs 1 erster Fall DSt) beanstandet:
[9] Die Übermittlung einer anwaltlichen Honorarnote an eine andere als die anwaltlich vertretene Person ist nämlich – den darauf bezogenen Ausführungen des Disziplinarrats zuwider (ES 7 und 11) – keineswegs generell verboten; vielmehr kennt das Gesetz durchaus Sachverhaltskonstellationen, bei denen eine Person vom Rechtsanwalt vertreten wird und eine andere Person die Aufwendungen hiefür trägt (vgl Engelhart et al, RAO10§§ 7–9 RL‑BA 2015 Rz 11 ff; [zur Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten als Aufwandersatz:] RIS‑Justiz RS0023516, RS0023055).
[10] Da die – aus § 9 RAO und §§ 15, 16 RL‑BA 2015 resultierende – Pflicht zur Rechnungslegung und zur ordnungsgemäßen Verrechnung eine genuin auf das Verhältnis zum Mandanten hin ausgestaltete Verpflichtung ist (20 Ds 14/20v; RIS‑Justiz RS0124021, RS0055118, RS0106285 [T2], RS0055041 uva; Engelhart et al, RAO10 § 9 RAO Rz 13), kann in der hier in Rede stehenden – im Einvernehmen mit den Mandanten erfolgten (ES 5) – Honorarnotenübermittlung an ein dritte (von der Beschuldigten nicht vertretene) Partei auch kein offenkundiger Verstoß gegen eine (gesatzte oder nach verfestigter Standesauffassung anerkannte) Berufspflicht (RIS‑Justiz RS0133953 [T1]) erblickt werden; die darin gelegene Mitwirkung an einer steuerlichen Unregelmäßigkeit der * kann solcherart nicht (auch) § 1 Abs 1 erster Fall DSt unterstellt werden (vgl [zu Unregelmäßigkeiten des Rechtsanwalts in eigenen Abgabensachen] 24 Ds 4/17y).
[11] Soweit die verbleibende Berufung einwendet (der Sache nach Z 9 lit a), es sei mangels Vorsatzes die subjektive Tatseite „in keiner Weise gegeben“, übergeht sie die darauf bezogenen – zum Teil disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen – Konstatierungen (ES 4, 7 ff; vgl insofern auch Feil/Wennig AnwR8 § 1 DSt S 855; Engelhart et al, RAO10 § 1 DSt Rz 7/1 mwN [wonach für schuldhaftes Handeln bereits Fahrlässigkeit genügt]).
[12] Der Rechtsmittelstandpunkt, es sei übersehen worden, dass der seitens der Hausverwaltung „im Auftrag und Vollmachtnamen der Eigentümergemeinschaft“ erteilte „Auftrag“ „zur Umschreibung der Honorarnoten“ ein Auftrags- und Vollmachtsverhältnis zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Beschuldigten begründet habe, blendet ebenfalls die Tatsachenbasis aus, wonach die Umschreibung der Honorarnoten erfolgte, obwohl nach wie vor kein Auftragsverhältnis zur * bestand und diese auch die Aufwendungen nicht trug (ES 5, 6 und 7). Da damit auch keine Abwicklung von Aufwandersatz (§ 1185 ABGB) für die Anwaltskosten (vgl abermals RIS-Justiz RS0023516; Rauter in Rummel/Lukas ABGB4 § 1188 Rz 24) in Rede steht, versagt auch der Hinweis, dass der Erfolg einer actio pro socio (§ 1188 ABGB) der Gesellschaft zum Wohl gereicht (vgl ES 9).
[13] In Verfahren, in denen – wie hier – die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist, kann eine Tatsachenrüge (Z 5a) nicht erhoben werden (RIS‑Justiz RS0132515 [T1]).
[14] Argumente, die geeignet wären, Bedenken gegen die zu den maßgeblichen Feststellungen führende Beweiswürdigung zu wecken, zeigt die Berufung nicht auf; vielmehr wurden die im Rechtsmittel angesprochenen Verfahrensergebnisse – insbesondere die vorliegenden Urkunden und die gutachterlichen Ausführungen der * Steuerberatungs GmbH – durchaus gewürdigt (ES 2 f, 4, 6, 8 f) und plausibel der Schluss gezogen, dass die Beschuldigte Honorarrechnungen an die (außerhalb des Bevollmächtigungsverhältnisses zu * und * stehende) den Aufwand nicht tragende * ausgestellt und dieser die Geltendmachung eines ungerechtfertigten Vorsteuerabzugs ermöglicht hat, was einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangte.
[15] Da die Höhe des Kostenersatzes erst nach Rechtskraft des Schuldspruchs mit gesondertem Beschluss festzusetzen ist (§ 41 Abs 1 DSt; vgl auch Engelhart et al, RAO10 § 38 DSt Rz 1 und § 41 DSt Rz 1), sind darauf bezogene Einwände nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
[16] Nach Lage des Falls sind alle Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 3 DSt erfüllt.
[17] Es war daher das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und mit Freispruch vorzugehen.
Oberster Gerichtshofals Disziplinargericht für Rechtsanwälteund RechtsanwaltsanwärterWien, am 6. Dezember 2022Dr. K i r c h b a c h e rFür die Richtigkeit der Ausfertigungdie Leiterin der Geschäftsabteilung:
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