European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0230DS00001.22G.1018.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * (richtig:) der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie (zu a./) der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
a./ am 18. Jänner, 4. Mai und 19. Juli 2018 (ES 3 f) „durch die Erstattung von acht, je nicht ordnungsgemäß geprüften Strafanzeigen gegen [die] D* GmbH ein unzulässiges Druckmittel auf diese zur Bezahlung seines restlichen Honorars bewirkt [...] bzw“ leichtfertig acht nicht ordnungsgemäß geprüfte Strafanzeigen gegen die D* GmbH eingebracht und
b./ am 9. September 2019 (ES 7) die Verantwortung für eine nicht lege artis erfolgte Prozessführung auf den Geschäftsführer der D* GmbH „abgeschoben“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen erhobenen Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) kommt keine Berechtigung zu.
[4] Ein von der Verfahrensrüge (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 3 iVm § 260 Abs 1 Z 2 StPO) behaupteter Verstoß gegen § 38 Abs 2 StPO liegt nicht vor. Denn dem Erkenntnis (ES 1) ist in Verbindung mit den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0116587, RS0098795) klar zu entnehmen, dass der Disziplinarbeschuldigte durch die im Tenor angeführten Tathandlungen jeweils gegen § 9 Abs 1 RAO (vgl zu a./ auch den zutreffenden Verweis auf § 17 RL‑BA) verstoßen (ES 7 ff) und solcherart Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt begangen sowie zu a./ – zufolge hoher Publizitätswirkung der inkriminierten Strafanzeigen – zudem eine Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) bewirkt hat (ES 1 iVm ES 8 f). Damit wurde den Inhaltserfordernissen des § 38 Abs 2 DSt Genüge getan (vgl auch 20 Ds 11/17y).
[5] Mit dem Einwand, die schriftliche Ausfertigung widerspräche im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu a./ der im Rahmen der mündlichen Begründung des Schuldspruchs in der Disziplinarverhandlung (§ 268 StPO) zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Disziplinarrats, die gegenständlichen Strafanzeigen stünden nicht im Zusammenhang mit der Einbringlichmachung offener Honorarforderungen, spricht die Berufung keinen Nichtigkeitsgrund an (RIS‑Justiz RS0123342 [T1], RS0098421; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 280; Danek/Mann, WK-StPO § 268 Rz 8). Davon abgesehen bezieht sie sich insoweit auch nicht auf entscheidende Tatsachen, weil schon der Vorwurf leichtfertiger Erstattung nicht ordnungsgemäß geprüfter Strafanzeigen die vorgenommene Subsumtion tragen würde (Engelhart/ Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO10§ 17 RL‑BA Rz 18; vgl erneut RIS‑Justiz RS0098421 [T5]).
[6] Die Feststellungen, nach denen die zu a./ inkriminierten Strafanzeigen keinesfalls dem notwendig hohen Prüfungserfordernis der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung der subjektiven Tatseite entsprochen hätten, sondern leichtfertig und unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt erstattet worden seien (ES 8), hat der Disziplinarrat auf den Inhalt der Anzeigen, die Ausführungen der Staatsanwaltschaft Salzburg in der Einstellungsbegründung (§ 194 Abs 2 StPO) sowie jene des Landesgerichts Salzburg im Beschluss vom 4. September 2019, AZ 49 Bl 43/19h ua, mit dem die Fortführungsanträge der Anzeiger als unzulässig zurückgewiesen worden waren, gestützt und die leugnende Verantwortung des Berufungswerbers dadurch (implizit) als widerlegt angesehen (ES 5 iVm ES 8). Inwieferne diese Erwägungen den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten (RIS‑Justiz RS0099413), sagt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht. Indem sie aus der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft Salzburg und dem Umstand, dass die Einstellung nicht nach § 35c StAG, sondern erst nach Durchführung von Ermittlungen erfolgte, andere (für den Rechtsmittelstandpunkt günstigere) Schlüsse zieht als der Disziplinarrat zeigt sie keinen Begründungsmangel iSd Z 5 auf.
[7] Soweit sich die Ausführungen auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beziehen, lässt der Beschuldigte zudem außer Acht, dass ihm fahrlässige Verstöße gegen § 9 Abs 1 RAO zum Vorwurf gemacht werden und der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (RIS-Justiz RS0088909). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht hätte nachkommen können, werden nicht aufgezeigt und ergeben sich auch nicht aus der Verantwortung des Beschuldigten.
[8] Eine Tatsachenrüge (Z 5a) kann in Verfahren, in denen eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist, nicht erhoben werden (RIS-Justiz RS0132515 [T1]).
[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5) zu a./ bezieht sich mit dem Vorwurf, es sei dem Erkenntnis nicht zu entnehmen, dass die acht Strafanzeigen als „unzulässiges Druckmittel“ gedient haben, um die Bezahlung des restlichen Honorars zu bewirken, nicht auf eine entscheidende (also eine für Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage relevante; RIS‑Justiz RS0117264) Tatsache, weil – wie oben dargelegt – schon die festgestellte leichtfertige Erstattung nicht ordnungsgemäß geprüfter Strafanzeigen die vorgenommene Subsumtion trägt und den Motiven für diese Vorgangsweise keine Relevanz zukommt (RIS‑Justiz RS0088761).
[10] Dass der Beschuldigte die Anzeigen ohne die gebotene Überprüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch in Bezug auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite, eingebracht hat, hat der Disziplinarrat festgestellt (US 8). Die Kritik am Fehlen entsprechender Feststellungen (Z 9 lit a) orientiert sich daher prozessordnungswidrig nicht an dessen Sachverhaltsannahmen (RIS-Justiz RS0099810).
[11] Gleiches gilt für das Vorbringen (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 sowie – verfehlt – im Rahmen der Schuldberufung im engeren Sinn; vgl dazu RIS‑Justiz RS0122980; eingehend mwN Ratz, WK‑StPO § 464 Rz 2 und 8), es lasse sich der angefochtenen Entscheidung zu b./ nicht entnehmen, worin ein „rechtswidriges Verhalten des DB“ gelegen haben soll, wobei die Tatsache, dass er „einen unterschiedlichen Rechtsstandpunkt als der Geschäftsführer der D* GmbH einnehme, keinesfalls eine Berufspflichtverletzung darstelle“. Denn insoweit lässt der Berufungswerber die Feststellungen außer Acht, wonach er – ungeachtet seiner eigenen Fehlleistung (vgl ES 5 f) – im Schreiben vom 9. September 2019 im Rahmen der Geltendmachung von Ansprüchen für * H* behauptete, Mag. * G* träfe die Schuld für den (teilweisen) Prozessverlust, womit er die Verantwortung für die von ihm nicht lege artis erfolgte Prozessführung abschob (ES 7 und 9). Dieses Abschieben seiner Verantwortung auf den rechtsgeschäftlichen Vertreter seiner Mandantin (vgl ES 5 und 7) steht aber mit dem Gebot der Treue und Gewissenhaftigkeit des § 9 Abs 1 RAO (vgl auch § 6 RL‑BA 2015) keineswegs in Einklang und begründet demnach – vom Disziplinarrat zutreffend erkannt – eine Verletzung von Berufspflichten (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/ Vitek, RAO10 § 9 RAO Rz 7 und 11 f mwN sowie § 6 RL‑BA 2015 Rz 2; siehe auch RIS-Justiz RS0112203).
[12] Mit dem Hinweis auf einzelne – isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte – Passagen aus der Verantwortung des Beschuldigten zum Schuldspruch zu a./, welche der Disziplinarrat – wie dargelegt – (implizit) insgesamt als durch die aktenkundigen Urkunden widerlegt angesehen hat, gelingt es der Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld nicht, Bedenken an der schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung zu wecken und solcherart die getroffenen Feststellungen substantiiert in Frage zu stellen (vgl auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 49 DSt Rz 2). Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Salzburg nicht nach § 35c (erster Satz) StAG mangels Anfangsverdachts von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens absah, sondern die aufgrund der inkriminierten Anzeigen eingeleiteten Verfahren gemäß § 190 StPO einstellte (ES 4), steht der Annahme, dass die zugrundeliegenden Anzeigen durch den Disziplinarbeschuldigten leichtfertig und in Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt erstattet wurden, nicht entgegen.
[13] Soweit sich die Berufung zum Schuldspruch zu b./ nicht ohnehin nur auf rechtliche Ausführungen beschränkt (vgl dazu oben), weckt sie gleichfalls keine Zweifel an den beweiswürdigenden Erwägungen und den darauf gestützten Feststellungen des Disziplinarrats, der die (der Verantwortung in der Disziplinarverhandlung entsprechende) schriftliche Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten ausdrücklich berücksichtigte und die relevanten Sachverhaltsannahmen erneut auf aktenkundige Urkunden stützte (ES 7, 8 f).
[14] Der Berufung wegen Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.
[15] Ebensowenig kommt der gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung Berechtigung zu.
[16] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.500 Euro. Bei der Strafbemessung wertete er als erschwerend, dass zwei Vorwürfe gegen den Beschuldigten zu beurteilen waren, wovon jener zu Schuldspruch a./ mit hoher Publizität und besonderer Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes verbunden war, sowie die fehlende Einsicht des Beschuldigten in sein „fehlerhaftes Verhalten und seine disziplinarrechtliche Schuld“, als mildernd dagegen die bisherige Unbescholtenheit.
[17] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).
[18] Davon ausgehend bedürfen die vom Disziplinarrat angenommenen Erschwerungsgründe insofern einer Korrektur, als neben dem Zusammentreffen von zwei verschiedenen Vergehen auch die mehrfache Tatwiederholung zu a./ als erschwerend zu werten ist. Dass die Anzeigeerstattung „mit hoher Publizität und besonderer Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes verbunden war“, ist den Entscheidungsgründen allerdings nicht zu entnehmen. Fehlende Schuldeinsicht stellt keinen Erschwerungsgrund dar (RIS-Justiz RS0056731).
[19] Bei Disziplinarvergehen, deren Vollendung einen Schadenseintritt nicht erfordert (hier § 9 RAO), ist der Umstand, dass die Tat keine Folgen nach sich gezogen hat, nicht mildernd (RIS‑Justiz RS0091022). Im Übrigen wurde gegen die zu Unrecht angezeigten Personen jeweils ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
[20] Dass sich der Beschuldigte seit den länger zurückliegenden Taten wohlverhalten hat, war dagegen zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
[21] Ausgehend von diesen korrigierten und ergänzten Strafzumessungsgründen entspricht die im untersten Bereich des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) bemessene Geldbuße Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen und trägt den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung (§ 16 Abs 6 DSt). Sie ist daher nicht korrekturbedürftig.
[22] Ein schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Vorgehen nach § 39 DSt idF vor BGBl 2020/19 (vgl § 80 Abs 6 letzter Satz DSt; vgl auch RIS‑Justiz RS0133799), weil die dem Beschuldigten zur Last liegenden Vergehen nicht bloß geringfügige Verfehlungen darstellen (vgl RIS‑Justiz RS0075487 [T1]) und die Verhängung einer Geldbuße auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen geboten ist.
[23] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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