OGH 12Os98/22m

OGH12Os98/22m29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Turner im Verfahren zur Unterbringung des * H* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Juni 2022, GZ 10 Hv 23/22v‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00098.22M.0929.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des * H* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, am 8. Februar 2022

1./ „in F* Mitarbeiter des LK*, mittelbar gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er gegenüber dem Mitarbeiter des Psychosozialen Notdienstes F* L*, sinngemäß äußerte, er werde zu seiner Psychiaterin Mag. DDr. M* fahren, wo er besprechen werde, wie er den Amoklauf im 'LSF' planen könne, wobei er in der Absicht handelte, dass die Drohung den Mitarbeitern des LK*, zur Kenntnis gelangt“;

2./ in G* die Polizeibeamten * N* und * P* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung zur anschließenden Vollziehung der Unterbringung nach dem UbG, zu hindern versucht, indem er danach trachtete, sich aus der Fixierung der Beamten durch den Einsatz von erheblicher Körperkraft loszureißen und sich dagegen verwand,

und somit Taten begangen, die als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (1./) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2./) jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, „9a“ und „9b“ des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht im Recht.

[4] Die Mängelrüge (Z 5) zur Anlasstat 1./ bezeichnet die – im Übrigen dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht mit dem exakten Wortlaut (vgl US 3 iVm US 8) – festgestellte Äußerung, wonach der Betroffene besprechen werde, „wie er den Amoklauf im 'LSF' [...] planen könne bzw durchführen werde“ (US 3), als undeutlich (Z 5 erster Fall) und widersprüchlich (Z 5 dritter Fall). Nach den Urteilsfeststellungen lag der den Bezugspunkt der rechtlichen Beurteilung (und solcherart eine entscheidende Tatsache; vgl zu diesem Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff) darstellende Sinn und Bedeutungsinhalt dieser Äußerung (RIS‑Justiz RS0092437 und RS0092588) des Beschwerdeführers darin, dass er sich betreffend die konkrete Umsetzung seines Vorhabens, einen Amoklauf im LK*, durchzuführen, erkundigen werde, womit er bei den dortigen Mitarbeitern den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Anschlags auf ihr Leben erwecken wollte (US 3). Da die Wiedergabe des (exakten) Wortlauts der inkriminierten Äußerungen allenfalls der Begründung dieser Konstatierungen dient (RIS‑Justiz RS0092437 [T4]), wendet sich die Rüge insoweit nicht gegen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099429).

[5] Die Feststellung zu Sinn und Bedeutungsinhalt der Äußerung gründete das Erstgericht dem – mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen – das Fehlen einer „taugliche[n] Begründung“ behauptenden Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze auf die als glaubhaft beurteilten Angaben des Zeugen * L* (US 6, 7, 8 und 9) und den Wortlaut der Äußerung (US 9; erneut RIS‑Justiz RS0092437 [T4]).

[6] Entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der subjektiven Tatseite zur Anlasstat 1./ aus dem objektiven Geschehensablauf (US 9) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

[7] Zu einer Erörterung der (im Übrigen ohnedies berücksichtigten [US 7]) Angaben des Zeugen N* betreffendden Vorsatz des Betroffenen (ON 27 S 20 f) war das Erstgericht der Beschwerdeauffassung (Z 5 zweiter Fall) zur Anlasstat 2./ zuwider nicht verhalten, weil nur Tatsachenbekundungen Gegenstand einer Zeugenaussage sein können (RIS‑Justiz RS0097540 [insbesondere T20, T21]).

[8] Die Ausführungen des Sachverständigen, wonach Gedankenabrisse, abrupte Wechsel und ein „Vorbeireden“ typische Symptome des Betroffenen wären (ON 27 S 25), stehen nicht in erörterungspflichtigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zu den Feststellungen über die subjektive Tatseite zur Anlasstat 2./.

[9] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zur Anlasstat 1./ die Annahme einer gefährlichen Drohung im Sinn des § 74 Abs 1 Z 5 StGB mangels Feststellungen zur Kundgebung eines Willensentschlusses, ein konkretes Übel herbeizuführen (vgl RIS‑Justiz RS0092149), bestreitet, dabei aber nicht von den oben dargestellten Konstatierungenzu Sinn und Bedeutungsinhalt der Äußerung (US 3) ausgeht, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[10] Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zur Anlasstat 1./ vermisste Feststellung, dass * L* den Mitarbeitern des LK*, die Drohung des Betroffenen nicht zur Kenntnis brachte, findet sich auf US 8. Das weitere Vorbringen, das Erstgericht habe – mangels (festgestellten) Zugangs der Äußerung an die Bedrohten – verfehlt Vollendung des § 107 Abs 1 und 2 StGB angenommen (vgl RIS‑Justiz RS0093175 und RS0093138 [T2 und T4]), leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb die Unterscheidung zwischen Vollendung und Versuch (§ 15 Abs 1 StGB) für die Subsumtion von Bedeutung sein sollte (vgl RIS‑Justiz RS0122138).

[11] Im Übrigen sind Vollendung und Versuch (§ 15 Abs 1 StGB) für den Begriff der Tat in § 21 Abs 1 StGB gleichgestellt (RIS‑Justiz RS0090544; Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 4).

[12] Der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO wird bloß nominell herangezogen.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

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