OGH 4Ob79/22d

OGH4Ob79/22d23.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka, die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., und den Hofrat Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei o* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K* M* Gesellschaft mbH & Co KG, 2. K* V* Gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei und die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei jeweils gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2022, GZ 3 R 116/21g‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00079.22D.0923.000

 

Spruch:

Beide außerordentliche Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Medieninhaber je einer Website, auf der redaktionelle Inhalte und Anzeigen iSd § 26 MedienG veröffentlicht werden; die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin einer Tageszeitung und mit der Erstbeklagten konzernverbunden. Die Erstbeklagte bietet auf ihrer Website Gutscheine bestimmter Unternehmen an, ua mit dem unrichtigen Hinweis „[…]‑Gutschein Spare jetzt exklusiv 10 % auf ALLES!“. Tatsächlich gewährt das betreffende Unternehmen den Inhabern eines derartigen Gutscheins keinen 10 %‑Rabatt auf jeden Kauf. Unter „Kontakt“ findet sich auf der Website der Erstbeklagten der Hinweis, „[…]‑Gutschein“ sei ein kommerzieller Service der Zeitung der Zweitbeklagten.

[2] Das Erstgericht gebot es der Erstbeklagten, es zu unterlassen, Vorzüge des „[...]‑Gutscheins“ oder vergleichbarer Angebote zu behaupten und/oder zu verbreiten, wenn diese Vorzüge tatsächlich nicht oder nur in geringerem Ausmaß bestehen, insbesondere zu behaupten und/oder zu verbreiten, der „[...]‑Gutschein“ gewähre einen 10%igen Rabatt auf alle Produkte eines bestimmten Anbieters, wenn diese Behauptung nicht wahr ist. Das Verhalten der Erstbeklagten erfülle den Irreführungstatbestand des § 2 Abs 4 UWG. Weiters verpflichtete das Erstgericht die Erstbeklagte, den klagestattgebenden Teil des Urteils für die Dauer von 30 Tagen auf der Startseite ihrer Website unmittelbar unterhalb der Browserzeile, in einem Kasten auf eigene Kosten zu veröffentlichen. Die Klage gegen die Zweitbeklagte wies das Erstgericht mangels Passivlegitimation ab, weil die Website mit dem beanstandeten Inhalt ausschließlich von der Erstbeklagten betrieben werde und eine Beteiligung der Zweitbeklagten nicht erwiesen sei.

[3] Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte die Aussprüche zu den Unterlassungsbegehren, nahm jedoch zugunsten der Erstbeklagten eine Modifizierung des Veröffentlichungsausspruchs vor, indem es die Veröffentlichung (bloß) auf der Unterseite der Website der Erstbeklagten auf demjenigen Teil dieser Unterseite anordnete, der bei ihrem Aufruf sofort sichtbar wird.

[4] Gegen die Abweisung des Klagebegehrens gegen die Zweitbeklagte und gegen die durch das Berufungsgericht vorgenommene Modifizierung des Veröffentlichungsausspruchs gegen die Erstbeklagte richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin und gegen die Stattgebung der Klage gegen die Erstbeklagte deren außerordentliche Revision.

Rechtliche Beurteilung

[5] Beide Revisionen sind in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

I. Zur Revision der Klägerin

[6] 1. Die Klägerin bringt in ihrer Rechtsrüge vor, dass die Zweitbeklagte als Medieninhaberin der Tageszeitung dieselbe Adresse und denselben Rechtsanwalt wie die Erstbeklagte habe. Aufgrund der Konzernverbundenheit und der Eigenwerbung für die Zweitbeklagte hafte diese lauterkeitsrechtlich auch für die Verbreitung der Werbeaussage auf der Website der Erstbeklagten. Zudem sei das Begehren auf Urteilsveröffentlichung nicht substanziiert bestritten worden, sodass eine Urteilsveröffentlichung bzw zumindest eine Ankündigung auf der Startseite der Website der Erstbeklagten zulässig sei.

[7] 2.1. Zur Passivlegitimation der Zweitbeklagten ist auszuführen, dass sich der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch grundsätzlich gegen den Störer richtet, somit gegen denjenigen, von dem die Beeinträchtigung ausgeht und auf dessen maßgeblichen Willen sie beruht (RS0079539). Ebenso wie für Wettbewerbsverstöße oder Urheberrechtsverletzungen in Zeitungen der jeweilige Medieninhaber haftet, gilt dies auch für Rechtsverletzungen in Websites iSd § 1 Abs 1 Z 5a MedienG. Die Haftung trifft denjenigen, der die Website inhaltlich gestaltet und deren Abrufbarkeit besorgt oder veranlasst (RS0120521, 4 Ob 34/20h). Der Unterlassungsanspruch richtet sich aber nicht nur gegen den unmittelbaren Störer, sondern auch gegen den Gehilfen, der die Rechtsverletzung des unmittelbaren Täters durch sein Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht hat (RS0079765 [T20, T22 und T24]). Von allfälligen Sonderkonstellationen abgesehen ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass aus dem bloßen Bestehen eines Konzerns noch nicht die Haftung eines Konzernunternehmens für unlautere Handlungen eines anderen rechtlich selbständigen Unternehmens im Konzern abgeleitet werden kann (4 Ob 106/08d; vgl RS0049307).

[8] 2.2. Nach den Feststellungen trug die Zweitbeklagte zum beanstandeten Verhalten der Erstbeklagten nichts bei. Es begründet daher keine, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen aus dem bloßen Umstand, dass die Gutscheine als „Service von […] Zeitung“, deren Medieninhaberin die Zweitbeklagte ist, bezeichnet werden, keine lauterkeitsrechtliche Mitverantwortung der Zweitbeklagten abgeleitet haben, zumal die Zweitbeklagte keinerlei Einfluss auf die Gestaltung der Gutscheine hat.

[9] 2.3. Den von der Klägerin zitierten Entscheidungen 4 Ob 4/10g und 4 Ob 104/20b lagen nicht unmittelbar vergleichbare Sachverhaltskonstellationen zugrunde:

[10] 2.3.1. In der Entscheidung 4 Ob 4/10g ist die dort Zweitbeklagte Medieninhaberin der Tageszeitung Ö*****. Die dort Erstbeklagte ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Zweitbeklagten und wurde von dieser mit der redaktionellen Gestaltung der Tageszeitung Ö***** betraut. Für den Lauterkeitsverstoß wurden beide Beklagte verantwortlich gemacht, weil die Beklagten selbst davon ausgingen, dass die Verantwortung für den Inhalt des Druckwerks bei der Zweitbeklagten als Medieninhaberin liege (deren Passivlegitimation nicht bestritten wurde). Der Verstoß diente der Förderung ihres Wettbewerbs. Der Erstbeklagten als der für die Redaktion zuständigen Tochtergesellschaft lag eine aktive Mitwirkung am Verstoß zur Last. Die Kenntnis der von der Zweitbeklagten durch ihren Beitritt zur ÖAK übernommenen Verpflichtungen wie auch die bewusste Förderung deren Wettbewerbs lag aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung auf der Hand.

[11] 2.3.2. In der Entscheidung 4 Ob 104/20b sprach der Senat aus, dass Verletzungen des Ehrenkodex des Österreichischen Presserats als sonstige unlautere Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG auch gegen Nichtmitglieder verfolgt werden können. Die dortige Klägerin zeigte zutreffend auf, dass diese Rechtsprechung auch für die Richtlinien des V***** einschlägig ist. Daher war auch die dort Beklagte als „(mittelbare) Medieninhaberin“ verpflichtet, sich an diese Richtlinien des V***** zu halten. Im Übrigen wurde die Passivlegitimation der Beklagten im gesamten Verfahren nicht bestritten.

[12] 2.4. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrer Revision nicht vorgebracht, dass die Zweitbeklagte die Möglichkeit gehabt hätte, kraft ihrer (rechtlichen) Beziehung zur Erstbeklagten für die Abstellung der gegenständlichen Lauterkeitswidrigkeit zu sorgen. Der bloße Umstand, dass die beanstandete Werbeaktion (auch) im Interesse der Zweitbeklagten erfolgte, reicht nicht aus (vgl Herzig in Wiebe/Kodek, UWG2 § 18 Rz 15 mwN).

[13] 3.1. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung eines Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, begründet ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042967). Bei in Druckschrift begangenen Wettbewerbsverstößen ist die Urteilsveröffentlichung regelmäßig an der gleichen Stelle und in der gleichen Schrift vorzunehmen wie der Lauterkeitsverstoß (RS0079607).

[14] 3.2. Da die unlautere Werbeaussage auf der Unterseite „Gutscheine“ auf der Website der Erstbeklagten getätigt wurde, ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach die Urteilsveröffentlichung nicht auf der Startseite, sondern (bloß) auf dieser Unterseite zu erfolgen hat, vertretbar.

[15] 3.3. Die Auslegung des Prozessvorbringens begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (6 Ob 132/20k [Pkt 3] mwN). Die (implizite) Annahme der Vorinstanzen, dass die Bestreitung des Veröffentlichungsbegehrens mit der Behauptung, es sei „in Bezug auf Form und Zeit völlig überschießend“, ausreichend substanziiert war, ist jedenfalls vertretbar.

II. Zur Revision der Erstbeklagten

[16] 1. Die Erstbeklagte begründet die Zulässigkeit ihrer Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung damit, dass das Berufungsgericht bezüglich des Leitbilds des Durchschnittsverbrauchers und hinsichtlich der Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.

[17] 2.1. Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher (vgl RS0114366 [T5]).

[18] 2.2. Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0107771).

[19] 2.3. Nach den Feststellungen lautete die Bewerbung des „[…]‑Gutscheins“ auf der Website der Erstbeklagten „Spare jetzt exklusiv 10 % auf ALLES!“. Diese Werbeaussage war falsch, weil es die 10 % Ersparnis für im [...]‑Onlineshop erhältliche Produkte nicht gab, wenn der Preis der Ware bereits reduziert war oder wenn ein Mindestbestellwert nicht überschritten wurde. Für einen Interessenten wirkte der Gutschein in der auf der Website angepriesenen Form somit erheblich attraktiver als er tatsächlich war.

[20] 2.4. Die von der Erstbeklagten zitierte Entscheidung 4 Ob 187/21k „100 Euro Rabatt auf alles“ ist insofern nicht einschlägig, als dort – anders als hier – den angesprochenen Lesern bewusst war, dass der Preisnachlass ab einer Mindestbestellmenge gewährt wird. Überdies konnten dort – im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt – alle Geschäftsbedingungen durch naheliegendes Anklicken in Erfahrung gebracht werden.

[21] Den Vorinstanzen ist daher bei der Bejahung der Irreführung keine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.

[22] 3.1. Bei Unterlassungsansprüchen ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RS0037607 [T1]). Es ist daher zulässig, dem Beklagten nicht nur ein konkret umschriebenes Verhalten zu untersagen, sondern auch die Unterlassung „ähnlicher“ Störungen aufzutragen (RS0037607 [T44]).

[23] 3.2. Die Klägerin begehrte, den Beklagten zu untersagen, über die Vorzüge des „[...]‑Gutscheins“ oder vergleichbarer Angebote zu täuschen. Der Begriff „Vorzug“ wird als Synonym für Erstrangigkeit, höhere Wichtigkeit und Vorrang bzw bildungssprachlich für Vorteil, Stärke und Pluspunkt verwendet (www.duden.de/synonyme/Vorzug ). Die Wendung „Vorzüge eines Gutscheins“ ist allgemein verständlich und wurde von den Vorinstanzen vertretbar als nicht zu unbestimmt oder zu weit gefasst beurteilt, weil nach der Natur des Verstoßes (Werbeankündigung, die in zahlreichen Varianten möglich ist) eine weitere, allgemeinere Fassung des Verbots geboten war.

[24] 3.3. Auch der Begriff „vergleichbare Angebote“ ist im Bezug auf den „[...]‑Gutschein“ nicht missverständlich und verhindert, dass die gleichen irreführenden Geschäftspraktiken unter einem anderen Namen fortgesetzt werden.

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