OGH 13Os18/22d

OGH13Os18/22d7.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Finanzstrafsache gegen * C* wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2021, GZ 9 Hv 122/20t‑54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00018.22D.0907.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2005/103 (I 1, 2 und 3, II 1, 2 und 3), idF BGBl I 2010/104 (I 4 und 5, II 4 und 5), idF BGBl I 2012/112 (I 6, 7 und 8, II 6, 7 und 8 sowie III) und idF BGBl I 2015/163 (I 9 und II 9) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom 30. März 2009 bis zum 23. Februar 2017 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz‑Stadt vorsätzlich (US 6 f) und gewerbsmäßig (im Sinn der zum jeweiligen Tatzeitpunkt geltenden Fassung des § 38 FinStrG) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten als Einzelunternehmer (US 3 f) Abgabenverkürzungen teils bewirkt, teils dies versucht, und zwar

(I) durch Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen (US 5 f) an Einkommensteuer

(1) für das Jahr 2007 um 34.166,67 Euro,

(2) für das Jahr 2008 um 30.032,08 Euro,

(3) für das Jahr 2009 um 805,73 Euro,

(4) für das Jahr 2010 um 15.840,50 Euro,

(5) für das Jahr 2011 um 11.417 Euro,

(6) für das Jahr 2012 um 1.031,44 Euro,

(7) für das Jahr 2013 um 11.309,50 Euro,

(8) für das Jahr 2014 um 1.055 Euro und

(9) für das Jahr 2015 um 3.823 Euro, wobei es beim Versuch (§ 13 FinStrG) blieb (US 14), weiters

(II) durch Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen (US 5 f) an Umsatzsteuer

(1) für das Jahr 2007 um 13.666,67 Euro,

(2) für das Jahr 2008 um 12.166,67 Euro,

(3) für das Jahr 2009 um 360,56 Euro,

(4) für das Jahr 2010 um 11.596,61 Euro,

(5) für das Jahr 2011 um 4.852,94 Euro,

(6) für das Jahr 2012 um 359,99 Euro,

(7) für das Jahr 2013 um 5.027,73 Euro,

(8) für das Jahr 2014 um 8.664,25 Euro und

(9) für das Jahr 2015 um 1.175,33 Euro sowie

(III) an Normverbrauchsabgabe für Dezember 2014 um 11.635,57 Euro durch Unterlassen deren Anmeldung und Entrichtung bis zum Fälligkeitstag nach der Erstzulassung eines zum Wohnmobil umgebauten Lkw (US 4 und 6 f).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a und lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] An sich zutreffend weist die Verfahrensrüge (Z 3) darauf hin, dass die Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des angefochtenen Urteils den Passus enthalten, „neben“ der verhängten Geld-(und Ersatzfreiheits-)Strafe sei „auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten zu erkennen“ gewesen, („welche […] bedingt für eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen werden konnte“ [US 18],) obwohl eine derartige – nicht zwingend zu verhängende (§ 38 FinStrG in der jeweiligen Tatzeitfassung iVm § 15 Abs 2 FinStrG) – Sanktion gar nicht ausgesprochen (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) wurde (US 2 f, siehe auch ON 53 S 8).

[5] Aus Z 3 kann jedoch insoweit nur geltend gemacht werden, die schriftliche Urteilsausfertigung stimme in den Aussprüchen nach § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO (§ 270 Abs 2 Z 4 StPO) nicht mit dem verkündeten Urteil überein (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 280; RIS‑Justiz RS0098867 [insbesondere T1]). Dass dies hier der Fall sei, wird vom Beschwerdeführer – zu Recht (ON 53 S 8, US 3) – nicht behauptet.

[6] Hinzugefügt sei, dass die angesprochene Divergenz zwischen dem Sanktionsausspruch (US 3) und der Urteilsbegründung zur Straffrage (US 18) auch keinen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall herstellt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 279 und 436; RIS‑Justiz RS0099014 [T2]).

[7] Nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge können Grundlage einer Verfahrensrüge (Z 4) sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt (also an den Kriterien des § 55 StPO orientiert formell gestellt) wurden. Die bloße Verlesung des betreffenden Schriftsatzes durch die Vorsitzende reicht dafür nicht aus (RIS‑Justiz RS0099099 und RS0099511).

[8] Mit dem Einwand, das Schöffengericht habe einer „entsprechende[n] Antragstellung“, die der Beschwerdeführer „mit Schriftsatz vom 15. 10. 2021“ „veranlasst“ habe (ON 52), nicht entsprochen, bezieht sich die Rüge daher auf keinen unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO beachtlichen Antrag.

[9] Im Übrigen hat sich der Beschwerdeführer nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung mit der „Verlesung des gesamten Akteninhaltes“ – somit auch jener nach § 99 Abs 6 FinStrG erlangten Auskünfte, deren Einführung in die Hauptverhandlung nun (als einem „Beweisverwertungsverbot“ widersprechend) aus Z 4 beanstandet wird – ausdrücklich einverstanden erklärt (ON 53 S 5).

[10] Seine den Schuldspruch I und II in objektiver Hinsicht tragenden Feststellungen gründete das Schöffengericht auf konkrete – in der Hauptverhandlung vorgekommene (ON 53 S 5) – abgabenbehördliche Ermittlungsergebnisse (US 8 ff) unter Berücksichtigung der Verantwortung des Beschwerdeführers (US 10 f). Die Höhe des in den Veranlagungsjahren 2007 bis 2015 jeweils erzielten Einkommens und der Umsätze des Beschwerdeführers, woraus sich – jeweils durch Abzug der von ihm erklärten Jahreseinkommen‑ (Schuldspruch I) und Jahresumsatzsteuer (Schuldspruch II) – der jeweilige Verkürzungsbetrag ergibt, wurde im Weg einer Schätzung (§ 184 BAO; vgl dazu RIS‑Justiz RS0053312) ermittelt. Deren Prämissen ergeben sich – im Kern – aus einer erstmals im Rahmen des (die * GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, betreffenden) Abgabenverfahrens erstellten „Vermögensdeckungs‑ bzw. Lebenshaltungskostenrechnung“. Diese (in der Folge fortlaufend an zusätzliche Beweisergebnisse des Finanzstrafverfahrens angepasste) Rechnung haben die Tatrichter auf ihre Beweiskraft geprüft und sie für schlüssig und nachvollziehbar befunden (US 12). Dabei haben sie sich mit weiteren diesbezüglichen Verfahrensergebnissen, insbesondere zu vom Beschwerdeführer entrichteten Versicherungsprämien (US 9 und 11) und „Golfbeiträgen“ (US 10) sowie dem Inhalt nach § 99 Abs 6 FinStrG erteilter Auskünfte (US 10), der Verantwortung des Beschwerdeführers sowie von diesem vorgelegten Unterlagen (US 10 f), auseinandergesetzt.

[11] Die Behauptung von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) in Bezug auf die zu Verkürzungen an Umsatz- und an Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2012 (I 3 und 6 sowie II 3 und 6) getroffenen Feststellungen (US 6) versäumt es prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119370), an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen.

[12] Gleiches gilt für die – zudem nicht deutlich und bestimmt auf für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen bezogene – Kritik (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) an Feststellungen (US 4) zum Unterbleiben der Offenlegung einzelner steuerlicher Teilaspekte (in den Jahren 2005 bis 2015 erzielte „Vorteile aus der * GmbH“ und „Mieteinnahmen“ [siehe dazu US 7 ff]).

[13] Soweit die Rüge (deutlich genug) eine Reduktion der (Summe der) strafbestimmenden Wertbeträge auf ein die gerichtliche Zuständigkeitsgrenze (§ 53 Abs 1 FinStrG) unterschreitendes Maß anstrebt,

‑ wiederholt sie die mit dem – selbst kein Beweismittel darstellenden (RIS-Justiz RS0119221 [T1]) – Schriftsatz vom 15. Oktober 2021 (ON 52) vorgetragene Kritik des Beschwerdeführers an der „Lebenshaltungskostenrechnung“ des Betriebsprüfers,

‑ verweist sie auf die – vom Erstgericht erörterte (US 7, US 10 f) – Verantwortung des Beschwerdeführers und

‑ fordert sie mit der Behauptung, die „Lebenshaltungskostenrechnung“ sei „unrichtig“ und „[n]icht nachvollziehbar“, anhand eigenständiger Bewertung einzelner Verfahrensergebnisse von jenen des Erstgerichts abweichende Schlussfolgerungen ein.

[14] Damit macht sie keinen Begründungsmangel (Z 5) geltend, sondern übt sie bloß – im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässige – Kritik an der den Tatrichtern vorbehaltenen (§ 258 Abs 2 StPO) Beweiswürdigung.

[15] Welchen konkreten Feststellungen (RIS‑Justiz RS0130729) über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117264) von der Beschwerde referierte Teile der Zeugenaussage (des Betriebsprüfers) * P* in welcher Hinsicht erörterungsbedürftig entgegenstehen (Z 5 zweiter Fall) sollten, macht die Rüge nicht klar.

[16] Mit dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) bekämpft die Rüge die zum Schuldspruch III getroffenen Feststellungen (US 4 und 6). Ihr zuwider hat das Erstgericht die (eine vorsätzliche Verkürzung an Normverbrauchsabgabe leugnende) Verantwortung des Beschwerdeführers, das betreffende Fahrzeug nach dessen Umbau zum Wohnmobil und entsprechender Zulassung (vgl § 1 Z 3 und § 7 Abs 1 Z 2 NoVAG 1991 idF BGBl I 2010/34) – weiterhin – als Lastkraftwagen betrieblich genutzt zu haben, gar wohl berücksichtigt, jedoch als unglaubhaft verworfen (US 7 und 12 f).

[17] Im Übrigen stellte der (zur Tatzeit in Geltung stehende) § 2 Z 2 NoVAG 1991 idF BGBl 1995/21 nicht auf die tatsächliche Nutzung eines (Kraft-)Fahrzeugs, sondern darauf ab, ob dieses „hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaut“ worden ist.

[18] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) – willkürfrei – aus dem „äußeren Tatgeschehen“ sowie der „langjährigen unternehmerischen Erfahrung“ des Beschwerdeführers und dessen dadurch erworbenen „Kenntnisse[n] im Umgang mit Abgabenerklärungen“ erschlossen (US 12 f).

[19] Ob das Bundesfinanzgericht über eine von * C* erhobene Beschwerde gegen die im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (aus Beschwerdesicht zu Unrecht) angeordnete Auskunftserteilung nach § 99 Abs 6 FinStrG bereits entschieden hat (vgl US 10), betrifft keinen entscheidenden – nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen – Aspekt. Der insofern erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geht daher von vornherein ins Leere.

[20] Soweit die Rüge argumentiert, die angesprochenen Auskünfte (§ 99 Abs 6 FinStrG) würden – infolge Unzulässigkeit deren Anordnung (vgl § 98 Abs 4 FinStrG) – einem „Beweisverwertungsverbot“ unterliegen (der Sache nach Z 5 vierter Fall oder Z 5a), fehlt es ihr schon an einem Vorbringen, wodurch der Beschwerdeführer an prozessförmiger, auf Unterbleiben deren Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) gerichteter Antragstellung gehindert war (zur Subsidiarität der Mängel- und der Tatsachenrüge gegenüber der Verfahrensrüge [hier § 281 Abs 1 Z 4 StPO] im gegebenen Zusammenhang Ratz, WK-StPO § 281 Rz 66 ff mwN).

[21] Dass durch ihr Vorkommen in der Hauptverhandlung

- ein amtliches Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers verlesen (§ 281 Abs 1 Z 2 StPO) oder

- eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden wäre, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO),

wird von der Beschwerde übrigens – zu Recht – nicht behauptet.

[22] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entwickelt ihren Einwand, die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge übersteige nicht 100.000 Euro, sodass nach § 53 Abs 1 FinStrG keine gerichtliche Strafbarkeit gegeben sei, auf der Basis (nicht der tatrichterlichen Feststellungen, sondern) des Vorbringens der Mängelrüge. Damit verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[23] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet das Vorliegen des Verfolgungshindernisses der bestandkräftig entschiedenen Sache (§ 17 Abs 1 StPO, Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK).

[24] Ihrer Erledigung vorausgeschickt sei folgende– im angefochtenen Urteil konstatierte (US 8 ff und 11) – Darstellung des Gangs des Finanzstrafverfahrens:

[25] Aufgrund eines Berichts (§ 100 Abs 2 StPO; § 82 Abs 2 FinStrG) der Finanzstrafbehörde vom 10. August 2017 (ON 2) wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen * C* (wegen des Verdachts der Verkürzung an Einkommen‑ und Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2015 in einer den Betrag von 100.000 Euro jedenfalls übersteigenden Höhe) geführt (vgl ON 3, 4 und 5: Anordnung und faktische Durchführung von Auskünften über Bankkonten und Bankgeschäfte). Am 29. November 2017 stellte sie dieses – mangels hinreichenden Verdachts der Hinterziehung von Abgaben in 100.000 Euro übersteigender Höhe – gemäß § 202 Abs 1 FinStrG ein (ON 1 S 5). Die hievon verständigte Finanzstrafbehörde setzte das Verfahren daraufhin gemäß § 54 Abs 5 FinStrG als verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren fort (vgl ON 18 S 6).

[26] Mit neuerlichem Bericht (§ 100 Abs 2 StPO; § 82 Abs 2 FinStrG) vom 28. April 2020 (ON 18) legte die Finanzstrafbehörde im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren gewonnene Ergebnisse einer „Betriebsprüfung“ (§ 99 Abs 2 FinStrG) des (Einzelunternehmens des) Beschwerdeführers (ON 19 und 20) in Bezug auf die (vom nunmehrigen Schuldspruch umfassten) Finanzvergehen vor, auf welcher Grundlage die Verkürzungsbeträge (an Einkommen‑ und Umsatzsteuer sowie Normverbrauchsabgabe) zusammen 100.000 Euro übersteigen würden, die Durchführung des Strafverfahrens somit in die Zuständigkeit der Gerichte falle.

[27] Im Hinblick darauf ordnete die Staatsanwaltschaft am 19. Mai 2020 gemäß § 193 Abs 2 Z 2 StPO die Fortführung des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens gegen * C* an (ON 1 S 6), woraufhin die Finanzstrafbehörde das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren am 23. Juni 2020 gemäß § 54 Abs 1 FinStrG vorläufig einstellte (ON 27 S 5).

[28] Mit Einspruch wegen Rechtsverletzung (§§ 106 f StPO) relevierte daraufhin der Beschwerdeführer, in der Berichterstattung der Finanzstrafbehörde (ON 18) und in der darauf gegründeten Fortführung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft liege eine „dem Verwertungsverbot im Sinne des § 98 Abs 4 FinStrG“ widersprechende „Verwertung“ von Auskünften über Bankdaten im Sinn des § 99 Abs 6 FinStrG, die im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (aus seiner Sicht zu Unrecht) angeordnet worden waren. Im Übrigen lägen „keine neuen Beweismittel vor, die die Fortführung des Ermittlungsverfahrens rechtfertigen“ würden (ON 22, 23 und 26). Diesen Rechtsbehelf wies das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 9. September 2020, AZ 24 HR 213/17k, (ON 28) teils (nämlich soweit er sich auf das Handeln der Finanzstrafbehörde bezog) als unzulässig zurück, im Übrigen gab es ihm nicht Folge. Einer dagegen gerichteten Beschwerde des * C* (ON 29) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 8. Oktober 2020, AZ 10 Bs 292/20x, (ON 31) nicht Folge.

[29] Zutreffend geht die Rüge davon aus, dass die vom Schuldspruch I und II umfassten Taten bereits Gegenstand jenes (gegen den Beschwerdeführer geführten) Ermittlungsverfahrens waren, das die Staatsanwaltschaft gemäß § 202 Abs 1 FinStrG (idF BGBl I 2010/104) eingestellt hat.

[30] Dass ein diesbezüglicher Strafklageverbrauch deshalb eingetreten sein sollte, weil die Finanzstrafbehörde das Verfahren – wie der Beschwerdeführer abseits des Urteilssachverhalts (siehe aber RIS-Justiz RS0099810) vermeint: „in Kenntnis“ der (von ihm freilich bestrittenen) „Gerichtszuständigkeit“ – nach § 54 Abs 5 FinStrG „fortgeführt“ habe (anstatt einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens nach § 195 StPO zu stellen), wird jedoch ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

[31] Das Argument wiederum, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 193 Abs 2 Z 2 StPO sei unzulässig gewesen, weil „keine neuen Tatsachen oder Beweismittel entstanden oder bekannt geworden“ seien, die nicht schon „im Rahmen des von der StA im Kalenderjahr 2017“ geführten, gemäß § 202 Abs 1 FinStrG eingestellten Ermittlungsverfahrens „bekannt waren“, wird – ohne Feststellungsmängel prozessförmig geltend zu machen (dazu RIS‑Justiz RS0118580 [T15]; in Bezug auf prozessuale Tatsachen Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634/1) – aus vom Urteilssachverhalt abweichenden Sachverhaltsprämissen entwickelt (erneut RIS‑Justiz RS0099810 [insbesondere T24]).

[32] Hinzugefügt sei, dass es der – von der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 202 Abs 1 FinStrG (idF BGBl I 2010/104) verständigten – Finanzstrafbehörde (§ 202 Abs 2 FinStrG iVm § 194 StPO) freistand (Lässig in WK² FinStrG § 202 Rz 2 und § 205 Rz 3), entweder die Fortführung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu beantragen (§ 205 FinStrG iVm § 195 StPO) oder – wie hier – das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren einzuleiten (§ 82 Abs 1 und 3 FinStrG). Die Verfahrenseinstellung gemäß § 202 Abs 1 FinStrG entfaltete demnach kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine Sperrwirkung für die Finanzstrafbehörde (vgl Nordmeyer, WK‑StPO § 190 Rz 45 und Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 628).

[33] Eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft aus dem Grunde des § 202 Abs 1 FinStrG (auch schon in der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsanwaltschaft geltenden Fassung BGBl I 2010/104) ist immer eine solche nach § 190 StPO. Dies erhellt sich aus der in § 202 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2010/104 enthaltenen Verständigungsvorschrift für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 202 Abs 1 FinStrG oder „sonst“ gemäß § 190 StPO einstellt, wodurch klar wird, dass Ersterer (nur) einen Spezialfall des Letzteren darstellt (Lässig in WK² FinStrG § 202 Rz 2 und § 220 Rz 1; vgl auch Nordmeyer, WK‑StPO § 190 Rz 45). In diesem Sinn normiert nunmehr § 202 Abs 1 FinStrG idgF, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren „gemäß § 190 StPO“ insoweit einzustellen hat, als eine Zuständigkeit des Gerichts im Hauptverfahren nicht gegeben wäre (vgl Lässig in WK² FinStrG § 202 Rz 1/1 [seit dem Inkrafttreten des Art 5 Z 6 des AbgÄG 2020 BGBl I 2019/91 ist übrigens – umgekehrt – auch jede Einstellung eines Finanzstrafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft eine solche wegen Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung des Finanzvergehens nach § 202 Abs 1 zweiter Satz FinStrG).

[34] Die Fortführung eines nach § 202 Abs 1 FinStrG beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft hat daher – vom (hier nicht vorliegenden) Fall des § 195 Abs 3 erster Satz StPO abgesehen – nach den Vorgaben des § 193 Abs 2 StPO zu erfolgen, hinsichtlich welcher Norm das FinStrG keine Ausnahmen anordnet (§ 195 Abs 1 FinStrG; Lässig in WK² FinStrG § 220 Rz 1).

[35] Ein Sachverhalt, auf dessen Grundlage die in § 193 Abs 2 Z 2 StPO normierten Voraussetzungen für die Verfahrensfortführung vorliegend nicht erfüllt gewesen wären, ist weder durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse indiziert noch im angefochtenen Urteil festgestellt worden.

[36] Wird außerdem eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Fortführung (hier nach § 193 Abs 2 Z 2 StPO) durch eine nachfolgende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Ermittlungsverfahren (hier §§ 106 f StPO) bestätigt, kommt diese einer Gerichtsentscheidung auf Wiederaufnahme gleich und ist demnach bindend. Die Geltendmachung des hier behaupteten prozessualen Verfolgungshindernisses (RIS‑Justiz RS0129011 [insbesondere T1]) mit Nichtigkeitsbeschwerde (Z 9 lit b) scheidet dann – ebenso wie im Fall rechtskräftig (gerichtlich) angeordneter Wiederaufnahme – von vornherein aus (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634/1; vgl auch Nordmeyer, WK‑StPO § 193 Rz 5; Birklbauer, WK‑StPO § 17 Rz 60 und Rz 64 f sowie RIS‑Justiz RS0130196).

[37] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) behauptet, das Erstgericht habe „die Höhe des strafbestimmenden Verkürzungsbetrages falsch errechnet“, weil es die Verkürzung an Umsatzsteuer für die Jahre 2009, 2010, 2012 und 2013 sowie an Einkommen‑ und Umsatzsteuer für das Jahr 2014 „unrichtig festgesetzt“ habe.

[38] Indem sie ihre Argumentation nicht auf der Basis der im Urteil festgestellten Höhe der jeweiligen Verkürzungsbeträge (US 5 f) entwickelt, bringt sie den herangezogenen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (abermals RIS‑Justiz RS0099810).

[39] Ein Begründungsmangel in Bezug auf die Berechnungsgrundlage für den strafbestimmenden Wertbetrag (Z 11 erster Fall iVm Z 5) wird mit der Behauptung fehlender Feststellungen zu einer „unrichtige[n] Lebenshaltungskostenrechnung ob der Golfbeiträge“ nicht geltend gemacht (vgl im Übrigen US 11 iVm ON 41 S 3 sowie ON 53 S 5).

[40] Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht – zum Vorteil des Angeklagten – von einem strafbestimmenden Wertbetrag von (bloß) 166.872,01 Euro, demnach von einer Geldstrafdrohung bis zu 500.616,03 Euro, ausgegangen ist (US 6 und 18), obwohl sich auf der Basis der konstatierten Verkürzungsbeträge (US 5 f) ein strafbestimmender Wertbetrag von 178.987,24 Euro (demnach eine Geldstrafdrohung bis zu 536.961,72 Euro) ergibt.

[41] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO, ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[42] Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[43] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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