OGH 5Ob61/22i

OGH5Ob61/22i19.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Wurzer, die Hofrätin Mag. Malesich sowie die Hofräte Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ * KG *, vertreten durch Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH & Co KG, *, 2. P* GmbH, ebenda, beide vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien T*, vertreten durch Mag. Michael Stuxer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 330.000 EUR sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 20.000 EUR) über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2022, GZ 15 R 138/21f‑76, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. August 2021, GZ 5 Cg 18/19g‑68, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00061.22I.0719.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Soweit sich die außerordentliche Revision gegen die Stattgebung des Zahlungsbegehrens richtet, wird sie als unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen – also hinsichtlich der Stattgebung des Feststellungsbegehrens – wird der außerordentlichen Revision Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung an die Nebenintervenientin sowie die neuerliche Vorlage an das Berufungsgericht nach Ablauf der Berufungsfrist, allenfalls Einlangen eines Rechtsmittels der Nebenintervenientin sowie einer allfälligen Rechtsmittelbeantwortungzur neuerlichen Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

 

Begründung:

[1] Die klagende Partei nimmt die Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch. Die Erstbeklagte war Miteigentümerin der Liegenschaft und baute das Dachgeschoss (Top 12 bis 15) aus. Die hiefür erforderlichen Baumeister‑, Zimmermanns‑, Dachdecker‑ und Spenglerarbeiten führte sie selbst oder durch ihre Subunternehmerin, die Nebenintervenientin, aus. Dass diese Arbeiten – von den Vorinstanzen näher beschriebene – Mängel aufwiesen, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 1.473 EUR sA für vom Sachverständigen dringend angeratene Sanierungsarbeiten, wies das restliche Zahlungsbegehren von 328.527 EUR hingegen ab, weil es nicht feststellen konnte, dass die dem Zahlungsbegehren zugrunde liegenden Arbeiten laut Kostenvoranschlag notwendig und der Höhe nach angemessen wären. Dem Begehren festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige Kosten im Zusammenhang mit der Sanierung der im Ersturteil näher beschriebenen Mängel und Schäden sowie im Zusammenhang mit der Herstellung eines gültigen baubehördlichen Konsenses für das dokumentierte Bauvorhaben haften, gab es statt. Dieses Urteil wurde den Parteien jeweils am 19. 8. 2021 zugestellt.

[3] Die Nebenintervenientin trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 14. 9. 2021 bei und ersuchte um Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an ihre Vertreter. Eine Zustellungunterblieb allerdings.

[4] Die Beklagten erhoben am 15. 9. 2021 Berufung hinsichtlich des dem Feststellungsbegehren stattgebenden Teils des Ersturteils.

[5] Die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an die Parteien verfügte das Erstgericht am 17. 9. 2021. Die Zustellung an die Hauptparteien erfolgte am 20. 9. 2021, also zu einem Zeitpunkt, als die Berufungsfrist für die Beklagten bereits abgelaufen war. Einen Zurückweisungsantrag stellte keine der Hauptparteien.

[6] Das Berufungsgericht entschied über die Berufung der Beklagten, ohne die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Nebenintervenientin zu veranlassen. Es bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision (nur) der Nebenintervenientin, die eine Abänderung im Sinn einer vollinhaltlichen Abweisung sämtlicher Klagebegehren, hilfsweise die Aufhebung zum Zweck der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung an die Nebenintervenientin anstrebt.

[8] In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung bestreitet die Klägerin die Zulässigkeit der Revision und beantragt, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist unzulässig, soweit sie – nach ihrem Antrag – auch die Abweisung des Zahlungsbegehrens im Ausmaß von 1.473 EUR sA anstrebt, weil das Berufungsgericht darüber nicht entschieden hat und (aufgrund Rechtskraft) auch nicht entscheiden durfte. Im Übrigen ist sie zur Klarstellung der Rechtslage zu tragenden Grundsätzen des Verfahrensrechts nach der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h zulässig (vgl RIS‑Justiz RS0041365). Sie ist insoweit im Sinn ihres Eventualbegehrens auch berechtigt.

[10] 1. Die Nebenintervenientin macht als erhebliche Rechtsfrage (unter anderem) geltend, sie sei dem Verfahren zu einem Zeitpunkt beigetreten, als die Rechtsmittelfrist zur Erhebung einer Berufung gegen das Ersturteil für die beklagten Parteien noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Beklagten hätten fristgerecht Berufung erhoben. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h sei ihr auch als einfacher Nebenintervenientin die Urteilsausfertigung zuzustellen, Rechtsmittelfristen seien erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung für sie gelaufen. Nur in dem – hier nicht gegebenen – Fall, dass sie erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei dem Verfahren beigetreten sein sollte, wäre ihr die Erhebung eines eigenen Rechtsmittels verwehrt gewesen. Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils hätte die Nebenintervenientin die Rechtsrüge betreffend die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin erhoben und das Feststellungsurteil auch hinsichtlich der Haftung für die Kosten der Herstellung eines gültigen baubehördlichen Konsenses bekämpft. In der Berufung hätte sie dazu Beweis‑ und Rechtsrüge erhoben.

Dazu wurde erwogen:

[11] 2.1. Nach § 18 Abs 1 ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Abgabe der Beitrittserklärung an das Gericht und wird mit der Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an beide Parteien rechtswirksam. Die Erklärung des Beitritts erst im Rechtsmittelverfahren steht mit dieser gesetzlichen Regelung im Einklang (5 Ob 245/10f mwN; 2 Ob 257/03p; RS0035977 [T7]).

[12] 2.2. Hier haben die Parteien das Urteil des Erstgerichts am 19. 8. 2021 zugestellt erhalten, die Berufungsfrist war zum Zeitpunkt des Beitrittsschriftsatzes der Nebenintervenientin (14. 9. 2021) noch nicht abgelaufen. In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der Nebenintervenientin aus diesem Grund das Ersturteil – mit der Konsequenz der Eröffnung einer eigenen Berufungsfrist – zuzustellen war.

[13] 3.1. Die ältere Rechtsprechung ging noch davon aus (RS0035977), die Berufung eines Nebenintervenienten, der seine Beitrittserklärung erst in der Berufungsschrift abgibt, sei verspätet, wenn diese Rechtsmittelschrift dem Gegner erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zugestellt wird, und hielt die dennoch ergangene Sachentscheidung des Rechtsmittelgerichts über diese Berufung als wegen Rechtskraftverstoßes für nichtig. Schon seit der Entscheidung 1 Ob 50/69 (RS0035977 [T4]) vertrat der Oberste Gerichtshof allerdings – mit ausführlicher Begründung – die Auffassung, dass ein in offener Frist erhobenes Rechtsmittel eines Nebenintervenienten, das auch die Beitrittserklärung enthält und erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist den Parteien zugestellt werden konnte, dann zulässig und meritorisch zu behandeln ist, wenn die Hauptpartei ihrerseits ein Rechtsmittel erhoben hat, sodass das Verfahren noch anhängig war, sodass dem Beitritt nicht das Hindernis der rechtskräftigen Beendigung des Prozesses entgegensteht (1 Ob 543/91 mwN; 6 Ob 140/98a). Damals stand dem einfachen Nebenintervenienten nach der Rechtsprechung nur die Rechtsmittelfrist der Hauptpartei zur Verfügung, einen Anspruch auf Zustellung einer Urteilsausfertigung hatte er nicht (RS0035584; RS0035666).

[14] 3.2. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h ist in ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RS0117093) klargestellt, dass auch dem nicht streitgenössischen Nebenintervenienten Ausfertigungen der in dem Verfahren, dem er beigetreten ist, ergangenen Entscheidungen wie der Hauptpartei zuzustellen sind und die ihm offenstehende Rechtsmittelfrist erst mit dem Zeitpunkt dieser Zustellung beginnt. Der Oberste Gerichtshof ging dort davon aus, dass dem Nebenintervenienten, wenn er dem Rechtsstreit erst im Rechtsmittelverfahren beitritt, die Entscheidung mit der Wirkung zuzustellen ist, dass für ihn erst dadurch die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird, sofern die Rechtsmittelfrist für jene Hauptpartei, auf deren Seite er beitritt, noch nicht abgelaufen ist. Dem steht weder der Wortlaut noch der Sinngehalt des § 19 Abs 1 erster Satz ZPO entgegen, muss der Nebenintervenient doch danach bloß gegen sich gelten lassen, dass eine – durch ihn allerdings noch anfechtbare – Entscheidung (erster oder zweiter Instanz) ergangen ist. Auch dann, wenn die Hauptpartei mit dem von ihr erhobenen Rechtsmittel die ihr dafür bestimmte Frist nicht ausschöpft, ist dem Nebenintervenienten, tritt er dem Rechtsstreit während der noch nicht abgelaufenen Frist bei, die Entscheidung mit der eine eigene Rechtsmittelfrist eröffnenden Wirkung zuzustellen, weil das Rechtsmittelrecht des Nebenintervenienten durch das Rechtsmittel der Hauptpartei selbst nicht verbraucht wird. Nur wenn die der Hauptpartei eröffnete Rechtsmittelfrist im Beitrittszeitpunkt bereits verstrichen ist, muss der Nebenintervenient die dadurch bestimmte Verfahrenslage – eine von der Seite, auf der er dem Rechtsstreit beitrat, nicht (mehr weiter) anfechtbare Entscheidung – hinnehmen; seine Befugnisse beschränken sich dann auf die Beteiligung an einer gegebenenfalls abgehaltenen Berufungsverhandlung und auf die Rechte im weiteren Verfahren.

[15] 3.3. Auf dieser Basis bezeichnete der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 257/03p die bisherige Rechtsprechung, eine während der offenen Rechtsmittelfrist erfolgte Beitrittserklärung müsse innerhalb der Rechtsmittelfrist den Parteien zugestellt sein, damit ein Rechtsmittel des Nebenintervenienten wirksam und beachtlich sein könne, als überholt. Erklärt der Nebenintervenient während der Rechtsmittelfrist seinen Beitritt, dann ist – solange über seine Stellung nicht rechtskräftig entschieden wurde – das Verfahren im Sinn des § 18 Abs 1 ZPO noch nicht rechtskräftig beendet. Das Gericht hat aufgrund der Beitrittserklärung zu prüfen, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen und in schlüssiger Weise ein Interventionsinteresse behauptet wurde. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, dann ist die Nebenintervention zurückzuweisen, andernfalls der Beitrittsschriftsatz den Parteien zuzustellen, die gemäß § 18 Abs 2 ZPO einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellen können. Solange die Nebenintervention nicht rechtskräftig zurückgewiesen wurde, ist das Verfahren im Hinblick auf die den Nebenintervenienten zustehende eigene Rechtsmittelfrist noch nicht rechtskräftig beendet. Auch in dem dort zu beurteilenden Fall erfolgte der Beitritt des Nebenintervenienten mittels eines (mit der Berufung verbundenen) Schriftsatzes noch während der offenen Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei, die allerdings vor Zustellung der Beitrittserklärung an die Prozessparteien bereits endete. Der zweite Senat behob die die Berufung des Nebenintervenienten als unzulässig zurückweisende Entscheidung des Berufungsgerichts und trug ihm die Sachentscheidung über die Berufung auf.

[16] 3.4. Die Entscheidung 5 Ob 245/10f referierte diese Judikatur und verwies darauf, dass der Beitritt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits erfolgen kann. Dort endete die Revisionsfrist am 22. 9., den Beitrittsschriftsatz brachte der Nebenintervenient am 20. 9. ein, dessen Zustellung an die Prozessparteien erfolgte am 22. 9.. Der fünfte Senat erteilte dem Argument, der Beitritt sei erst nach rechtskräftiger Entscheidung des Rechtsstreits erfolgt, eine Absage. Zu der hier interessierenden Problematik nimmt diese Entscheidung allerdings mangels Relevanz nicht explizit Stellung.

[17] 3.5. Gegenstand der Entscheidung 3 Ob 45/11f war eine im Zug des Revisionsverfahrens nach Ablauf der Revisionsfrist für die Hauptpartei erklärte Nebenintervention. Der dritte Senat hielt als unzweifelhaft fest, dass die Erhebung einer Revision, wenn der Beitritt erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem für die Hauptpartei die Revisionsfrist bereits ungenützt verstrichen ist, nicht mehr möglich ist, dies habe auch der verstärkte Senat zu 1 Ob 145/02h betont. Die Aussage, nach Ablauf der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist vom Nebenintervenienten abgegebene Erklärungen seien im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich, es sei denn, die Hauptpartei habe selbst rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben, sei nicht dahin zu verstehen, dass ein erst nach Ablauf der Rechtsmittelfristen für die Hauptpartei erklärter Beitritt, wenn die Hauptpartei selbst rechtzeitig ein Rechtsmittel erhob, zur Verpflichtung der Zustellung der von der Hauptpartei angefochtenen Entscheidung an den Nebenintervenienten und damit zur Auslösung einer ihm eröffneten Rechtsmittelfrist führt. Dies würde im Widerspruch zum Grundsatz des § 19 Abs 1 ZPO stehen. Andernfalls könnte ein Dritter, der ein Interventionsinteresse glaubhaft macht, nicht nur unterlassene Ausführungen der Hauptpartei nachträglich sanieren, sondern bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts noch seinen Beitritt erklären und – nach Zustellung der Entscheidung an ihn – selbst ein Rechtsmittel ergreifen. Der dritte Senat sprach mehrfach von der Notwendigkeit der Erklärung des Beitritts innerhalb der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist (unter Verweis auf 2 Ob 257/03p und 2 Ob 174/06m). Da im dort zu beurteilenden Fall schon die Erklärung des Beitritts weit nach Ablauf der der Hauptpartei offenstehenden (und auch genützten) Revisionsfrist erfolgt war, bedurfte die Problematik der Wirksamkeit des Beitritts erst mit Zustellung an die Prozessparteien keiner näheren Erörterung.

[18] 3.6. In der Entscheidung 10 ObS 28/12h fasste der Oberste Gerichtshof die bisher in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu einer erst im Rechtsmittelverfahren abgegebenen Beitrittserklärung zusammen. Erfolgt der Beitritt erst zu einem Zeitpunkt, zu dem für die Hauptpartei die Rechtsmittelfrist bereits ungenützt verstrichen ist, ist die Erhebung eines Rechtsmittels nicht mehr möglich, weil der Nebenintervenient gemäß § 19 Abs 1 ZPO die dadurch bestimmte Verfahrenslage hinnehmen muss, auch wenn ihm an sich seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h eine Ausfertigung der Entscheidung wie der Hauptpartei zuzustellen ist. Im Fall des Beitritts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei kann der Nebenintervenient daher auch dann kein eigenes Rechtsmittel mehr erheben, wenn die Hauptpartei ihrerseits rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben hat. Im dort zu beurteilenden Fall war ebenfalls schon die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten (demgemäß auch deren Zustellung an die Prozessparteien) nach Ablauf der Berufungsfrist für die Hauptpartei erfolgt. Auch aus dieser Entscheidung lassen sich daher keine verlässlichen Rückschlüsse für die hier zu beurteilende Frage ziehen.

[19] 3.7. Klar Stellung bezog der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 69/18z. Der siebente Senat referierte den Grundsatz, dass für den Nebenintervenienten, dem die Entscheidung wie der Hauptpartei zuzustellen ist, die Rechtsmittelfrist – auch im Fall des Beitritts erst im Rechtsmittelverfahren – erst mit dem Zeitpunkt dieser Zustellung beginnt. Der Grundsatz gelte aber nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Beitritts die Rechtsmittelfrist für jene Partei, auf deren Seite der Nebenintervenient beitrat, noch nicht abgelaufen war (unter Hinweis auf 3 Ob 45/11f und Schneider in Fasching/Konecny³ II/1 § 18 ZPO Rz 5). Die Erhebung eines Rechtsmittels, wenn der Beitritt erst zu einem Zeitpunkt wirksam wurde, zu dem für die Hauptpartei die Rechtsmittelfrist bereits ungenützt verstrichen war, erachtete der siebente Senat als nicht mehr möglich. Ein solcher Fall lag dort vor – während der Schriftsatz mit der Beitrittserklärung noch während offener Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei einlangte, erfolgte die Zustellung an eine der Prozessparteien erst danach. Der Sachverhalt war dort allerdings insofern anders, als die Hauptpartei, auf deren Seite der Beitritt erfolgte, keine Berufung erhoben hatte.

[20] 3.8. Anders entschied der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 13/18b. Dort traten die Nebenintervenienten dem Verfahren erst im Revisionsverfahren während der der Revisionsgegnerin offenstehenden Revisionsbeantwortungsfrist auf deren Seite bei. Der zweite Senat referierte die bereits dargestellte Rechtsprechung zum Beginn der Rechtsmittelfrist für den im Rechtsmittelverfahren beitretenden Nebenintervenienten, wendete sie auf die Frist für die Rechtsmittelbeantwortung sinngemäß an und ging davon aus, die Nebenintervenienten hätten den Beitritt während offener Frist für ihre Hauptpartei erklärt, sodass ihre schon mit dem Beitritt (der zu diesem Zeitpunkt also den Hauptparteien noch nicht zugestellt sein konnte) verbundene Revisionsbeantwortung jedenfalls rechtzeitig gewesen sei.

[21] 4. Die Literatur zur hier interessierenden Problematik ist uneinheitlich.

[22] Schneider vertrittin Fasching/Konecny³ II/1 § 18 ZPO Rz 5 die Auffassung, beim Beitritt im Rechtsmittelverfahren sei Voraussetzung für eine eigene Rechtsmittelfrist des Nebenintervenienten, dass die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes noch innerhalb der für die Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist erfolgt, beruft sich dazu aber auf die Entscheidungen 2 Ob 257/03p und 5 Ob 245/10f, denen eine solche Aussage allerdings – wie dargestellt – nicht zu entnehmen ist. Zur Frage des Eintritts der Rechtswirkungen der Nebenintervention verweist die Autorin allerdings (aaO Rz 23) – in gewissem Widerspruch dazu – darauf, diese träten erst mit Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an beide Parteien ein, die spätere Zustellung des Schriftsatzes schade nicht, wenn die Hauptpartei ein Rechtsmittel ergriffen habe. Nur wenn die Hauptpartei die Entscheidung unbekämpft lasse und der Beitritt im Rechtsmittelverfahren erfolgen solle, müsse der Beitrittsschriftsatz innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei an die Prozessparteien zugestellt sein (dies unter Hinweis auf 1 Ob 543/91).

[23] Auer in Höllwerth/Ziehensack ZPO TaKomm § 19 ZPO Rz 10 verlangt als Voraussetzung für eine eigene Rechtsmittelfrist des Nebenintervenienten – ebenso unter Berufung auf 5 Ob 245/10f, wo dies nicht entscheidungsrelevant war – die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an die Parteien innerhalb der für die Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist.

[24] Pochmarski/Lichtenberg, Berufung in der ZPO³  16, vertreten unter Berufung auf 2 Ob 257/03p das Gegenteil. Die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes während noch laufender Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei sei nicht notwendig. Nur im Fall des Beitritts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei könne der Nebenintervenient kein eigenes Rechtsmittel mehr erheben.

[25] Fucik in Rechberger ZPO5 § 19 ZPO Rz 3 erwähnt – ohne weitere Differenzierung – den Fall, dass der Nebenintervenient erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei dem Verfahren beitritt. Dann könne er kein eigenes Rechtsmittel erheben, selbst wenn die Hauptpartei bereits eines erhoben hat.

[26] Albiez/Pablik/Parzmayr, Handbuch Zivilprozess2  113, empfehlen im Fall des Beitritts nach Zustellung des Urteils an die Hauptparteien die Prüfung, ob die Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt, bereits abgelaufen ist. Laufe diese noch, sei dem Nebenintervenienten eine Urteilsausfertigung zuzustellen, wodurch eine eigene Rechtsmittelfrist ausgelöst werde. Sei die Frist für die Hauptpartei bereits abgelaufen, könne der Nebenintervenient kein Rechtsmittel mehr erheben.

5. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

[27] 5.1. Einigkeit besteht in Lehre und Rechtsprechung dahin, dass die Erklärung des Beitritts erst nach Ablauf der der Hauptpartei offenstehenden Frist nicht zur Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Nebenintervenienten mit der Konsequenz der Auslösung einer eigenen Rechtsmittelfrist zu führen hat, dies unabhängig von der Frage, ob die Hauptpartei Rechtsmittel erhoben hat oder nicht. Hat die Hauptpartei kein Rechtsmittel erhoben, ist das Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig beendet. Auch wenn sie dies getan hat, ist diese Verfahrenslage – eine diesfalls vom Nebenintervenienten nicht mehr anfechtbare Entscheidung – ebenfalls gemäß § 19 Abs 1 ZPO von ihm anzunehmen. Daran ist festzuhalten.

[28] 5.2. Unproblematisch ist auch der (2 Ob 174/06m und 5 Ob 245/10f zugrunde liegende) Fall, dass sowohl die Erklärung des Beitritts als auch deren Zustellung an die Prozessparteien noch innerhalb der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist erfolgt. Dann sind jedenfalls die Grundsätze der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h anzuwenden. Die Entscheidung ist dem Nebenintervenienten zuzustellen, dies löst eine eigene Rechtsmittelfrist für ihn aus.

[29] 5.3. Nach Auffassung des erkennenden Senats sprechen die besseren Argumente dafür, die Grundsätze der Entscheidungen 1 Ob 145/02h, 2 Ob 257/03p und 2 Ob 13/18b jedenfalls auch dann anzuwenden, wenn der Nebenintervenient seinen Beitritt noch während offener Berufungsfrist für die Hauptpartei erklärt und die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an die Hauptparteien – nach amtswegiger Prüfung der Interventionsvoraussetzungen – zwar erst nach Ablauf der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist erfolgt, die Hauptpartei ihrerseits aber bereits Rechtsmittel erhoben hat. Eine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens mangels Rechtsmittels der Hauptpartei – die der Nebenintervenient hinzunehmen hätte – liegt in einem solchen Fall zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts noch nicht vor.

[30] 5.4. Auszugehen ist nämlich davon, dass die Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 145/02h die prozessuale Stellung des einfachen Nebenintervenienten nicht schwächen, sondern stärken wollte (vgl die dortigen Erwägungen unter Pkt II), was insbesondere mit der Bindungswirkung eines materiell rechtskräftigen Urteils gegenüber dem einfachen Nebenintervenienten (vgl 1 Ob 2123/96d; RS0107338) begründet wurde. Wie bereits dargestellt ließ die höchstgerichtliche Rechtsprechung aber bis zur Entscheidung 1 Ob 145/02h eine Beitrittserklärung (verbunden mit dem eigenen Rechtsmittel des Nebenintervenienten) auch dann genügen, wenn sie erst nach Ablauf der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist an die Prozessparteien zugestellt wurde, dies unter der Voraussetzung, dass die Hauptpartei selbst Rechtsmittel erhoben hatte. Dass der verstärkte Senat zu 1 Ob 145/02h auch daran etwas ändern hätte wollen, ist seiner Entscheidung nicht zu entnehmen und widerspräche der intendierten Stärkung der prozessualen Stellung des Nebenintervenienten. Würde man nämlich verlangen, dass der Nebenintervenient in jedem Fall nicht nur seine Beitrittserklärung binnen offener Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei abgibt, sondern diese auch noch innerhalb dieser Frist an die Prozessparteien zugestellt wird, hinge das Rechtsmittelrecht des Nebenintervenienten von bloßen Zufälligkeiten (wie etwa dem Tempo und/oder der Sorgfalt des Erstgerichts bei der amtswegigen Prüfung der Interventionsvoraussetzungen, der Dauer der Zustellung oder auch etwaigen Zustellproblemen bei einer Hauptpartei) ab. Im Extremfall könnte das Erstgericht sogar – durch bewusste Wahl des Zustellungszeitpunkts der Beitrittserklärung – Einfluss darauf nehmen, ob dem Nebenintervenienten noch ein eigenes Rechtsmittelrecht zusteht oder nicht. Ein solches Ergebnis würde nach Auffassung des erkennenden Senats aber den Grundgedanken der Entscheidung 1 Ob 145/02h widersprechen.

[31] 5.5 Dem Nebenintervenienten, der seinen Beitritt innerhalb der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei erklärt, steht daher das Recht auf Zustellung einer Urteilsausfertigung mit der Konsequenz einer eigenen Rechtsmittelfrist unter der Voraussetzung zu, dass einerseits seine Nebenintervention nicht bereits im Vorprüfungsverfahren amtswegig vom Gericht zurückgewiesen, sondern die Beitrittserklärung in der Folge – wenn auch erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei – an die Prozessparteien zugestellt wird, und andererseits die Hauptpartei fristgerecht ihrerseits Rechtsmittel erhoben hat. Nur dann liegt zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts noch keine rechtskräftige Entscheidung vor. Für die in der älteren Rechtsprechung noch hervorgehobene Besorgnis einer unangemessenen Verfahrensverzögerung (so 1 Ob 145/02h) besteht diesfalls auch kein Anlass.

6. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall ergibt:

[32] 6.1. Eine amtswegige Zurückweisung der Nebenintervention erfolgte nicht, die Beitrittserklärung wurde den Hauptparteien – wenn auch erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist – zugestellt. Einen Zurückweisungsantrag stellten die Hauptparteien nicht. Eine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens lag zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts nur im Hinblick auf das Zahlungsbegehren vor; insoweit hat die Revisionswerberin die teilweise Klagestattgebung als in Rechtskraft erwachsen hinzunehmen. In diesem Umfang ist ihre Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

[33] 6.2. Aufgrund der von den Beklagten als Hauptparteien erhobenen Berufung in Ansehung des Feststellungsurteils liegt diesbezüglich hingegen keine rechtskräftige Verfahrensbeendigung vor. Dass die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes erst nach Ablauf der Berufungsfrist für die Hauptparteien erfolgte, ändert nichts daran, dass die Nebenintervenientin aufgrund ihres noch während laufender Rechtsmittelfrist erklärten Beitritts Anspruch auf Zustellung einer Urteilsausfertigung – im Sinn ihres ausdrücklichen Antrags – hatte. Diese Zustellung unterblieb. Das Berufungsgericht entschied somit über die Berufung der Beklagen, obwohl der Nebenintervenientin – in diesem Umfang – ebenfalls ein Rechtsmittelrecht zugestanden wäre.

[34] 6.3. Die mangelnde Beteiligung des (einfachen) Nebenintervenienten am Berufungsverfahren begründet zwar keine Nichtigkeit (RS0035738). Allerdings hat das Berufungsgericht grundsätzlich über die Berufung oder auch mehrere Berufungen eine einheitliche Entscheidung zu treffen (vgl RS0042144). Im Fall einer vorzeitigen Entscheidung des Berufungsgerichts ist diese daher aufzuheben und dem Erstgericht Gelegenheit zu geben, sein Urteil auch dem Streitgenossen oder Nebenintervenienten zuzustellen. Auch in der Entscheidung 2 Ob 180/06v – die eine Entscheidung des Berufungsgerichts ohne Berücksichtigung der durch eine Berichtigung neu ausgelösten Rechtsmittelfrist betraf – sah der Oberste Gerichtshof in der (verfrühten) Entscheidung des Rechtsmittelgerichts einen Verfahrensmangel in der Qualität des § 503 Z 2 ZPO, der zur Aufhebung des Berufungsurteils zwinge.

[35] 6.4. Diese Grundsätze sind sinngemäß auch hier anzuwenden. Die mangelnde Zustellung an den Nebenintervenienten hat das Berufungsgericht nicht aufgegriffen und damit das Berufungsverfahren mit einem – nach den Ausführungen der Nebenintervenientin (zumindest abstrakt) relevanten (RS0043027) – Mangel belastet.

[36] 7. Aus diesem Grund war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Das Erstgericht wird die Zustellung einer Urteilsausfertigung erster Instanz an die Nebenintervenientin zu veranlassen und deren allfälliges Rechtsmittel abzuwarten haben. Das Berufungsgericht wird einheitlich über die Berufung der Beklagten und eine allfällige Berufung der Nebenintervenientin unter Berücksichtigung der entsprechenden Rechtsmittelbeantwortungen zu entscheiden haben.

[37] 8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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