OGH 1Ob145/02h

OGH1Ob145/02h13.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat in der Rechtssache der klagenden Partei R* OEG, * vertreten durch Dr. Peter Pullez und Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Günter H*, vertreten durch Mag. Francisco Javier Rumpf und Dr. Dieter Cerha, Rechtsanwälte in Wien, und den auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Ing. Gerhard K*, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Dr. Fritz Wintersberger und Mag. Thomas Nitsch, Rechtsanwälte in Mödling, wegen EUR 4.775,48 sA infolge Rekurses des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2002, GZ 11 R 32/02k-39, womit die Berufung des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. November 2001, GZ 9 Cg 115/00y-34, als verspätet zurückgewiesen wurde,

 

I. durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter am 8. Oktober 2002 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:E67766

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

 

Spruch:

Es liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor; zur Entscheidung über den Rekurs ist deshalb ein verstärkter Senat berufen.

 

II. durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Klinger, Dr. Petrag, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter, Dr. Ehmayr und Dr. Schiemer sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ.-Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter den weiteren

Beschluss

gefasst:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

 

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt die Zahlung von ATS 65.712 sA als Werklohn für die in Auftrag gegebene Trockenlegung und Sanierung eines durch Wassereintritt am 20. 5. 1999 überfluteten Kellers dessen Hauses.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, der Keller sei im Mai oder Juni 1998 von der Klägerin im Auftrag der Ehefrau des Beklagten hergestellt worden, doch seien bereits im Juni 1998 Feuchtigkeitsschäden aufgetreten. Er habe die Klägerin keineswegs mit der Sanierung des Wasserschadens vom 20. 5. 1999 betraut, sondern seine Ehegattin und er hätten die Klägerin auf Grund deren vertraglichen Haftung aufgefordert, den von ihr zu verantwortenden Schaden zu beheben. Die Klägerin habe den Standpunkt eingenommen, Ursache des Schadens seien allein (unsachgemäße) Arbeiten des im Haus tätigen Elektrikers, die Sanierungskosten würden mit dessen Haftpflichtversicherung abgerechnet werden. Nur damit seien der Beklagte und seine Ehegattin einverstanden gewesen; darüber hinausgehende Aufträge seien nicht erteilt worden.

Der Beklagte verkündete dem Elektriker den Streit. Dieser trat auf dessen Seite dem Verfahren als Nebenintervenient bei. Er brachte vor, er habe zwar FX-Schläuche im Keller verlegt, doch sei auszuschließen, dass das Wasser durch diese eingetreten sei, weil sie an der Außenseite des Hauses mit Draht hochgebunden gewesen seien. Selbst wenn sich die Schläuche losgerissen haben sollten, wäre das Aufsteigen des Wassers auf Grund der Beschaffenheit der Schläuche unmöglich gewesen. Der Wassereintritt sei auf andere - im Einzelnen dargelegte - Ursachen zurückzuführen.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten - abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - zur Zahlung des Klagsbetrags. Es stellte im Wesentlichen fest, der Geschäftsführer der Klägerin habe dem Beklagten zwar zugesagt, er werde sich an die "Versicherung des Elektrikers" wenden, es sei jedoch darüber, wer die Sanierungskosten zu tragen habe, nicht gesprochen worden. Die Klägerin, die den Keller errichtet habe, treffe am Wassereintritt kein Verschulden; die von ihr letztlich begehrten Trockenlegungs‑ und Sanierungskosten lägen im Mittel vergleichbarer ortsüblicher Preise. Die vom Nebenintervenienten verlegten FX‑Schläuche seien vor dem Unwetter hochgebunden, danach jedoch losgerissen gewesen. Das Wasser sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch diese Leerverrohrungen eingetreten.

Rechtlich meinte das Erstgericht, zwischen den Parteien sei über die Kellersanierung ein Werkvertrag nach den §§ 1165 ff ABGB zustande gekommen, weshalb der Beklagte der daraus entspringenden Zahlungspflicht nachzukommen habe. Eine Vereinbarung, dass der Beklagte "jedenfalls nicht zahlungspflichtig" sei, sei nicht getroffen worden, sondern der Geschäftsführer der Klägerin habe lediglich auf die "Verantwortlichkeit des Elektrikers (und dessen Versicherung) verwiesen".

Das erstgerichtliche Urteil wurde dem Klage‑ und dem Beklagtenvertreter jeweils am 8. 11. 2001 und dem Vertreter des Nebenintervenienten dagegen am 12. 11. 2001 zugestellt. Die allein von diesem erhobene Berufung wurde am 10. 12. 2001 zur Post gegeben.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung zurück. Das Rechtsmittel sei verspätet erhoben. Dem Nebenintervenienten, dem ‑ wie hier ‑ nicht die Stellung eines Streitgenossen zukomme, sei keine Urteilsausfertigung zuzustellen. Er könne zwar Berufung erheben, jedoch nur innerhalb der der Hauptpartei eröffneten Frist. Gerechnet von der Urteilszustellung an den Vertreter des Beklagten habe die Berufungsfrist am 6. 12. 2001 geendet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Nebenintervenienten erhobene Rekurs ist berechtigt.

I. Zum Verstärkungsbeschluss:

Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand dieser Entscheidung allein die Frage nach der Rechtzeitigkeit der vom Nebenintervenienten erhobenen Berufung ist. Darüber, ob bzw inwieweit der Nebenintervenient angesichts der konkreten besonderen Fallkonstellation in einem allfälligen Folgeprozess nach der noch darzustellenden Entscheidung des verstärkten Senats SZ 70/60 an die hier getroffenen Feststellungen der Tatsacheninstanzen gebunden ist, muss in dem hier anhängigen Verfahren nicht abgesprochen werden, weil es ‑ ist der Nebenintervenient (so wie hier) dem Verfahren einmal wirksam beigetreten ‑ die Rechtssicherheit erfordert, die Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels unabhängig von der konkreten Reichweite der Bindungswirkung zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Nebenintervenient, dem nicht die Stellung eines Streitgenossen zukommt, nur innerhalb der der Hauptpartei offen stehenden Frist ein Rechtsmittel erheben (RIS‑Justiz RS0035584; RS0035509; RS0035490). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, der Nebenintervenient habe kein Recht auf Zustellung einer Entscheidungsausfertigung oder einer Rechtsmittelschrift (RIS‑Justiz RS0035666). Diese ‑ soweit überblickbar - einheitlichen Judikaturlinien wurden ‑ wenngleich obiter ‑ erstmals in der Entscheidung 6 Ob 12/01k in Frage gestellt: Dort wurde ausgeführt, nach der bisherigen Rechtsprechung verschaffe weder eine etwa drohende Regressklage noch eine allfällige Solidarhaftung dem Nebenintervenienten die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten. Ob diese Ansicht in dieser Allgemeinheit aufrecht zu erhalten ist, sei seit der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 70/60 fraglich. In dieser habe sich der Oberste Gerichtshof für eine der Interventionswirkung des § 68 dZPO vergleichbare Bindungswirkung bei einfacher Nebenintervention und Streitverkündung ausgesprochen, die dem einfachen Nebenintervenienten und demjenigen, der sich trotz Streitverkündung am Verfahren nicht beteiligte, in einem als Regressprozess geführten Folgeprozess rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen verwehre, die mit den notwendigen Elementen der Feststellungen des Vorprozesses in Widerspruch stehen. Dazu gehörten auch die die Rechtsposition dieser Person belastenden Tatsachenfeststellungen, soweit ihr dabei im Vorprozess unbeschränktes rechtliches Gehör zugestanden sei. Diese weitgehende Bindungswirkung eines Urteils auch für den einfachen Nebenintervenienten lege es nahe, ihm im Falle eines seitens der Hauptpartei drohenden Rückgriffs im Verfahren gegen die Hauptpartei gleiche Rechte wie dem streitgenössischen Nebenintervenienten einzuräumen und die Rechtsmittelfrist gegen ein der Klage gegen die Hauptpartei stattgebendes Urteil erst mit der Zustellung dieses Urteils an den Nebenintervenienten beginnen zu lassen. Von diesem Denkansatz ausgehend erachtet es der erkennende als einfacher Senat aus den unter II. noch darzulegenden Erwägungen als geboten, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, weshalb, da die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage nicht zweifelhaft sein kann, gemäß § 8 Abs 1 Z 1 OGHG zur Entscheidung der verstärkte Senat berufen ist.

II. Erwägungen des verstärkten Senats:

Der erkennende als verstärkter Senat hat in seiner Entscheidung SZ 70/60 = JBl 1997, 368 (Klicka in JBl 1997, 611) = ecolex 1997, 422 (Oberhammer) = JAP 1997, 41 (Chiwitt‑Oberhammer) = immolex 1997, 208 folgenden Rechtsatz formuliert:

"Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren so weit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Das gilt jedoch nicht auch für denjenigen, der sich am Vorprozess nicht beteiligte, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden war."

Mit dieser Entscheidung wurde ein Schlussstrich unter die jahrzehntelang in Lehre und Rechtsprechung strittige (siehe dazu die ausführliche Wiedergabe des Meinungsstands in SZ 70/60) Frage gezogen, ob Personen, die einem Verfahren als einfache Nebenintervenienten beigetreten sind oder die nicht interveniert haben, obwohl ihnen der Streit verkündet worden war, sich im Folgeprozess mit den Feststellungen dieses Vorprozesses in Widerspruch setzen können. Die Glossatoren dieser Entscheidung verweisen in ihren Beiträgen unter anderem darauf, dass sich der Oberste Gerichtshof die Einschränkung der Interventions‑ und Streitverkündungswirkung vorbehalten habe, wenn dem Nebenintervenienten oder demjenigen, dem der Streit verkündet worden war, kein unbeschränktes rechtliches Gehör eingeräumt worden sei. Während Chiwitt‑Oberhammer (aaO) darin unter Berücksichtigung von Art 6 EMRK ein "österreichisches Einfallstor zur Korrektur grober Unbilligkeiten" erblickt, verweist Klicka (aaO) auf die damit entstehenden neuen Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit der Einrede der mangelhaften Prozessführung der Hauptpartei. Kahl hält es in seiner Monografie (Die Streitverkündung [§ 21 ZPO], 120), die die Entscheidung des verstärkten Senats bereits eingehend erörtert, angesichts der schwachen prozessualen Stellung des einfachen Nebenintervenienten für nach wie vor grundsätzlich bedenklich, diesen an Ergebnisse eines Vorprozesses zu binden. Für den einfachen Nebenintervenienten laufe keine eigene Rechtsmittelfrist, Urteile müssten ihm nach herrschender Meinung nicht zugestellt werden und seine Behinderung im Erstprozess sei nach wie vor nicht immer leicht zu beweisen, könne sich vielmehr auch "subtil" ereignen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs sei also nicht ohne gewisse Einschränkungen gegeben.

Wie schon der 6. Senat in seinem obiter dictum anmerkte, hat die Rechtsposition des Nebenintervenienten durch die Entscheidung des verstärkten Senats einen grundlegenden Wandel erfahren: Sie wurde jener des streitgenössischen Nebenintervenienten ‑ dem allerdings die verfahrensrechtliche Stellung einer Partei und damit ein eigenständiges Rechtsmittelrecht zukommt (SZ 61/155; JBl 1990, 185 = EvBl 1990/30; 2 Ob 83/98i ua; Fasching, LB² Rz 410) ‑ ganz erheblich angenähert. Diese neu definierte Stellung des einfachen Nebenintervenienten gebietet es zu untersuchen, ob ihm unter Bedachtnahme auf Art 6 EMRK und aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen der vom Gesetz gezogenen Grenzen das Recht auf Zustellung einer Urteilsausfertigung mit der Wirkung eingeräumt werden kann, dass die Rechtsmittelfrist für ihn erst damit in Gang gesetzt wird:

Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, kann dieser Partei im Rechtsstreit beitreten (Nebenintervention). Zum Beitritt sind ferner alle Personen befugt, denen durch gesetzliche Vorschriften die Berechtigung zur Nebenintervention eingeräumt ist (§ 17 Abs 1 und 2 ZPO). Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zu dessen rechtskräftiger Entscheidung durch Zustellung eines Schriftsatzes, in dem der Nebenintervenient das Interesse, das er am Sieg einer der Prozessparteien hat, bestimmt angeben muss, erfolgen (§ 18 Abs 1 ZPO). Der Streit über die Berechtigung zum Beitritt hemmt den Fortgang des Hauptverfahrens nicht (§ 18 Abs 2 ZPO). Solange dem Zurückweisungsantrag einer der Prozessparteien nicht rechtskräftig stattgegeben ist, muss der Nebenintervenient dem Hauptverfahren zugezogen und können seine Prozesshandlungen nicht ausgeschlossen werden (§ 18 Abs 3 ZPO). Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet. Er ist berechtigt, zur Unterstützung derjenigen Partei, an deren Sieg er ein rechtliches Interesse hat (Hauptpartei), Angriffs‑ und Verteidigungsmittel geltend zu machen, Beweise anzubieten und alle sonstigen Prozesshandlungen vorzunehmen. Seine Prozesshandlungen sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren eigenen Prozesshandlungen in Widerspruch stehen (§ 19 Abs 1 ZPO). Mit Einwilligung beider Prozessparteien kann der Nebenintervenient auch an Stelle desjenigen, dem er beigetreten ist, in den Rechtsstreit als Partei eintreten (§ 19 Abs 2 ZPO). Ist das in einem Prozess ergehende Urteil kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner der Hauptpartei rechtlich wirksam, so kommt dem Nebenintervenienten die Stellung eines Streitgenossen zu (§ 20 ZPO).

Zu den hier allein maßgeblichen Fragen, ob der einfache Nebenintervenient (§ 19 Abs 1 ZPO) ein Recht auf Zustellung einer Urteilsausfertigung hat und ab welchem Zeitpunkt die Frist für die Erhebung des ihm unbestrittenermaßen zustehenden Rechtsmittels in Gang gesetzt wird, findet sich im Gesetz keine Regelung. Auch die "Materialien zu den neuen österreichischen Civilproceßgesetzen" schweigen hiezu; sie führen zum Wesen der einfachen Nebenintervention lediglich aus, sie sei "grundsätzlich Beteiligung an einem fremden Rechtsstreite, der den Intervenienten nur indirekt durch die eventuelle Rückwirkung des ergehenden Urteiles auf die eigene Rechtssphäre" berühre (aaO 202).

Von Cahnstein (Das Civilproceßrecht3 [1905], I, 438) beschreibt den Nebenintervenienten, der die Stellung eines "bloßen Streitgehilfen" habe, dahin, dass dieser nicht kraft eigenen Rechtes, sondern nur mit Willen der unterstützten Hauptpartei, und zwar nur vorteilhafte Prozesshandlungen mit Wirkung für die Hauptpartei vornehmen könne; er sei von der Hauptpartei abhängig, denn seine Handlungen seien für die Hauptpartei nur insoweit rechtlich wirksam, als sie nicht mit den eigenen Prozesshandlungen der Hauptpartei im Widerspruch stehen und der Hauptpartei zum Sieg zu verhelfen geeignet sind.

Horten (Österreichische Civilproceßordnung [1908], I, 110 f) nimmt zu dem hier maßgeblichen Problemkreis wie folgt Stellung: Mit seinem Beitritt sei der Nebenintervenient dem Verfahren "zuzuziehen". Er müsse die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Tätigkeit erhalten. Das geschehe durch Verständigung von allen Verfahrensschritten, die indes nicht zum selben Zweck und mit derselben Wirkung erfolgten wie Zustellungen an die Partei. Der Zweck sei eben nur die Verständigung; namentlich Fristen liefen vom Tag der Zustellung an die Hauptpartei. Folge der unterbliebenen Verständigung sei bei befristeten Prozesshandlungen nicht, dass für den Nebenintervenienten die Frist nicht ablaufe. Man denke nur an die Notfrist zu Rechtsmitteln, die auch der Nebenintervenient für seine Partei einlegen könne. Es könne höchstens eine Syndikatshaftung aus der unterlassenen Verständigung abgeleitet werden. Eine Folge für den Rechtsstreit, der nicht der Rechtsstreit des Nebenintervenienten sei, sehe das Gesetz nicht vor. Anderes gelte beim Nebenintervenienten gemäß § 20 ZPO.

Auch Neumann (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4 [1927], I, 463) hält dafür, der Nebenintervenient, dem nicht die Stellung eines Streitgenossen zukomme, könne Rechtsmittel nur innerhalb der der Hauptpartei zustehenden Frist erheben, wenn er auch erst nach Fällung der Entscheidung als Intervenient beigetreten ist. Eine neue Frist zur Ergreifung des Rechtsmittels erlange er auch dann nicht, wenn ihm über seinen Antrag eine Ausfertigung der Entscheidung zugestellt wurde.

Ebenso wie Neumann (aaO 461) stellt Pollak (System des österreichischen Zivilprozeßrechtes2 [1930], I, 123) seiner Abhandlung über den Nebenintervenienten voran, dieser nehme zwar kraft eigenen Rechtsschutzanspruchs an einem fremden Prozess teil, habe aber keinen eigenen Urteils‑, Sicherungs‑ oder Vollstreckungsanspruch, sodass er nicht Prozesspartei sei. Sei der Nebenintervenient so den materiellrechtlichen Prozessfolgen entzogen, so stehe ihm dafür die prozessuale Stellung einer Partei in der Regel großteils (§ 19 ZPO), bisweilen völlig (§ 20 ZPO) zu. Die Wirkungen der Nebenintervention beschreibt der Autor in der Folge (aaO 127 f) dahin, dass der Nebenintervenient dem Hauptverfahren zugezogen werden müsse. Zwar seien ihm die Sach‑ und sonstigen Entscheidungen des Gerichts nicht zuzustellen, sodass die Rechtsmittelfristen für den Nebenintervenienten von der Zustellung an die Prozesspartei liefen, wohl aber sei jener von seinem Beitritt an zu allen Verhandlungen zu laden und von allen Schriftsätzen und allen prozessleitenden Verfügungen in Kenntnis zu setzen.

Nach Wolff (Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts2 [1947], 153) ist der Nebenintervenient von allen Schriftsätzen, prozessleitenden Verfügungen und Entscheidungen zu verständigen; er habe jedoch keinen Anspruch auf eigene Ausfertigungen. Die materiellen Wirkungen des Prozesses, also der Anhängigkeit, Streitanhängigkeit oder des Urteils träfen ihn nicht. Die Unterordnung des Nebenintervenienten unter das Gericht bestehe grundsätzlich wie bei der Partei, weil auch dort, wo das Gesetz nur die Partei erwähne, Analogie zwingend sei.

Fasching (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II, 225) lehrt, die Rechtsmittelfrist beginne für den Nebenintervenienten mit der Zustellung der Entscheidung an die Hauptpartei zu laufen und ende mit dem Fristablauf für diese, und zwar selbst dann, wenn der Nebenintervenient erst nach der Fällung der Entscheidung beigetreten sei. Der Nebenintervenient habe weder das Recht auf Zustellung einer Entscheidungsausfertigung (sofern er nicht, wie bei einer ihn betreffenden Kostenentscheidung, unmittelbar Rechte aus der Entscheidung erlange) noch auf Zustellung einer Rechtsmittelschrift. Diese Ansicht hält der Autor auch in seinem Lehrbuch (2. Aufl., Rz 404) uneingeschränkt aufrecht.

Auch die jüngere Lehre verneint den Lauf einer eigenständigen Rechtsmittelfrist für den Nebenintervenienten, ist allerdings in der Frage uneins, ob ihm eine Urteilsausfertigung zuzustellen sei. Während Holzhammer (Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 89) dem Streithelfer die Zustellung versagt, weil die Entscheidung in der Hauptsache nur unter den Parteien ergehe, weshalb er auch ein Rechtsmittel nur in der der Hauptpartei offen stehenden Frist ergreifen könne, vertritt Deixler‑Hübner (in Buchegger/Deixler‑Hübner/Holzhammer, Praktisches Zivilprozeßrecht6, I, 137) die Ansicht, dem Nebenintervenienten stehe im Prozess vor allem das Informationsrecht in vollem Umfang zu. Er sei zur Akteneinsicht befugt, ohne ein eigenes rechtliches Interesse glaubhaft machen zu müssen; sämtliche Schriftstücke, prozessleitende Verfügungen und Entscheidungen seien ihm zuzustellen.

In ihrer Monografie "Die Nebenintervention im Zivilprozeß" (1993) finden sich weiterführende Überlegungen dahin, dass der Nebenintervenient zwar Rechtsmittel nur innerhalb der der Partei offen stehenden Frist einlegen könne (147), dass ihm jedoch das Informationsrecht im vollen Umfang zu gewähren sei. Zu Unrecht verneine die ältere Judikatur die Urteilszustellung an den Nebenintervenienten mit dem Verweis auf § 414 Abs 3 ZPO. Einerseits enthalte der neu gefasste § 414 ZPO nicht mehr die Wendung "jeder Partei zuzustellen", sondern normiere wertneutral, dass das Urteil "zur Ausfertigung abzugeben" ist, und biete deshalb keine Handhabe mehr, um jene Auffassung verbal interpretativ zu stützen, andererseits sei eine solche Auslegung auch nach der ratio legis unhaltbar. Das Informationsrecht sei ein wesentliches Element des Teilnahmeanspruchs des Nebenintervenienten, der schließlich ein besonderes Interesse am Ergebnis der Entscheidung habe, auf das seine gesamte Tätigkeit ausgerichtet sei. Auch sei seine Funktion mit dem Endurteil noch nicht beendet, er sei vielmehr berechtigt, alle der Partei zustehenden Rechtsbehelfe zu ergreifen. Abgesehen davon sei die Zustellung einer Urteilsausfertigung nicht zuletzt deshalb geboten, weil dem Nebenintervenienten selbst aus dem Kostenspruch "Rechte oder Pflichten hinsichtlich des Kostenersatzes" erwachsen könnten. Gegen den im Urteil enthaltenen Kostenbeschluss stehe dem Nebenintervenienten jedenfalls ungeachtet des Widerspruchs der Partei ein selbständiger Kostenrekurs zu. Gleiches gelte für die Zustellung von Rechtsmittelschriften. Auch diese müssten dem Nebenintervenienten zur Kenntnis gebracht werden. Eigenartig mute die Argumentation Pollaks (aaO) an, der die Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Nebenintervenienten mit dem Hinweis ablehne, die Rechtsmittelfristen bestimmten sich nicht nach diesem Zeitpunkt, sondern nach dem der Zustellung an die Partei. Gewiss löse die Urteilszustellung an den Nebenintervenienten keine Rechtswirkungen aus, weil ihm keine Parteistellung zukomme, doch müsse ihm dessen ungeachtet die Möglichkeit verschafft werden, auf direktem Weg Kenntnis vom Urteil zu erlangen, damit er allenfalls noch für die Partei handeln könne (150 f).

Dieser Argumentationslinie schloss sich jüngst Kahl (aaO 68) an, der zwar ebenfalls den Lauf einer eigenen Rechtsmittelfrist für den Nebenintervenienten verneint (67), jedoch aus dem mit dem Teilnahmerecht korrespondierenden Informationsrecht des Nebenintervenienten ableitet, dass ihm auch eine Ausfertigung des Urteils zuzustellen sei.

Soweit überblickbar, wurde die eingangs dargestellte Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichtshofs mit der Entscheidung GlU 1976 aus dem Jahr 1902 eingeleitet. Diesem von Neumann (aaO 463 FN 7) als Belegstelle für seine Ansicht, dass der einfache Nebenintervenient kein eigenes Rechtsmittelrecht habe, angeführten Erkenntnis lag ein Fall zugrunde, in dem der Nebenintervenient die Anschlusserklärung nach deren Rückziehung in erster Instanz im Rechtsmittelstadium erneuert und die Zustellung einer Urteilsausfertigung erwirkt hatte. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass an diese Zustellung nicht die in § 464 ZPO bloß für die Parteien statuierte Wirkung geknüpft werden könne, "widrigens sonst durch ein erst nach ergangenem Urteile erfolgtes Auftreten eines wirklich oder scheinbar zur Intervention berechtigten Dritten eine nicht zulässige Verlängerung der in der eben bezogenen Gesetzesstelle für die Berufung festgesetzten Frist herbeigeführt würde".

Im Erkenntnis GlUNF 3160 aus dem Jahr 1905 sprach das Höchstgericht nach Verwerfung der Berufung durch das Gericht zweiter Instanz wegen Nichtbefolgung des Auftrags zur Vorlage einer weiteren Ausfertigung der Berufungsschrift für den Nebenintervenienten aus, die Bestimmung des § 80 ZPO, nach der vorbereitende Schriftsätze in so vielen Ausfertigungen zu überreichen sind, dass jedem der Gegner eine Ausfertigung zugestellt und überdies eine für die Gerichtsakten zurückbehalten werden könne, beziehe sich nur auf die "eigentlichen Prozessparteien", mithin auch auf Streitgenossen und den als Streitgenossen zu behandelnden Nebenintervenienten des § 20 ZPO, nicht jedoch auf den "gewöhnlichen Nebenintervenienten" gemäß § 19 ZPO. Diesem komme eine solche Parteistellung nicht zu, wie denn auch die Bestimmung des § 41 ZPO über die Kostenersatzpflicht auf ihn keine Anwendung finde. Der Umstand, dass im vorliegenden Fall das erstgerichtliche Urteil auch dem Nebenintervenienten zugestellt worden sei, könne hieran nichts ändern, weil gemäß § 414 Abs 3 ZPO auch die schriftliche Ausfertigung des Urteils bloß jeder Prozesspartei zuzustellen sei.

In der in das Spruchrepertorium zu Nr. 216 aufgenommenen Entscheidung (GlUNF 6330) aus dem Jahr 1913 verneinte der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 160 und 163 ZPO auf den Nebenintervenienten nach dem Tod dessen Rechtsfreunds. Dem Nebenintervenienten sei das Urteil nicht zugestellt worden, was der Bestimmung des § 414 Abs 3 ZPO entspreche. Daraus gehe hervor, dass sich die Fristen für die Rechtsmittel nach der Zustellung richten, wie sie an die Streitparteien erfolgt sei. Daraus folge, dass sich auch die §§ 160, 163 ZPO nur auf die Streitparteien bezögen, weil dem Nebenintervenienten wegen der Vorkommnisse in der Person seines Vertreters ein hemmender Einfluss auf den Prozess nicht eingeräumt werden könne. Die nach Ablauf der für den Beklagten laufenden Berufungsfrist eingebrachte Berufung des Nebenintervenienten sei daher mit Recht als verspätet zurückgewiesen worden.

Diese Rechtsprechungslinie wurde in der Folge unverändert beibehalten, ohne allerdings die Begründungselemente der zitierten Entscheidung neuerlich zu relevieren oder gar zu vertiefen. So wurde etwa in JBl 1979, 34 lediglich unter Hinweis auf die Vorjudikatur und Teile der Lehre ausgeführt, die Rechtsmittelfrist beginne für den Nebenintervenienten mit der Zustellung der Entscheidung an die Hauptpartei und ende mit dem Fristablauf für diese. Daran ändere auch die Unterlassung der Zustellung der Revision an den Nebenintervenienten nichts. Dieser, der nicht Prozesspartei sei, habe nämlich weder das Recht auf Zustellung einer Entscheidung noch auf Zustellung einer Rechtsmittelschrift. Obwohl dem Nebenintervenienten zwar das Urteil, nicht jedoch die Revision der Hauptpartei zugestellt worden sei, sei es wegen des Ablaufs der Frist für die Einbringung einer Gegenschrift zwecklos, nunmehr Vorkehrungen zu treffen, vielmehr sei die Revision sogleich sachlich zu erledigen.

§ 68 der deutschen Zivilprozessordnung enthält eine dem Rechtssatz des verstärkten Senats durchaus vergleichbare Bestimmung: Danach wird der Nebenintervenient im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht worden sind. Die Stellung des Nebenintervenienten im Verfahren regelt § 67 dZPO so, dass der Nebenintervenient den Rechtsstreit in der Lage annehmen muss, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs‑ und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei im Widerspruch stehen. Die Rechtslage gleicht somit jener in Österreich (§ 19 ZPO).

Zu § 67 dZPO judiziert der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, das Urteil müsse dem – unselbständigen ‑ Streithelfer nicht zugestellt werden. Für die Rechtsmittelfrist sei vielmehr allein die Urteilszustellung an die Hauptparteien maßgebend. Nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Lehre sei somit die Einlegung eines Rechtsmittels durch den unselbständigen Streithelfer nur innerhalb der für die Hauptpartei laufenden Berufungsfrist möglich (NJW 1986, 257; NJW 1990, 190; NJW 1991, 229).

Diese ‑ auch jüngst wieder (NJW 2001, 1355) festgeschriebene ‑ Rechtsansicht wird von der Lehre ohne erkennbare Kritik geteilt (Bork in Stein/Jonas, ZPO21 § 67 Rz 6; Vollkommer in Zöller, ZPO22 § 67 Rz 5; Wieczorek, Zivilprozessordnung und Nebengesetze2 § 67 B IIc 3; Schilken in MünchKomm ZPO § 67 Rz 6). Der Belastung des Nebenintervenienten durch die im § 68 dZPO angeordnete Streithilfe(Interventions‑)wirkung begegnet der BGH in seiner Entscheidung NJW 1988, 712 mit dem Argument, bei Rückziehung des Rechtsmittels des Nebenintervenienten durch die Hauptpartei werde der Streithelfer daran gehindert, im Umfang seiner Rechtsmittelanträge eine Überprüfung des Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht herbeizuführen; hierauf werde sich der Nebenintervenient im Folgeprozess gemäß § 68 ZPO berufen können.

Völlig konträr ist dagegen die schweizerische Praxis, obgleich sich die Rechtslage in der Schweiz angesichts der gesetzlichen Bestimmungen über die einfache Nebenintervention von der österreichischen und der deutschen im Kern nicht unterscheidet (dazu allgemein Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht³, 306 ff; Walder‑Richli, Zivilprozessrecht4, 157 ff; Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts5, 144 ff). Geradezu als selbstverständlich wird das Recht (auch) des einfachen Nebenintervenienten auf Zustellung aller prozessleitenden Verfügungen und Beschlüsse des Gerichts angesehen, um ihm die ungehinderte Geltendmachung von Angriffs‑ und Verteidigungsmitteln zur Unterstützung der Hauptpartei zu ermöglichen (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung³ § 45 Rz 3; Huber, Zivilprozessrecht - Neuere Zürcher Praxis zur ZPO § 45 Rz 1). Dabei steht gedanklich das im österreichischen Schrifttum von Deixler‑Hübner (aaO) und Kahl (aaO) vertretene umfassende Informationsrecht des einfachen Nebenintervenienten im Vordergrund. Diesem wird nach der schweizerischen Rechtslage aber auch ein Anspruch auf Zustellung der "Endentscheide" zugebilligt, sei er doch befugt, Rechtsmittel zu ergreifen (Frank/Sträuli/Messmer aaO § 48 Rz 1 und 4). Guldener (aaO 308) fasst die verfahrensrechtliche Stellung des (einfachen) Nebenintervenienten dahin zusammen, dass ihm "die gleichen prozessualen Befugnisse wie einer Hauptpartei" zustünden. Seine Stellung sei nur so weit unselbständig, als seine Prozesshandlungen nicht jenen der Hauptpartei widersprechen dürften. Auf dem Boden dieser dogmatischen Grundlagen ist es nur konsequent, dass auch die Rechtsmittelfrist für den (einfachen) Nebenintervenienten, der ebenso auch als Nebenpartei bezeichnet wird (Frank/Sträuli/Messmer aaO § 45 Rz 1; Guldener aaO 306; Vogel aaO 144), erst mit der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung der anfechtbaren Entscheidung an ihn in Gang gesetzt wird (Frank/Sträuli/Messmer aaO Vor §§ 259 ff Rz 7a).

Nach eingehender Prüfung des soeben dargestellten Meinungsstands lässt sich der verstärkte Senat bei seiner Entscheidung von den nachfolgenden Erwägungen bestimmen:

Dem Gesetz selbst kann nicht entnommen werden, ob dem einfachen Nebenintervenienten eine Entscheidungsausfertigung zuzustellen ist bzw ob die Zustellung für ihn eine eigene Rechtsmittelfrist auslösen kann. Die Einräumung einer von der Zustellung der Entscheidung an den Nebenintervenienten berechneten Frist wird somit weder durch den Wortlaut noch durch den Sinngehalt des § 19 ZPO ausgeschlossen: Es kann nicht bezweifelt werden, dass sich der Nebenintervenient, der grundsätzlich zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert ist, allein durch die bloße Tatsache, dass er dieses nicht innerhalb der der Hauptpartei offen stehenden, sondern nach der Zustellung an ihn berechneten Frist anbringt, mit den Prozesshandlungen der Hauptpartei nicht in Widerspruch setzen kann. Der Hauptpartei wird dadurch in keiner Weise die Disposition über den Streitgegenstand entzogen. Sie bleibt auch Herrin des Verfahrens, kann jedoch mit der Unterstützung durch den Nebenintervenienten unabhängig von unwägbaren Zufälligkeiten rechnen. Insbesondere ist sie dann nicht verhalten, den Nebenintervenienten ‑ will sie dessen Bindung an das Ergebnis des Hauptverfahrens im Folgeprozess nicht gefährden ‑ von der Urteilszustellung an sie (wohl nachweislich) zu verständigen.

Die ältere Rechtsprechung hat die Nichtzustellung der Entscheidungsausfertigung an den Nebenintervenienten mit dem Hinweis auf § 414 Abs 3 (aF) ZPO begründet, nach dem das Urteil in schriftlicher Ausfertigung jeder Partei zuzustellen war. Deixler‑Hübner (Nebenintervention, 151) verweist zutreffend darauf, dass sich diese Formulierung nun im Gesetz nicht mehr findet, sondern die genannte Gesetzesstelle lediglich anordnet, dass der Vorsitzende das Urteil in schriftlicher Abfassung binnen vier Wochen nach Verkündigung zur Ausfertigung abzugeben habe. Trotz dieser durch die Erweiterte Wertgrenzen‑Novelle 1989 verfügten Gesetzesänderung darf indes nicht übersehen werden, dass die Zivilprozessordnung grundsätzlich die "Hauptparteien" vor Augen hat, wie das etwa im§ 416 Abs 1 ZPO ("Das Urteil wird den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung wirksam.") und § 464 Abs 2 ZPO (Die Berufungsfrist "beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils") deutlich wird.

Bereits Pollak (aaO 123) lehrte aber, der (einfache) Nebenintervenient sei zwar den materiellrechtlichen Prozessfolgen entzogen, doch stehe ihm "dafür die prozessuale (Anm: Hervorhebung durch den Senat) Stellung einer Partei in der Regel großen Teils" zu. Wolff (aaO 153) unterstellt den Nebenintervenienten der Ordnungsgewalt des Gerichts, weil auch dort, wo das Gesetz nur die Partei erwähne, "Analogie zwingend" sei. In diesem Sinne argumentiert auch Deixler‑Hübner (Nebenintervention, 150), die es als auf der Hand liegend bezeichnet, dass der Gesetzgeber in jenen Bestimmungen, die an sich auch auf den Nebenintervenienten anwendbar sind, bloß von den Parteien spreche. Der Bedeutungsumfang des Begriffs Partei sei hier aber auch grammatikalisch nicht nur in seinem Begriffskern auszulegen, sondern zudem sei der Begriffshof ‑ der den Nebenintervenienten mitumfasse ‑ einzubeziehen. Dass der einfache Nebenintervenient von diesem "Begriffshof" erfasst wird, verdeutlicht die weiter oben erläuterte schweizerische Rechtslage, von der auch der einfache Nebenintervenient als "Nebenpartei" bezeichnet wird.

Kann es aber im Sinne Wolffs nicht zweifelhaft sein, dass etwa die Bestimmung des § 86 ZPO über die Ordnungsstrafe oder des § 313 ZPO über die Mutwillensstrafe, die beide ausschließlich die Partei zur Adressatin haben, auch als Grundlage für Ordnungs‑ oder Mutwillensstrafen gegen Nebenintervenienten dienen können, so muss das Argument versagen, die Zivilprozessordnung nehme im Zusammenhang mit der Zustellung der Entscheidung nur auf die Parteien Bezug, weshalb diese dem Nebenintervenienten nicht zuzustellen sei. Bietet das Gesetz selbst somit keine Handhabe, dem einfachen Nebenintervienten die Entscheidungszustellung sowie die von diesem Zeitpunkt an zu rechnende eigenständige Rechtsmittelfrist zu verwehren, so ist die Frage nach rechtlichen Gesichtspunkten, die es dennoch geböten, ihn insoweit auf erst im Folgeprozess zu erhebende Einwendungen zu verweisen, zu stellen. Solche sind indes nicht zu erkennen:

Wie schon erwähnt, schließt das vom Gesetz selbst determinierte Verhältnis der Hauptpartei zum einfachen Nebenintervenienten die Zustellung der Entscheidung an diesen sowie eine daran geknüpfte eigene Rechtsmittelfrist keinesfalls aus. Die durch die schon weiter oben erörterte Bindungswirkung bewirkte Annäherung der Stellung des einfachen Nebenintervenienten an jene des streitgenössischen Nebenintervenienten (ohne aber eine Gleichstellung herbeizuführen ‑ vgl nur JBl 1990, 185 = EvBl 1990/30), gebietet unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK die Sicherung des rechtlichen Gehörs des einfachen Nebenintervenienten zumindest soweit, als damit nicht in die Rechte der Hauptpartei eingegriffen wird. Gerade im Hinblick auf das in Art 6 EMRK verankerte Recht auf ein faires Verfahren ist schon ganz allgemein ein hohes Maß an Klarheit und Transparenz aller verfahrensrechtlichen Zusammenhänge und damit auch der Rechtsstellung des Nebenintervenienten zu fordern; diesem Gebot wird die Verweisung des Nebenintervenienten auf erst im Folgeprozess mögliche Einwendungen (so aber der BGH in NJW 1988, 712) keineswegs in allen Fällen gerecht: Wird etwa die dem Nebenintervenienten zur Verfügung stehende Frist zur wirksamen Anbringung eines Rechtsmittels im Vergleich zu der der Hauptpartei offenstehenden Rechtsmittelfrist deshalb, weil er von der Zustellung der Entscheidung an die Hauptpartei erst später, aber doch noch innerhalb dieser Frist Kenntnis erlangt, verkürzt, so kann er kaum vorhersehen, ob das Gericht den ihm noch verbliebenen Rest der Frist im Folgeprozess als für die Wahrung des rechtlichen Gehörs ausreichend erachten und damit seine Bindung an die Ergebnisse des Vorprozesses bejahen würde. Der Nebenintervenient wäre in solchen Fällen wohl schon deshalb regelmäßig genötigt, das Rechtsmittel trotz der empfindlich verkürzten Frist zur Sicherung seiner Rechte im Folgeprozess dennoch zu ergreifen, was für ihn gegenüber der Hauptpartei als seiner Gegnerin im Folgeprozess erhebliche Nachteile nach sich ziehen kann: Ein dem Gebot des fairen Verfahrens zuwiderlaufendes Rechtsschutzdefizit liegt dann auf der Hand, weil er im Folgeprozess die erörterte Bindungswirkung gegen sich gelten lassen müsste, obschon er möglicherweise innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden kürzeren Frist nicht alle Gründe ermitteln und ins Treffen führen konnte, die seiner Überzeugung nach zur Folge hätten, dass schon die Hauptpartei im Vorprozess obsiegt und damit der Folgeprozess vermieden wird. Die Stichhältigkeit einer solchen Argumentation lässt sich nicht in jedem Fall von vornherein verneinen. Derartige ‑ auf die Beschneidung des rechtlichen Gehörs gestützte - Behauptungen eines einfachen Nebenintervenienten als Rechtsmittelwerber sind dem Prozessalltag auch keineswegs fremd (siehe dazu JBl 2002, 520, 521). Es kann ferner auch keinesfalls erstrebenswert sein, in den Folgeprozess einen zusätzlichen Streitpunkt zu tragen, wie es aus prozessökonomischer Sicht, aber auch unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens überhaupt abzulehnen ist, die Lösung der Frage, ob das häufig umfangreiche und aufwändige Beweisverfahren im Folgeprozess ‑ mit all den damit verbundenen abträglichen Auswirkungen ‑ wiederholt werden müsste, an Zufallsergebnisse wie gerade auch an die vom Nebenintervenienten erlangte Kenntnis von der Zustellung an die Hauptpartei zu knüpfen. Im Übrigen müsste im Folgeprozess wohl auch die Frage geklärt werden, welchen Einfluss es auf die Bindung des Nebenintervenienten an die Ergebnisse des Vorprozesses hätte, würde dort von der Hauptpartei des Vorprozesses als Gegner geltend gemacht werden, der Nebenintervenient habe vor der Mitteilung über die Zustellung geradezu die Augen verschlossen, jedenfalls aber hätte er deren Zeitpunkt und den Inhalt der Entscheidung ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen können (vgl die Rechtsprechung zum Beginn der kurzen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB, etwa vS SZ 63/37 uva). Bezeichnenderweise hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung NJW 1990, 190, in der er seine bisherige Auffassung, dem Nebenintervenienten stehe keine eigenständige Rechtsmittelfrist zu, bekräftigte, zu § 68 dZPO jedwede Stellungnahme vermissen lassen.

Deixler‑Hübner (Nebenintervention, 150 f) weist zutreffend darauf hin, dass auch dem einfachen Nebenintervenienten im Prozess das Informationsrecht im vollen Umfang zu gewähren ist. Andernfalls könnte sein im § 19 Abs 1 ZPO verankertes Recht, Prozesshandlungen zur Unterstützung der Hauptpartei vorzunehmen, dadurch unterlaufen werden, dass ihm einzelne Verfahrensschritte nicht oder erst zu spät bekannt werden. Das Gebot, dem Nebenintervenienten auch eine Ausfertigung des Urteils (oder von sonstigen Entscheidungen) zuzustellen, folgt daher bereits aus § 19 Abs 1 ZPO, weil das Gesetz ‑ wie bereits erörtert ‑ keine Grundlage für eine differenzierende Behandlung etwa im Sinne Pollaks (aaO 127) bietet, nach der der Nebenintervenient zwar zu allen Verhandlungen zu laden und von allen Schriftsätzen und prozessleitenden Verfügungen in Kenntnis zu setzen sei, die Zustellung von Sach‑ und sonstigen Entscheidungen an ihn jedoch zu unterbleiben habe. Ist aber deren Zustellung an den Nebenintervenienten kraft dessen eigenen, zwanglos aus § 19 Abs 1 ZPO abzuleitenden Rechts zu veranlassen, so wäre es mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung und dem Recht auf ein faires Verfahren gewiss nicht zu vereinbaren, bliebe der Beginn der Rechtsmittelfrist für den Nebenintervenienten an die Zustellung der Entscheidung an die Hauptpartei gebunden. Für eine derartige Beschränkung der Rechte des einfachen Nebenintervenienten besteht umso weniger Anlass, als es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung mangelt und dem Umstand, dass das Gesetz im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverfahren lediglich auf die Verfahrensparteien Bezug nimmt, ‑ wie bereits dargestellt ‑ keine hinreichende Aussagekraft zukommt.

Diese gewichtigen Argumente überwiegen die gerade aus der älteren Rechtsprechung hervorleuchtende Besorgnis einer unangemessenen Verfahrensverzögerung. Soweit dieser nicht ohnehin durch die Bestimmungen des § 18 Abs 2 und des § 19 Abs 1 ZPO entgegengewirkt wird, muss sie angesichts der dadurch möglichen Vermeidung eines Folgeprozesses bzw andernfalls der Bindung des Nebenintervenienten im Folgeprozess an die Ergebnisse des Vorverfahrens zur Wahrung der sich aus dem Gesetz in Zusammenhalt mit Art 6 EMRK ergebenden Rechte auch des nicht streitgenössischen Nebenintervenienten in Kauf genommen werden.

Dem Nebenintervenienten ist, tritt er - wozu er berechtigt ist (§ 18 Abs 1 erster Satz ZPO) ‑ dem Rechtsstreit erst im Rechtsmittelverfahren bei, die Entscheidung mit der Wirkung, dass für ihn erst nun die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird, zuzustellen, sofern die Rechtsmittelfrist für jene Hauptpartei, auf deren Seite er beitrat, noch nicht abgelaufen ist. Dem steht ‑ wie schon weiter oben erörtert - weder der Wortlaut noch der Sinngehalt des § 19 Abs 1 erster Satz ZPO entgegen, muss der Nebenintervenient doch danach bloß gegen sich gelten lassen, dass eine ‑ durch ihn allerdings noch anfechtbare - Entscheidung (erster oder zweiter Instanz) ergangen ist. Aber auch dann, wenn die Hauptpartei mit dem von ihr erhobenen Rechtsmittel die ihr dafür bestimmte Frist nicht ausschöpft, ist dem Nebenintervenienten, tritt er dem Rechtsstreit während der noch nicht abgelaufenen Frist bei, die Entscheidung mit der eine eigene Rechtsmittelfrist eröffnenden Wirkung zuzustellen, weil das Rechtsmittelrecht des Nebenintervenienten durch das Rechtsmittel der Hauptpartei selbst nach bisheriger Auffassung noch nicht verbraucht wird. Nur wenn die der Hauptpartei eröffnete Rechtsmittelfrist im Beitrittszeitpunkt bereits verstrichen ist, muss der Nebenintervenient die dadurch bestimmte Verfahrenslage ‑ eine von der Seite, auf der er dem Rechtsstreit beitrat, nicht (mehr weiter) anfechtbare Entscheidung ‑ hinnehmen; seine Befugnisse beschränken sich dann auf die Beteiligung an einer gegebenenfalls abgehaltenen Berufungsverhandlung, namentlich einer dort abgeführten Beweiswiederholung bzw -ergänzung, und auf die Rechte im weiteren Verfahren (also etwa im drittinstanzlichen bzw im fortgesetzten Verfahren nach kassatorischer Entscheidung).

Der verstärkte Senat formuliert daher den Rechtssatz:

"Auch dem nicht streitgenössischen Nebenintervenienten sind Ausfertigungen der in dem Verfahren, dem er beigetreten ist, ergangenen Entscheidungen wie der Hauptpartei zuzustellen. Die ihm offen stehende Rechtsmittelfrist beginnt mit dem Zeitpunkt dieser Zustellung."

Da die Berufung des Nebenintervenienten innerhalb der ihm offen stehenden Rechtsmittelfrist erhoben wurde, ist sie rechtzeitig, und wird sie vom Berufungsgericht deshalb meritorisch zu erledigen sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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