Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten die mit je S 4.058,88 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 676,48, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 4.7.1996 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW und der Nebenintervenient mit seinem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Motorrad beteiligt waren.
Der Kläger brachte vor, das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Nebenintervenienten der beklagten Partei.
Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger trage das Alleinverschulden am Unfall. Der Nebenintervenient (Eigentümer und Lenker des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges) wendete den ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden in der Höhe von S 122.900 kompensando ein.
Die Klagsforderung und die vom Nebenintervenienten eingewendete Gegenforderung stehen der Höhe nach außer Streit.
Das Erstgericht teilte das Verschulden im Verhältnis von 1 : 1 (diese Frage ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig) und stellte fest, daß die Klagsforderung mit S 26.133 und die Gegenforderung bis zu deren Höhe zu Recht bestehe; das auf Zahlung von S 52.266 sA gerichtete Begehren wurde abgewiesen.
Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
Zur Einwendung einer Gegenforderung durch den Nebenintervenienten vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dem Versicherten komme im Verfahren des geschädigten Dritten gegen den Versicherer wegen der in § 24 KHVG (richtig: § 28 KHVG 1994) normierten Rechtskrafterstreckung eines abweisenden Urteiles die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zu. Dieser werde von einem Großteil der Lehre wie eine einheitliche Streitpartei behandelt, weshalb ihm auch das Dispositionsrecht über den Streitgegenstand zustehe. Selbst wenn man aber der davon abweichenden Meinung Faschings (LB**2 Rz 409), wonach dem streitgenössischen Nebenintervenienten Verfügungen über den Streitgegenstand verwehrt seien, folge, sei nicht einzusehen, warum er zur Erhebung der Aufrechnungseinrede nicht berechtigt sein solle. Gerade durch diese erreiche auch der Nebenintervenient sein Ziel, das Obsiegen der Partei herbeizuführen. Dies stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach die Aufrechnung des Versicherungsnehmers mit einer eigenen Gegenforderung auch den Versicherer befreie.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei und ihr Nebenintervenient haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil zu der in der Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage, ob der streitgenössische Nebenintervenient im Prozeß eine Aufrechnungseinrede erheben kann, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei wohl richtig, daß dem Versicherten wegen der gesetzlich in § 28 KHVG (1994) vorgesehenen Rechtskrafterstreckung die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zukomme. Ein solcher habe aber nach ständiger Rechtsprechung (SZ 27/184; EvBl 1989/40) lediglich die Stellung eines verstärkten Streithelfers; dieser sei zu Verfügungen über den Streitgegenstand nicht berechtigt. Hätte der Gesetzesgeber beabsichtigt, dem streitgenössischen Nebenintervenienten dieselben Rechte wie einem Teilgenossen einer einheitlichen Streitpartei einzuräumen, dann hätte er den streitgenössischen Nebenintervenienten überhaupt als Streitgenossen behandelt und in § 11 ZPO geregelt. § 20 ZPO verweise jedoch nur hinsichtlich der (prozessualen) Stellung eines Streitgenossen auf § 14 ZPO; daraus ergebe sich, daß der Nebenintervenient nicht über den Streitgegenstand verfügen könne. Käme dem streitgenössischen Nebenintervenienten eine Sachdisposition zu, dann könnte er selbständig jederzeit auch Gegenforderungen, welche in überhaupt keinem rechtlichen oder tatsächlichem Zusammenhang mit der Klagsforderung stehen, gegen diese einwenden und wäre die klagende Partei in ihrem Recht auf Geltendmachung einer Gegenforderung gegen die Gegenforderung in Form einer Klagsausdehnung beschnitten, weil eine Gegenseitigkeit zwischen Haupt- und Gegenforderung nicht gegeben wäre. Wäre der streitgenössische Nebenintervenient zur Geltendmachung einer Aufrechnungseinrede berechtigt, dann könnte er auch geringfügige und in ihrem Bestand unsichere Gegenforderungen gegen den Willen der Prozeßparteien auf deren Kosten klären lassen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 28 KHVG 1994 wirkt ein rechtskräftiges Urteil, soweit dadurch ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten aberkannt wird, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherten; wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherten ergeht, wirkt es auch zugunsten des Versicherers. Diese Bestimmung regelt somit einen Fall der Rechtskrafterstreckung (Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 699). Gemäß § 2 Abs 2 KHVG 1994 sind mitversichert der Eigentümer, der Halter und die Personen, die mit Willen des Halters bei Verwendung des Fahrzeuges tätig sind oder mit seinem Willen mit dem Fahrzeug befördert werden oder die den Lenker einweisen. Der dem Rechtsstreit auf Seite der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenient ist daher grundsätzlich von der in § 28 KHVG 1994 geregelten Rechtskrafterstreckung erfaßt. Halter, Lenker und Versicherer bilden insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund identisch ist und es zur Verwirklichung der in § 28 KHVG 1994 vorgesehenen Erstreckungswirkung eines das Schadenersatzbegehren rechtskräftig aberkennenden Urteils erforderlich ist (ZVR 1990/108; RIS-Justiz RS0035547). Eine Einschränkung der Rechtskrafterstreckung des § 28 KHVG 1994 ergibt sich aus dem Zweck der Regelung in den in der Rechtsprechung bereits anerkannten Fällen, in denen die Dispositionsfähigkeit der Parteien zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, also etwa, wenn die Entscheidung gegen eine der beklagten Parteien infolge Unterlassung eines Rechtsmittels (ZVR 1982/365) oder eines Rechtsbehelfes (ZVR 1990/108) rechtskräftig wurde, oder weil wegen verschiedener Haftungsvoraussetzungen (Verschuldens- und Gefährdungshaftung) derselbe Sachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (ZVR 1976/84). Da sohin das in einem Prozeß gegen die Haftpflichtversicherung ergehende Urteil kraft gesetzlicher Vorschrift auch in Bezug auf das Rechtsverhältnis des Halters und Lenkers des versicherten Fahrzeuges zum geschädigten Dritten rechtlich wirksam ist (§ 20 ZPO), kommt diesem, falls er als Nebenintervenient beitritt, mit den dargestellten Besonderheiten die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten zu (Fasching, LB**2 Rz 407).
Zur Frage der Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten hat vor allem die ältere Lehre (zB Sperl, Lehrbuch I**2, 173; Pollak, Zivilprozeßrecht**2, 129 f; Petschek-Stagel, Zivilprozeß, 308) die sogenannte Fiktionstheorie vertreten, wonach zwar der Dritte formell die Stellung eines Streitgenossen einnehme, materiell aber nicht Partei sei, sondern Parteigehilfe bleibe. Er sei zwar berechtigt, prozessuale Handlungen und Erklärungen abzugeben, ohne an die Hauptpartei gebunden zu sein; da er aber materiellrechtlich nicht Partei werde, könne er keinerlei Dispositivakte setzen, hier stehe er dem einfachen Nebenintervenienten gleich. Dieser Ansicht ist auch der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 27/184 (= EvBl 1954/343) und SZ 61/155 (= EvBl 1989/40) gefolgt. In letztgenannter Entscheidung wurde etwa ausgeführt, daß der streitgenössische Nebenintervenient nicht wahrer Streitgenosse werde, sondern nur im Prozeß wie eine Partei zu behandeln sei. Demgegenüber vertritt die jüngere Lehre fast einhellig (Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 221; Ballon, Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht - Streitiges Verfahren7 Rz 137; Deixler-Hübner in Buchegger/Deixler-Hübner/Holzhammer, Praktisches Zivilprozeßrecht I5, 121; dies, Die Nebenintervention im Zivilprozeß 197 f; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht**2 89; ders, Parteienhäufung und einheitliche Streitpartei 163 f; Oberhammer, Das Auftragsverfahren in Bestandstreitigkeiten 185 f; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 20; Rechberger/Oberhammer, Das Recht auf Mitwirkung im österreichischen Zivilverfahren im Lichte von Art 6 EMRK ZZP 106, 347 f [355]; Kahl,
Die Streitverkündung 71; aA Fasching, Kommentar II 231 und LB**2 Rz 410), die Ansicht, der streitgenössische Nebenintervenient sei in jeder Hinsicht wie ein Streitgenosse einer einheitlichen Streitpartei zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof hat (abweichend von der oben zit Judikatur) bereits in der Entscheidung MietSlg IX/49 durchblicken lassen, die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten sei vom Gesichtspunkt seiner Beziehung zu der Rechtssache aus zu
beurteilen. In der Entscheidung 7 Ob 681/89 (= ecolex 1990, 31
[Strigl] = EvBl 1990/305 = JBl 1990, 185 = RdW 1990, 80 = WBl 1990,
188) wurde dargelegt, die Frage, ob ein streitgenössischer Nebenintervenient ein von den anderen Streitgenossen unabhängiges Rechtsmittelrecht habe, hänge vom Gesichtspunkt seiner Beziehung zu der Rechtssache ab. Da eine Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage nach § 42 Abs 1 GmbHG unmittelbar Auswirkungen auf die Vertragsbeziehung des Gesellschafters habe, könne sein als Nebenintervenient eingebrachtes Rechtsmittel nicht von der Hauptpartei zurückgezogen werden. Diese Lösung entspreche auch dem Wortlaut des § 20 ZPO, der ausdrücklich ausspreche, daß dem Nebenintervenienten im Sinne dieser Gesetzesbestimmung die Stellung eines Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO zukomme.
Aus dieser Ansicht, der sich der erkennende Senat anschließt, folgt für die Frage, ob der Versicherte (oder allenfalls auch der Versicherer), der dem Rechtsstreit als (streitgenössischer) Nebenintervenient beitritt, mit einer eigenen Forderung gegen die eingeklagte Forderung aufrechnen kann, folgendes:
Auf der Ebene der Sachdisposition ist auf das zugrundeliegende konkrete materiellrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Hauptpartei und streitgenössischem Nebenintervenienten zurückzugreifen (Rechberger/Oberhammer ZZP 106, 356). Im hier zu beurteilenden Fall besteht gemäß § 26 KHVG 1994 zwischen der beklagten Haftpflichtversicherung und dem als Nebenintervenienten beigetretenen Versicherten ein Gesamtschuldverhältnis. Dies hat zur Folge, daß auch der Versicherer befreit wird, wenn der Versicherte mit einer eigenen Gegenforderung aufrechnet (Rummel in Rummel**2 Rz 11 zu § 1441; ZVR 1977/173; ZVR 1973/129). Es besteht kein Grund, dem Versicherten die Aufrechnungseinrede zu verwehren, zumal ihm ja für seine Forderung das Klagerecht gegen den Prozeßgegner zusteht. Überdies wäre es inkonsequent, dem Versicherten die Möglichkeit zu geben, außerprozessual eine Aufrechnungseinrede zu erheben, ihm aber nicht zu gestatten, als streitgenössischer Nebenintervenient eine solche geltend zu machen.
Der hier am Rechtsstreit beteiligte Nebenintervenient konnte daher rechtswirksam die Aufrechnungseinrede erheben, weshalb der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)