OGH 12Os128/21x

OGH12Os128/21x2.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen *B* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Februar 2020, GZ 127 Hv 100/15d‑1597, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00128.21X.0602.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagtenfallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte * B* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (fünfter Fall – US 2 iVm US 92), Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im südlichen Distrikt von N* *, USA, und andernorts von Oktober 1996 bis November 1999 in zahlreichen Angriffen als Geschäftsführer („Director“ und „Officer“) des von ihm am 30. August 1995 gegründeten, auf den B* V* I* eingetragenen Offshore‑Hedgefonds M* I* F* Ltd (US 20) und der M* C* M* Inc (US 21) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig (US 2, 43 f und 93 f) Verfügungsberechtigte von im Urteil näher bezeichneten, teilweise in Österreich ansässigen (US 25, 27 und 92) Investoren durch Täuschung über Tatsachen, teils unter Benützung falscher Beweismittel, zu Handlungen und Unterlassungen verleitet, welche die genannten Investoren um einen 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, indem er durch Verschleierung des seit September 1996 eingetretenen massiven Wertverfalls des genannten Fonds von rund 50 % (US 30) sowie dessen weiterer wahrer Wertentwicklung (US 31 iVm US 84) unter Verwendung von auf durch ihn selbst laufend gefälschten Depotauszügen basierenden Vertragsunterlagen (US 30 bis 32, 38 f und 92) sowie durch die wahrheitswidrigen Behauptungen, die in den Fonds investierten Geldbeträge würden ausschließlich dort veranlagt und nur um die vertraglich vereinbarten, auf Basis des tatsächlichen Werts des Fonds bemessenen Management‑ und Erfolgsgebühren verringert sowie redlich und unter funktionierender Kontrolle verwaltet,

I./ dreizehn im Urteil näher bezeichnete Investoren zur Unterlassung des verlustmindernden Verkaufs der von ihnen gehaltenen Fondsanteile verleitete (US 36) und diese in einem nicht mehr feststellbaren Betrag am Vermögen schädigte;

II./ 281 im Urteil (US 6 ff) näher bezeichnete Investoren zum (weiteren) Erwerb von Fondsanteilen verleitete und diese im Differenzbetrag zwischen ihrem Investitionsbetrag und dem tatsächlichen Wert der Fondsanteile in Höhe von mehr als 408 Millionen Euro (US 78 bis 82), im Ausmaß der überhöhten Management‑ und der nicht zustehenden Erfolgsgebühren in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro sowie in den am fingierten Wert der Fondsanteile bemessenen Auszahlungen an Rückkäufer in Höhe von mehr als 121 Millionen Euro (US 39 f) am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde sei vorausgeschickt, dass der Verfassungsgerichtshof mit (hier am 12. Oktober 2021 eingelangtem) Beschluss vom 22. September 2021, GZ G 385/2020‑11, G 387/2020‑11, die Behandlung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 9 und 285 StPO zurückgewiesen und jenen hinsichtlich des § 58 StGB abgelehnt hat.

[5] Vorweg ist zur Verfahrens‑ und zur Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO) festzuhalten, dass die Hauptverhandlung nach dem System der StPO eine Einheit darstellt. Auch wenn sie an mehreren Verhandlungstagen stattfindet, gibt es (nur) eine Hauptverhandlung. Sofern sie aber gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholt wird, gilt als Hauptverhandlung nur diejenige, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht (RIS‑Justiz RS0129952, RS0117403; Danek/Mann, WK‑StPO § 276a Rz 1; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 179, 194 und 310).

[6] Dennoch bildet die (zuletzt) am 16. September 2019 gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholte (ON 1559 S 2) und in der Folge fortgesetzte (ON 1575 S 2, ON 1589 S 2, ON 1596 S 2) Hauptverhandlung den Bezugspunkt des auf Z 3, 4 und 5 gestützten Beschwerdevorbringens (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 192, 309 f, 421 und 459, vgl zur Neudurchführung ipso facto 12 Os 53/21t, 54/21i, 55/21m, 56/21h, 57/21f, EvBl‑LS 2021/179).

[7] Mit der Kritik, die Vernehmungen der Zeugen * Br* (ON 1381 S 4 ff), * T* (ON 1379 S 3 ff) und * Ba* (ON 1408 S 3 ff) in der am 11. und 12. Jänner 2018 sowie am 14. Februar 2018 durchgeführten Hauptverhandlung wären (jeweils) unter Verletzung der Bestimmungen der §§ 155 Abs 1 Z 2 und 159 Abs 3 StPO sowie (zu Br* und Ba*) auch des § 157 Abs 1 Z 2 StPO erfolgt, bezieht sich die Verfahrensrüge (Z 3) nicht auf die der Urteilsfällung unmittelbar vorangehende Hauptverhandlung. Sie bezeichnet somit keine dort erfolgte Verletzung oder Missachtung einer Bestimmung, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet.

[8] Aus Gründen der Vollständigkeit sei unter dem Aspekt des (in der Beschwerde nicht angesprochenen) § 281 Abs 1 Z 2 StPO (vgl dazu RIS‑Justiz RS0122764; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 179) festgehalten, dass aufgrund des einverständlich erfolgten Vortrags des Vorsitzenden (§ 252 Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung vom 16. September 2019 und 22. Jänner 2020 (ON 1559 S 2, ON 1589 S 2) nicht von einer trotz Widerspruchs des Angeklagten erfolgten Verlesung dieser Beweise auszugehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0127712).

[9] Der weitere – ohne genaue Angabe der Fundstelle der kritisierten Vorgänge erhobene (vgl aber RIS‑Justiz RS0124172) – Einwand, dass die in der Hauptverhandlung am 22. Jänner 2020 (ON 1589) und 24. Februar 2020 (ON 1596) erfolgten Verlesungen der Aussagen der verstorbenen oder nicht greifbaren (ON 1589 S 21 und ON 1596 S 7) Zeugen * R* (gemeint: ON 1589 S 22 iVm ON 318 und 1212), * K* (gemeint: ON 1596 S 8 f iVm ON 490) und * G* (gemeint: ON 1596 S 8 f iVm ON 1530 S 9 ff) ohne Zustimmung des Angeklagten erfolgt seien, bezeichnet den nominell behaupteten Verstoß gegen § 252 Abs 1 Z 1 StPO nicht deutlich und bestimmt. Im Übrigen sind die in Rede stehenden in den USA jeweils vor einem Stenographen und einem öffentlichen Notar aufgenommenen Niederschriften über rechtsanwaltliche Befragungen nicht Protokolle, Amtsvermerke oder andere amtliche Schriftstücke, die von einem Gericht, der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei mit dem Ziel errichtet wurden, die Aussage eines Zeugen festzuhalten (RIS‑Justiz RS0117259, RS0132011), sondern Schriftstücke iSd § 252 Abs 2 StPO, die ohne Einverständnis des Beschwerdeführers zu verlesen waren (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 11 und 124).

[10] Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) schließlich die Beiziehung des bereits im Ermittlungsverfahren durchdie Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen Mag. * M* mit der Behauptung kritisiert, dieser sei aufgrund seiner Tätigkeit für die Staatsanwaltschaft und Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Opfern befangen, wird ein Nichtigkeit begründender Verstoß gegen § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO nicht dargetan (RIS‑Justiz RS0129955, RS0133112; vgl zur Differenzierung nach den Befangenheitsgründen des § 47 Abs 1 StPO Hinterhofer, WK‑StPO § 126 Rz 171 ff; vgl zum Vorliegen einer taxativen Aufzählung in § 281 Abs 1 Z 3 StPO RIS‑Justiz RS0099118). Ebenso wenig lässt die weitere Behauptung mangelnder Sachkunde dieses Sachverständigen eine Verletzung einer vom in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund genannten Verfahrensvorschrift erkennen (RIS‑Justiz RS0133339).

[11] Schließlich bezieht sich die Beschwerde mit dem Hinweis auf die (bereits im Ermittlungsverfahren bekannte) Tätigkeit eines bestimmten (mit den zuvor angesprochenen Arbeitgebern des Sachverständigen über ein Netzwerk rechtlich selbstständiger Gesellschaften verbundenen) Unternehmens als Masseverwalter des Fonds nicht auf eine prozessrechtliche Stellung iSd § 47 Abs 1 Z 1 StPO (vgl im Übrigen zur Geltendmachung des behaupteten Verfahrensmangels Hinterhofer, WK‑StPO § 126 Rz 171 f; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 200).

[12] Einen Antrag, den genannten Sachverständigen wegen Befangenheit nach § 126 Abs 4 zweiter Satz iVm § 47 Abs 1 Z 3 StPO nicht (auch) für die Hauptverhandlung zu bestellen (ON 1559 S 2, ON 1589 S 2 iVm ON 1503 S 19 ff) oder dieser einen anderen Sachverständigen beizuziehen (vgl RIS‑Justiz RS0130055, RS0130056), hat der Beschwerdeführer nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 1559, 1575, 1589 und 1596) im Übrigen nicht gestellt. In § 127 Abs 3 erster Satz StPO genannte (unaufgeklärt gebliebene) Mängel von Befund und Gutachten (vgl RIS‑Justiz RS0117263) wurden in der Hauptverhandlung gleichfalls nicht aufgezeigt.

[13] Ein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag oder ein nach Art von Anträgen substantiierter Widerspruch und ein dagegen gefasster Beschluss des Schöffengerichts (oder deren Nichterledigung) sind unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgversprechende Rüge aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0099250; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302). Demnach wird mit der bloßen Behauptung, Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, seien unrichtig angewendet worden, nicht dargetan (RIS‑Justiz RS0108863). Das übersieht die Verfahrensrüge (Z 4), die mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des EGMR vom 11. April 2017, 58049/11 (Berger/Österreich), eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren durch gravierende Verstöße gegen das Beschleunigungsverbot (§ 9 StPO) geltend macht, ohne sich auf einen Antrag (oder einen nach Art von Anträgen substantiierten Widerspruch) und einen dagegen gefassten Beschluss des Schöffengerichts zu beziehen. Gleiches gilt für die Behauptung der Verletzung des Angeklagten in seinem Recht auf rechtliches Gehör (§ 6 Abs 2 StPO).

[14] Mit der Bezugnahme auf „alle Beweisanträge“ des Angeklagten „im Ermittlungs- wie im Hauptverfahren“ und auf mehrere in der Hauptverhandlung am 3. Dezember 2018 gestellte Anträge (ON 1503 S 5 ff) werden wiederum keine in der (der Urteilsfällung unmittelbar vorangehenden) Hauptverhandlung (ON 1559, 1575, 1589 und 1596) gestellte Anträge bezeichnet. Dass über einen konkret dort gestellten (oder zumindest erneuerten [vgl RIS‑Justiz RS0099049 [T3 bis T5]) Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt oder gegen einen solchen Antrag oder Widerspruch ein Beschluss gefasst worden wäre, wird demgegenüber inhaltlich nicht einmal behauptet, weil dem Hauptverhandlungsprotokoll entgegen dem darauf verweisenden Vorbringen (ON 1589 S 6 bis 11) keine Beweisanträge des Beschwerdeführers zu entnehmen sind und auch die pauschale Erklärung des Verteidigers, „die eingebrachten Beweisanträge aufrecht“ zu halten (ON 1596 S 15), der Voraussetzung der Antragstellung in der (wiederholten) Hauptverhandlung nicht genügt (RIS‑Justiz RS0098869 [T14, T16], RS0099049 [T12]). Im Übrigen wird dieser Mangel einer gehörigen Antragstellung auch durch den hier dennoch gefällten Beschluss des Schöffengerichts (ON 1596 S 15) nicht saniert (RIS‑Justiz RS0098869 [T7], RS0099099 [T12]).

[15] Soweit durch die Behauptung des Fehlens von wesentlichen Unterlagen der Sache nach eine Missachtung der Verpflichtung zur Wahrheitsforschung (Z 5a [nominell Z 4 und Z 5 zweiter Fall]) geltend gemacht wird, legt der Beschwerdeführer nicht dar, wodurch er an der Ausübung seines Rechts, die vermissten Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (vgl RIS‑Justiz RS0115823 [insbes T1]).

[16] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider sind die „in den vorangegangenen Hauptverhandlungen gewonnenen Verfahrensergebnisse“ in der Hauptverhandlung (ON 1559, 1575, 1589 und 1596) durch mit Zustimmung der Beteiligten des Verfahrens erfolgten Vortrag des Vorsitzenden gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgekommen und hielt der Angeklagte überdies seine Verantwortung „wie bisher“ aufrecht (ON 1559 S 2, ON 1589 S 2 f; RIS‑Justiz RS0110150 [T2]; vgl im Übrigen zur Verwertung von Verfahrensergebnissen früherer Verhandlungstermine bei Fortsetzung der Hauptverhandlung nach Ablauf der Frist des § 276a zweiter Satz StPO abermals 12 Os 53/21t, 54/21i, 55/21m, 56/21h, 57/21f).

[17] Indem die Beschwerde (nominell Z 5 vierter Fall) fehlendes Vorkommen von Beweismitteln mit der Änderung der Zusammensetzung des Gerichts in der Hauptverhandlung „am 18. Verhandlungstag“ (ersichtlich gemeint: am 3. Dezember 2018 [ON 1503 S 1]) sowie am 15. Juli 2019 (ON 1538 S 1; vgl aber Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 93)geltend macht, verfehlt sie neuerlich die Bezugnahme auf die der Urteilsfällung unmittelbar vorangehende Hauptverhandlung und den dort erfolgten Vortrag der genannten Verfahrensergebnisse (ON 1559 S 2, ON 1589 S 2 f und ON 1596 S 2).

[18] Dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider sind die Angaben des Zeugen * St* „in der eidesstattlichen Erklärung in Band 94“ (gemeint: ON 327 S 137 ff und deren Übersetzung in ON 1209 S 3 ff [vgl zu deren Einordnung als Schriftstück iSd § 252 Abs 2 StPO Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 124) als Vorhalt (insbes ON 1412 S 40 und ON 1420 S 3) bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 6. und am 7. März 2018 (ON 1412 S 30 ff und ON 1420 S 3 ff) ein vom Vortrag des Vorsitzenden am 16. September 2019 und 22. Jänner 2020 (ON 1559 S 2, ON 1589 S 2 f) umfasstes Ergebnis der Hauptverhandlung und demnach in dieser iSd § 258 Abs 1 StPO vorgekommen (RIS‑Justiz RS0107792 [T2], RS0113446 [T3]; vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 127 iVm Rz 56 f; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 459).

[19] Die Kritik (Z 5 zweiter Fall) nicht hinreichender Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Angeklagten und den Gründen für den Widerruf seines im amerikanischen Verfahren abgelegten Geständnisses nimmt nicht an der Gesamtheit der dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter Maß (US 46 bis 48 iVm US 75 und 86 bis 88; vgl aber RIS‑Justiz RS0119370). Indem die Rüge aus isoliert hervorgehobenen Passagen der Angaben des Angeklagten für ihn günstigere Schlussfolgerungen zieht, bekämpft sie lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl § 283 Abs 1 StPO) die tatrichterliche Beweiswürdigung.

[20] Der Kritik an den Grundlagen des Befundes sowie den daraus vom Sachverständigen Mag. M* gezogenen Schlussfolgerungen und den damit begründeten Zweifeln am Beweiswert des Gutachtens (Z 5 vierter Fall [nominell zweiter Fall]) ist zu erwidern, dass der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung (ON 1559, ON 1575, ON 1589 und ON 1596) weder in § 127 Abs 3 erster Satz StPO genannte (und unaufgeklärt gebliebene) Mängel von Befund und Gutachten aufgezeigt noch beantragt hat, dieser einen anderen Sachverständigen beizuziehen (vgl erneut RIS‑Justiz RS0117263). Das bloß gegen die materielle Überzeugungskraft eines iSd § 127 Abs 3 StPO mängelfreien Gutachtens gerichtete Vorbringen spricht aber keinen formalen Mangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) der darauf gestützten Urteilsbegründung an (RIS‑Justiz RS0097433, RS0099508). Zudem zeigen die eigenständigen Erwägungen zu den dem Gutachten zugrundeliegenden Urkunden (vgl dazu US 55) und die daraus mit dem Hinweis auf „Erfahrungssätze“ und der Behauptung „schwerwiegender Ungereimtheiten“ gezogenen günstigeren Schlussfolgerungen keine iSd Z 5 zweiter Fall erörterungsbedürftigen Beweisergebnisse auf, sondern bekämpft die Beschwerde abermals bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter (vgl RIS‑Justiz RS0099599; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 421).

[21] Die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) spricht mit der auf (als nicht erörtert erachteten) Zeugenaussagen gestützten Behauptung, die zuständigen Personen des Fondsadministrators FA* (gemeint: die F* A* S* B* Ltd; US 21 f) und des Fondsprüfers seien nicht davon ausgegangen, dass FA* (gemeint: die F* A* M* Inc; US 22) ein Prime Broker sei, keinen für die Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache (im gegebenen Zusammenhang: die Feststellung der Verschleierung des Wertverfalls des Fonds und dessen Wertentwicklung [US 31 iVm US 84]) bedeutsamen Umstand an (vgl RIS‑Justiz RS0116877). Denn nach den Urteilskonstatierungen täuschte der Angeklagte den Fondsadministrator und den Fondsprüfer (bloß) darüber, dass die M* I* F* Ltd neben dem Depot beim Prime Broker B* S* über weitere Depots bei anderen Vermögensverwahrern verfügte (US 32 und 34 f; vgl auch US 36, 60 und 62 f).

[22] Der Einwand fehlender Erörterung der Aussage des Zeugen St* zur Grundlage der vom Fondsadministrator durchgeführten Wertermittlung zum 31. Juli 1999 (ON 1420 S 15 iVm ON 337 S 265 ff) bezieht sich lediglich auf einen einzelnen von mehreren (entscheidenden) Täuschungsakten (vgl RIS‑Justiz RS0130106) und spricht damit ebenfalls keine für die Schuld‑ und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0127374).

[23] Die Kenntnis dieses Zeugen von einer Broschüre über FA* (gemeint: die F* A* M* Inc; US 22) steht der konstatierten Wertermittlung durch den Fondsadministrator auf Grundlage von falschen „FA*‑Auszügen“ (insbes US 30 f) nicht erörterungsbedürftig entgegen (RIS‑Justiz RS0098646).

[24] Mit der Behauptung, die Zeugen * L* (ON 1489 [gemeint:] S 3 ff), * Sc* ([ON 1389a S 3 ff sowie] ON 1409 [gemeint:] S 3 ff) und * Ba* (ON 1408 [gemeint:] S 3 ff) hätten ein – von den Tatrichtern unerörtert gebliebenes – Naheverhältnis zur „Fondsbank“ B* S* (vgl US 22), wird kein Beweisergebnis deutlich und bestimmt bezeichnet, das in einem (aus Z 5 zweiter Fall) erörterungspflichtigen Widerspruch zu entscheidende Tatsachen betreffenden Feststellungen steht. Gleiches gilt für die ins Treffen geführten Hinweise auf Malversationen dieser Gesellschaft mit „Kundengeldern“ in der Vergangenheit.

[25] Soweit die Beschwerde (ohne erkennbare Zuordnung zu einer der Anfechtungskategorien der Z 5) diesen Zeugen hinsichtlich ihrer Aussagen über die Behauptung des Angeklagten im Dezember 1999, dass die M* I* F* Ltd neben dem Depot bei B* S* über weitere Depots bei anderen Prime Brokern verfüge, „Unterstellungen“ vorwirft, bezieht sie sich lediglich auf das (hier für die Feststellung entscheidender Tatsachen nicht als bedeutsam erachtete) Nachtatverhalten des Beschwerdeführers (vgl aber 13 Os 87/17v, 98/17m; RIS‑Justiz RS0106268).

[26] Das Gutachten des Sachverständigen * Bu* zum Vorhandensein deckungsgleicher Unterschriften auf den gefälschten „FA*-Auszügen“ (ON 1572 S 104 f) haben die Tatrichter entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen erörtert (US 58).

[27] Schließlich legt die Beschwerde (nominell Z 5 zweiter bis vierter Fall) mit der bloßen Behauptung, dass die Aussagen der Zeugen * R* und * K* im Widerspruch zu den (nicht bezeichneten) Urteilsfeststellungen stünden, einen Begründungsmangel iSd Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht deutlich und bestimmt dar.

[28] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a [nominell lit b]; vgl RIS‑Jusitz RS0092267 [T1]; Salimi in WK² StGB Vor §§ 62–67 Rz 32 ff) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb es für die behauptete Verjährung nach ausländischem Tatortrecht zufolge fehlender „Anklageerhebung innerhalb der [amerikanischen] Verjährungsfrist“ nicht auf die in den USA am 24. August 2000 (US 44), sondern auf die in Österreich am 13. Oktober 2015 erfolgte Einbringung der Anklageschrift (ON 1228) ankäme.

[29] Ebenso wenig bezeichnet die Beschwerde mit der unsubstantiierten Behauptung von „ne bis in idem“ und dem Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten über die nicht als gegeben erachtete „Zuständigkeit“ der US‑amerikanischen Behörden einen Ausnahmesatz des § 65 Abs 4 StGB deutlich und bestimmt (vgl im Übrigen zum Prinzip der „identen Norm“ Salimi in WK² StGB § 65 Rz 5 f; vgl zur Fahndung der US‑amerikanischen Behörden nach dem Angeklagten ON 1584). Gleiches gilt für den – ohne Rücksichtnahme auf die konstatierte Flucht des Angeklagten aus der USA noch vor Festsetzung einer Strafe (US 44 f; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810) – erhobenen Einwand der Vollstreckbarkeitsverjährung.

[30] Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass der Schaden bei einzelnen der im Sinne einer gleichartigen Verbrechensmenge (durch den Tatzeitraum, den Gesamtschaden pro Opfer sowie die auf alle Opfer bezogene gemeinschaftliche Darstellung der Ausführungshandlungen und Vermögensverfügungen) pauschal individualisierten Taten teilweise in Österreich eintrat, sodass insoweit Inlandstaten (§§ 62, 67 Abs 2 StGB) vorliegen (vgl zum die Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB übersteigenden Schaden im Inland US 78 und 80; zu § 65 Abs 2 StGB RIS‑Justiz RS0092423; zur Bekämpfung einzelner Taten einer gleichartigen Verbrechensmenge RIS‑Justiz RS0117436).

[31] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[32] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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