OGH 7Ob198/21z

OGH7Ob198/21z25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Gloyer Dürnberger Mayerhofer Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 108.006,03 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 124.006,03 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2021, GZ 2 R 60/21i‑14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. März 2021, GZ 24 Cg 19/20g‑10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00198.21Z.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Eine aus zwei Baugesellschaften bestehende ARGE (in der Folge: ARGE 1) wurde von der Bauherrin mit Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eisenbahntunnels beauftragt. Eine der beiden ARGE 1-Gesellschaften gab einen sie betreffenden Auftragsteil an eine weitere, aus drei anderen Gesellschaften – darunter ihre damalige Komplementärgesellschaft (und nunmehrige Rechtsnachfolgerin, in der Folge: Komplementärin) – bestehende ARGE weiter (in der Folge: ARGE 2).

[2] Zwischen der ARGE 2 und der Komplementärin einerseits sowieder Beklagten andererseits besteht jeweils ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) zugrunde liegen.

[3] DieEHVB 2004 lauten auszugsweise wie folgt:

„Abschnitt A

Allgemeine Regelungen für alle Betriebsrisken

1. Ergänzende Bestimmungen zum Versicherungsschutz

[...]

3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1. und 2. Schadenersatzverpflichtungen

3.1 der gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat;

3.2 sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, jedoch unter Ausschluss von Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die im Betrieb mittätigen Angehörigen [...] des Versicherungsnehmers sind gemäß Pkt. 3.1 oder 3.2 auch ohne Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mitversichert.

[…]

[4] Dem Vertrag mit der ARGE 2 liegt weiters die Bestimmung HY10 – Ansprüche mitversicherter Personen untereinander – Fassung 01/2004 und dem Vertrag mit der Komplementärin weiters die Bedingung RIE 620 Vollrisikodeckung für das Baugewerbe und Baunebengewerbe (VORIBAU) zugrunde; die HY10 sowie Punkt 19 der RIE 620 lauten jeweils gleichlautend:

„Abweichend von Abschnitt A, Z 1, Pkt 3.2 EHVB gelten Personenschäden, auch wenn es sich um Arbeitsunfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes handelt, als mitversichert, wenn der unfallbedingte Krankenstand der geschädigten Person 14 Tage übersteigt.

Diese Deckungserweiterung gilt nicht für Sozialversicherungsregresse.“

[5] Die ARGE 2 beauftragte eine weitere Baugesellschaft mit der Beistellung eines Zwei-Wege-Baggers samt Fahrer; als solcher wurde der bei dieser Baugesellschaft beschäftigte Kläger beigestellt. Durch einen Unfall am * 2011 beim Rangieren des „eingegleisten“ (auf den Schienenstrang aufgesetzten), vom Kläger geführten Baggers wurde einem anderen für die ARGE 2 tätigen Arbeiter ein Bein abgetrennt.

[6] Der Kläger begehrt 108.006,03 EUR sA sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagte aufgrund und im Umfang der beiden näher genannten Betriebshaftpflichtversicherungsverträge für den Arbeitsunfall Deckung zu gewähren habe. Er sei zwar formal Arbeitnehmer des mit der Beistellung des Baggers beauftragten Bauunternehmens, zum Unfallszeitpunkt aber in den Betrieb der ARGE 2 eingegliedert gewesen; ein Polier der ARGE 2 hätte ihn angewiesen, wie seine Arbeiten vorzunehmen seien. Es sei eine reine Überlassung von Arbeitsgerät mit Bedienungspersonal vorgelegen. Die im Unfallszeitpunkt verrichtete Tätigkeit sei eine in der Vertragskette zwischen den Versicherungsnehmern der Beklagten geschuldete Leistung gewesen. Im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung tätige Personen gälten als mitversicherte Arbeitnehmer, ohne dass es auf einen formalen Arbeitsvertrag ankäme. Der Kläger sei daher schädigender Arbeitnehmer und als solcher mitversichert. Er sei vom Geschädigten klageweise in Anspruch genommen worden, die Beklagte habe aber die Deckung abgelehnt. Der Kläger sei dem Grunde nach zum Schadenersatz an den Geschädigten verurteilt worden und habe sich in der Folge mit diesem vergleichsweise auf Zahlung von 85.000 EUR geeinigt; er habe in diesem Verfahren zur Schadensabwehr Vertretungskosten von 23.006,03 EUR aufgewandt, daher beziffere er seinen Leistungsanspruch mit 108.006,03 EUR. Weiters sei die Komplementärin zur Bezahlung von Regressansprüchen nach § 334 ASVG an AUVA und PVA verpflichtet worden, die Sozialversicherungsleistungen an den Geschädigten erbracht hätten; die hier Beklagte mache unter anderem gegen den nunmehrigen Kläger klageweise Regressansprüche geltend. Aus der Aktivlegitimation des Klägers, seiner Eingliederung und die qualifizierte Ablehnung der Deckung durch die Beklagte ergebe sich das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten auch betreffend sämtliche Ansprüche aus dem Titel Sozialversicherungsregress.

[7] Die Beklagte wendet – soweit für das Rekursverfahren von Interesse – ein, zwar seien durch einen sekundären Risikoeinschluss Personenschäden durch Arbeits-unfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs mitversichert, der Kläger sei jedoch nicht Arbeitnehmer des versicherten Betriebs gewesen. Er sei auch nicht in den Betrieb der Versicherungsnehmerinnen eingegliedert worden, ihm gegenüber weisungsbefugt sei nur ein von der Bauherrin entsandter sogenannter Kleinwagenführer gewesen. Der Unfall habe sich nicht bei Tätigkeiten ereignet, die die ARGE 2 geschuldet habe, sondern bei solchen, die das Bauunternehmen, das Dienstgeber des Klägers gewesen sei, der ARGE 2 zu erbringen gehabt habe; es sei ein Werkvertrag vorgelegen, nicht jedoch mit einem Dienstverschaffungs-vertrag verbundene Sachmiete. Eine Mitversicherung eingegliederter Personen wäre überdies nur bei – hier nicht vorliegender – ausdrücklicher Vereinbarung gegeben. Die Deckungserweiterung gelte nicht für Sozialversicherungs-regresse.

[8] Das Erstgerichtwies die Klage schon aufgrund des Klagsvorbringens ab.„Arbeitnehmer“ sei so zu verstehen, dass dies nur Personen mit einer direkten arbeitsvertraglichen Grundlage mit dem Versicherungsnehmer umfasse und eine bloße Eingliederung nicht ausreiche; eine solche direkte vertragliche Grundlage sei auch vom Kläger nicht behauptet worden. Diese Auslegung werde auch gestützt durch den zweiten Absatz von Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004, wo in Ansehung von im Betrieb mittätigen Angehörigen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht verlangt werde. Würde man den Begriff Arbeitnehmer weiter verstehen und grundsätzlich den Versicherungsschutz auf im Betrieb tätige Personen unabhängig einer direkten vertraglichen Grundlage ausgeweitet sehen, wäre eine spezifische Regelung für Angehörige nicht erforderlich. Eine Ausweitung des Risikos auf bloß eingegliederte Personen ohne weitere klare Regelungen zur Abgrenzung könne nicht unterstellt werden. Es bestehe daher schon nach dem Vorbringen des Klägers kein Versicherungsschutz, sodass die Aufnahme von weiteren Beweisen nicht erforderlich scheine.

[9] Das Berufungsgerichthob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zwar seien Rechtsbegriffe, wenn sie in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung hätten, in diesem Sinn auszulegen, jedoch gebe es keinen einheitlichen, für das gesamte Arbeitsrecht geltenden Arbeitnehmerbegriff. Eine eigene Regelung betreffend die im Betrieb mittätigen Angehörigen sei deshalb erforderlich, weil bei Mitarbeit aufgrund familiärer Verbundenheit im Zweifel angenommen werde, dass kein Arbeitsverhältnis im arbeits‑ und sozialrechtlichen Sinne (und somit auch kein Arbeitsverhältnis kraft Eingliederung in den Betrieb) vorliege. Es sei der Auslegung zu folgen, wonach der Arbeitnehmerbegriff kein formelles Dienst- oder Angestelltenverhältnis voraussetze, sodass auch „Quasiarbeitnehmer“ – Personen, die eine betriebliche Tätigkeit ausübten, wie dies sonst ein Arbeitnehmer tue, auch wenn es nur vorübergehend geschehe (§ 176 Abs 1 Z 6 ASVG) – einbezogen seien. Auch im Rahmen von „Arbeiterleihverhältnissen“ von einem anderen Betrieb „entliehene“ Arbeitskräfte würden zu Arbeitnehmern des Versicherungsnehmers, wenn sie in dessen versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert seien und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Versicherungsnehmers unterlägen. Dieses Ergebnis lasse sich zwanglos aus dem Wortlaut von Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 ableiten, weil sich die Worte „iSd Sozialversicherungsgesetze“ sowohl auf den Begriff „Arbeitsunfälle“ als auch auf den Begriff „Arbeitnehmer“ bezögen, sodass beide Begriffe iSd Sozial-versicherungsgesetze auszulegen seien. „Arbeitnehmer“ iSv Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 und somit unter Versicherungsschutz gestellt seien somit auch Personen, deren Schadenersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsnehmer nach § 333 Abs 1 und 4 ASVG eingeschränkt seien. Nach ständiger Rechtsprechung finde das Dienstgeber-Haftungsprivileg nicht nur im Falle des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses und damit eines klassischen Dienstnehmer-Dienstgeber-Verhältnisses Anwendung; es sei (nur) entscheidend, dass der Verletzte in der Sphäre (im Aufgabenbereich) des betreffenden Unternehmers tätig werde und bei dieser Tätigkeit in den fremden Betrieb in der Art eines eigenen Dienstnehmers eingegliedert sei. Eine solche Eingliederung in den Betrieb der Versicherungsnehmer habe der Kläger aber behauptet, sodass die Klagsabweisung nicht darauf gestützt werden könne, dass ihm schon aufgrund seines eigenen Vorbringens kein Versicherungsschutz zukomme. Das Erstgericht habe ausgehend von der vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht, für den Kläger bestehe bereits infolge Fehlens einer direkten arbeitsvertraglichen Grundlage mit den Versicherungsnehmern kein Versicherungsschutz, keine Feststellungen zu dessen Behauptungen getroffen, er sei zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls in den Betrieb der Versicherungsnehmer eingegliedert gewesen; es sei auch auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen sowie die anspruchs-vernichtenden Einwände der Beklagten (keine Rechtsgrundlage für Feststellungsbegehren, Anspruchsver-jährung, Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung) nicht eingegangen. Aus diesem Grund erweise sich eine Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils als unvermeidlich.

[10] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Auslegung der hier relevanten Versicherungsbedingungen fehle.

[11] Der Rekurs der Beklagten beantragt, das klagsabweisende erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

[13] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14] 1.1. Zweck des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO und Gegenstand des Rekursverfahrens ist die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof (RS0042179 [T23]), der Begriff „Arbeitnehmer“ iSv Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 sowie HY10 und Punkt 19 RIE 620 schließe auch in den Betrieb eingegliederte, dem Versicherungsnehmer aber nicht arbeitsvertraglich verbundene Personen ein.

[15] 1.2. Die Rekurswerberin führt zur Auslegung des Begriffs „Arbeitnehmer“ ins Treffen, dies setze das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses voraus, das auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhe. Zwar seien bei beiden Versicherungsverträgen durch sekundäre Risikoeinschlüsse Personenschäden auch dann mitversichert, wenn es sich um Arbeitsunfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs handle, doch setze auch dies voraus, dass Verunfallter und Schädiger (hier der Kläger) Arbeitnehmer des versicherten Betriebs seien. Der zweite Absatz von Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 wäre gänzlich sinnentleert, wenn die bloße Tätigkeit im Betrieb des Versicherungsnehmers ausreichen würde, damit jedermann in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen würde. Sofern man daher nicht zum Kreis der Angehörigen des Versicherungsnehmers zähle, sei das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, somit die Erbringung der Arbeitsleistung auf Basis eines Arbeitsvertrags Grundvoraussetzung für die Mitversicherteneigenschaft. Dies liege hier nicht vor. Eine Mitversicherung sei jedenfalls ausgeschlossen, sodass es auf die Frage, ob der Kläger in den Betrieb der Komplementärin oder der ARGE 2 eingegliedert gewesen sei, gar nicht ankomme, weil er auch im Falle der Eingliederung keinen Versicherungsschutz genießen würde. Auch für eingegliederte Personen hätte es somit eines – hier (anders als in anderen AVB) nicht vorliegenden – gesonderten Deckungseinschlusses bedurft. Nach deutschen AVB fielen aufgrund der weitergehenden Formulierung „sämtliche übrige Betriebsangehörige“, bei denen nur eine betriebliche Einordnung und nicht ein Arbeits- oder Dienstvertrag vorausgesetzt werde, unter den Versicherungsschutz, wohingegen in den EHVB ausdrücklich nur von sämtlichen übrigen Arbeitnehmern die Rede sei. Sozialversicherungs-rechtlichen Bestimmungen im Allgemeinen und der Ausweitung des Dienstgeberhaftungsprivilegs im Besonderen lägen andere Erwägungen zugrunde als der hier zu beurteilenden Betriebshaftpflichtversicherung. Ein objektiver Beobachter müsse jedenfalls erkennen, dass ein Versicherer – auch im Sinne der Risikogemeinschaft – naturgemäß größtmögliches Interesse daran habe, das von ihm zu versichernde Risiko – nicht zuletzt was den versicherten Personenkreis anbelange – möglichst klar abzugrenzen, damit es für ihn auch berechenbar werde und bleibe. Würde man den Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne der Ansicht des Berufungsgerichts auslegen und den Versicherungsschutz daher auch auf Personen ausweiten, die in keiner direkten arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehung mit dem Versicherungsnehmer stünden, hätte dies eine nicht kalkulierbare Ausweitung des Risikos für den Versicherer zur Folge, die nicht unterstellt werden könne, zumal auch jegliche weitere Regelung dazu fehle, wie der Versicherungsschutz dann zu begrenzen wäre.

[16] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[17] 2.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; vgl RS0080068).

[18] 3.1. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat (§ 149 VersVG).

[19] 3.2.  Sinn und Zweck einer Betriebshaftpflicht-versicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem versicherten oder mitversicherten Betriebsangehörigen aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt, sondern umfasst im Hinblick auf die Vielfalt der mit einem Betrieb verbundenen Haftpflichtgefahren grundsätzlich alle Tätigkeiten, die mit diesem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen (RS0081009).

[20] 3.3. Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich kraft Gesetzes (§ 151 Abs 1 VersVG) auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder eines Teils des Betriebs angestellt hat. Dem entspricht auch Abschn A Z 1.3.1 EHVB 2004. Solche Personen, die der Versicherungsnehmer zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebs oder eines Teils desselben beschäftigt hat, bezeichnet § 333 Abs 4 ASVG als „Aufseher im Betrieb“ (7 Ob 52/21d Rz 21).

[21] 3.4. Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 erweitert den Kreis der Mitversicherten über den genannten Kreis hinaus zusammengefasst auf alle anderen Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, schließt jedoch Personenschäden aus, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt ( Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler § 149 VersVG [2020] Rz 36a).

[22] Die Erweiterung der Mitversicherung auch auf einfache Mitarbeiter entspricht einem erheblichen praktischen Bedürfnis, da abhängige Arbeitnehmer für ihr berufliches Risiko regelmäßig keinen eigenen Haftpflichtversicherungs-vertrag abschließen können (vgl Schimikowski in Späte/Schimikowski , Haftpflichtversicherung 2 [2015] BBR BHV Muster-Bedingungsstruktur [Allgemeiner Teil‑AT] III.4 [Ziff 7.1.2.4 BBR BHV] Rn 25 ff [Rn 26]).

[23] 3.5.  Die weiters vereinbarten Bedingungen HY10 und Punkt 19 RIE 620 erweitern wiederum die Deckung auf solche Personenschäden aufgrund von Arbeitsunfällen im Sinn der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs, wenn – wie unstrittig im vorliegenden Fall – der unfallbedingte Krankenstand des Geschädigten 14 Tage übersteigt.

[24] Zugleich wird diese Deckungserweiterung aber insoweit wieder eingeschränkt, als sie für Sozialversicherungsregresse nicht gilt.

[25] 4.1. In der – über § 102 VVG hinausgehenden –deutschen Muster‑Bedingungslage zur Mitversicherung einfacher Mitarbeiter ist von „Betriebsangehörigen“ die Rede (BBR BHV, wiedergegeben in Schimikowski aaO vor Rn 1). Dazu wird überwiegend vertreten, dass sich Betriebsangehörigkeit nicht nach arbeitsrechtlichen Kriterien, sondern – wie schon beim Betriebsleiter und Arbeitsaufseher (vgl nunmehr auch 7 Ob 52/21d) – nach den Umständen des Einzelfalls richte, wobei wiederum eine großzügige Auslegung geboten sei und begrifflich weder ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis noch eine Entlohnung der für den Betrieb geleisteten Arbeit erfordere (Schimikowski aaO Rn 27). Ein fremder Arbeitnehmer werde daher zum Betriebsangehörigen, wenn er im Betrieb mit Wissen und Willen des Betriebsinhabers tätig werde und dessen Weisungen unterstehe (Lücke in Prölls/Martin,VVG31 [2021] MB AT Ziff 7.1.2 Rn 9 sowie § 102 Rn 14); eine tatsächlich vorübergehende Betriebseingliederung reiche aus, sodass insbesondere Leiharbeiter mitversichert seien (Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungs-rechts‑Handbuch3 [2015] § 26 Rn 26; Littbarski in Langheid/Wandt, MünchKomm‑VVG2 [2017] § 102 Rn 93).

[26] 4.2. Auch für die österreichischen EHVB und den dort verwendeten Begriff Arbeitnehmer wird im Schrifttum vertreten, dass ein formelles Dienst- oder Angestellten-verhältnis nicht erforderlich sei; versichert seien auch „Quasiarbeitnehmer“, also Personen, die eine betriebliche Tätigkeit ausübten, wie dies sonst ein Arbeitnehmer tue, auch wenn es nur vorübergehend geschehe. Wenn der Versicherungsnehmer Arbeitskräfte von einem anderen Betrieb ausleihe, seien diese Arbeitskräfte mitversichert, wenn sie in den versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert sind und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Versicherungsnehmers unterliegen (Maitz, AHVB/EHVB [2018] 270; Fuchs/Grigg/Schwarzinger AHVB/EHVB 2005 235 f; Cenčič/Herzog, Haftpflichtversicherung, in Bildungsakademie der österr. Versicherungswirtschaft [Hg], Versicherungshandbuch, Teil VI [2016] 41).

[27] 4.3. Dies entspricht der Rechtsprechung zu den Sozialversicherungsgesetzen, die – worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – in den hier auszulegenden Versicherungsbedingungen ausdrücklich angesprochen werden.

[28] 4.3.1.  Das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG gilt auch bei Unfällen, die durch § 176 Abs 1 Z 6 ASVG Arbeitsunfällen gleichgestellt sind (2 Ob 24/05a mwN; RS0085264), also bei Unfällen, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit ist weiters wesentlich, dass es sich um eine ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird (2 Ob 24/05a mwN; vgl RS0083555). Entscheidend ist das Tätigwerden des Verletzten in Sphäre, Aufgabenbereich und Organisation des Unternehmers (9 ObA 39/19d; vgl RS0085208), dass er im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt, und dass er zumindest bereit sein muss, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interessen die Tätigkeit ausgeübt wird, oder dessen Vertreters zu handeln (RS0084209 [T4]; RS0085043). Nicht erforderlich ist hingegen, dass es sich um eine dauernde Tätigkeit handelt, auch eine kurzfristige und vorübergehende Eingliederung in den Betrieb kann ausreichen (2 Ob 33/21y Rz 15 f; 9 ObA 39/19d; RS0084172 [T8, T9, T11]).

[29] Die Rechtsprechung hat die ausdehnende Weiterentwicklung der gesetzlichen Unfallversicherungstat-bestände nachvollzogen und sieht als (sozial‑)versichert jede Person an, die aus einem zumindest arbeitgeber-/ arbeitnehmerähnlichen Verhältnis Leistungsansprüche aus der Unfallversicherung erwirbt, weil sie, wenn auch nur vorübergehend, wie ein Versicherter tätig wird (vgl Neumayr in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKomm5 [2021] § 333 ASVG Rz 16 ff und Atria in Sonntag, ASVG12 [2021] §§ 333–335 Rz 19 ff, jeweils mwN aus der Rsp).

[30] 4.3.2. Auch für eine Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte (§ 3 Abs 1 AÜG) ist nämlich charakteristisch, dass die Arbeitskraft ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers (Überlassers), sondern im Betrieb des Beschäftigers in Unterordnung unter dessen Weisungsbefugnis erbringt (vgl RS0050620).

[31] Für die Dauer der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers gilt der Beschäftiger als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften (§ 6 Abs 1 AÜG); ihm obliegen auch die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers (§ 6 Abs 2 AÜG).

[32] Nach § 7 Abs 1 AÜG gelten zwischen dem Beschäftiger und der überlassenen Arbeitskraft die Regelungen des DHG, sodass der Beschäftiger auch gegenüber einer ihm überlassenen Arbeitskraft Arbeitgeber im Sinn des DHG ist. Daher kommen dem überlassenen Arbeitnehmer auch gegenüber dem Beschäftiger alle im DHG enthaltenen Haftungsbegünstigungen zugute (9 ObA 80/04m). Gemäß § 7 Abs 2 AÜG gelten § 333 ASVG (Dienstgeberhaftungsprivileg) und § 332 Abs 5 ASVG (wonach ein Sozialversicherungsregress gegen den Schädiger bei Arbeitsunfällen zwischen im selben Betrieb Beschäftigten nur bei Vorsatz, grober Fahrlässigkeit oder bei Verwendung eines Verkehrsmittels mit gesetzlicher Haftpflicht zulässig ist) auch für die überlassenen Arbeitskräfte.

[33] Auch hier hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass Arbeitskameraden iSd § 332 Abs 5 ASVG nicht notwendigerweise Dienstnehmer desselben Dienstgebers sein müssen, sondern die Sonderregel, die den Regress des Sozialversicherungsträgers ausschließt, auch dann eingreift, wenn die am Haftpflichtfall Beteiligten nur im selben Betrieb eingegliedert sind (RS0084993; Atria in Sonntag, ASVG12 [2021] § 332 Rz 21).

[34] Eine solche Überlassung liegt auch vor, wenn lediglich ein Bagger samt Fahrer zur Verfügung gestellt wird, der nach den Anweisungen des Empfängers einzusetzen ist (vgl 8 ObA 203/02i).

[35] Maßgeblich für die Abgrenzung zum Werkvertrag ist, dass der Bestandvertrag den Gebrauch einer Sache vermitteln soll und die technischen Hilfsmittel im Einzelfall dem Kunden für bestimmte Zeit gegen Entgelt zum Gebrauch überlassen werden (vgl RS0020619). Ausschlaggebend ist, wer nach dem Inhalt des geschlossenen Vertrags die entscheidenden Weisungen geben sollte. Wurden dazu keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen, bedarf es einer sorgfältigen Würdigung aller feststellbaren Umstände, um durch Auslegung zu ermitteln, welche Absichten die Parteien verfolgten und wie sie sich die rechtliche Abwicklung des Vertragsverhältnisses gedacht haben (3 Ob 145/10k).

[36] 5.1. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung des Ausschlusses nach Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004, wonach Personenschäden ausgeschlossen sind, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt, zwanglos dahin zu verstehen, dass er in den Betrieb eingegliederte „Quasi-Arbeitnehmer“ einschließt. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, bezieht sich die Wortfolge „iSd Sozialversicherungsgesetze“ auf Arbeitsunfälle ebenso wie auf Arbeitnehmer; wären „Quasi-Arbeitnehmer“ im dargelegten Sinne schon von vornherein nicht als Mitversicherte anzusehen, wäre dieser Ausschluss insofern überflüssig, was aber nicht anzunehmen ist.

[37] Dass hier – anders als die deutsche Bedingungslage – nicht ausdrücklich auf „Betriebsangehörigkeit“ abgestellt wird, ist somit – insoweit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil die sozialversicherungsrechtliche Rechtslage, auf welche die auszulegenden Bedingungen Bezug nehmen, der Sache nach dieselben im Einzelfall zu klärenden Umstände und Bedingungen einer Eingliederung in den Betrieb des Versicherungsnehmers umschreiben. Damit ist der Kreis der Mitversicherten zwar nicht von vornherein konkret bestimmt, aber zumindest bestimmbar umschrieben (vgl Reisinger , Betriebshaftpflichtversicherung, in Hartjes/Janker/Reisinger , Die Haftpflichtversicherung 2 [2021] 1 [12]). Warum damit eine nicht kalkulierbare Ausweitung des Risikos für den Versicherer verbunden wäre, ist angesichts der dargelegten Kriterien der sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nicht nachvollziehbar, verrichten solche „Quasi‑Arbeitnehmer“ doch Tätigkeiten im Betrieb gleich wie auf arbeitsvertraglicher Basis Beschäftigter des Betriebsinhabers.

[38] 5.2.  Mit diesem Ergebnis steht im Übrigen im Einklang, dass der Fachsenat auch in Ansehung des Aufsehers im Betrieb nach § 333 Abs 4 ASVG ausgesprochen hat, dass es für die Mitversicherung iSv § 151 VersVG und Abschn A Z 1.3.1 EHVB keiner ständigen Beauftragung oder Dauerfunktion im Betrieb bedarf, sondern auch hier eine einzelfallbezogen zu beurteilende tatsächliche mit Weisungsbefugnis ausgestattete Machtposition genügt (7 Ob 52/21d Rz 24 ff mwN).

[39] 5.3.  Aus der ausdrücklichen Bezugnahme im zweiten Absatz von Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 auf im Betrieb mittätige Angehörige des Versicherungsnehmers, die auch ohne Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses versichert sind, ist für die Beklagte nichts zu gewinnen.

[40] In der Rechtsprechung wird nämlich zwischen einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis und einem Arbeitsverhältnis unterschieden und auf die Kriterien der für den Arbeitnehmer kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit (Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den Betrieb, Kontrollunterworfenheit, disziplinäre Verantwortung, persönliche Arbeitspflicht) abgestellt: Liegen diese Kriterien vor, ist der zur Arbeit Verpflichtete ein Arbeitnehmer und keine arbeitnehmerähnliche Person. Liegen sie nicht oder nur in einer so stark abgeschwächten Form vor, dass mangels persönlicher Abhängigkeit die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt sind, dann kann bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen der wirtschaftlichen Unselbständigkeit Arbeitnehmerähnlichkeit gegeben sein (vgl RS0085516). Zudem bestehen nach der Rechtsprechung keine Regressansprüche des Sozialversicherungsträgers gegen Familienangehörige des Versicherten (RS0085237), weil der Rückgriff des Sozialversicherers auf den schadenersatzpflichtigen Angehörigen in seiner Wirkung einem Rückgriff auf den anspruchsberechtigten Sozialversicherten selbst gleichkäme und Sinn und Zweck der Sozialversicherungsleistung praktisch aufheben würde („Familienhaftungsprivileg“; vgl 2 Ob 397/97i mwN). Dies wird nur dann nicht angenommen, wenn die Befriedigung des Rückgriffsanspruchs nicht durch einen Zugriff auf das Familieneinkommen, sondern ausschließlich durch den Zugriff auf den Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen etwa gegen seinen Haftpflichtversicherer erfolgen soll (RS0081296; vgl Neumayr in Schwimann/Neumayr , ABGB‑TaKomm 5 [2021] § 332 ASVG Rz 31 mwN).

[41] Es kann daher keine Rede davon sein, dass die klarstellende uneingeschränkte Einbeziehung von – aus welchen Gründen und in welcher Form immer, allenfalls auch ohne „Eingliederung“ oder persönliche Abhängigkeit – im Betrieb mittätigen Angehörigen sinnentleert würde, wenn generell „Quasi-Arbeitnehmern“ Deckung zukommt.

[42] 5.4.  Dass in anderen Versicherungsbedingungen auf solche „Quasi-Arbeitnehmer“ ausdrücklich Bezug genommen wird, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass diese von den hier auszulegenden Bedingungen nicht erfasst sein sollten.

6.  Zusammengefasst gilt daher:

[43] Als mitversicherte Arbeitnehmer iSv Abschn A Z 1.3.2 EHVB 2004 sind auch Personen anzusehen, mit denen der Versicherungsnehmer keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, wenn sie eine betriebliche Tätigkeit wie dessen eigene Arbeitnehmer ausüben, sie in den versicherten Betrieb organisatorisch eingegliedert sind und dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Versicherungsnehmers unterliegen, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht, etwa weil der Versicherungsnehmer sie als Arbeitskräfte von einem anderen Betrieb ausleiht.

[44] 7.1.  Die dem Obersten Gerichtshof zur Überprüfung vorliegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die es dem Erstgericht überband, entspricht dieser Rechtslage. Das Klagsvorbringen bietet hinreichend Anhaltspunkte für die Behauptung einer Eingliederung des Klägers in den Betrieb der ARGE 2 bzw der Komplementärin und dementsprechend einer Qualifikation als mitversicherter Arbeitnehmer.

[45] 7.2.  Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts aber – wie hier – nicht zu beanstanden, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist; soweit das Berufungsgericht daher den Sachverhalt in Ansehung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen sowie der anspruchsvernichtenden Einwände der Beklagten noch nicht für hinreichend geklärt hält und daher eine Verfahrensergänzung für notwendig erachtet, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RS0042179 [insb T22]). Auf die sich darauf beziehenden sonstigen Ausführungen des Rekurses ist im vorliegenden Verfahrensstadium nicht einzugehen.

[46] 8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. Der im Endergebnis zwar ohne Erfolg gebliebene Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO der Beklagten hat dennoch zur Klarstellung der Rechtslage beigetragen (vgl RS0035976, RS0036035; 3 Ob 224/21v; 9 Ob 107/20f).

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