OGH 2Ob397/97i

OGH2Ob397/97i21.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft, 6900 Bregenz, wider die beklagte Partei V***** VaG, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen S 520.736,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. September 1997, GZ 1 R 195/97d-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. Mai 1997, GZ 5 Cg 82/97a-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 520.736,-- zuzüglich 4 % Zinsen aus S 174.568,-- vom 12. 10. 1994 bis 21. 10. 1994, aus S 337.604,-- vom 22. 10. 1994 bis 27. 10. 1995, aus S 509.371,-- vom 28. 10. 1995 bis 3. 4. 1997 und aus S 520.736,-- seit 4. 4. 1997 sowie 4 % Zinsen aus den Zinsen seit dem Tag der Klagszustellung binnen 14 Tagen zu bezahlen und die mit S 151.597,88 (darin enthalten S 15.291,50 USt und S 59.910,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21. 4. 1994 verschuldete die bei der klagenden Partei sozialversicherte Hildegard M***** als Lenkerin eines PKWs, der bei der beklagten Partei haftpflichtversichert war, einen Verkehrsunfall, bei dem ihr Ehemann Arthur M***** schwer verletzt wurde. Arthur M***** war als Angehöriger der Hildegard M***** in der gesetzlichen Krankenversicherung der klagenden Partei mitversichert. Diese erbrachte im Zusammenhang mit dem Unfall für Arthur M***** Leistungen von insgesamt S 520.736,--. Das Klagebegehren steht der Höhe nach außer Streit (AS 25).

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei den Ersatz der von ihr aufgewendeten Leistungen. Diese habe als Haftpflichtversicherin des von Hildegard M***** gelenkten PKWs für den eingetretenen Schaden und damit auch für den Leistungsaufwand der klagenden Partei einzutreten. Aus in letzter Zeit erfolgten Gesetzesänderungen ergebe sich der Grundsatz, dass haftpflichtversicherungsmäßige Deckung vor Nachteilstragung durch den Sozialversicherungsträger gehe. Dem Sozialversicherungsträger stehe daher auch dann ein Regress zu, wenn ein mitversicherter Angehöriger durch den Sozialversicherten geschädigt werde, soweit eine haftpflichtmäßige Deckung vorhanden sei.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Anspruchsberechtigt auf Leistungen der Krankenversicherung sei die Versicherte selbst; ihr Ehemann als Angehöriger habe selbst keinen Anspruch auf Leistung aus der Krankenversicherung, weshalb ein solcher auch nicht auf die klagende Partei übergehen könne. Hildegard M***** sei gleichzeitig Schädigerin und Geschädigte. Ein Rückgriff des Krankenversicherers gegen sie wegen Leistungen an ihren Ehegatten sei unzulässig, weil dadurch die Leistung des Sozialversicherungsträgers ihren Sinn verliere. Die beklagte Partei als Haftpflichtversicherer der Hildegard M***** habe berechtigte Schadenersatzansprüche Dritter, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen Hildegard Mangard erhoben werden, zu befriedigen, nicht jedoch eigene Ansprüche der Versicherten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs angeführten Sachverhalt dahingehend, dass der verletzte Ehemann nicht selbst sozialversichert, sondern nur mitversichert im Sinn des § 123 ASVG gewesen sei, sodass der Anspruch auf Leistungen nach dem ASVG nicht ihm, sondern seiner Ehegattin, die auch Schädigerin sei, als Sozialversicherungsnehmerin zustehe. Der Rückgriff richte sich daher gegen den nach dem ASVG Anspruchsberechtigten selbst und sei daher auch die Beschränkung auf den Deckungsanspruch gegen die Haftpflichtversicherung der Schädigerin unzulässig.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es entspreche ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass der Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen den Familienangehörigen eines selbst versicherten Geschädigten nach § 332 ASVG nur dann zulässig sei, wenn sich der Zugriff des Sozialversicherungszträgers auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer beschränke und damit das Familieneinkommen nicht geschmälert werde. Diese Auffassung leite sich aus einer dem Sinn des Gesetzes entsprechenden einschränkenden Auslegung der Bestimmungen über die Legalzession ab, nach der ein Rückgriff des Sozialversicherers auf den schadenersatzpflichtigen Angehörigen in seiner Wirkung einem Rückgriff auf den anspruchsberechtigten Sozialversicherer selbst gleichkäme, weil die wirtschaftliche Gemeinschaft, in der dieser mit dem Schädiger stehe, belastet, also der Familienunterhalt durch den Rückgriff geschmälert würde. Ein solcher Rückgriff hebe Sinn und Zweck der Sozialversicherungsleistung praktisch auf und sei daher unzulässig. Die Gefährdung des Sinnes und Zweckes der Sozialversicherungsleistung sei aber dann nicht gegeben, wenn die Befriedigung des Rückgriffsanspruches nicht durch einen Zugriff auf das Familieneinkommen, sondern ausschließlich durch den Zugriff auf den Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen gegen seinen Haftpflichtversicherer erfolgen solle. Auch mit der Frage des Rückgriffes eines Sozialversicherungsträgers wegen Leistungen anlässlich eines Unfalles an einen mitversicherten Angehörigen des Ersatzpflichtigen sei der Oberste Gerichtshof wiederholt befasst gewesen. In diesen Fällen sei entschieden worden, dass dann, wenn der verletzte Angehörige nicht selbst sozialversichert, sondern nur mitversichert im Sinn des § 123 ASVG sei, der Anspruch auf die Leistungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz nicht ihm, sondern dem Sozialversicherungsnehmer, der zugleich Schädiger sei, zustehe. Der Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen ihn wegen Leistungen an seinen mitversicherten Angehörigen richte sich daher in diesem Fall gegen den nach dem ASVG Anspruchsberechtigten selbst. Ein solcher Rückgriff sei unzulässig, weil die Leistung des Sozialversicherungsträgers ihren Sinn verlöre, könnte sie auf diese Weise zurückgefordert werden; der Rückgriff sei daher in diesem Fall ganz allgemein, also auch bei Beschränkung auf den Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers unzulässig.

An dieser Beurteilung vermöge auch nichts zu ändern, dass mitversicherte Angehörige Leistungen der Krankenversicherung unter gewissen Umständen selbst geltend machen könnten, so im Falle der Verwirkung von Leistungen durch den Versicherten oder wenn sich der Versicherte ohne trifftigen Grund weigere, einen Antrag zu stellen, zumal diese Voraussetzungen hier nicht vorlägen und auch in diesen Ausnahmefällen der Versicherte und nicht der mitversicherte Angehörige der materiell Anspruchsberechtigte bleibe. Es treffe zwar zu, dass sich der Gesetzgeber in zahlreichen Fällen des Mittels der Legalzession zur Regelung typischer Rückgriffslagen bediene, denen gemeinsam sei, dass ein Dritter kraft Gesetzes für eine fremde Schuld oder einen fremden Schaden einzustehen habe. Der Gesetzgeber löse mit der Anordnung des Forderungsüberganges auch die Frage der Nichtanrechnung von Drittleistungen weil in den Fällen der Legalzession der Forderungsübergang schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses eintrete, der Ersatzanspruch also in voller Höhe aufrecht bleibe und ganz oder teilweise auf den Zessionar übergehe, sodass sich im Bereich gesetzlicher Zession das Problem der Vorteilsanrechnung gar nicht stelle, und ordne damit die Schuld endgültig dem primär Zahlungspflichtigen bzw dem Schadensstifter zu. Eine Analogie in dem vom Berufungswerber angestrebten Sinn, dass dem Regress gegen den Haftpflichtversicherer der Vorrang vor der Nachteilstragung durch den Sozialversicherungsträger zukomme, lasse sich aber weder aus den Legalzessionsnormen noch aus den Normen im Bereich der Dienstnehmer- und Dienstgeberhaftung ableiten. Gemäß § 332 Abs 5 ASVG könne der Sozialversicherungsträger einen auf ihn übergegangenen Schadenersatzanspruch gegen einen Dienstnehmer, der zur Zeit der Schädigung im selben Betrieb wie der Verletzte beschäftigt gewesen sei, nur geltend machen, wenn entweder der Dienstnehmer grob schuldhaft gehandelt habe oder der Versicherungsfall durch ein Fahrzeug verursacht worden sei, für das eine Gefährdungshaftung bestehe. Soweit die Ansprüche des verletzten Dienstnehmers auf die Sozialversicherung übergingen, führe die Einschränkung des Rückgriffs des Versicherungsträgers gegen den Schädiger zu dessen endgültiger Haftungsbefreiung. § 332 Abs 5 ASVG lasse also dann, wenn der Versicherungsfall durch ein Verkehrsmittel verursacht worden sei, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe, bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Haftpflichtversicherungssumme den Übergang des Schadenersatzanspruches gegen einen Dienstnehmer, der im selben Betrieb wie der Verletzte oder Getötete zur Zeit des schädigenden Ereignisses beschäftigt gewesen sei, ausdrücklich zu. Daraus sei abgeleitet worden, dass der österreichische Gesetzgeber die mit der Geltendmachung eines Ersatzanspruches gegen einen Angehörigen desselben Betriebes, der materiell nicht belastet werde, weil es sich um einen haftpflichtversicherten Schadensfall handle, verbundenen Unannehmlichkeiten nicht für so schwerwiegend erachte, dass ein Ausschluss der Geltendmachung des Überganges der Ersatzforderungen auf den Sozialversicherungsträger gerechtfertigt wäre. Nach § 333 Abs 1 ASVG sei der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden sei, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich verursacht habe. Der Dienstgeber werde begünstigt, weil er für die Versicherung des Dienstnehmers Beiträge zu leisten habe und die gesetzliche Unfallversicherung als "Ablöse" für die Unternehmerhaftpflicht gedacht sei. Bei grobem Verschulden des Dienstgebers müsse er dem Sozialversicherungsträger alle an den Verletzten erbrachten Leistungen vergüten. Die Haftungsbegünstigung des Arbeitgebers komme auch dem Vertreter des Unternehmens und dem Aufseher im Betrieb zu. Die Haftungsbefreiung entfalle aber, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten sei, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe, wobei der Dienstgeber auch in diesem Falle nur bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Haftpflichtversicherungssumme hafte. Nach § 10 EFZG gingen Schadenersatzansprüche eines Arbeitnehmers wegen des durch die Arbeitsverhinderung verursachten Verdienstentganges auf den Krankenversicherungsträger insoweit über, als dieser dem Arbeitgeber den Erstattungsbeitrag nach Abschnitt 2 des Gesetzes zu leisten habe. Gegen einen Dienstgeber könne der Krankenversicherungsträger einen auf ihn übergegangen Schadenersatzanspruch nur geltend machen, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch ein Verkehrsmittel verursacht worden sei, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht bestehe. All diesen Bestimmungen sei gemein, dass sie unter gewissen Umständen - nämlich dann, wenn der Schädiger grob schuldhaft gehandelt oder der Schaden durch ein Verkehrsmittel verursacht worden sei, für das auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe - einen Regress des Sozialversicherungsträgers wegen der auf ihn entsprechend dem Grundsatz der kongruenten Deckung übergegangenen Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegen einen haftungsprivilegierten Schädiger zuließen. Die Frage, ob der Sozialversicherungsträger gegen einen Familienangehörigen des bloß mitversicherten Geschädigten Regress nehmen könne, sei davon gänzlich unabhängig und betreffe einen anderen Fragenkomplex. Während nämlich der Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen den Familienangehörigen eines selbst versicherten Geschädigten nach § 332 ASVG nur dann zulässig sei, wenn sich der Zugriff des Sozialversicherungsträgers auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegenüber seinen Haftpflichtversicherer beschränke und damit das Familieneinkommen nicht geschmälert werde, gehe es in dem hier zu Rede stehenden Fall um einen Rückgriff des Sozialversicherungsträgers wegen erbrachter Leistungen an einen Verletzten und nur mitversicherten Angehörigen des Sozialversicherungsnehmers gegen den Versicherten, der zugleich Schädiger sei. Da der mitversicherte Angehörige im Sinn des § 123 ASVG mangels eigenen Anspruches selbst nicht Sozialversicherungsnehmer sei, würde sich der Rückgriffsanspruch gegen den Schädiger als Sozialversicherungsnehmer richten. Ein solcher Rückgriff sei mit dem Sinn der gesetzlichen Sozialversicherung nicht in Einklang zu bringen, weil damit eigene gesetzliche Ansprüche des Sozialversicherungsnehmers wieder zurückgefordert würden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil für die hier zu lösende Rechtsfrage eine jüngere höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege und eine Judikaturänderung nicht ausgeschlossen werden könne.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Revision macht - zusammengefasst - geltend, dass seit der letzten

einschlägigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 144/70 (=

SZ 43/108 = EvBl 1971/109 = ZVR 1971/86) eine Reihe von

Gesetzesänderungen stattgefunden hätten, woraus sich der allgemeine Grundsatz entwickelt habe, dass haftpflichtversicherungsmäßige Deckung der Nachteilstragung durch den Sozialversicherungsträger vorgehe und verweist auf die Ausführungen Reischauers (Familienhaftungsprivileg im Sozialversicherungs- und im Sozialrecht/Regress auf den Haftpflichtversicherer DRdA 1998, 1 ff und 85 ff).

Hiezu wurde erwogen:

Können Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen oder für die als Angehörige gemäß § 123 ASVG Leistungen zu gewähren sind, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, auf Grund anderer gesetzlichen Vorschriften beanspruchen, geht der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat (§ 332 Abs 1 ASVG). Danach gehen auch Schadenersatzansprüche des Versicherten auf den Sozialversicherungsträger über, wenn dieser am Körper geschädigt wird, soweit die Sozialversicherungsträger Leistung zu erbringen hat. Nach dem bloßen Wortlaut des Gesetzes stünde dem Sozialversicherungsträger prinzipiell auch ein Rückgriff auf schädigende Familienangehörige, die mit dem verletzten Familienmitglied im häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, zu. Dennoch hat der Oberste Gerichtshof einen derartigen Rückgriff auf einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen abgelehnt und eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung dann für geboten erachtet, wenn der Rückgriff des Sozialversicherers auf den schadenersatzpflichtigen Angehörigen in seiner Wirkung einem Rückgriff auf den anspruchsberechtigten Sozialversicherten selbst gleichkäme, weil die wirtschaftliche Gemeinschaft, in der dieser mit dem Schädiger stehe, belastet, also der "Familienunterhalt" durch den Rückgriff geschmälert würde; ein solcher Rückgriff hebe Sinn und Zweck der Sozialversicherungsleistung praktisch auf und sei daher unzulässig (EvBl 1971/108 = ZVR 1971/144 = VersR 1971, 1183; ZVR 1971/128; ZVR 1971/181, 2 Ob 120/89; RIS-Justiz RS0081296). Diese Rechtsmeinung fußte auf der Auffassung Krejcis (Der Ausschluss des Übergangs von Schadenersatzforderungen gegen Familienangehörige auf die Sozialversicherungsträger [§ 332 ASVG, § 1542 RVO], VR 1967, 224 f). Eine Gefährdung des Sinnes und Zwecks der Sozialversicherungsleistung durch einen solchen Regress wurde nur dann nicht angenommen, wenn die Befriedigung des Rückgriffsanspruchs nicht durch einen Zugriff auf das Familieneinkommen, sondern ausschließlich durch den Zugriff auf den Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen gegen seinen Haftpflichtversicherer erfolgen solle (EvBl 1971/108; ZVR 1971/128, ZVR 1971/181, 2 Ob 107/80, 2 Ob 120/89).

Mit der Entscheidung SZ 43/108 (= EvBl 1971/109 = RZ 1971, 33 = ZVR

1971/86 = VersR 1991, 1184) wurde dem Sozialversicherungsträger der

Regress gegen den (sozialversicherten) Ehemann und Schädiger verwehrt, wenn die beim Verkehrsunfall verletzte Ehefrau nicht selbst sozialversichert, sondern nur mitversichert im Sinn des § 123 ASVG war. Dazu wurde unter Berufung auf Krejci (VR 1967, 230 ff [244]) ausgeführt, dass sich ein solcher Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen den versicherten Ehemann als Schädiger wegen Leistungen an seine Ehefrau in diesem Fall gegen den nach dem ASVG Anspruchsberechtigten selbst richte. Ein solcher Rückgriff sei unzulässig, weil die Leistung des Sozialversicherungsträgers ihren Sinn verlöre, könnte sie durch den Rückgriff zurückgefordert werden. Dieser Grundsatz wurde auch in weiteren älteren Entscheidungen vertreten (SZ 43/218; ZVR 1971/128; ZVR 1971/181; 2 Ob 342/69; 2 Ob 339/69).

Reischauer (aaO 7) verweist zutreffend darauf, daß die Frage, ob und wieweit ein Familienhaftungsprivileg besteht, aus der ratio des Sozialversicherungsrechts zu lösen ist. Das Sozialversicherungsrecht wolle vor Wechselfällen des Lebens schützen. Insbesondere Krankheit, Unfall, Alter und Tod sollten Menschen nicht in wirtschaftliche Not und Armut stürzen. Die Sozialversicherung solle daher im Umfang der statuierten Leistungspflichten vor finanziellen Belastungen bewahren. Weiteres Grundanliegen der Sozialversicherung sei, eine Schmälerung des Familienunterhalts möglichst hintanzuhalten und auf diese Weise die Familie zu schützen. Auch für den Fall, daß der (Selbst-)Versicherte einen Mitversicherten schädige, könne das Familieneinkommen und damit der Familienunterhalt dann nicht beeinträchtigt werden, wenn die Deckung aus der Kfz-Haftpflichtversicherung erfolge (aaO 88 f). Aus der ratio des Familienhaftungsprivilegs zeige sich, daß im Einklang mit ihm auf den Kfz-Haftpflichtversicherer zurückgegriffen werden könne (aaO 89). Die Änderung der Bestimmungen über die Arbeitskollegenhaftung (§ 332 Abs 5 ASVG), die Arbeitgeberhaftung (§ 333 Abs 3 ASVG und § 10 Abs 2 EFZG) ließen einen Vorrang der Deckung aus der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber der Nachteilstragung durch den Sozialversicherer als Prinzip unserer Rechtsordnung erkennen (aaO 90). Bei Kfz-Unfällen solle demnach die Inanspruchnahme einer Deckung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung der Tragung des wirtschaftlichen Nachteils durch den Sozialversicherungsträger vorgehen. Die Dinge könnten nicht anders liegen, wenn der selbstversicherte Ehegatte den bei ihm mitversicherten Ehegatten verletze (aaO 91).

Diese Gedanken liegen auch der Rechtsprechung zu Grunde, wonach ein Rückgriff dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die Befriedigung des Rückgriffsanspruchs nicht durch einen Zugriff auf das Familieneinkommen, sondern ausschließlich durch den Zugriff auf den Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen gegen seinen Haftpflichtversicherer erfolgen soll (EvBl 1971/108 ua). Dieser Begründungssatz ist daher auch auf einen Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers anwendbar, wenn der beim Verkehrsunfall verletzte Familienangehörige des Schädigers nicht selbst sozialversichert, sondern nur mitversichert ist. Auch hier kann das Familieneinkommen und damit der Familienunterhalt durch den Regress des Sozialversicherers nicht beeinträchtigt werden, wenn die Deckung des Regressanspruchs lediglich aus der Kfz-Haftpflichtversicherung erfolgt, der Regressanspruch also nur gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers verfolgt wird und der Schädiger die Rückgriffsumme nicht selbst bestreiten muß.

Dass der Rückgriff auf den (Selbst-)Versicherten möglich ist, zeigt auch die Zulässigkeit des Rückgriffs auf den Arbeitgeber bei Kfz-Unfällen im Bereich der Unfallversicherung (§ 333 Abs 3 ASVG idF 48. Novelle zum ASVG BGBl 1989/642). Vor dieser Novelle war die Arbeitgeberhaftung nur bei Teilnahme des Arbeitnehmers am allgemeinen Verkehr gegeben, weiters gab es vorher keine Haftungsbegrenzung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung. In der geltenden Fassung des § 333 Abs 3 ASVG haftet aber der Arbeitgeber grundsätzlich beschränkt mit der Haftung auf die haftpflichtversicherungsmäßige Deckung. Daraus lässt sich ableiten, dass die Nachteile von Kfz-Unfällen zunächst die Versicherung jenes Gefahrenbereichs tragen soll, der die Quelle der Beschädigung ist. Dies folgt auch aus § 10 Abs 2 EFZG (BGBl 1974/399). Danach kann der Sozialversicherungsträger den auf ihn übergegangenen Schadenersatzanspruch bis zur Höhe der bestehenden Kfz-Haftpflichtdeckung geltend machen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch ein Kfz verursacht wurde, für das auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Aus diesen einschlägigen Bestimmungen lässt sich somit der Gedanke ableiten, dass bei Kfz-Unfällen die Inanspruchnahme einer Deckung durch die Kfz-Haftpflichtversicherung der Tragung des wirtschaftlichen Nachteils durch den Sozialversicherungsträger vorgehen soll.

Als Folge dieser neueren gesetzlichen Regressregelungen konnte daher die in SZ 43/108 vertretene Ansicht, ein Rückgriffsanspruch wegen Leistungen an einen mitversicherten im häuslichen Familienverband lebenden Angehörigen des (Selbst-)Versicherten sei unzulässig, die der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 7 Ob 41/99a (ZVR 1999/69) in Frage gestellt hatte, nicht aufrecht erhalten werden, ohne dass es der Befassung eines verstärkten Senats bedurfte (vgl SZ 69/217).

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