OGH 2Ob120/89

OGH2Ob120/8928.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

P*** DER A***, Landesstelle Salzburg,

Faberstraße 20, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Wolfgang R***, Gastwirt, Burg 4, 6330 Kufstein, vertreten durch Dr. Gert Kastner und Dr. Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 206.252,80 sA und Feststellung (S 150.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1989, GZ 2 R 96/89-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 1988, GZ 40 Cg 104/88-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.983,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 2.163,90, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 26. Juli 1983 stürzte der Beklagte mit dem von ihm gelenkten Motorflugzeug Cessna F 150 H mit dem Kennzeichen OE-AVX beim Landeanflug in der Nähe des Flugplatzes St. Johann in Tirol ab. Dabei wurde die Ehegattin des Beklagten Eva Maria R*** als Insassin dieses Flugzeuges schwer verletzt.

Die Ehegattin des Beklagten war selbständig sozialversichert. Sie bezieht wegen ihrer durch diesen Flugunfall ausgelösten Invalidität von der Klägerin eine Invaliditätspension von S 3.800 pro Monat (in diesem Betrag ist ein Kinderzuschuß von ca. S 300 enthalten) 14mal jährlich.

Der Beklagte betreibt gemeinsam mit seiner Mutter in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in Kufstein das Burgrestaurant. Über die Wintermonate führt der Beklagte auch in Berwang einen Gastgewerbebetrieb. Aus seiner selbständigen Tätigkeit entnimmt der Beklagte monatlich ca. S 10.000 für die Bedürfnisse seiner Familie. Der Eigenverbrauch des Beklagten und seiner Gattin beträgt ca. S 6.000 bis S 7.000 monatlich. Für die Wohnung des Beklagten und seiner Familie im Pachtobjekt des Burgrestaurants in Kufstein wird vom Finanzamt ein Eigenverbrauch von S 1.500 pro Monat anerkannt. Die Ehegatten R*** verwalten ihr Familieneinkommen gemeinsam. Die Ehegattin des Beklagten kann aus dem zur Verfügung stehenden Geld alle jene Ausgaben tätigen, die für ihren eigenen Unterhalt, den des Beklagten und den des Kindes notwendig sind. Die Bedürfnisse der Ehegattin des Beklagten sind mit monatlich mindestens S 5.000 zu veranschlagen.

Der Beklagte besitzt keine Haftpflichtversicherung, die im Fall seines Verschuldens an der Verletzung seiner Ehegattin bei dem hier in Frage stehenden Flugunfall für ihn die Rückgriffsansprüche der Klägerin befriedigen würde.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von S 206.252,80 sA; überdies stellte sie ein Feststellungsbegehren dahin, daß ihr der Beklagte für alle künftigen Pflichtleistungen, die sie aus Anlaß dieses Flugunfalles an seine Ehegattin zu erbringen hat, sofern diese Pflichtleistungen in dem Deckung finden, was die Ehegattin des Beklagten ohne die im § 332 ASVG normierte Legalzession als Schadenersatz von ihm zu fordern berechtigt wäre, ersatzpflichtig ist.

Die Klägerin stützte ihr Begehren im wesentlichen darauf, daß der Beklagte die Verletzung seiner Ehegattin verschuldet habe und daß ein hinreichender Deckungsfonds für die von ihr auf Grund des Gesetzes an die Ehegattin erbrachten Pflichtleistungen bestehe. Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß ihn kein Verschulden an der Verletzung seiner Ehegattin treffe. Überdies sei ein Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen einen Familienangehörigen nur dann zulässig, wenn sich der Zugriff des Sozialversicherungsträgers auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer beschränke und dadurch das Familieneinkommen nicht geschmälert werde. Ein solcher Deckungsanspruch sei hier nicht gegeben, weil für die Insassen des Flugzeuges keine Haftpflichtversicherung bestehe. Es fehle aber auch deswegen ein Feststellungsinteresse, weil der Beklagte gegenüber der Klägerin auf eine Verjährungseinrede ohne zeitliche Beschränkung verzichtet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es beurteilte den von ihm festgestellten bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Rückgriff der Klägerin gegen den Beklagten nach § 332 ASVG hier nicht zulässig sei, weil er der Ehegattin des Beklagten als Empfängerin der Versicherungsleistungen über die Schmälerung des Familieneinkommens - aus dem sie etwa einen Anteil von einem Drittel für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung habe - Nachteile zufügen würde und der Beklagte für diese Folgen keine Deckung durch eine Haftpflichtversicherung habe.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt.

Das Berufungsgericht beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß der Regreß eines Sozialversicherungsträgers im Sinne des § 332 ASVG gegen den Familienangehörigen eines selbst versicherten Geschädigten nur dann zulässig sei, wenn der Ersatzanspruch ausschließlich aus dem Deckungsanspruch des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer befriedigt werden solle. Diese Rechtsansicht werde damit begründet, daß ein Rückgriff des Sozialversicherungsträgers auf den schadenersatzpflichtigen Angehörigen in seiner Wirkung einem Rückgriff auf den anspruchsberechtigten Sozialversicherten selbst gleichkäme, weil die wirtschaftliche Gemeinschaft, in der dieser mit dem Schädiger stehe, belastet, also der Familienunterhalt durch den Rückgriff geschmälert würde. Ein solcher Rückgriff würde Sinn und Zweck der Sozialversicherungsleistung praktisch aufheben.

Es sei daher die Geltendmachung der an die Klägerin als Sozialversicherungsträger übergegangenen Forderung gegen den Beklagten unzulässig, weshalb das Leistungsbegehren zu Recht abgewiesen worden sei und auch eine "symbolische Zahlung" (gemeint offenbar eine auf die finanziellen Verhältnisse des Schädigers abgestellte verminderte Zahlung), wie sie die Klägerin in ihrer Berufung erwähne, nicht in Frage komme.

Auch das Feststellungsbegehren sei unberechtigt, weil im Hinblick darauf, daß im Zeitpunkt des Unfalles keine Haftpflichtversicherung für Ansprüche der Flugzeuginsassin bestanden habe, ein Deckungsanspruch des Beklagten gegen eine Haftpflichtversicherung nicht existiere und auch für die Zukunft ausgeschlossen sei. Nur dann aber, wenn der Deckungsanspruch des Ersatzpflichtigen gegen den Haftpflichtversicherer nicht von vornherein ausgeschlossen sei, wäre ein Rechtsschutzinteresse des Sozialversicherungsträgers zu bejahen. Darüber hinaus liege auch ein wirksamer Verjährungsverzicht des Beklagten vor.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung des Beklagten vertretenen Rechtsansicht zulässig, und zwar nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO; sachlich ist sie allerdings nicht berechtigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen die Revisionsausführungen keinen Anlaß bieten, daß der Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen den Familienangehörigen eines selbst versicherten Geschädigten nach § 332 ASVG nur dann zulässig ist, wenn sich der Zugriff des Sozialversicherungsträgers auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegenüber seinem Haftpflichtversicherer beschränkt und damit das Familieneinkommen nicht geschmälert wird (ZVR 1971/128, 144, 181; ZVR 1973/14; 2 Ob 107/80; 2 Ob 246/80 ua). Diese Auffassung wird durch eine aus dem Sinn des Gesetzes abgeleitete einschränkende Auslegung der Bestimmungen über die Legalzession begründet, nach der ein Rückgriff des Sozialversicherungsträgers, der die wirtschaftliche Gemeinschaft, der der Sozialversicherte angehört, unmittelbar belasten würde, den Sinn und Zweck der Sozialversicherungsleistung praktisch aufhebt und daher unzulässig ist (siehe dazu auch Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 430 und die dort zitierte Judikatur). Daß diese zur Verneinung eines unzulässigen Familienregresses führende Auslegung des § 332 ASVG entgegen den Revisionsausführungen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, wurde vom Obersten Gerichtshof gleichfalls schon wiederholt ausgesprochen (ZVR 1971/144; 2 Ob 107/80).

Dieser dargestellten Rechtslage entsprechen die Entscheidungen der Vorinstanzen durchaus. Da nach den von ihnen getroffenen Feststellungen Schadenersatzansprüche der Ehegattin des Beklagten gegen diesen nicht durch eine bestehende Versicherung gedeckt sind, müßte jede Durchsetzung derartiger Schadenersatzansprüche durch die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu einer Schmälerung des Familieneinkommens des Beklagten und seiner Ehefrau führen, was, wie oben dargestellt, dem Sinn und dem Zweck der von der Klägerin erbrachten bzw. noch zu erbringenden Sozialversicherungsleistungen widerspräche. Dies gilt unabhängig von der Höhe dieses Familieneinkommens und der Art seiner Verwendung sowie von einer allfälligen Änderung dieser Umstände in der Zukunft. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren der Klägerin abgewiesen. Eines Eingehens auf die weiteren Revisionsausführungen bedarf es unter diesen Umständen nicht.

Der Revision der Klägerin muß somit ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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