OGH 9ObA26/22x

OGH9ObA26/22x27.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dr. Robert Toder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * K*, vertreten durch die MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Dr. Reinhard Pitschmann ua, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Kündigungsanfechtung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Dezember 2021, GZ 15 Ra 74/21a‑65, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Juni 2021, GZ 34 Cga 14/20b‑57 (nunmehr 35 Cga 44/21y‑57), nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00026.22X.0427.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,82 EUR (darin enthalten 326,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war von 21. 9. 2015 bis 30. 12. 2016 bei einem Personalbereitstellungsunternehmen beschäftigt und über dieses als Leasingarbeiterin in einer Zweigniederlassung der Beklagten tätig. Ab 1. 1. 2017 war sie bei der Beklagten fix angestellt (Fertigungsmitarbeiterin Montage). Vor Unterzeichnung des Dienstvertrags hatte sie offengelegt, dass sie vom Bundessozialamt aufgrund einer Bandscheibenoperation und Taubheit auf dem rechten Ohr als zu 60 % behindert eingestuft war. Mit Schreiben vom 28. 2. 2020 wurde das Dienstverhältnis der Klägerin zum 30. 4. 2020 gekündigt. Dass die Kündigung wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt, ist im Revisionsverfahren nicht weiter strittig.

[2] Die Klägerin begehrte, die Kündigung gemäß § 105 Abs 3 ArbVG für unwirksam zu erklären. Ein Rechtfertigungsgrund iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a und b ArbVG liege nicht vor.

[3] Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung, zusammengefasst mit der Begründung, dass die Klägerin von Anfang an massive Krankenstände gehabt habe und immer wieder ausgefallen sei. Für sie sei vorübergehend ein Schonarbeitsplatz eingerichtet worden. Ein dauerhafter Einsatz darauf sei nicht möglich gewesen, weil alle Mitarbeiter der Montagelinie regelmäßig auf einen solchen Schonarbeitsplatz rotieren können müssen, um sich zu regenerieren. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich über den Sommer 2018 zunehmend verschlechtert. Der Unmut im Team sei weiter gestiegen, da die Klägerin den Schonarbeitsplatz besetzt habe. Es habe kein adäquater, dem Gesundheitszustand und der Qualifikation der Klägerin entsprechender Arbeitsplatz gefunden werden können. Mitte/Ende Oktober 2018 bis zur verschriebenen dreiwöchigen Kur der Klägerin sei sie immer nur tageweise krankgeschrieben worden, was für die Einsatzplanung und das gesamte Team nicht tragbar gewesen sei. Deshalb sei mit ihr am 13. 11. 2018 vereinbart worden, dass sie vorzeitig in einen dauerhaften bezahlten Krankenstand gehe bis zu ihrer vollständigen Genesung nach der für Frühjahr geplanten Operation. Letztendlich sei der Operationstermin erst für den 26. 8. 2019 fixiert und im August 2019 abgesagt worden. Am 29. 10. 2019 habe die Klägerin in einem Gespräch mit der Betriebsärztin und der Personalleitung mitgeteilt, dass sie arbeitsfähig sei und nunmehr auch Physiotherapie mache und Infiltrationen erhalte. Eine Rückkehr in den ursprünglichen Arbeitsplatz als Fertigungsmitarbeiterin sei von der Betriebsärztin der Beklagten jedoch als sehr risikoreich eingestuft worden, sie habe von einem Einsatz in diesem Job abgeraten. Ein neuer Schonarbeitsplatz habe auch im Oktober/November 2019 nicht gefunden werden können. Es habe sich lediglich vorübergehend ein Projekt von sechs Monaten zur Etikettierung von Leergutbehältern ergeben. Es gebe bei der Beklagten keinen Arbeitsplatz, der für die Klägerin langfristig geeignet wäre, da für sie auch geringste Belastungen gefährlich seien. Es seien weitere Krankenstände zu erwarten gewesen, im schlimmsten Fall seien Lähmungserscheinungen nicht auszuschließen. Es sei davon auszugehen, dass es auch in Zukunft bei der Klägerin zu namhaften Krankenständen komme.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem auf den Seiten 6 bis 18 des Ersturteils im Detail näher festgestellten Sachverhalt hatte die Klägerin im Jahr 2017 25, im Jahr 2018 74 und im Jahr 2019 313 Krankenstandstage. Aufgrund der Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands war sie ab Jänner 2018 auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt, was zu Unmut bei den restlichen Teammitgliedern führte, weil sie nicht mehr die Möglichkeit hatten, durch eine Schicht auf jenem Platz entlastet zu werden. Eine wegen der Diagnose Spinalkanalstenose für Jänner 2019 geplante Operation der Klägerin wurde nach einem Klinikwechsel verschoben und letztlich zugunsten einer konservativen Therapie (Infiltrationen) abgesagt. Nach ihrer Entlassung im September 2019 war die Klägerin den behandelnden Ärzten nach wieder arbeitsfähig. Der Betriebsärztin der Beklagten lag jedoch ein Attest des Hausarztes der Klägerin vom September 2019 vor, wonach es der Klägerin besser ging, ein Einsatz in der Fertigung aber nicht mehr in Frage kommt und die maximale Traglast nur mehr 10 kg betragen darf. Die Betriebsärztin teilte der Personalleiterin mit, dass die Infiltration, die Physiotherapie und der Sport zwar die Symptome bekämpfen, jedoch nicht die Ursache beheben. Die Klägerin erklärte der Personalleiterin, dass es ihr besser gehe und sie wieder arbeiten möchte. Die Personalleiterin ging aufgrund der Angaben der Betriebsärztin jedoch nicht von einer nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin, sondern von einer möglichen Verschlechterung mit wieder vermehrten und unplanbaren Krankenständen aus, sobald die Klägerin wieder auf ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt werde. Ab November wurde die Klägerin im Rahmen einer Wiedereingliederungsteilzeit mit 50 % auf einem mit sechs Monate befristeten Projektarbeitsplatz beschäftigt. Andere Arbeitsplätze, die sowohl dem Leistungskalkül als auch der beruflichen Qualifikation der Klägerin entsprechen, waren besetzt.

[5] Tatsächlich waren zu keinem Zeitpunkt Lähmungserscheinungen bei der Klägerin zu befürchten, wenn sie weiterhin auf der Montagelinie eingesetzt worden wäre. Nach den (im Einzelnen festgestellten) Leiden der Klägerin ist unter einer konsequenten konservativen Therapie (Muskelkräftigung und -lockerung, Einhaltung von Verhaltensmaßnahmen, physiotherapeutische Selbstbeübung) von einem weiterhin kontrollierbaren Funktionszustand der Wirbelsäule auszugehen. Künftige leidensbedingte Krankenstände sind nicht zu erwarten. Das Anforderungsprofil der Tätigkeit in der Montagelinie ist mit dem medizinischen Leistungskalkül der Klägerin vereinbar (im Verfahren eingeholte medizinische und berufskundige Sachverständigengutachten).

[6] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es ließ die ordentliche Revision zu den Fragen zu, ob sich die allseitige Prüfpflicht des Berufungsgerichts hier auch darauf erstrecken konnte, ob Zeiten eines Leasingverhältnisses und daran anschließenden Dienstverhältnisses im Anwendungsbereich des § 8 Abs 6 lit b BEinstG zusammenzurechnen seien. Auch sei eine Klarstellung geboten, ob das Risiko einer Widerlegung der vom Arbeitgeber zum Konkretisierungszeitpunkt anzustellenden Prognose im Gerichtsverfahren selbst in einem Fall wie dem gegenständlichen den Arbeitgeber treffe.

Rechtliche Beurteilung

[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch ist die Revision der Klägerin mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[8] 1. Die Klägerin macht geltend, dass die Zeiten, die sie als überlassene Arbeitskraft iSd AÜG bei der Beklagten verbracht habe, mit jenen ihrer Anstellung bei der Beklagten zusammenzurechnen seien. Die Vorinstanzen hätten danach zum Schluss gelangen müssen, dass sie als begünstigte Behinderte dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG unterliege. Eine Zustimmung des Behindertenausschusses habe nicht vorgelegen. Bei entsprechender Erörterung durch das Erstgericht hätte sie die Kündigungsanfechtung parallel (hilfsweise) auch auf § 8 BEinStG gestützt.

[9] Dem ist nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu folgen:

[10] Gemäß § 8 Abs 6 lit b BEinstG finden die Abs 2 bis 4 auf das Dienstverhältnis keine Anwendung, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat, es sei denn die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgt innerhalb dieses Zeitraums, wobei während der ersten sechs Monate nur die Feststellung der Begünstigteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalls diese Rechtsfolge auslöst, oder es erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns.

[11] Unstrittig hatte das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden. In der Zeit, in der die Klägerin bei der Beklagten als überlassene Arbeitskraft iSd AÜG tätig war, stand sie als solche in keinem Dienstverhältnis zur Beklagten. Nach der gesetzlichen Regelung kommt eine Ausnahme allenfalls bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns in Betracht. Der Rechtsansicht der Klägerin ist danach schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 8 Abs 6 BEinstG nicht zu folgen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der generellen Zielsetzung des Behinderteneinstellungsgesetzes nach erhöhtem Kündigungsschutz von begünstigten Behinderten, weil dieser durch § 8 Abs 6 BEinstG bewusst beschränkt wurde, um für Arbeitgeber den Anreiz zu verstärken, Menschen mit Behinderung auf dem offenen Arbeitsmarkt zu beschäftigen und allfälligen Einstellhemmnissen entgegenzuwirken (vgl ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  179 zum BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111). Dieser Gesetzeszweck würde durch die von der Klägerin favorisierte Zusammenrechnung unterlaufen. Aus den von ihr zitierten Bestimmungen der §§ 6 und 6a AÜG (Arbeitnehmerschutz und Diskriminierungsverbot durch den Beschäftiger) ist für sie hier schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr Normadressat des AÜG war.

[12] Da sohin kein Fall des § 8 Abs 5 BEinstG vorliegt, der der Anwendbarkeit des § 105 Abs 2 bis 6 ArbVG entgegenstünde, kann die Frage nach der Reichweite einer diesbezüglichen Prüfpflicht des Berufungsgerichts – die Klägerin hatte sich in erster Instanz auf den besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG nicht berufen – dahinstehen.

[13] 2. Gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kann eine Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung

a) durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren oder

b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen,

begründet ist.

[14] 2.1.  Die Rechtsprechung zum Vorliegen der hier in Diskussion stehenden „Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren“ (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG), wurde vom Berufungsgericht bereits ausführlich dargelegt. Darauf wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] Hervorzuheben ist, dass personenbedingte Kündigungsgründe grundsätzlich auch durch lang andauernde oder häufig auftretende Krankenstände verwirklicht sein können (RS0051801). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist aber nicht nur die Dauer der bisherigen Krankenstände zu berücksichtigen, sondern es ist auch die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung soweit einzubeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (s RS0051785). Dabei muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung wegen überhöhter Krankenstände ausspricht, eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers anstellen. Entscheidend ist, dass ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung berechtigt davon ausgehen kann, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind (8 ObA 53/11v, 9 ObA 123/18f, 9 ObA 117/21b). Eine ungünstige Prognose kann etwa aus der anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen abgeleitet werden (RS0081880 [T11]). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit aufgetretene Krankenstände, die für die künftige Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers nicht aussagekräftig sind, weil die zugrunde liegende Krankheit überwunden wurde, nicht als persönliche Kündigungsrechtfertigungsgründe herangezogen werden können. Insoweit ist auch die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers und deren Ursache für die Zukunftsprognose von Relevanz. Eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer besteht nicht (8 ObA 53/11v ua).

[16] Für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist der Arbeitgeber beweispflichtig (RS0110154; 8 ObA 8/19p [Pkt 3]). Setzt er sich in Ansehung des Rechtfergtigungsgrundes überhöhter Krankenstände bei Erstellung der Zukunftsprognose nicht mit der Art der Erkrankung und deren Ursachen auseinander, trägt er das Risiko, dass sich der von ihm angenommene personenbezogene Kündigungsgrund später im gerichtlichen Verfahren als nicht berechtigt erweist (9 ObA 117/21b [Pkt 4 mwN]).

[17] Das Vorliegen dieses Rechtfertigungsgrundes kann letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (9 ObA 53/20i [Pkt 2.]), wodurch keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründet wird.

[18] 2.2. Im vorliegenden Fall wurde infolge der im Verfahren eingeholten medizinischen und berufskundlichen Sachverständigengutachten festgestellt, dass bei der Klägerin unter einer konsequenten konservativen Therapie (Muskelkräftigung und -lockerung, Einhaltung von Verhaltensmaßnahmen, physiotherapeutische Selbstbeübung) von einem weiterhin kontrollierbaren Funktionszustand der Wirbelsäule auszugehen sei, künftige leidensbedingte Krankenstände nicht zu erwarten seien und das Anforderungsprofil der Tätigkeit in der Montagelinie mit dem medizinischen Leistungskalkül vereinbar sei. Für den Fall, dass dieser Zustand schon jenem zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (RS0051772) entsprach – was dem Sachverhalt nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist –, ist es zwar richtig, dass damit objektiv noch keine negative Zukunftsprognose für die Arbeitsfähigkeit der Klägerin erwiesen wäre. Das ist hier aber nicht ausschlaggebend. Denn anders als etwa in den den Entscheidungen 9 ObA 153/17s, 9 ObA 70/18m, 8 ObA 68/18k und 9 ObA 53/20i (9 ObA 68/20w) zugrunde liegenden Sachverhalten geht es hier nicht um die nachträgliche Prüfung und Objektivierung, ob der für eine Kündigung erforderliche gesetzliche Tatbestand einer „Dienstunfähigkeit“ (§ 42 Abs 2 Z 2 VBO: „für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet“) verwirklicht ist, sondern um die Frage des Vorliegens von „Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren“, womit im Rahmen des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG schon von Gesetzes wegen weitere Umstände des Falls für die Beurteilung der personenbezogenen Gründe herangezogen werden können.

[19] Hier hat die Beklagte die bisherigen massiven Krankenstände der Klägerin, die Unplanbarkeit der Schichten und den Unmut der anderen Mitarbeiter über die Besetzung eines „Schonarbeitsplatzes“ durch die Klägerin sowie auch und vor allem ins Treffen geführt, dass sie nach der Chronologie des Behandlungsverlaufs der Klägerin (Kur, verschobene und letztlich abgesagte Operation zugunsten konservativer, nur symptombekämpfender Therapien) und nach Auskunft der Betriebsärztin den Einsatz der Klägerin in der Montage als zu großes Gesundheitsrisiko einstufte. Dieser Einschätzung lag im vorliegenden Fall ein hausärztliches Attest zugrunde, das die Klägerin selbst der Betriebsärztin vorgelegt hatte und aus dem hervorgegangen war, dass ein Einsatz der Klägerin in der Fertigung (Montage) aus medizinischer Sicht nicht mehr in Frage komme. Die Erklärung der Klägerin, dass es ihr besser gehe und sie wieder arbeiten möchte, musste nicht als Widerspruch dazu wahrgenommen werden, weil die (zB aus Sorge um den Arbeitsplatz allzu günstige) Selbsteinschätzung eines Arbeitnehmers über seine Arbeitskraft objektiv nicht immer mit einer nachhaltigen Verbesserung seines Gesundheitszustands korreliert. Wäre die Beklagte entgegen den Beurteilungen der Haus- und der Betriebsärztin der Einschätzung der Klägerin gefolgt, hätte sie sich im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin dem Vorwurf massiver Verletzungen ihrer Arbeitnehmerschutz- und Fürsorgepflichten ausgesetzt. Die medizinische Einschätzung des Hausarztes relativierende oder widerlegende Atteste oder sonstige Unterlagen hat die Klägerin nicht vorgelegt. Vielmehr hatte sie bereits im Oktober 2018 über ein Schreiben der Beklagten, mit dem diese beim behandelnden Arzt Informationen zu ihrem Gesundheitszustand und seine Vereinbarkeit mit der Tätigkeit in jener Montagelinie einholen wollte, die gewünschten Informationen nicht bekannt gegeben und im Verfahren auch den behandelnden Facharzt von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden. Zurückgehend auf die von der Klägerin vorgelegten Informationen (hausärztliches Attest) konnte ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung daher nur annehmen, dass die Klägerin in jener Montagelinie nicht mehr eingesetzt werden durfte.

[20] 2.3. Dass die Beklagte über zwei Jahre intensive Bemühungen an den Tag gelegt hatte, ihre sozialen Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen und einen dem Gesundheitszustand der Klägerin entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, steht nicht in Frage.

[21] 2.4. Danach ist es aber insgesamt nicht weiter korrekturbedürftig, wenn die Vorinstanzen aufgrund der Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalls Umstände in der Person der Klägerin – nämlich einen auf von ihr vorgelegten Informationen beruhenden Gesundheitszustand – verwirklicht sahen, die die Interessen der Beklagten nachteilig berührten und sie die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG als gerechtfertigt erachteten.

[22] 3. Angesichts der klaren Rechtslage zu § 8 Abs 6 BEinstG (Pkt 1.) und der nur nach der Lage des Falls zu beurteilenden Frage nach dem Vorliegen von personenbezogenen Gründen iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG (Pkt 2.) liegt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

[23] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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