OGH 11Os159/21y

OGH11Os159/21y1.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Mag. Kostersitz als Schriftführer in der Strafsache gegen * Mi* wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm § 129 Abs 1 Z 1), 130 Abs 3; 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 22. Oktober 2021, GZ 10 Hv 89/21k‑87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00159.21Y.0301.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Mi* des Verbrechens des „gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1, 130 Abs 3; 15 StGB“ (A./; richtig [US 2, 8 f, 14 f]: schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 [iVm 129 Abs 1 Z 1], 130 Abs 3 iVm § 130 Abs 1 erster Fall StGB; § 15 StGB), des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB (B./) und der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (C./), schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –

A./ gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Wert nachgenannten Opfern durch Einbruch in Wohnstätten weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar

I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten * N* als Mittäter (§ 12 StGB)

1./ am 1. November 2020 in *, indem sie über ein Flachdach eines nebenan befindlichen Gastronomiebetriebs und anschließendem Aufbrechen eines Fensters vermutlich mit einem Schraubendreher in die Wohnung im 1. Stock des * X* gelangten und Bargeld in Höhe von ca 500 Euro wegnahmen;

2./ am 2. November 2020 in *, indem sie über ein Flachdach eines an der Rückseite des Hauses befindlichen Gastronomiebetriebs und anschließendem Aufbrechen eines Fensters vermutlich mit einem Schraubendreher in die Wohnung im Obergeschoß der A* S* und W* S* gelangten und einen Möbeltresor mit Bargeld und Schmuck in nicht mehr feststellbarem Wert wegnahmen;

II./ am 28. Oktober 2020 in *, indem er über den Balkon im ersten Stock zum Einfamilienhaus des * J* kletterte und versuchte, zwei Balkontüren mit einem Schraubendreher aufzubrechen, wobei es beim Versuch blieb, da er vom Opfer gestört wurde und ohne Beute flüchtete;

III./ am 16. März 2021 in *, indem er sich auf die Rückseite des Gastronomiebetriebs begab, über einen Stiegenaufgang annäherte und die Eingangstüre zur über dem Gastronomiebetrieb befindlichen Wohnung der * M* und * Q* vermutlich mit einem Schraubendreher aufbrach, die Wohnung durchsuchte und zehn Handtaschen, eine Armbanduhr, Schmuck und Bekleidung in nicht mehr feststellbarem Wert sowie Bargeld in Höhe von 5.400 Euro wegnahm;

IV./ am 21. März 2021 in *, indem er sich über einen seitlich überdachten Zugang des Gastronomiebetriebs auf die Rückseite und den Stiegenaufgang zum Wohnbereich der Wohnung von * Mia* und * Qu* annäherte und in weiterer Folge am dortigen Balkon ein Fenster vermutlich mit einem Schraubendreher aufbrach, sämtliche Räume durchsuchte und Bargeld in Höhe von etwa 3.000 Euro sowie eine Handtasche und eine Armbanduhr in nicht mehr feststellbarem Wert wegnahm;

B./ ...;

C./ ….

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dem Einwand der Mängelrüge zuwider sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A./ weder offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) noch besteht ein innerer Widerspruch im Sinn einer logischen Unvereinbarkeit zwischen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen oder den Feststellungen zur subjektiven Tatseite und der dazu angeführten Begründung (Z 5 dritter Fall).

[5] Denn die Ableitung des Bereicherungsvorsatzes und der gewerbsmäßigen Tendenz aus dem objektiven Tatgeschehen, der als „trist“ bezeichneten Einkommens- und Vermögenssituation des (US 4: für eine 16‑jährige Tochter mit einer monatlichen Alimentationsleistung von 200 Euro sorgepflichtigen und zuletzt in Serbien über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.000 Euro verfügenden) Angeklagten und dessen aus seinen Vorverurteilungen ersichtlichen Hang, in Wohnstätten von Betreibern von China‑Restaurants einzubrechen (US 14), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

[6] Die sachverhaltsmäßige Bejahung einzelner als erheblich beurteilter Umstände wiederum kann mit Mängelrüge nicht bekämpft werden, soweit diese (erkennbar) keine notwendige Bedingung für die Feststellung entscheidender Tatsachen darstellen (RIS‑Justiz RS0116737). Indem der Beschwerdeführer seine finanzielle Lage nicht als „trist“ einstuft und darauf aufbauend mit Blick auf sein Einkommen einen Widerspruch in den Entscheidungsgründen (Z 5 dritter Fall) ortet, spricht er ersichtlich keinen für die Bejahung der subjektiven Tatseite durch die Tatrichter notwendigen Umstand an, sondern bekämpft insofern bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[7] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) unter Hinweis auf die Summe der im Laufe von fünf Monaten durch die Einbrüche tatsächlich erzielten Bargeldbeträge das Vorliegen „der Voraussetzungen für eine Gewerbsmäßigkeit“ (und somit der Qualifikation nach § 130 Abs 3 StGB zu A./) bestreitet, bekämpft sie inhaltlich abermals bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zur vom Angeklagten im Zeitpunkt der Tatbegehung angestrebten Einkommenserzielung (US 9, 14). Damit verfehlt sie von vornherein den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[8] Die Tatrichter brachten bei verständiger Lesart der Gesamtheit der Entscheidungsgründe im Urteil auch hinreichend deutlich zum Ausdruck (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19), dass es sich bei den Einbruchsobjekten (wie im Übrigen schon in der Anklage [ON 70] vorgebracht und vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nirgends in Frage gestellt [ON 86]) stets um von den bestohlenen Restaurantbetreibern (zumindest vorübergehend) für Wohnzwecke genutzte Gebäude oder Gebäudeteile handelte (US 6–9, 12, 14). Indem die Beschwerde (Z 10) unter Hinweis auf eine Kommentarstelle, wonach die Funktion eines Orts als Wohnraum verloren gehen könne, wenn er zwar als Wohnraum gedacht, aber auf Dauer unbewohnt sei (Stricker in WK² StGB § 129 Rz 87), Feststellungen dazu einfordert, „ob, inwieweit und in welchem Zeitraum diese tatsächlich als Wohnstätten bewohnt wurden“, wendet sie sich recht besehen somit abermals bloß gegen Urteilsaussagen zu entscheidenden Tatsachen. Dass die Tatrichter aber für andere Feststellungen zu dieser Frage sprechende Beweisergebnisse übergangen hätten (Z 5 zweiter Fall; siehe dazu RIS‑Justiz RS0118316, RS0098646, RS0099578), behauptet die Beschwerde nicht einmal.

[9] Der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zuwider wurde die Bestimmung über die Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB zu Recht angewendet. Nach den auf die Angaben des Angeklagten und die eingeholten Strafregisterauskünfte gestützten (US 10) Feststellungen hat der Beschwerdeführer nämlich auch die vom Tribunal Correctionnel Antwerpen am 22. September 2014 ua wegen Einbruchsdiebstahls verhängte Freiheitsstrafe teilweise verbüßt (US 6 und 15 f). Mit der Behauptung einer Rückfallsverjährung wegen des zeitlichen Intervalls zwischen der Rechtskraft jenes Urteils (am 19. Jänner 2015) und der Tatbegehung zu A./II./ (am 28. Oktober 2020) vernachlässigt der Beschwerdeführer, dass ein Rückfallszusammenhang iSd § 39 Abs 2 StGB (hier) dann besteht, wenn die zweite rückfallsbegründende Straftat innerhalb von fünf Jahren nach Verbüßung der für die vorangegangene Straftat verhängten Strafe und die nunmehrige Rückfallstat ihrererseits wieder innerhalb von fünf Jahren nach Verbüßung der für die zweite einschlägige Straftat verhängten Strafe erfolgte (RIS‑Justiz RS0091410; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 39 Rz 10; Flora in WK² StGB § 39 Rz 32). Nach den Urteilskonstatierungen verbüßte der Angeklagte bis zu seiner bedingten Entlassung am 15. Mai 2019 auch die in Deutschland vom Landgericht Heilbronn am 21. November 2016 (rechtskräftig seit 29. November 2016) ua wegen Einbruchsdiebstahls verhängte Freiheitsstrafe (US 5 f). Allfällige Feststellungsmängel in Bezug auf die Voraussetzungen der Rückfallsverjährung macht die Beschwerde nicht geltend (vgl dazu jüngst RIS‑Justiz RS0133805) und sind solche mit Blick auf die (letzte) vom erwähnten Urteil aus Deutschland umfasste Tathandlung (am 8. März 2016; vgl ON 84 S 5) und die Aussagen des Angeklagten zu seinen (Untersuchungs-)Haftzeiten in Deutschland und Belgien (ON 64 S 11 und ON 86 S 8) auch nicht indiziert.

[10] Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass – worauf auch die Generalprokuratur zutreffendhinweist – der auf § 26 StGB gestützte Ausspruch auf Einziehung der sichergestellten „Tatwerkzeuge“ (Teleskopleiter, Bohrwerkzeug und Brecheisen; Standblatt ON 82 Positionen 3–5) schon deshalb nicht mit dem Gesetz im Einklang steht, weil deren allfällige besondere Beschaffenheit zur Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen (RIS‑Justiz RS0121298, RS0090389) aus dem Urteil nicht erkennbar ist. Diese (potentiell) dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) kann im vorliegenden Fall allerdings vom Oberlandesgericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wahrgenommen werden (RIS‑Justiz RS0122140, RS0119220), weil Genannter mit seiner Anfechtungserklärung (ON 86 S 34) hinreichend deutlich einen umfassenden Willen zur Bekämpfung sämtlicher im schöffengerichtlichen Verfahren (auch) mit Berufung anfechtbarer Aussprüche zum Ausdruck brachte.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte