European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133211
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).
[2] 2.1. Gemäß § 181 Abs 1 ABGB hat dann, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden, das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Insbesondere darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise entziehen. Gemäß § 182 ABGB darf durch eine Verfügung nach § 181 ABGB das Gericht die Obsorge nur so weit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist. Soweit weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen (§ 204 ABGB). Lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen (§ 209 ABGB).
[3] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ausschließlich dessen Wohl maßgebend (RS0048632). Die Beschränkung der Obsorge darf nur das letzte Mittel sein und nur soweit angeordnet werden, als das zur Abwendung einer drohenden Gefährdung des Kindeswohls notwendig ist. Von einer solchen Vorkehrung darf das Gericht nur aus schwerwiegenden Gründen Gebrauch machen (RS0048712 [T1, T9, T10]). Das Kindeswohl ist gefährdet, wenn die Obsorgepflicht nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt wird oder sonst schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährdet werden, wobei die objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung genügt (RS0048633 [T19]). Bei der Beurteilung darf nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden, sondern sind auch Zukunftsprognosen anzustellen (RS0048632; RS0106312).
[4] 2.3. Die Fragen der Obsorgebetrauung hängen regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab, denen keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann, es sei denn, dass bei dieser Entscheidung das Wohl des Kindes nicht ausreichend beachtet worden wäre (RS0115719; RS0007101). Das ist hier nicht der Fall.
[5] 2.4. Nach den Feststellungen ist die Erziehungsfähigkeit der Mutter eingeschränkt. Sie ist zwar nunmehr soweit psychisch und sozial stabil, dass sie mit Unterstützung des KJHT und des Vaters (dieser dolmetscht für die Mutter und begleitet die mj A* zu Therapien) in der Lage ist, als allein Obsorgeberechtigte ihre mj Tochter A* (geboren am * 2016) in ihrem Haushalt zu betreuen. Würde der Mutter aber auch die alleinige Obsorge über ihre Kinder O* (geboren am * 2006), S* (geboren am * 2007) und M* (geboren am * 2010), die seit rund zwei Jahren gut integriert in Wohngemeinschaften wohnen, übertragen werden und würden diese entsprechend dem Wunsch der Mutter künftig ebenfalls bei ihr wohnen, könnte die Mutter den dadurch entstehenden Anforderungen, nämlich den Kindern weiterhin die gewohnten haltgebenden unterstützenden Strukturen zu gewähren, nicht entsprechen. Die Mutter verfügt über zu wenig Feingefühl und Erziehungskompetenz, dass sie in der Lage wäre, das mit einer Betreuung sämtlicher Kinder in ihrem Haushalt dann wieder angespannte elterliche System auszugleichen und die Kinder „aufzufangen“. Da die Mutter somit mit der (zusätzlichen) Pflege und Erziehung ihrer drei älteren Kinder überfordert wäre und die Kinder, die sich alle in Psychotherapie befinden, dies auch bei guter Anpassung nicht kompensieren könnten, ist die Beurteilung des Rekursgerichts, durch eine Übertragung der alleinigen Obsorge im Teilbereich der Pflege und Erziehung (auch) der drei älteren Kinder an die Mutter wäre das Wohl dieser Kinder gefährdet, nicht zu beanstanden. Wenn die Mutter in diesem Zusammenhang in ihrem außerordentlichen Revisionrekurs als sekundäre Feststellungsmängel davon abweichende Feststellungen begehrt, stehen diesen die dazu getroffenen Tatsachenfeststellungen entgegen (vgl RS0043320 [T16, T18]).
[6] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)