OGH 9ObA83/20a

OGH9ObA83/20a27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Ö* Aktiengesellschaft (früher: Ö* GmbH) *, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz, Rechtsanwält_Innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö* Aktiengesellschaft, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 21.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2020, GZ 8 Ra 36/20b‑9, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑und Sozialgerichts Wien vom 18. November 2019, GZ 39 Cga 113/19a‑5, nicht Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132080

 

Spruch:

 

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Ö* Aktiengesellschaft“ berichtigt.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist als parteifähiges Organ der Arbeitnehmerschaft nach § 50 Abs 1 ASGG zur vorliegenden Feststellungsklage berechtigt.

[2] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die in den Dienstplänen der Beklagten zwischen zwei Dienstteilen an einem Kalendertag liegende Unterbrechung eine Pause nach § 11 AZG bzw Punkt III.2 lit e des Kollektivvertrags für Arbeitnehmer in privaten Autobusbetrieben (KV) sei und durch die Beklagte dann, wenn die Ruhepausen des Kalendertages insgesamt 1,5 Stunden überschreiten, zu bezahlen sei.

[3] Im Betrieb S* der Beklagten seien insgesamt 700 Arbeitnehmer als Busfahrer beschäftigt. Die Einteilung der Dienste erfolge durch die von der Beklagten einseitig erstellten Dienstpläne. Bei ausgewählten Dienstplänen bzw Touren würden an einzelnen Tagen die Dienste derart „geteilt“, dass die Arbeitnehmer ganz in der Früh und in der Folge erst wieder abends arbeiten müssten. Dadurch käme es zu einer Unterbrechung der Tagesarbeitszeit, die als Ruhepause gemäß § 11 AZG zu qualifizieren sei. Dies ergebe sich auch aus der Nichtkennzeichnung dieser Unterbrechungen in den Dienstplänen. Nach Punkt III.2 lit e des KV betrage die tägliche unbezahlte Ruhepause höchstens 1,5 Stunden. Damit seien darüber hinausgehende Unterbrechungen zu entlohnen. Es würden auch keine verkürzten Ruhezeiten vorliegen, da solche schon begrifflich immer zwei Arbeitstage voneinander trennten.

[4] Das Klagebegehren wurde ausdrücklich nicht auf die Entlohnung von Steh‑ und Wartezeiten gemäß Punkt IV. des Kollektivvertrags gestützt.

[5] Die Beklagte bestritt und brachte vor, zwischen den Diensten bei „zwei Diensten pro Tag“ lägen sowohl nach dem Dienstplan als auch faktisch mindestens neun Stunden. Es handle sich somit um verkürzte Ruhezeiten iSd Art 4 lit g iVm Art 8 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr 561/2006 (für VO‑Fahrzeuge iSd § 13 Abs 1 Z 2 lit b AZG) bzw iSd Pkt III. 2 lit f Z 2 des KV (für Fahrzeuge im regionalen Linienverkehr ‑ Linienstrecke bis maximal 50 Kilometer), nicht um Ruhepausen. Es könne nicht die Intention der Kollektivvertragsparteien gewesen sein, sämtliche (Ruhe‑)Zeiten zwischen zwei Einsätzen abzugelten. Ruhezeiten seien auch nicht als Stehzeiten zu vergüten. Dem Gesetz sei auch nicht zu entnehmen, dass Ruhezeiten zwingend in der Nacht liegen müssten oder dass sie nur an einem bestimmten Ort konsumiert werden dürften. Bei der Unterbrechung handle es sich um reine Freizeit, die den Vorgaben der verkürzten Ruhezeit entspräche. Da bei den betroffenen Diensten von zwei Einsatzzeiten auszugehen sei, werde von der Beklagten auch die sogenannte Rüstzeitpauschale für jeden Dienst separat ausbezahlt.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, dass nach dem Kollektivvertrag die tägliche unbezahlte Ruhepause mit höchstens 1,5 Stunden begrenzt sei. Eine Entgeltpflicht des Dienstgebers für darüber hinausgehende Ruhepausen sei jedoch nicht angeordnet. Ein solches Verständnis würde auch in Konflikt zu IV. (Stehzeiten und Wartezeiten) des Kollektivvertrags stehen. Der Regelung würde kein eigener Anwendungsbereich verbleiben bzw könne nicht angenommen werden, dass der Kollektivvertrag überlange Ruhepausen besser entlohnen wolle als Steh‑ und Umkehrzeiten. Ob eine Entlohnung von Ruhepausen über 1,5 Stunden allenfalls nach Abschnitt IV. des Kollektivvertrags in Betracht komme, sei hier nicht zu beurteilen, weil der Kläger sich darauf ausdrücklich nicht stütze. Somit sei ein Zahlungsanspruch zu verneinen. Die Beurteilung von Arbeitsunterbrechungen als Ruhepausen wäre für sich allein als bloße rechtliche Qualifikation eines Tatbestands nicht feststellungsfähig.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil nicht Folge. In Anbetracht der mindesten neunstündigen Dauer der Arbeitszeitunter‑brechungen sei davon auszugehen, dass es sich um Ruhezeiten iSd § 12 AZG handle. Bei der Tagesarbeitszeit sei auf einen Zeitraum von 24 Stunden, nicht auf einen Kalendertag abzustellen. Darüber hinaus könne die tägliche Ruhezeit drei mal wöchentlich auf mindestens neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden, wenn die Verkürzung in der Folgewoche ausgeglichen werde. Wenn die zwischenzeitig vorgeschriebene Ruhezeit eingehalten werde, könne dann die nächste Tagesarbeitszeit vor Ablauf von 24 Stunden beginnen. In diesem Sinn entsprächen die Dienstpläne der Beklagten dem Kollektivvertrag. Es handle sich bei den Arbeitsunterbrechungen daher um nicht zu bezahlende Ruhezeiten. Dass diese als solche im Dienstplan nicht gekennzeichnet seien, sei irrelevant. Der Kollektivvertrag sehe eine solche Kennzeichnung nur für Ruhepausen vor. Darüber hinaus sehe der Kollektivvertrag ausdrücklich eine Honorierung von Steh‑ und Wartezeiten vor, die sich aufgrund des Fahrplans ergäben. Damit sei nicht zu rechtfertigen, dass Ruhepausen oder Ruhezeiten abweichend zur Entgeltregelung zu fahrplanbedingten Steh‑ und Wartezeiten entlohnt werden müssten.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil einer kollektivvertraglichen Bestimmung regelmäßig eine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

[12] 1. Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 17. 6. 2020 wurde die Ö* GmbH als übertragende Gesellschaft mit der Ö* Aktiengesellschaft als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Diese Änderung wurde am 11. 7. 2020 im Firmenbuch eingetragen.

[13] Die Parteienbezeichnung der Beklagten war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO auf die übernehmende Gesellschaft zu berichtigen.

[14] 2. Die relevanten Bestimmungen des unstrittig anwendbaren Kollektivvertrags für Arbeitnehmer in privaten Autobusbetrieben (KV) lauten auszugsweise:

„III.  ARBEITSZEIT

1. Betriebspersonal:

2. Fahrpersonal:

e) Ruhepausen

Allgemein

Die tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt

- bei einer Tagesarbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten,

- bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten

und ist spätestens nach sechs Stunden einzuhalten.

Gelegenheitsverkehr

Die tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt höchstens eineinhalb Stunden.

Die tägliche unbezahlte Ruhepause kann in mehrere Teile von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.

Bei Teilung der unbezahlten Ruhepause ist der erste Teil spätestens nach sechs Stunden einzuhalten.

Kraftfahrlinienverkehr

Die tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt höchstens eineinhalb Stunden.

Im Kraftfahrlinienverkehr kann die unbezahlte Ruhepause in einem Teil von mindestens 30 Minuten und einen bzw. mehrere Teile von mindestens 15 Minuten geteilt werden. Bei Teilung der unbezahlten Ruhepause ist der erste Teil spätestens nach sechs Stunden einzuhalten.

Der 30‑minütige Teil der unbezahlten Ruhepause ist im Dienstplan der Fahrdienstleitung oder im Einsatzplan im Vorhinein zu fixieren.

Der unbezahlte Ruhepausenanteil von 30 Minuten muss in einem Zeitraum von frühestens 3 Stunden nach Beginn bzw. spätestens 3 Stunden vor Ende des Dienstes liegen. Wird dem Lenker der unbezahlte Ruhepausenteil von 30 Minuten innerhalb dieses Zeitraumes nicht gewährt, beträgt die tägliche unbezahlte Ruhepause höchstens 1 Stunde.

Ein Ruhepausenteil von 15 Minuten ist dann unbezahlt, wenn er innerhalb eines Zeitraumes von frühestens 2 Stunden nach Beginn bzw. spätestens 2 Stunden vor Ende des Dienstes liegt.

f) Tägliche Ruhezeit

1) VO‑Fahrzeuge iSv § 13 Abs 1 Z 2 b AZG

Die tägliche Ruhezeit für das Lenken von VO‑Fahrzeugen (Autobusse mit mehr als 9 Sitzplätzen einschließlich des Fahrers) richtet sich nach den Vorschriften der EU‑Verordnung 561/2006 .

2) Fahrzeuge im regionalen Kraftfahrlinien‑ verkehr (Linienstrecke bis maximal 50 km)

Die tägliche Ruhezeit kann 3 x wöchentlich auf mindestens 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden. Jede Verkürzung der täglichen Ruhezeit, ist bis zum Ende der Folgewoche, durch eine zusätzliche Ruhezeit im Ausmaß der Verkürzung auszugleichen. Diese Ausgleichsruhezeit ist zusammen mit einer anderen, mindestens 8‑stündigen Ruhezeit zu gewähren.

Wenn eine tägliche Ruhezeit von insgesamt mindestens 12 Stunden eingehalten wird, kann die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Abschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden, die übrigen Teile jeweils mindestens 1 Stunde betragen müssen. In diesem Fall beginnt eine neue Tagesarbeitszeit nach Ablauf des mindestens 8‑stündigen Teiles der Ruhezeit.

IV. STEHZEITEN UND WARTEZEITEN

1. Fahrplanmäßig konzessionierter periodischer Personentransport (Stehzeiten):

a) Die sich aufgrund des Fahrplanes ergebenden Stehzeiten (Umkehrzeiten) der Wagenlenker und des sonstigen Fahrpersonals, bis einschließlich sechs Stunden täglich, werden wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.

b) Die über sechs Stunden hinausgehenden Stehzeiten werden täglich zusammengerechnet und nach Abzug einer Pause von einer Stunde als bloßer Anwesenheitsdienst mit 50 % des normalen Arbeitslohnes vergütet, auch wenn sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.“

[15] 3. Schon das Erstgericht hat dargelegt, dass die Beurteilung von Arbeitsunterbrechungen als Ruhepause für sich allein als bloße rechtliche Qualifikation eines Tatbestands nicht feststellungsfähig ist (RS0038902). Dagegen hat sich der Kläger in der Folge auch nicht gewendet. Zu prüfen ist daher im Verfahren ausschließlich, inwieweit die klagsgegenständlichen Unterbrechungen als Ruhepausen zu bezahlen sind.

[16] 4. Der Kollektivvertrag definiert den Begriff „Ruhepause“ nicht, sondern setzt ihn voraus und regelt nur die Dauer der zu gewährenden Ruhepausen. § 2 Abs 1 Z 1 AZG umschreibt Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. § 11 Abs 1 AZG spricht davon, dass die Arbeitszeit durch Ruhepausen unterbrochen wird. Demnach zählt die Ruhepause grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (RS0051370 [T1]) und ist daher, sofern nichts anderes vereinbart ist, auch nicht zu bezahlen (vgl RS0102995 [T4]).

[17] Ruhepausen sind dadurch charakterisiert, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in diesen Zeiten nicht zur Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Es handelt sich um Unterbrechungen in der Arbeitszeit, die der Befriedigung der sonstigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers dienen. Sie müssen deshalb im Voraus umfangmäßig feststehen und für den Dienstnehmer vorhersehbar sein. Zudem muss es sich um echte Freiheit handeln, das heißt, der Dienstnehmer muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können (9 ObA 121/19p).

[18] 5. Auch der Begriff „Ruhezeit“ wird weder im Kollektivvertrag noch im Gesetz definiert. Ruhezeiten stellen das Gegenteil von Arbeitszeit dar, wobei auch die Merkmale von Ruhepausen – abgesehen von der exakten Vorhersehbarkeit – zutreffen. Im Wesentlichen unterscheiden sich Ruhepausen und Ruhezeiten nur durch ihre Dauer (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetz5 [2018] § 12 Rz 1 f).

[19] 6. Die Beklagte vertritt den Rechtsstandpunkt, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Arbeitszeitunterbrechung um eine verkürzte Ruhezeit iSd Art 4 lit g iVm Art 8 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr 561/2006 bzw iSd Pkt III.2 lit f Z 2 des KV handelt, der Kläger geht davon aus, dass diese Unterbrechung als Ruhepause zu werten ist.

[20] Die Frage kann letztlich dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen keine Entgeltlichkeit vorliegt. Dass Ruhezeiten zu bezahlen wären, behauptet auch der Kläger nicht. Zu prüfen ist daher nur eine allfällige Entgeltlichkeit bei Beurteilung als Ruhepause.

[21] 7. Wie schon von den Vorinstanzen ausgeführt, hat die Judikatur bereits mehrfach zur Entgeltlichkeit von Zeiten der Arbeitsunterbrechung im Rahmen des Kollektivvertrags für private Autobusbetriebe Stellung genommen.

[22] In der Entscheidung 9 ObA 308/92 wurde dargelegt, dass Pausenzeiten, auch soweit sie das gesetzliche und kollektivvertragliche Mindestausmaß überschreiten, nicht zu bezahlen seien. Über das kollektivvertragliche Höchstausmaß von 1,5 Stunden hinausgehende Ruhepausen seien als Stehzeiten (bzw Wartezeiten) nach Abschnitt IV des Kollektivvertrags zu entlohnen. Richtig ist zwar, worauf der Kläger hinweist, dass die damalige Fassung des Kollektivvertrags nicht wörtlich der jetzigen entsprach, allerdings wurde bereits damals die Formulierung „täglich unbezahlte Essenspausen“ verwendet.

[23] In der Entscheidung 9 ObA 102/93 bekräftigte der Oberste Gerichtshof die in der Vorentscheidung geäußerte Rechtsansicht auch zu geteilten Diensten. Bei dem dort zu beurteilenden „Zweiteiler‑Dienst“ lag zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Dienstes eine Pause von zwei bis fünf Stunden. Diese Pause sei keine Arbeitszeit, weil keine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber erfolge. Es entfalle daher der Anspruch auf Entlohnung, gleichgültig ob dieser Zeitraum als Ruhepause nach § 11 AZG oder als Lenkpause, als Wartezeit oder als Freizeit anzusehen sei. Ruhepausen gehörten grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (§ 2 Abs 1 Z 1 AZG). Ausdrücklich wurde auch darauf verwiesen, dass eine besondere kollektivvertragliche Entlohnung nicht vorgesehen sei.

[24] In der Entscheidung 9 ObA 117/11p wiederholte der Oberste Gerichtshof die bereits zuvor dargestellten Grundsätze, wobei die Fassung des anzuwendenden Kollektivvertrags zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits der jetzigen entsprach. Dabei wurde wiederum darauf verwiesen, dass Ruhepausen nach § 11 AZG nicht zu entlohnen seien. Zugunsten der Arbeitnehmer bestimme der Kollektivvertrag, dass die unbezahlten Lenk‑ und Ruhepausen ein Höchstausmaß von 1,5 Stunden täglich nicht überschreiten dürften, sowie dass Steh‑ und Wartezeiten, welche Zeiten der Arbeitsbereitschaft und – über das Ausmaß von täglich 1,5 Stunden übersteigende – Ruhepausen umfassten, nach Pkt IV Z 1 lit a KV bis einschließlich sechs Stunden täglich wie volle Arbeitszeiten zu entlohnen seien.

[25] Zuletzt wurde zu 8 ObA 35/20k ebenfalls zu den Bestimmungen des hier zugrundeliegenden Kollektivvertrags ausgeführt, dass eine Zeit, über die der Arbeitnehmer nach Belieben disponieren und sich in keiner Weise für seinen Arbeitgeber bereit halten müsse – gleichgültig ob man sie als Ruhepause, als Lenkpause oder als Freizeit qualifiziere – keine Arbeitszeit sei, auch wenn sie unter Umständen Einsatzzeit iSd § 16 AZG sei.

[26] 8. Der Kläger argumentiert im Wesentlichen damit, dass dadurch, dass der Kollektivvertrag die unbezahlte Arbeitspause mit höchstens 1,5 Stunden bestimmt, Ruhepausen, die diese zeitliche Grenze überschreiten, zu bezahlen sind.

[27] Richtig ist, dass Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden kann, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollen (RS0008828 [T1]). Bei der Auslegung der Bestimmungen eines Kollektivvertrags ist in erster Linie der Wortsinn, auch im Zusammenhang mit den Regelungen, zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089).

[28] Betrachtet man die Regelungen über Ruhepausen im Kollektivvertrag, fällt zunächst auf, dass der Kollektivvertrag Ruhepausen generell als „unbezahlt“ bezeichnet, unabhängig vom Zusammenhang, etwa auch bei Festlegung der Mindestdauer und ihrer zeitlichen Lage. Weiters enthält er keine Regelung darüber, dass und wie bei Überschreitung der als Höchstgrenze von 1,5 Stunden Ruhepausen zu bezahlen wären. Angesichts des Umstands, dass die Frage der Entgeltlichkeit längerer Unterbrechungen der Arbeitszeit bereits seit den 90er‑Jahren immer wieder in Gerichtsverfahren thematisiert wurde, wäre eine solche ausdrückliche Regelung von den Kollektivvertragsparteien zu erwarten gewesen. Darüber hinaus wurde die Rechtsprechung, die wie dargestellt, immer von einer Unentgeltlichkeit von Ruhepausen ausgegangen ist, nicht zum Anlass für eine Änderung des KV‑Textes genommen. Damit ist nicht davon auszugehen, dass der Bezeichnung „unentgeltlich“ im Zusammenhang mit der Normierung der Höchstdauer von Pausen eine eigenständige Bedeutung zukommt.

[29] Dazu, dass allein der Umstand, dass eine Arbeitszeitunterbrechung, die gegen die Regelungen des Kollektivvertrags verstößt, noch nicht zu einer Entgeltlichkeit dieser Arbeitszeitunterbrechung führt, wurde in der Judikatur bereits – wenn auch in Zusammenhang mit einem anderen Kollektivvertrag – Stellung genommen (8 ObA 61/13y). Dabei wurde auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass eine Überschneidung von öffentlichem Arbeitsrecht im Sinn des Arbeitnehmerschutzes und privatem Arbeitsrecht (Entgeltlichkeit) nicht zur Entgeltpflicht von Ruhepausen führt.

[30] 9. Vielmehr spricht – worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben – eine systematische Interpretation gegen ein solches Verständnis, da die vom Kläger angestrebte volle Bezahlung derartiger Arbeitszeitunterbrechung zu einem Wertungswiderspruch zu Pkt IV. „Stehzeiten und Wartezeiten“ führen würde, wonach Stehzeiten bis einschließlich sechs Stunden wie volle Arbeitszeit entlohnt werden, darüber hinausgehende Stehzeiten nach Abzug einer Pause von einer Stunde als bloße Anwesenheitszeit mit 50 % des normalen Arbeitslohnes vergütet werden.

[31] Wenn der Kläger darauf verweist, dass IV. des Kollektivvertrags sich nur auf Unterbrechungen aufgrund des Fahrplans bezieht und daher mit Arbeitszeitunterbrechung aufgrund des Dienstplans nicht vergleichbar sei, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen. Zwar ist in diesen Fällen die Ursache der Unterbrechung der Arbeitszeit eine andere, aber allein damit lässt sich nicht begründen, warum eine Ruhepause gegenüber einer Steh‑, Warte‑ und Umkehrzeit besser entlohnt werden sollte. Auch wenn es richtig ist, dass Fahrpläne und ihre Taktung in der Regel vorgegeben sind und die Dienstpläne in der Disposition des Arbeitgebers gelegen sind, bietet dies kein Argument für eine Entgeltlichkeit der Arbeitspausen. Auch die Disposition des Arbeitgebers wird sich in der Regel am Bedarf für den Einsatz der Arbeitskraft und damit in letzter Konsequenz ebenfalls an den Fahrplänen orientieren.

[32] 10. Insgesamt besteht daher keine Veranlassung von der Vorjudikatur, nach der Arbeitszeitunterbrechungen, sofern nicht von Steh‑ und Wartezeiten iSd Pkt IV. des Kollektivvertrags auszugehen ist, nicht zu bezahlen sind, abzugehen. Auf Pkt IV. des Kollektivvertrags stützt sich der Kläger aber ausdrücklich nicht.

[33] 11. Damit liegt aber auch der vom Kläger gerügte sekundäre Verfahrensmangel nicht vor, weil weder der Umstand, dass mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind, noch, dass die Unterbrechung aufgrund von Dienstplänen erfolgt, für die rechtliche Beurteilung von Relevanz sind.

[34] 12. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

[35] 13. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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