OGH 8ObA61/13y

OGH8ObA61/13y28.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Ing. Thomas Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S* G*, vertreten durch Pfurtscheller Orgler Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G* J*, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 34.936,48 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2013, GZ 15 Ra 31/13s‑36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Februar 2013, GZ 16 Cga 133/10d‑28, berichtigt durch den Beschluss vom 4. März 2013 (ON 31), bestätigt wurde (Revisionsinteresse 12.781,96 EUR sA), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E106024

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 11. 5. 1991 bis September 2010 in einem Gasthof in L* als Küchengehilfin beschäftigt. Auf das Beschäftigungsverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiter in der Hotellerie und Gastronomie (früher Hotel‑ und Gastgewerbe) anzuwenden. Der Gastbetrieb wurde bis 30. 11. 2000 vom Vater des Beklagten geführt und in der Folge vom Beklagten übernommen. Es handelte sich um einen Ganzjahresbetrieb, in dem mehr als zwei familienfremde Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Klägerin arbeitete stets an sechs Tagen pro Woche, und zwar von 07:30 Uhr bis 09:00 Uhr, von 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr und von 19:30 Uhr bis 21:30 Uhr. Vom 11. 4. 2007 bis 4. 5. 2007 war ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt unterbrochen. Der Klägerin stand ein Personalzimmer zur Verfügung, in dem sie dauerhaft, also auch in dienstfreien Zeiten, Unterkunft nahm. Zudem erhielt sie regelmäßig drei Mahlzeiten täglich; ihr war es auch gestattet, zwischendurch Essen und Getränke zu konsumieren. Mit der Klägerin war vereinbart, dass sie für Kost und Logis monatlich 196,20 EUR netto (dieser Wert galt ab 1. 1. 2007) zu bezahlen hat und dieser Betrag vom jeweiligen Lohn in Abzug gebracht wird. Die Klägerin erhielt jedenfalls ab 1. 1. 2007 jeweils am Beginn des Folgemonats eine Lohnabrechnung für den vorhergehenden Monat ausgehändigt. Eine überkollektivvertragliche Entlohnung der Klägerin war nicht Thema zwischen ihr und dem Arbeitgeber. Mit Schreiben der Arbeiterkammer vom 22. 9. 2010 wurden für die Klägerin die der Klage zugrunde liegenden Forderungen geltend gemacht.

Die Klägerin begehrte restliches Entgelt für den Zeitraum September 2007 bis August 2010. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung brachte sie vor, dass laut Kollektivvertrag eine mehrfache Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit unzulässig sei. Aus diesem Grund seien auch die Zeiten der zweiten Arbeitszeitunterbrechung in die Arbeitszeit einzubeziehen bzw abzugelten. Unter Berücksichtigung der Pausenzeiten habe sie an sechs Tagen in der Woche eine Wochenarbeitszeit von zumindest 64,5 Wochenstunden erbracht, woraus sich eine Überstundenleistung von 24,5 Stunden in der Woche und von 106 Stunden pro Monat ergebe. Ihre tägliche Arbeitszeit habe zumindest 11 Stunden betragen. Lohnabrechnungen habe sie nicht ausgefolgt erhalten. Eine Vereinbarung, wonach sie für Kost und Logis einen Betrag zu entrichten habe, sei nicht getroffen worden. Außerdem sei das kollektivvertragliche Mindestentgelt zur Gänze in bar auszuzahlen, weshalb Sachleistungen davon nicht in Abzug gebracht werden dürften.

Der Beklagte entgegnete, dass die Klägerin täglich fünf Stunden und dreißig Minuten gearbeitet habe, was bei einer Sechstagewoche eine Arbeitszeit von 33 Stunden pro Woche ergebe. Die daraus resultierenden Entgeltansprüche seien erfüllt worden. Unrichtig sei, dass die Klägerin keine monatlichen Lohnabrechnungen erhalten habe. Tatsächlich seien die von ihr für die Zeit vor Juli 2010 geltend gemachten Überstunden verfallen. Das Personalzimmer der Klägerin habe als Hauptwohnsitz gedient. Zudem sei vereinbart gewesen, dass sie selbst während ihres Urlaubs à la carte Essen bestellen könne. Aufgrund von Zahnproblemen seien Mahlzeiten für die Klägerin sogar speziell zubereitet worden. Der Sachbezug für Kost und Logis stehe mit Pkt 11 des Kollektivvertrags im Einklang.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (abgesehen von einem Betrag von 19,60 EUR sA aufgrund einer Minderzahlung) ab. Für die nach Pkt 2 lit g des anzuwendenden Kollektivvertrags unzulässige mehrfache Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit seien keine unmittelbaren Sanktionen vorgesehen. Aus diesem Grund führe auch die zweimalige Arbeitszeitunterbrechung pro Arbeitstag im Anlassfall nicht dazu, dass die zweite Unterbrechung als Arbeitszeit zu werten sei. Die Klägerin habe daher eine wöchentliche Arbeitsleistung im Ausmaß von 33 Stunden an sechs Tagen pro Woche erbracht. Die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten unterliege nach Pkt 11 des Kollektivvertrags der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine solche Regelung sei im Anlassfall auch getroffen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Pkt 2 lit a des Kollektivvertrags sei Arbeitszeit jene Zeit, während der sich der Arbeitnehmer im Betrieb zur Verfügung des Arbeitgebers halten müsse. Die Zeiten der Ruhepausen seien demnach nicht in die Arbeitszeit einzurechnen. Für den Fall, dass die tägliche Arbeitszeit entgegen Pkt 2 lit g des Kollektivvertrags durch mehr als eine Ruhepause unterbrochen werde, hätten die Kollektivvertragsparteien keine Regelung getroffen. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass eine Abgeltung der „zweiten Pause“ von den Kollektivvertragsparteien nicht gewollt gewesen sei. Die Klägerin könne daher nicht die Abgeltung weiterer Arbeitsstunden fordern. Die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten im Betrieb des Arbeitgebers unterliege laut Pkt 11 des Kollektivvertrags der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies gelte auch für die Wohnkosten, zumal die Lohnordnung für Tirol dafür keine Kostenfestsetzung enthalte. Das Argument, dass der Klägerin das kollektivvertragliche Mindestentgelt in bar zur Verfügung stehen müsse und Sachbezüge darauf nicht angerechnet werden dürften, sei nicht maßgebend, weil der anzuwendende Kollektivvertrag selbst eine dem Barzahlungsgebot entgegenstehende Anordnung enthalte. Da Wohnen und Essen zu den lebensnotwendigen Bedürfnissen zähle, sei der Abzug vom Nettolohn im Anlassfall nicht zu beanstanden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Konsequenzen einer unzulässigen zweiten Arbeitspause pro Tag einerseits sowie zur Abzugsfähigkeit vereinbarter Gegenleistungen für Kost und Logis vom kollektivvertraglichen Mindestlohn andererseits höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Abweisung des Betrags von 12.781,96 EUR sA (5.718,76 EUR an Mehr‑ und Überstunden sowie 7.063,20 EUR an Refundierung abgezogener Beträge für Kost und Logis) richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens im Umfang der Anfechtung abzielt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel‑ und Gastgewerbe anzuwenden. Eine Ausnahme für Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG und für ländliche Kleinbetriebe mit weniger als drei familienfremden Arbeitnehmern (siehe dazu Pkt 2 lit g des Kollektivvertrags) liegt nicht vor.

Unstrittig ist, dass Lohnansprüche der Klägerin ab September 2007 weder verfallen noch verjährt und Überstunden ab Mai 2010 nicht verfallen sind.

2. Im Anlassfall ist unstrittig, dass die tägliche Arbeitszeit der Klägerin ‑ entgegen Pkt 2 lit g des Kollektivvertrags ‑ mehr als einmal unterbrochen wurde. Die Klägerin zieht daraus den Schluss, dass ihre tägliche Einsatzzeit 14 Stunden betragen habe. Zeiten einer unzulässigen Arbeitszeitunterbrechung (zweite Unterbrechung von 14:00 Uhr bis 19:30 Uhr: zusätzlich 5,5 Stunden minus 1 Stunde Ruhepause) seien abzugelten. Dem Kollektivvertrag könne nicht unterstellt werden, dass er für eine unzulässige Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit keine Sanktion vorsehe.

3.1 Allgemein gilt, dass das Arbeitsentgelt entfällt, soweit der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht leistet und kein Entgeltfortzahlungstatbestand vorliegt (Rebhahn in ZellKomm² § 1152 ABGB Rz 71). Der Begriff der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz ist an diesen Grundsatz angepasst und steht mit diesem damit im systematischen Einklang. Demnach ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Die Arbeitszeit beginnt mit der Aufnahme der vereinbarten Arbeit bzw mit dem Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht (§ 2 Abs 1 AZG; Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 6/410). Aus arbeitsrechtlicher Sicht besondere arbeitsfreie Zeiträume sind vor allem Urlaub, Krankenstand und Feiertage. Für solche Zeiträume ist gesetzlich oder kollektivvertraglich eine besondere Entgeltpflicht im Sinn einer Entgeltfortzahlung angeordnet. Den angeführten Zeiträumen ist gemein, dass es sich nicht um Arbeitszeit, sondern um entgeltpflichtige Zeiten ohne Arbeitspflicht handelt (vgl 8 ObA 47/13i). Besondere Regelungen bestehen auch für Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft. Für diese Zeiten ist ebenfalls charakteristisch, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Für die Arbeitsbereitschaft, die zur Arbeitszeit zählt, ist maßgebend, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall jederzeit die Arbeitsleistung aufnehmen zu können (Löschnigg aaO Rz 6/556; Grillberger in Grillberger, AZG³ § 2 Rz 8). Die Rufbereitschaft, die nicht zur Arbeitszeit im engeren Sinn gehört, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort selbst wählen kann, dort aber jederzeit erreichbar sein muss, damit er in kurzer Zeit seine dienstlichen Tätigkeiten aufnehmen kann (Löschnigg aaO Rz 6/557; Grillberger aaO § 2 Rz 11).

Demgegenüber ist eine Ruhepause nach allgemeinem Verständnis nicht Arbeitszeit, sondern unbezahlte Freizeit. Es handelt sich um Unterbrechungen der Arbeitszeit, die der Erholung und den sonstigen Lebensbedürfnissen des Arbeitnehmers dienen. Sie müssen deshalb im Voraus umfangmäßig feststehen und für den Dienstnehmer vorhersehbar sein. Zudem muss es sich um echte Freizeit handeln, das heißt, der Arbeitnehmer muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können (Grillberger aaO Rz 5; Klein in Heilegger/Klein/Schwarz, Arbeitszeitgesetz³ § 11 Erl 1).

3.2 Das Arbeitszeitgesetz regelt nicht, welches Entgelt dem Arbeitnehmer für die verschiedenen Formen der Inanspruchnahme der Arbeitskraft zusteht. Dies ist in erster Linie Sache des Kollektivvertrags und ‑ im Rahmen des Günstigkeitsprinzips ‑ der individuellen Vereinbarung (Grillberger aaO Rz 19). So kann etwa auch zur Bezahlung der Ruhepausen zu Gunsten der Arbeitnehmer eine entsprechende Regelung getroffen werden (vgl Klein aaO § 11 Erl 1).

Das Arbeitszeitgesetz spricht allgemein von Ruhepausen und erfasst damit nicht bloß die vorgeschriebenen Mindestpausen (§ 11 AZG), sondern auch zusätzlich vereinbarte Pausen (Grillberger aaO Rz 7).

3.3 Bei der hier in Rede stehenden zweiten täglichen Arbeitszeitunterbrechung handelt es sich ohne Zweifel um eine Ruhepause im Sinn der dargestellten arbeitsrechtlichen Grundsätze. Es besteht weder eine Arbeitspflicht noch eine Bereithaltungspflicht zu Gunsten des Arbeitgebers. Die fragliche Zeit steht dem Arbeitnehmer zur freien Verfügung.

4.1 Die einschlägigen Regelungen des anzuwendenden Kollektivvertrags weichen, wie sich im Folgenden ergibt, vom dargestellten synallagmatischen System nicht ab.

Zur Auslegung der Bestimmungen eines Kollektivvertrags ist festzuhalten, dass dafür in erster Linie der Wortsinn, auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen, zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen ist. Im Zweifel ist unter Zugrundelegung dieses Verständnisses mittels objektiv teleologischer Interpretation nach dem Sinn und Zweck zu fragen, den die Regelung mit Rücksicht auf den Systemzusammenhang vernünftigerweise haben kann (8 ObA 47/13i).

4.2 Nach Pkt 2 lit a des Kollektivvertrags ist Arbeitszeit nur die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer im Betrieb zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss. Daneben bestehen Ruhepausen und die wöchentliche Ruhezeit; dabei handelt es sich um Freizeit. In lit f leg cit wird der Begriff „Ruhepausen“ mit dem Klammerausdruck „(Essenspausen)“ verknüpft und dazu angeordnet, dass diese Pausen auf eine Stunde täglich beschränkt bleiben. Zudem wird klargestellt, dass auch als Ruhepausen (Essenspausen) nur Zeiten gelten, während derer sich der Arbeitnehmer nicht zur Verfügung halten muss. In lit g leg cit wird die tägliche Ruhepause (Ruhezeit) nach Beendigung der Tagesarbeitszeit geregelt. Zudem wird die Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit ermöglicht und dazu angeordnet, dass die Arbeitszeit an einem Arbeitstag ‑ abgesehen von den Essenspausen iSd lit f des Kollektivvertrags ‑ nur einmal unterbrochen werden darf. Klargestellt wird wiederum, dass eine Arbeitszeitunterbrechung nicht zur Arbeitszeit gehört und sich der Arbeitnehmer daher nicht im Betrieb zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss.

Aus einer logisch systematischen Auslegung dieser Bestimmungen folgt, dass für die Frage der Entgeltpflicht nach Pkt 2 des Kollektivvertrags das Element der Verfügbarkeit im Betrieb des Arbeitgebers maßgebend ist. Schon aus der allgemeinen Formulierung in lit a leg cit folgt, dass der Kollektivvertrag nicht nur die Essenspausen als Ruhepausen qualifiziert. Dies wird durch die Anordnung in lit g bestätigt, wonach zusätzlich zu den Essenspausen tägliche Ruhepausen während des Arbeitstages sowie nach der Arbeitszeit vorgesehen sind. Die Ruhepausen nach lit g (Essenspausen) stellen somit eine besondere Form der Ruhepausen dar. Daneben handelt es sich auch bei vereinbarten Arbeitszeitunterbrechungen um Ruhepausen.

4.3 Mit Bezug auf den Anlassfall ist richtig, dass die zweite tägliche Ruhepause der Klägerin (von 14:00 Uhr bis 19:30 Uhr) nach Pkt 2 lit g des Kollektivvertrags unzulässig ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Entgeltpflicht für die Zeit dieser Ruhepause aber nicht allein aus dem Vorliegen eines Verstoßes gegen den Kollektivvertrag abgeleitet werden. Vielmehr müsste die Entgeltpflicht für diese echte Freizeit im Kollektivvertrag ausdrücklich vorgesehen sein, was aber nicht der Fall ist.

Gerade der von der Klägerin ins Treffen geführte Umstand, dass den Kollektivvertragsparteien die Praxis bekannt sei, mehr als eine Arbeitszeitunterbrechung pro Arbeitstag zu vereinbaren, spricht gegen die von der Klägerin argumentierte Lösung. Hätten die Kollektivvertragsparteien die Sanktion in finanziellen Konsequenzen gesehen, so wäre es ein Leichtes gewesen, dies auch anzuordnen. Dies um so mehr, als der Kollektivvertrag von den arbeitsrechtlichen Grundsätzen gerade nicht abweicht und Arbeitszeit daher nur dann vorliegt, wenn sich der Arbeitnehmer im Betrieb zur Verfügung des Arbeitgebers hält.

4.4 Warum die von der Klägerin angesprochene Überschneidung von öffentlichem Arbeitsrecht (Arbeitnehmerschutz) und privatem Arbeitsrecht (Entgeltlichkeit) zur Entgeltpflicht von Ruhepausen führen soll, vermag auch die Klägerin nicht schlüssig zu begründen. Selbst wenn das Arbeitszeitgesetz keine Aussage über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit trifft, zeigt sich aus der Interpretation der einschlägigen Regelungen des Kollektivvertrags doch, dass die Entgeltpflicht laut Kollektivvertrag an den arbeitszeitrechtlichen Grundsätzen im Sinn des Arbeitszeitgesetzes anknüpft und nicht von dessen Systematik abweicht. Die von der Klägerin argumentierte entgeltliche Sanktion des Verstoßes gegen den Kollektivvertrag (Pkt 2) ist somit keineswegs die logische Konsequenz der Interpretation des Kollektivvertrags.

4.5 Insgesamt stellt die zweite tägliche Ruhepause der Klägerin entgegen ihrer Ansicht weder eine Arbeitsbereitschaft noch eine „Zurverfügunghaltung im Betrieb des Arbeitgebers“ noch sonst Arbeitszeit im Sinn des Kollektivvertrags dar. Sie kann sich daher nicht auf daraus resultierende zusätzliche Entgeltansprüche berufen.

5. Zum Thema Kost und Logis wurde zwischen der Klägerin und dem Arbeitgeber vereinbart, dass der Klägerin dafür monatlich ein Betrag von 196,20 EUR netto von ihrem jeweiligen Lohn abgezogen wird. Die Klägerin vertritt dazu den Standpunkt, der Abzug für Mahlzeiten und Wohngelegenheit sei nicht zulässig, weil nach § 78 GewO 1859 der kollektivvertragliche Mindestlohn zur Gänze in einem Geldbetrag zur Verfügung stehen müsse. Eine vertragliche Disposition zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei über die Geldzahlung des Mindestentgelts nicht möglich. Jedenfalls sei der Abzug für Wohngelegenheit nicht berechtigt. Die Festlegung des entsprechenden Betrags sei den Kollektivvertragsparteien (im Rahmen des jeweils gültigen Lohnabkommens) vorbehalten worden. Für Tirol sei in der zugrunde liegenden Lohnordnung ein solcher Betrag nicht festgesetzt worden.

Auch mit diesen Überlegungen ist die Klägerin nicht im Recht.

6.1 In Pkt 11 Satz 1 des Kollektivvertrags wird ausdrücklich geregelt, dass die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten im Betrieb der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorbehalten bleibt. Aus diesem Wortlaut ergibt sich unmissverständlich, dass die Frage, ob Kost und Logis vom Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird, einzelvertraglich zu regeln ist. Aus der Bezugnahme auf die „für die Inanspruchnahme in Betracht kommenden Kosten“ folgt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen, dass die Inanspruchnahme einer solchen besonderen Leistung des Arbeitgebers nicht unentgeltlich zu erfolgen hat. Im Grundsatz ist somit auch die Höhe der Kosten zu vereinbaren.

6.2 Zu den Wohngelegenheiten wird normiert, dass die dafür in Betracht kommenden Kosten zwischen den Vertragspartnern zu vereinbaren und im jeweils gültigen Lohnabkommen festzulegen sind. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die Inanspruchnahme, sondern nur auf die Höhe der Wohnkosten. Auch wenn in einer Kollektivvertragsbestimmung, die eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Gegenstand hat, die Wendung „zwischen den Vertragspartnern zu vereinbaren“ prima vista nicht für einen Hinweis auf die Kollektivvertragsparteien spricht, folgt doch aus der Bezugnahme auf das Lohnabkommen (siehe dazu Pkt 8 lit a des Kollektivvertrags), dass die Wohnkosten grundsätzlich von den Kollektivvertragsparteien festgelegt werden sollen. Nach dem ausdrücklich in der in Rede stehenden Kollektivvertragsbestimmung angeführten Zweck soll dadurch eine Verdienstspanne für den Arbeitgeber verhindert werden.

Wird in der gültigen Lohnordnung ein solcher Betrag nicht festgesetzt, so bleibt es dennoch bei der grundsätzlichen Kollektivvertragsregelung, wonach die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegt. Besteht kein Zweifel an der Einhaltung der erwähnten Zweckbestimmung des Regelungsvorbehalts zu Gunsten der Lohnordnung, so liegt eine entgeltpflichtige Lösung durch eine entsprechende einzelvertragliche Regelung dem Willen der Kollektivvertragsparteien erkennbar näher als die von der Klägerin argumentierte Rechtsfolge der Unentgeltlichkeit der Wohngelegenheit. Der Kollektivvertrag geht nämlich eindeutig von der Gegenleistungspflicht für die besondere, ohne vertragliche Regelung vom Arbeitgeber nicht geschuldete Leistung aus.

6.3 Im Anlassfall lässt die Klägerin die Beurteilung des Berufungsgerichts unbeanstandet, dass der vom Beklagten für Kost und Logis verrechnete Betrag die (amtsbekannten) Gestehungs- bzw Anschaffungskosten im Großraum Innsbruck nicht übersteige. Eine Verdienstspanne für den Beklagten ist damit ausgeschlossen. Die von den Streitteilen getroffene Vereinbarung ist daher auch für die Gegenleistungspflicht für Kost und Logis maßgebend.

In dieser Hinsicht wird in Pkt 11 letzter Satz des Kollektivvertrags angeordnet, dass die festgesetzten (bzw vereinbarten) Beträge vom Lohn einbehalten werden. Auch der Abzug vom Lohn (im Wege der vom Berufungsgericht dargelegten Kompensation) ist nach der in Rede stehenden Kollektivvertragsregelung somit zulässig.

7.1 Zum Geldzahlungsgebot nach § 78 GewO 1859 verweist die Klägerin selbst zutreffend auf die Ausnahmebestimmungen der Absätze 2 und 3. Ungeachtet der Frage, ob sich das in Rede stehende Gebot nicht überhaupt nur auf den „mindestens angemessenen Grundlohn“ bezieht und die Ausnahmen nach Absatz 2 und 3, zu denen auch Kosten für Wohnung und Lebensmittel bzw „Beköstigung“ gehören, daher auch von dieser Größe (angemessenes Mindestentgelt) abzugsfähig sind (vgl dazu Preiss in ZellKomm² § 78 GewO 1859 Rz 4 f), stützt sich die Klägerin nur auf die Ansicht, dass kollektivvertragliche Mindestentgelte, die (üblicherweise) in Geldbeträgen vorgesehen sind, jedenfalls in Geld zu entrichten seien und in Naturalien nicht abgegolten werden dürften; dies gelte auch in Bezug auf Naturalleistungen, die unmittelbar der Existenzsicherung dienten, wie Wohnung oder Nahrung; auf einen Günstigkeitsvergleich komme es nicht an (vgl dazu Preiss aaO Rz 7).

7.2 Im gegebenen Zusammenhang ist der bloße Hinweis auf die Judikatur des VwGH zur sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht (VwGH Zl 92/08/0150, 95/08/0037, 2002/08/0089: Hinzurechnung jedes Sachbezugs zum Mindestentgelt bei Ermittlung der Beitragsgrundlage) verkürzt.

Wie Binder in seiner Untersuchung (Zur Wiederentdeckung des „Truckverbots“ oder Gedanken über das Verhältnis von Barzahlungsgebot zum Naturalentgelt, in FS Bauer/Maier/Petrag 111 [117]) zutreffend aufzeigt, wird durch das Barzahlungsgebot (als Entgeltsicherungseffekt) gewährleistet, dass dem Arbeitgeber prinzipiell keine Abzugsrechte zustehen, die nicht durch Gesetz oder kollektive Gestaltungsmittel im Rahmen ihrer Kompetenz eröffnet werden. Die Art und Weise der Entgeltzahlung könne nur aus der spezifischen lohngestaltenden Vorschrift, der Branche und der übertragenen Arbeitsaufgabe abgeleitet werden. Der wahre Grund für die Ablehnung jeglicher Naturalsubstitution sei im Zweck der kollektivvertraglichen Mindestentgelte, der auf die Deckung des Arbeitnehmergrundbedarfs gerichtet sei, zu finden. Das kollektivvertragliche Mindestentgelt diene funktionell in der Regel der Abdeckung der Elementarbedürfnisse. Die Preisgünstigkeit angebotener Naturalbezüge könne nicht dazu führen, dass sich der Arbeitnehmer seiner Dispositionsmöglichkeiten bezüglich der Verwendung des Mindestentgelts begebe. Die Aufrechterhaltung der Konsumsouveränität des Arbeitnehmers sei somit als eigenständiger sozialpolitischer Wertmaßstab im Kriterienkatalog des Günstigkeitsprinzips zu beachten und gegenüber einem Kostenvorteil bei Sachbezügen prinzipiell höherrangig (Binder aaO 120 und 121).

7.3 Da das dargestellte Anrechnungsverbot für (individuell) vereinbarte Naturalleistungen auf den existenzsichernden Mindestlohn aus den Lohnregelungen des Kollektivvertrags und dem Zweck des kollektivvertraglichen Mindestlohns abgeleitet wird, muss eine Durchbrechung dann zulässig sein, wenn sie der Kollektivvertrag selbst vorsieht und wenn zudem die sozialpolitische Zweckbestimmung der Existenzsicherung eingehalten ist.

Diese Voraussetzungen sind hier für Kost und Logis gegeben. Der Kollektivvertrag sieht eine Einbehaltemöglichkeit (Abzugsfähigkeit) der Kosten für eine vereinbarte Inanspruchnahme von Kost und Logis in Pkt 11 ausdrücklich vor. Essen und Wohnen gehören zweifellos zu den Grundbedürfnissen, sodass auch der sozialpolitische Zweck der Bestimmung des § 78 GewO 1859 eingehalten ist (vgl Preiss aaO Rz 4). Entgegen der Ansicht der Klägerin widerspricht die in Rede stehende Kompensation somit nicht dem konkreten sozialpolitischen Zweck der kollektivvertraglichen Mindestnorm (vgl RIS‑Justiz RS0051081).

7.4 Auf die Entscheidung 9 ObA 112/03s kann sich die Klägerin nicht berufen. Dort ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber einseitig, also ohne Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, Sachbezüge auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anrechnen kann. Auch die Qualifikation der Sachbezüge als „Aliud“ hat sich nur auf den Umstand der einseitigen Vorgangsweise des Arbeitgebers bezogen. Im Anlassfall liegt aber weder eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers noch ein einseitiges Abgehen von einer kollektivvertraglichen Vereinbarung (vgl RIS‑Justiz RS0117393) vor.

Insgesamt steht der Klägerin somit auch keine Refundierung der vom Beklagten vorgenommenen Abzüge für Kost und Logis zu.

8.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Für das Vorliegen entgeltpflichtiger Arbeitszeit nach Pkt 2 des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe ist das Element der Verfügbarkeit des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers maßgebend. Daran mangelt es bei täglichen Ruhepausen, zu denen neben den Essenspausen auch andere vereinbarte Arbeitszeitunterbrechungen gehören. Selbst Zeiten einer nach dem Kollektivvertrag unzulässigen (mehrfachen) Unterbrechung der täglichen Arbeitszeit sind Freizeit und mangels gegenteiliger Regelung im Kollektivvertrag nicht entgeltpflichtig. Nach Pkt 11 des Kollektivvertrags ist die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten einzelvertraglich zu regeln. Dies gilt auch für die Höhe der Essenskosten, mangels Festsetzung der Wohnkosten im jeweils gültigen Lohnabkommen grundsätzlich auch für diese. Derartige Kosten sind auch vom kollektivvertraglichen Mindestentgelt dann abzugsfähig, wenn der Kollektivvertrag dies vorsieht und die sozialpolitische Zweckbestimmung der Existenzsicherung eingehalten ist.

8.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Der Revision der Klägerin war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG. Der erfolgreiche Beklagte hat für seine Revisionsbeantwortung ausdrücklich keine Kosten verzeichnet.

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