OGH 9Ob51/20w

OGH9Ob51/20w29.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. I*****, 2. T*****, beide vertreten durch Mag. Raimund Unger, Rechtsanwalt in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, wegen Errichtung eines Zaunes (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 23. Juni 2020, GZ 53 R 67/20i‑25, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 28. Februar 2020, GZ 2 C 204/19i‑21, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00051.20W.0429.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, mit dem Grundstück 395/7, wobei mit den Miteigentumsanteilen Wohnungseigentum am Objekt W1 verbunden ist. Der Beklagte ist Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ *****, mit dem Grundstück 395/5.

[2] In einem Kaufvertrag aus dem Jahr 1959 verpflichtete sich der damalige Käufer des Grundstücks 395/5 gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks 395/1, dem damaligen Verkäufer, wie folgt:

[3] „Über Vorbehalt verpflichten sich die Käufer das Kaufgrundstück an der Grenze zum Grundstück 395/1 mit einem ortsüblichen Zaun zu versehen und diesen Zaun für immerwährende Zeiten instand zu halten. Die Käufer bestellen diese Verpflichtung als Reallast und erteilen ihre Einwilligung, dass die Reallast der Zaunerrichtung und Erhaltung an der Grenze des dienenden Grundstücks 395/5 gegenüber dem herrschenden Grundstück 395/1 auf ihrer Liegenschaft in neueröffneter Einlagezahl einverleibt und das bezügliche Recht beim herrschenden Gute ersichtlich gemacht werde.“ Diese Reallast wurde auf dem herrschenden und dem dienenden Grundstück eingetragen.

[4] Durch Teilung der herrschenden Liegenschaft wurde unter anderem das Grundstück 395/7, an dem Miteigentum der Kläger besteht, gebildet. Dieses ist das einzige, das noch an das Grundstück 395/5 angrenzt. Die Rechte aus der Reallast wurden bei der Teilung beim Grundstück 395/7 nicht eingetragen.

[5] An der Grundstücksgrenze befand sich zunächst ein Stacheldrahtzaun. Im Jahr 1983 wurde von S*****, die damals Eigentümerin beider Liegenschaften war, eine Mauer mit einem Holzlattenzaun entlang der Grundstücksgrenze errichtet. Im Jahr 2000 wurde von den Rechtsnachfolgern im Eigentum an der Liegenschaft 395/7 die bestehende Fundamentmauer noch einmal aufgestockt. Der auf der Mauer befindliche Zaun wurde von anderen Rechtsnachfolgern erneuert.

[6] 2010 kaufte der Beklagte das Grundstück 395/5. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass die Reallast der Zaunerrichtung zugunsten des Grundstücks 395/1 vom Käufer übernommen wird.

[7] Als die Kläger 2016 Miteigentum an der Liegenschaft 395/7 verbunden mit Wohnungseigentum erwarben, befand sich zwischen den Grundstücken eine Fundamentmauer und darauf ein Holzzaun, dieser war witterungsbedingt alt und vermorscht. 2016 forderten die Kläger den Beklagten auf, den schadhaften Zaun in Stand zu setzen bzw zu erneuern, was der Beklagte verweigerte. Schließlich entfernten die Kläger selbst die schadhaften Zaunteile.

[8] Die Kläger begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, auf der im Anschluss an die Terrasse an der Grundgrenze verlaufenden Mauer auf einer Länge von ca 24 Meter einen im wesentlich gleich gearteten Zaun wie auf einem beiliegenden Foto (entsprechend dem früheren Zaun) zu errichten. Im Grundbuch sei im Lastenblatt der Liegenschaft des Beklagten die Reallast der Zaunerrichtung und Zaunerhaltung für das Grundstück 395/1 einverleibt. Dieses Grundstück sei geteilt worden, wodurch unter anderem das Grundstück 395/7 gebildet worden sei, das einzig noch an die Liegenschaft des Beklagten angrenze.

[9] Der Beklagte bestritt und brachte vor, die Reallast bestehe nicht zugunsten der Kläger. Die Klage könne auch nur durch die Miteigentümergemeinschaft eingebracht werden, weshalb die Kläger nicht aktiv legitimiert seien. Bei Einräumung der Reallast habe es sich um landwirtschaftlich genutzte Flächen gehandelt. Ein Zaun hätte errichtet werden sollen, damit keine Tiere auf das Grundstück 395/5 gelangen könnten. Da es sich nunmehr um bebaute Liegenschaften handle, sei der ursprüngliche Zweck der Reallast weggefallen. Die Forderung der Kläger stelle auch eine unzulässige Ausweitung der Reallast dar, da die Errichtung des Zauns auf einer Mauer begehrt werde. Durch die Mauererrichtung bestehe keine Notwendigkeit mehr, einen Zaun zu errichten. Da sich die Stützmauer am Grundstück des Beklagten und in seinem Eigentum befinde, könne diese entfernt werden und wäre lediglich ein Zaun zu errichten. Da seit mehr als 30 Jahren kein Zaun auf der Liegenschaft des Beklagten bestanden habe, sei der Anspruch verjährt.

[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte die Aktivlegitimation der Kläger. Jeder Miteigentümer könne eine Eigentumsfreiheitsklage gerichtet auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustands einbringen. Dass das Grundstück 395/1 geteilt worden sei, ändere nichts am Bestehen der Reallast zugunsten des an die Liegenschaft des Beklagten nach wie vor angrenzenden Grundstücksteils 395/7. Aus dem Vertrag ergebe sich die Einräumung der Reallast für immerwährende Zeit. Darin sei von einem „ortsüblichen“ Zaun die Rede. Auch wenn sich die zu erwartende Ausführung des Zaunes geändert habe, habe sich nicht der Zweck der Reallast geändert, nämlich die räumliche Abgrenzung der Flächen.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil in eine Klagsabweisung ab. Es bejahte ebenfalls die aktive Klagslegitimation. Der Vereinbarung der Reallast wohne der Zweck der Einschließung des Grundes und der Markierung des Grenzverlaufs inne. Der Beklagte habe daher auf dem Urgelände seines Grundstücks einen entsprechenden Zaun zu errichten. Dieser Verpflichtung könne er aber derzeit nicht nachkommen, weil sich an dieser Stelle eine Mauer befinde, die von den Rechtsvorgängern der Kläger auf fremden Grund errichtet worden sei. Damit sei der Beklagte derzeit nicht zur Errichtung eines Zaunes auf dieser Mauer zu verpflichten. Die Reallast beinhalte auch nicht die Errichtung einer Absturzsicherung. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen, ohne dass die Frage der Verjährung weiter zu prüfen sei.

[12] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob die Reallasterrichtung und Zaunerhaltung auch die Pflicht umfasse, auf einem Bauwerk, das bereits eine Einfriedung darstelle und das durch bauliche Veränderungen der Eigentümer des herrschenden Grundstücks entstanden sei, einen Zaun zu errichten.

[13] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14] Der Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

[16] 1. Das wesentliche Charakteristikum einer Reallast besteht darin, dass sie eine „dinglich wirkende“ Belastung des Grundstücks mit der Haftung für wiederkehrende, positive Leistungen des jeweiligen Eigentümers bewirken. Ein Reallast kann auch zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines oder mehrerer anderer Grundstücke bestehen (RS0116184). Der jeweilige Eigentümer der belasteten Liegenschaft ist dabei dem Reallastberechtigten persönlich, jedoch nur auf eine Dauer seines Eigentumsrechts, zur Erbringung der verbücherten Reallasten verpflichtet (RS0012185 [T3]). Die fehlende Eintragung im Grundbuch hindert die Begründung und den Bestand einer (außerbücherlichen) Reallast nicht (RS0116185).

[17] Aus dem Fehlen von Vorschriften über die Beschaffenheit jener Leistungen, welche den Inhalt einer Reallast bilden können, lässt sich nicht ableiten, dass Beschränkungen jedweden Inhalts als Reallast begründet werden können (RS0116184 [T4]). Die Rechtsprechung schließt die Begründung neuer Reallasten zwar nicht aus, fordert aber eine Bezugnahme auf historische Vorbilder (5 Ob 244/20y).

[18] Dass es sich im vorliegenden Fall entsprechend der vertraglichen Vereinbarung und der Eintragung im Grundbuch um eine zulässig als Reallast vereinbarte Verpflichtung handelt, ist nicht strittig.

[19] 2. Auf Reallasten sind für Servituten geltende Grundsätze zur Begründung, Übertragung, Endigung und Rechtsschutz generell anzuwenden (Koch in KBB5 § 530 Rz 2 mwN; vgl auch zur Verjährung RS0116186).

[20] Eine Servitutsberechtigung ist untrennbar mit dem Grundeigentum verbunden. Dieses kann allerdings auch Miteigentümern zustehen, die die Servitut dann als Gemeinschaft ausüben, weil eine Zerlegung der Berechtigung wegen der rechtlichen Unteilbarkeit der Grundservitut nicht möglich ist. Die Folgen der Teilung eines herrschenden Guts für Grunddienstbarkeiten sind in § 844 Satz 4 und 5 ABGB geregelt. Demnach stehen die Grunddienstbarkeiten den Eigentümern der Teile der geteilten herrschenden Liegenschaft zu. Bestanden aber Grunddienstbarkeiten schon ursprünglich nur zu Gunsten bestimmter Teile des herrschenden Guts, so erlöschen diese hinsichtlich anderer Teilstücke, die vom herrschenden Gut abgeschrieben werden (RS0013870, RS0013868, vgl auch RS0011665). Die Dienstbarkeit steht den Eigentümern der Teile des geteilten herrschenden Grundstücks auch dann zu, wenn keine bücherliche Übertragung stattgefunden hat (RS0013871). Dabei darf bei Teilung des herrschenden Guts die Last des dienenden nicht erweitert oder beschwerlicher gemacht werden (RS0011660).

[21] Im vorliegenden Fall ist die Reallast der Errichtung und Erhaltung eines Zaunes vereinbart worden, die als solche ebenfalls den Miteigentümern des herrschenden Grundstücks  395/1 als Gesamtgläubiger zustand. Richtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass durch die Teilung der herrschenden Liegenschaft die Reallast aufgrund ihres Inhalts, der das Bestehen einer Grenze zwischen dem herrschenden und dem dienenden Grundstück voraussetzt, unabhängig von der bücherlichen Eintragung jedenfalls zugunsten des Grundstücks 395/7 weiter besteht. Dieses ist nach der Teilung der einzige Grundstücksteil, der an das Grundstück des Beklagten angrenzt. Auf das Erlöschen der Reallast hinsichtlich anderer, nicht mehr angrenzender Liegenschaftsteile, muss hier nicht weiter eingegangen werden.

[22] 3. Die Feststellung des Bestehens einer Grunddienstbarkeit/Reallast kann nur einheitlich von allen Miteigentümern (des herrschenden Grundstücks) und gegen alle Miteigentümer (des dienenden Grundstücks) gemeinsam verlangt werden. Die Miteigentümer bilden eine einheitliche Streitpartei, sodass die Klage nur eines von mehreren Miteigentümern mangels Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand abzuweisen wäre. Dies gilt auch bei der Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Grunddienstbarkeit (RS0101793). Allerdings ist jeder Miteigentümer alleine berechtigt, Eingriffe in sein Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren. Jedem Teilhaber einer Gemeinschaft steht das Recht zu, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilrechts bedarf (RS0013417).

[23] Daraus folgt, dass etwa die Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB grundsätzlich gegen sämtliche Miteigentümer einer Liegenschaft gerichtet sein muss. In der Regel bezieht sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses notwendigerweise auf sämtliche Miteigentümer. Nicht nur bei Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit, sondern auch bei der auf das Nichtbestehen einer behaupteten Dienstbarkeit gestützten Klage auf Wiederherstellung und Unterlassung ist nämlich regelmäßig die Gefahr unlösbarer Verwicklungen bei isolierten Entscheidungen gegeben. Gegen einen einzelnen der Miteigentümer kann hingegen – und nur ausnahmsweise – dann mit schlichter Unterlassungsklage vorgegangen werden, wenn nur dessen Störung und nicht ein allen Miteigentümern gemeinsam zustehendes vermeintliches Recht Gegenstand des Verfahrens ist (vgl 6 Ob 188/15p mwN).

[24] 4. Da bei Reallasten wie ausgeführt anders als bei Dienstbarkeiten eine Leistung des Eigentümers des dienenden Grundstücks Inhalt der Verpflichtung ist, kommen für den Berechtigten nicht nur Klagen auf Unterlassung und Wiederherstellung, sondern auch auf Erfüllung der Leistungsverpflichtung in Betracht. Die Reallastverpflichtung bewirkt sowohl eine Sachhaftung des Eigentümers mit dem belasteten Grundstück als auch – dadurch unterscheidet sie sich von den Dienstbarkeiten – eine persönliche Haftung des jeweiligen Eigentümers für die während der Zeit, in der er Eigentümer ist und war, angefallenen Leistungen. In Fällen, in denen die Sachhaftung strittig ist, bilden die Miteigentümer einer Liegenschaft eine notwendige Streitgenossenschaft. Ist der Bestand der Reallast Gegenstand des Verfahrens, würde die Nichtbefassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklung mit sich bringen (vgl 7 Ob 517/92). Eine solche Gefahr wurde dagegen für die Fälle, in denen nicht das Recht strittig war, sondern nur die jeweiligen Einzelleistungen geltend gemacht wurden, verneint (vgl 7 Ob 1/01z).

[25] 5. Im vorliegenden Fall sind die Kläger als Wohnungseigentümer Miteigentümer der herrschenden Liegenschaft. Gegenstand des Verfahrens ist die Erfüllung der sich aus der von den Klägern behaupteten Reallast ergebenden Verpflichtung, der Errichtung und Erhaltung eines Zaunes an der Liegenschaftsgrenze. Strittig ist dabei zunächst das Bestehen des Rechts selbst, nicht nur der Umfang der sich daraus ergebenden Leistungspflicht. Dazu kommt aber auch, dass es sich, bejaht man die Reallast als solches, um die Verpflichtung zu einer unteilbaren, die herrschende Liegenschaft insgesamt betreffenden Leistung handelt.

[26] Auch wenn das Bestehen der Reallast damit nur notwendige Vorfrage des Leistungsbegehrens ist, kann dieser Fall nicht anders beurteilt werden als der einer auf das Nichtbestehen einer Dienstbarkeit gestützten Klage auf Wiederherstellung und Unterlassung. Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Rechtsansicht zitierte Entscheidung 2 Ob 349/53 (RS0015863) ist insoweit nicht einschlägig, weil es im dortigen Fall um Instandsetzungsarbeiten zur Abwendung von Schäden aufgrund eines schadhaften Zaunes ging.

[27] Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die – unteilbare – Verpflichtung des Beklagten auf Schaffung einer Abgrenzung zwischen seiner Liegenschaft und der, deren Miteigentümer die Kläger sind. Damit ist aber auch ein allen Miteigentümern gemeinsam zustehendes Recht zu beurteilen, dass dementsprechend auch nur von allen Miteigentümern gemeinsam geltend gemacht werden kann.

[28] Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind daher die Kläger allein nicht aktiv legitimiert. Die Klageist daher schon aus diesem Grund abzuweisen. Auf die vom Berufungsgericht angesprochenen Fragen muss daher nicht weiter eingegangen werden.

[29] Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.

[30] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte