European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00239.20P.0318.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Mit Vertrag vom 2. 3. 2016 nahm der Beklagte bei der Klägerin einen Kredit über 28.793,33 EUR in Anspruch. Davon dienten 26.293,33 EUR der Tilgung eines von ihm am 12. 6. 2015 gemeinsam mit seiner Frau beim klagenden Kreditinstitut aufgenommenen Kredits, der wiederum großteils zur Abdeckung bestehender Verbindlichkeiten gedient hatte; 2.500 EUR wurden auf sein Girokonto bei einem anderen Kreditinstitut überwiesen. Dass der Beklagte vor Juli 2015 geschäftsunfähig war, konnte nicht festgestellt werden. Bei Abschluss des Kreditvertrags vom 2. 3. 2016 war er nicht mehr geschäftsfähig. Der Beklagtenvertreter ist seit 11. 7. 2017 sein Erwachsenenverteter. Mit Schreiben vom 18. 12. 2017 kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis und forderte den Beklagten auf, den Kreditsaldo von 25.497,07 EUR abzudecken.
[2] Die Klägerin begehrte 27.877,26 EUR sA (darin enthalten 2.380,19 EUR an Bearbeitungsgebühren und Spesen). Der Beklagte habe die offene Forderung trotz qualifizierter Mahnung nicht beglichen, sodass Terminsverlust eingetreten sei. Der aufgrund des Vertrags vom 2. 3. 2016 zugezählte Kreditbetrag habe der Ablösung früherer Kreditverbindlichkeiten des Beklagten und der teilweisen Abdeckung seines Girokontos gedient, sodass er bereichert und unabhängig von einer allfälligen Geschäftsunfähigkeit zur Zahlung verpflichtet sei.
[3] Der Beklagte wendete ein, mangels Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags sei das Rechtsgeschäft absolut nichtig, weswegen der Klägerin keine Forderung zustehe. Durch die Zuzählung des Kreditbetrags sei er nicht bereichert; damit seien weder fällige Schulden getilgt worden noch sei eine nachhaltige Verbesserung seiner Vermögenssituation eingetreten.
[4] Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 25.497,07 EUR und wies das Mehrbegehren ab. Zwar sei das Rechtsgeschäft vom 2. 3. 2016 wegen der Geschäftsunfähigkeit des Beklagten absolut nichtig. Soweit die Kreditsumme aber dazu gedient habe, bestehende Verbindlichkeiten zu begleichen, sei er bereichert. Mit dem auf sein Girokonto überwiesenen Betrag von 2.500 EUR seien Ausgaben des täglichen Lebens bestritten worden, sodass der Klägerin ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auch in diesem Umfang zustehe.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Soweit der Beklagte die Ansicht vertrete, dass mit der Ablöse des Kredits vom 12. 6. 2015 durch den weiteren Kredit vom 2. 3. 2016 keine „fällige“ Schuld bezahlt worden sei, lasse er außer Acht, dass durch den Abschluss des späteren Kreditvertrags und die dabei vereinbarte Abdeckung des Vorkredits in rechtlicher Sicht die Geschäftsverbindung mit der Klägerin insoweit beendet worden sei, was die sofortige Fälligkeit des sich bei der Verrechnung ergebenden Saldos zur Folge gehabt habe.
[6] Die Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag des Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO für zulässig, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Höchstgericht die Frage, ob es sich bei der Ablöse des Vorkredits um eine „fällige Schuld iSd § 1424 Abs 2 ABGB“ gehandelt habe, anders rechtlich beurteile.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[8] 1.1 Nach § 865 ABGB, der hier noch in der Fassung vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl I Nr 59/2017 (2. ErwSchG) anzuwenden ist (§ 1503 Abs 9 ABGB), kann ein Geschäftsunfähiger weder ein Versprechen machen noch es annehmen. Ein von einem Geschäftsunfähigen abgeschlossener Vertrag ist ohne Rücksicht auf seinen Inhalt absolut nichtig und nicht genehmigungsfähig (RIS‑Justiz RS0014653, RS0014652). Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Beklagte bei Abschluss des Kreditvertrags vom 2. 3. 2016 nicht geschäftsfähig war. Das zieht die absolute Nichtigkeit dieses Rechtsgeschäfts nach sich.
[9] 1.2 Die Rückabwicklung eines wegen Geschäftsunfähigkeit eines Vertragsteils nichtigen Vertrags erfolgt nach § 877 ABGB (vgl RS0108234 [T1]). Diese Bestimmung verweist auf das allgemeine Bereicherungsrecht (RS0016328). Wird – wie im vorliegenden Fall – die Bereicherung des Geschäftsunfähigen aufgrund eines mit ihm abgeschlossenen, aber ungültigen Geschäfts geltend gemacht, wendet die Rechtsprechung die Bestimmung des § 1424 ABGB analog an (siehe nur RS0048088). Der Geschäftsunfähige hat das Geld, das er aufgrund des ungültigen Rechtsgeschäfts erhalten hat, nur insoweit zurückzustellen, als es bei ihm noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden ist (RS0014647).
[10] 2.1 Der Beklagte wendet sich nicht gegen diese Grundsätze, meint – zusammengefasst – aber, aus dem nichtigen Vertragsabschluss vom 2. 3. 2016 könnten keine Rechtswirkungen abgeleitet werden, sodass auch keine (wirksame) Vereinbarung über die Abdeckung des bestehenden (Anm: rechtsgültig eingegangenen) Vorkredits vorliege und dessen Fälligkeit nicht eintreten habe können. Daraus leitet er erkennbar ab, dass ihm die aufgrund des nichtigen Vertrags vom 2. 3. 2016 ausbezahlte Kreditvaluta nicht zum Vorteil gereichte. Dazu bezieht er sich auf die Entscheidung zu 5 Ob 22/02z.
[11] 2.2 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 22/02z zur Bereicherung des Geschäftsunfähigen ausgesprochen hat, dieser habe sich als Nutzen das anrechnen zu lassen, was seine Vermögenssituation nachhaltig verbesserte, indem er Anschaffungen von bleibendem Wert tätigte, richtige und fällige Schulden tilgte oder sich einen Aufwand ersparte, der ihm unter seinen Lebensumständen auch sonst erwachsen wäre. Das Erfordernis, dass richtige und fällige Schulden getilgt werden müssen, leitete der 5. Senat aus § 1421 ABGB ab. In der Folge wurde diese Aussage in weiteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs übernommen (siehe nur RS0116400). In anderen Entscheidungen wird dazu auf das wirksame Zustandekommen der getilgten Schulden Bezug genommen (etwa 7 Ob 207/02w; 6 Ob 56/14z; vgl auch 1 Ob 598/87 = SZ 60/119).
[12] 2.3 Nach § 1421 ABGB kann auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu verwalten, eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig abtragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie aber eine noch ungewisse oder nicht verfallene Schuld abgetragen, so ist ihr gesetzlicher Vertreter berechtigt, das Geleistete zurückzufordern. Besteht daher im Zeitpunkt der Zahlung durch den nicht Geschäftsfähigen zwar eine Schuld, die aber noch nicht fällig ist, kommt ihm die Leistungskondition zu (vgl Beclin in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [ Klang] § 1421 ABGB Rz 11). Die Rückforderung ist aber nur so lange möglich, bis die Fälligkeit der Schuld eintritt (Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1421 Rz 4 [Stand 1. 7. 2018, rdb.at]; Rummel in Rummel, ABGB3 § 1434 Rz 6; W. Faber in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1421 Rz 2; vgl auch Gschnitzer in Klang² VI 395, der die Rechtfertigung einer möglichen Rückforderung in einem solchen Fall im Zinsverlust durch die vorzeitige Zahlung sieht).
[13] 3.1 Wird die Bereicherung eines Geschäftsunfähigen aufgrund eines mit ihm abgeschlossenen, aber ungültigen Geschäfts geltend gemacht, hat der Gläubiger den Eintritt der Bereicherung, der Geschäftsunfähige aber zu beweisen, dass diese weggefallen ist, weil das Gut nicht mehr in seinen Händen ist oder nicht zu seinem Vorteil verwendet wurde (RS0048088). Die Frage, ob ein Nutzen für den Geschäftsunfähigen vorliegt, kann nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (vgl 4 Ob 75/18k) und ist damit regelmäßig nicht von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO.
[14] 3.2 Wollte man mit dem Revisionswerber davon ausgehen, dass durch die Abdeckung des Vorkredits mit der Kreditvaluta aus dem nichtigen Vertrag vom 2. 3. 2016 entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts seine Geschäftsverbindung mit der Klägerin aus diesem Rechtsverhältnis nicht beendet worden und insoweit auch nicht die sofortige Fälligkeit der Forderung aus dem wirksam begründeten Kreditverhältnis eingetreten ist, stünde ihm als Leistenden allenfalls ein Kondiktionsanspruch im Sinn des § 1421 ABGB zu, dem die Klägerin jedenfalls die Fälligkeit der zwischenzeitig angefallenen Raten aus dem gültigen Kreditgeschäft entgegenhalten könnte, sodass ein Rückforderungsanspruch insoweit ins Leere gehen müsste. Dass aus diesem Rechtsverhältnis bis zu dem für die Beurteilung, ob ein Vorteil des Beklagten gegeben ist, maßgeblichen Zeitpunkt gemäß § 406 ZPO Raten nicht fällig geworden wären, die der Höhe nach die zur Abdeckung dieser Kreditschuld verwendete Valuta aus dem unwirksamen Vertrag vom 2. 3. 2016 erreicht hätten, behauptet der Beklagte nicht und kann auch aus dem unstrittigen Urkundeninhalt nicht abgeleitet werden. Damit muss aber in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass die Abdeckung der älteren Kreditverbindlichkeit zu seinem Vorteil war, weil sonst Raten aus dieser Verbindlichkeit angefallen wären, die der Höhe nach den nunmehr strittigen Kapitalsbetrag erreicht hätten. Als Nutzen im Sinn des § 1424 ABGB muss sich der Beklagte aber alles anrechnen lassen, was seine Vermögenssituation nachhaltig verbessert (W. Faber aaO § 1424 ABGB Rz 4). Das ist ungeachtet des Verweises auf seine allgemeine finanzielle Situation und losgelöst von der Fälligkeit des Vorkredits bei Zuzählung der Valuta aus dem nichtigen Kreditverhältnis, auch dann der Fall, wenn sich der Beklagte einen Aufwand erspart hat, den er sonst tätigen hätte müssen (vgl nur RS0116400), wie hier den älteren (wirksam eingegangenen) Kredit abzutragen. Einen Zinsenverlust durch die vorzeitige Tilgung behauptet der Beklagte nicht; er ist auch nicht zu erkennen. Dass die Vorinstanzen den Bereicherungsanspruch der Klägerin bei dieser Sachlage bejahten, entspricht damit den vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen. Auf den Betrag von 2.500 EUR, der direkt auf sein Girokonto ausbezahlt worden ist, kommt der Beklagte nicht mehr zurück.
[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[16] 5. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel des Beklagten nicht zulässig ist. Ihr Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, sodass sie Anspruch auf Ersatz der darauf entfallenden Kosten hat. Nach § 23 RATG steht aber nur der einfache Einheitssatz zu.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)