European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00075.18K.0611.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.094,52 EUR (darin 182,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Rechtsvorgänger der Beklagten (ihr während des erstinstanzlichen Verfahrens, mehr als zwei Jahre nach der Behandlung verstorbener Ehemann, in der Folge: „Patient“) wurde vom Kläger, einem – von einer den Patienten seit Jahren behandelnden Zahnärztin hinzugezogenen – Spezialisten für Zahnimplantate, zahnärztlich behandelt. Aufgrund einer akuten bipolar affektiven Krankheitsepisode war der Patient beim letzten von zwei Beratungsgesprächen, bei Übergabe des Heilkostenplans und zum Zeitpunkt der Behandlung durchgehend nicht geschäftsfähig; ein Behandlungsvertrag ist deshalb nicht zustande gekommen.
Die dem Patienten vom Kläger lege artis (um ihrer Qualität angemessene und ortsübliche jeweils 1.100 EUR, insgesamt 8.800 EUR) eingegliederten acht Implantate bedeuteten für den Patienten insofern einen Vorteil, als sie einen weiteren Knochenschwund verhinderten und für eine – vom Patienten später anderweitig angeschaffte, jedoch nicht implantatgetragene – Prothese eine Abstützung bildeten.
Der Kläger begehrte das nach einer Anzahlung des Patienten von 2.200 EUR offen gebliebene Behandlungshonorar von restlichen 6.600 EUR aus dem im Revisionsverfahren einzig noch relevanten Titel der Bereicherung.
Die Beklagte wandte ein, die Behandlung sei für den Patienten nicht nachhaltig nützlich gewesen. Er habe aufgrund nicht fachgerechter Behandlung Schmerzen erlitten, für die ein Schmerzengeld von 5.000 EUR zustehe; die Anzahlung von 2.200 EUR sei nutzlos gewesen.
Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als zu Recht und die Gegenforderungen von 7.200 EUR als nicht zu Recht bestehend und gab der Klage statt. Dem Kläger gebühre Wertersatz in Geld für seine Leistungen, durch die der Patient bereichert worden sei; dessen Tod sei schicksalhaft und führe nicht zum Wegfall des ihm entstandenen nachhaltigen Nutzens in Höhe des ortsüblichen und angemessenen Lohns.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts.
Die Revision der Beklagten dagegenist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig; die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
1. Die Frage, ob fehlende Geschäftsfähigkeit des Bereicherten einem Bereicherungsanspruch entgegensteht, ist in der Rechtsprechung bereits geklärt:
1.1. Ein Geschäftsunfähiger hat sich als Nutzen das anrechnen zu lassen, was seine Vermögenssituation nachhaltig verbesserte, indem er Anschaffungen von bleibendem Wert tätigte, richtige und fällige Schulden tilgte oder sich einen Aufwand ersparte, der ihm unter seinen Lebensumständen auch sonst erwachsen wäre; im Zweifel kann Maß an einer vernünftigen Lebensgebarung genommen werden, wie also ein voll Geschäftsfähiger in einer vergleichbaren Situation disponiert hätte (RIS‑Justiz RS0116400).
1.2. Schließt etwa ein Pflegender mit einer geschäftsunfähigen Person einen (nichtigen) Vertrag über Pflegeleistungen, so erfolgt die Rückabwicklung nach § 877 iVm § 1424 ABGB. Der Geschäftsunfähige hat, was er aufgrund des ungültigen Rechtsgeschäfts erhalten hat, nur insoweit zurückzustellen, als es bei ihm noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden ist (RIS‑Justiz RS0014647). Auch der Fall einer zweckverfehlenden Leistung wird wegen der identischen Interessenlage aller Beteiligten nicht anders behandelt (2 Ob 2/16g mwN). Es ist daher entscheidend, ob die Leistungen des Klägers tatsächlich zu einer Bereicherung des Geschäftsunfähigen geführt haben, was schon dann der Fall ist, wenn dieser hierfür kein oder nur ein im Vergleich zu den marktüblichen Sätzen geringeres Entgelt aufwenden musste und die hierfür ersparten Auslagen seinen finanziellen Reservefonds erhöhten. Demgemäß steht ein Ersatz nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten in der Höhe zu, wie solche Dienstleistungen zur Zeit und am Ort ihrer Erbringung zu entgelten gewesen wären (vgl 2 Ob 502/91).
2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach im vorliegenden Einzelfall ein Nutzen des geschäftsunfähigen Patienten vorliegt, der nach dem angemessenen Zahnarzthonorar zu bewerten ist, das sich der – Jahre später unstrittig schicksalhaft und aus zuvor nicht abzusehenden Gründen verstorbene – Patient erspart hatte, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Rechtliche Feststellungsmängel zur Frage des Nutzens beim Patienten liegen nicht vor.
3.1. Soweit die Revision im Zusammenhang mit der Gegenforderung an der Behauptung festhält, es habe keine Aufklärung über die Behandlung und ihre Kosten stattgefunden, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach in der Ordination der behandelnden Zahnärztin zwei Beratungsgespräche zwischen ihr, dem Kläger und dem Patienten stattfanden, bei denen das Einsetzen von Implantaten und mögliche Behandlungsalternativen sowie die ungefähren Kosten der auf die Implantate aufbauenden, weiteren prothetischen Versorgung erörtert wurden. Auf die erstinstanzliche Behauptung deliktischen Verhaltens, der Kläger habe die Erkrankung des Patienten erkannt und ausgenützt, ist die Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurückgekommen; dieser selbständige Einwand ist daher nicht mehr zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043338 [T4, T13, T15, T27]; RS0043352 [T23, T31, T33, T35]).
3.2. Kann sich ein Anspruch nicht auf mangelnde Einwilligung wegen unzureichender Aufklärung stützen, dann wird mit der Behauptung unzureichender Dokumentation einer solchen Aufklärung keine entscheidungswesentliche Rechtsfrage angesprochen (vgl RIS‑Justiz RS0108525 [T5]).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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