European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00035.20Z.0226.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die beklagte Bank und der klagende Kreditnehmer vereinbarten am 12./28. 4. 2005 die Aufstockung eines bestehenden Wohnbaufinanzierungskredits, der durch ein Pfandrecht an einer Liegenschaft sichergestellt war. Die Vereinbarung sah Sollzinsen in einer bestimmt angegebenen Höhe sowie eine Zinsgleitklausel sowie Überziehungsprovisionen zusätzlich zum jeweiligen Zinssatz vor. Er enthält weiters folgende Regelung:
„Laufzeit/Rückzahlung:
Der Kredit […] ist in monatlichen Pauschalraten in Höhe von je EUR 892,82, beginnend am 1. 5. 2005 zurückzuzahlen.
Unabhängig von diesem Rückzahlungsmodus ist bis spätestens 1. 5. 2029 für eine Gesamtabdeckung zu sorgen.
[…] Wir werden die oben angeführten Raten zuerst auf den ursprünglichen Kreditteil anrechnen.“
[2] Dem Kläger war bewusst, dass er zur Ratenzahlung verpflichtet war. Sein Konto war ab dem Jahr 2012 ständig überzogen. Die Beklagte stellte daher im Juli 2014 – mittels qualifizierter Mahnung unter Setzung einer Nachfrist – den Kredit fällig. Der Kläger teilte der Beklagten mit E‑Mail vom 22. 8. 2014 mit, er werde den Kredit ab Oktober wieder ordnungsgemäß bedienen und bis Jahresende den Rückstand ausgleichen.
[3] Mit E‑Mail vom 11. 9. 2014 antwortete die Beklagte darauf: „Aufgrund der Fälligstellung unserer Forderung ist eine neue Regelung zu treffen, widrigenfalls sehen wir uns gezwungen, rechtliche Schritte gegen Sie in die Wege zu leiten.
Als Termin merke ich mir den 31. 10. 2014 vor.“
[4] Mit E‑Mail vom 3. 11. 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er per Ende November und Dezember 2014 mindestens 2.000 EUR sowie ab Jänner 2015 mindestens 1.000 EUR monatlich zahlen werde.
[5] Die Beklagte antwortete darauf mit E‑Mail vom 11. 11. 2014: „Wir erklären uns mit monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von EUR 1.000 zahlbar ab 20. 1. 2015 einverstanden. Diese Vereinbarung ist jedoch befristet bis 30. 6. 2015. Ab Juli 2015 ist eine neue Zahlungsvereinbarung mit einer angemessenen monatlichen Rate zu treffen, widrigenfalls wir uns gezwungen sehen, rechtliche Schritte gegen Sie in die Wege zu leiten. [...]“
[6] Am 21. 9. 2015 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an den Kläger:
„Diese Vereinbarung ist am 30. 6. 2015 abgelaufen, und es wäre ab Juli 2015 eine neue Zahlungsvereinbarung mit einer angemessenen monatlichen Rate zu treffen gewesen. […]
Wir fordern Sie hiermit auf, uns einen neuen Regelungsvorschlag bis spätestens 8. Oktober 2015 zu unterbreiten […].“
[7] Der Beklagte teilte in der Folge mit, dass er die von der Beklagten gewünschte höhere Rate von 2.500 EUR nicht leisten könne und er weiterhin 1.000 EUR zahlen werde, bis eine Umschuldung auf ein anderes Kreditinstitut erfolgt sei.
[8] Am 22. 11. 2016 ließ sich der Kläger in einer Filiale der Beklagten eine „Kontoübersicht“ ausstellen, die einen „vorläufigen Saldo“ von 124.779,80 EUR aufwies. Darin waren keine Zinsen, Mahngebühren oder Ähnliches enthalten, was die Bankmitarbeiterin dem Kläger auch mitteilte.
[9] Anfang 2017 nahm der Kläger eine Umschuldung des Kredits auf ein anderes Kreditinstitut vor, im Zuge derer auch die Hypothek übertragen wurde. Dabei kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des aushaftenden Betrags, weil der Kläger der Ansicht war, dass der aushaftende Saldo laut Kontoübersicht vom 22. 11. 2016 124.779,80 EUR betrage, wohingegen die Beklagte einen Saldo von 147.566,59 EUR (darin Sollzinsen von 5.127,37 EUR für den Zeitraum von 1. 7. 2014 bis 27. 2. 2017 und 17.461,43 EUR an Überziehungsprovision) zuzüglich Kosten für die Löschungserklärung errechnete. Der Kläger zahlte den Gesamtbetrag unter Vorbehalt der Rückforderung von 17.461,43 EUR.
[10] Der Kläger begehrte zunächst die Zahlung von 17.461,73 EUR samt Zinsen mit dem Vorbringen, die Beklagte habe vereinbarungswidrig Zinsen und Überziehungsprovisionen in Höhe der Klageforderung abgerechnet, weil zwischen den Parteien ein am 1. 5. 2029 endfälliger Kredit vereinbart worden sei; die Ratenzahlung sei lediglich optional gewesen. Die Beklagte hätte den Kredit daher nicht fällig stellen und keine Überziehungszinsen berechnen dürfen.
[11] Hilfsweise werde die Klageforderung darauf gestützt, dass die Zinsberechnung wegen unrichtiger Anwendung der Zinsgleitklausel falsch erfolgt sei. Gestützt auf dieses Argument dehnte der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung am 17. 1. 2018 das Klagebegehren um 4.395,72 EUR aus.
[12] Erst mit Schriftsatz vom 7. 10. 2019 brachte er für den Fall, dass das Gericht nicht von einem endfälligen Kredit ausgehe, vor, die Vertragsparteien hätten im November 2014 eine unter § 11 VKrG fallende neue Regelung der Kreditbeziehungen getroffen. Es liege eine Novation vor. Die (nicht näher konkretisierte) „Erhöhung des Sollzinssatzes“ sei wegen Verletzung der Informationspflichten des § 11 VKrG unwirksam. Soweit die Beklagte „überhöhte Zinsen“ verrechne, habe sie gegen § 6 Abs 1 Z 1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 12, 13 und 15 VKrG verstoßen, weil sie den Kläger zum Zeitpunkt der Vertragsänderung und in der Folge nicht über die Höhe des Gesamtbetrags, der Zinsen und des Sollzinssatzes sowie allfällige Vertragsstrafen, sonstige Entgelte oder Verzugszinsen unter Darlegung eines Tilgungsplans informiert und über das Rücktrittsrecht belehrt habe. Aufgrund dieses Verstoßes (gemeint: weil aufgrund dieses Verstoßes die Frist für den Vertragsrücktritt ohne Angabe von Gründen nach § 12 Abs 1 VKrG noch offen sei) trete er gemäß § 12 VKrG „vom Kreditvertrag mit den überhöhten Zinsen“ zurück. Die Beklagte habe den Kläger durch die Verletzung ihrer Informationspflichten in die Irre geführt; er hätte in Kenntnis der Zinshöhe bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Umschuldung vorgenommen.
[13] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und brachte vor, es sei ein Abzahlungskredit mit zusätzlicher Laufzeitbefristung vereinbart worden. Die Beklagte habe den Kredit wegen Zahlungsverzugs des Klägers im Juli 2014 wirksam fällig gestellt.
[14] Da sich der Kläger im Verzug befunden habe, sei sie auch berechtigt gewesen, neben den Sollzinsen Überziehungszinsen zu verlangen. Die Verpflichtung zur Zahlung solcher „Überziehungsprovisionen“ sei vertraglich vereinbart worden; zur konkreten Berechnung wurde eine Abrechnung vorgelegt und detailliertes Vorbringen erstattet.
[15] Die Parteien hätten im Herbst 2014 keinen neuen Kreditvertrag vereinbart. Vielmehr sei der bisherige Kredit fällig gestellt und dem Kläger lediglich angeboten worden, von der sofortigen gerichtlichen Geltendmachung abzusehen. § 11 VKrG sei auf aufgekündigte Kreditverhältnisse nicht anwendbar; § 12 Abs 1 bis 5 VKrG gelte nach § 12 Abs 6 VKrG nicht für hypothekarisch besicherte Kredite.
[16] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[17] Es führte aus, das Beweisverfahren habe ergeben, dass die Zinsgleitklausel richtig angewendet und die Zinsen richtig berechnet worden seien, sodass keine Ansprüche wegen unrichtig berechneter Zinsen bestünden.
[18] Es bestehe auch kein Anspruch auf Rückzahlung von Überziehungsprovisionen, weil kein klassischer endfälliger Kredit vereinbart worden sei, sich der Kläger in Verzug befunden habe und er die Berechtigung der Kreditkündigung gar nicht mehr in Frage gestellt habe. Einen Fehler bei der Berechnung der Überziehungsprovisionen habe er nie konkret dargestellt.
[19] Es sei nicht ersichtlich, dass es im November 2014 zu einer Novation, einer Zurücknahme der Fälligkeit oder einer Abänderung der Konditionen des Kredits gekommen sei. Der Kläger könne daher weder von einem neuen Kreditvertrag zurücktreten noch könne die Beklagte gegen die Verpflichtungen des VKrG verstoßen haben. Mangels eines neuen Kreditvertrags sei auch keine Vertragsanfechtung wegen eines Geschäftsirrtums möglich.
[20] Das Berufungsgerichtgab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision zu, weil zur Anwendbarkeit des VKrG und des HIKrG auf vor dem 21. 3. 2016 verwirklichte Sachverhalte keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[21] Rechtlich legte es den Kreditvertrag dahin aus, dass monatliche Pauschalraten zu leisten seien, wobei der Kredit, sofern die Ratenzahlungen nicht zu einer gänzlichen Abdeckung bis 1. 5. 2029 geführt hätten, jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt zurückzuzahlen sei.
[22] Aus den Ausführungen zum VKrG sei für den Kläger nichts zu gewinnen. Die Tatsachenrüge zur Vereinbarung eines bloßen Betreibungsstopps im Jahr 2014 müsse nicht erledigt werden. Die Gewährung eines Zahlungsaufschubs könne zwar nach § 25 VKrG und § 26 HIKrG wie ein Kreditvertrag zu behandeln sein. Ob es sich um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handle, der Aufklärungs- und Informationspflichten auslöse, könne aber dahin stehen, weil beide Gesetze aufgrund des Übergangsrechts nicht anzuwenden seien. Das HIKrG sei nur auf nach dem 20. 3. 2016 geschlossene Kreditverträge oder gewährte Kreditierungen anzuwenden.
[23] Kreditverträge, die durch ein Pfandrecht besichert seien – ein solcher liege hier vor –, seien vom Anwendungsbereich des VKrG ausgenommen worden, wobei die Ausnahmebestimmung am 21. 3. 2016 in Kraft getreten sei. Eine Vereinbarung des Jahres 2014 sei daher auch vom VKrG nicht erfasst.
[24] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Abänderung im klagestattgebenden Sinn anstrebt; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[25] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
[26] Der Revisionswerber macht zusammengefasst geltend, die Parteien hätten im Jahr 2014 einen Neuerungsvertrag vereinbart. Das VKrG komme zur Anwendung; der Kläger sei nach § 12 VKrG vom Vertrag zurückgetreten.
[27] Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht den zeitlichen Anwendungsbereich des VKrG verkannt hat. Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[28] 1. Ein Neuerungsvertrag im Sinne der §§ 1376 ff ABGB kommt zustande, wenn nach dem Willen der vertragschließenden Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands durch ein neues ersetzt wird, in dem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen (RIS‑Justiz RS0032502). Der Novationswille, der nicht vermutet wird, muss dahin gehen, dass auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll (RS0032502 [T10]). Hingegen begründet die Vereinbarung oder Änderung von Nebenbestimmungen, die das ursprüngliche Schuldverhältnis mit bestimmten Änderungen fortbestehen lässt, eine bloße Schuldänderung nach § 1379 ABGB, bei der das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht durch ein neues ersetzt wird (RS0032502 [T5]). Die Rechtsprechung beurteilte die Änderung der Verzinsungshöhe und Zahlungsfrist (RS0032332; 1 Ob 318/71 JBl 1972, 370), die Änderung der Rückzahlungsmodalitäten durch Umwandlung eines Kontokorrent- in einen Abstattungskredit (RS0032332 [T1] = 1 Ob 538/93 ÖBA 1994, 236), die Vereinbarung einer Ratenzahlung (RS0032332 [T2] = 8 Ob 337/99p) oder die Konvertierung eines Kredits in eine andere Währung (RS0032332 [T5] = 5 Ob 9/13d; 8 Ob 31/05z) jeweils nicht als Novation.
[29] Der Revisionswerber leitet den Abschluss eines Neuerungsvertrags aus dem Schriftwechsel der Parteien 2014 und 2015 (E‑Mail der Beklagten vom 11. 9. 2014; E‑Mail des Klägers vom 3. 11. 2014 und der Beklagten vom 11. 11. 2014 sowie Schreiben der Beklagten vom 21. 9. 2015) ab.
[30] Die Vertragsauslegung nach §§ 914 f ABGB führt allerdings nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis.
[31] Wie bereits die Vorinstanzen ausführten, kann der Abschluss eines Neuerungsvertrags aus den Schreiben der Beklagten nicht abgeleitet werden. Ein redlicher, verständiger Kreditnehmer (vgl RS0113932 [T1]; vgl RS0014160) in der Lage des Klägers konnte die geführte Korrespondenz vielmehr eindeutig nur dahin auffassen, dass sich die Beklagte stets auf die von ihr erklärte Fälligstellung und ihre daraus resultierende Möglichkeit, den gesamten aushaftenden Betrag sofort gerichtlich einzubringen, bezog. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte das Rechtsverhältnis eindeutig nicht vom bestehenden Vertrag lösen wollte. Die Formulierung, es sei aufgrund der Fälligstellung „eine neue Regelung zu treffen“, konnte vor diesem Hintergrund nur dahin aufgefasst werden, dass die Beklagte grundsätzlich zu einer Vereinbarung über die Rückzahlungsmodalitäten im Sinn einer reinen Stundung bereit war.
[32] Eine derartige Vereinbarung kam in der Folge befristet zustande, indem der Kläger der Beklagten die Zahlung von mindestens 1.000 EUR ab Jänner 2015 anbot und die Beklagte antwortete (E‑Mail vom 11. 11. 2014), mit einer monatlichen Ratenzahlung von 1.000 EUR von 20. 1. 2015 bis 30. 6. 2015 einverstanden zu sein.
[33] Mit dem Schreiben vom 21. 9. 2015 wies die Beklagte auf den Ablauf der Rückzahlungsvereinbarung hin; der Abschluss einer weiteren Vereinbarung ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht.
[34] Allein, dass hier jeweils von einer „neuen Vereinbarung“ die Rede ist, lässt nicht den Schluss zu, dass die Parteien einen Rückgriff auf den ursprünglichen Kreditvertrag ausschließen wollten. Darauf, ob dem Kläger tatsächlich klar war, dass die Ratenvereinbarung nur eine vorübergehende Lösung war und der ursprüngliche Kreditvertrag seine Gültigkeit behielt, kommt es nicht an, weil die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RS0014205; vgl auch RS0014160). Dass das Berufungsgericht die Beweisrüge in diesem Punkt nicht erledigte, schadet daher nicht. Eine unrichtige Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen wird in der Revision ebenfalls nicht aufgezeigt.
[35] 2. Dieses Ergebnis reicht allein allerdings nicht aus, um die Anwendbarkeit des VKrG zu verneinen. Klarzustellen ist aber, dass die Vereinbarung, die dem VKrG – nach dem Vorbringen des Klägers – unterfallen soll, nur die im November 2014 vereinbarte befristete Stundung sein kann, da eine andere Vereinbarung nicht zustande gekommen ist.
[36] Das Berufungsgericht verneinte den zeitlichen Anwendungsbereich des VKrG. Diese Beurteilung trifft allerdings nicht zu.
[37] Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2015/135 wurden die zivilrechtlichen Bestimmungen der RL 2014/17/EU über Wohnimmobilienkredite für Verbraucher ins österreichische Recht umgesetzt. Zu diesem Zweck sollten die bis dahin vom Anwendungsbereich des VKrG erfassten Hypothekar- und Immobilienkredite mit Verbrauchern aus dem VKrG herausgelöst und in einem eigenen Gesetz – dem neu geschaffenen HIKrG – geregelt werden (ErläutRV 843 Blg NR 25. GP 1). Aus diesem Grund wurde das VKrG dahin novelliert, dass die Hypothekar- und Immobilienkredite von seinem Anwendungsbereich ausgenommen wurden (§ 4 Abs 2 Z 6 und 7 VKrG). Diese Änderung trat mit 21. 3. 2016 in Kraft (§ 29 Abs 9 VKrG).
[38] Das HIKrG trat ebenfalls am 21. 3. 2016 in Kraft und ist nur auf Kreditverträge und Kreditierungen, die nach dem 20. 3. 2016 geschlossen bzw gewährt wurden, anzuwenden (§ 31 Abs 1 und Abs 2 erster Satz HIKrG).
[39] Daraus folgt allerdings – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – nicht, dass auf vor dem 21. 3. 2016 geschlossene Kreditverträge bzw gewährte Kreditierungen, bei denen es sich um Hypothekar- oder Immobilienkredite mit Verbrauchern handelt, keines der beiden Gesetze anzuwenden ist. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 31 Abs 2 zweiter Satz HIKrG sind auf Kreditverträge und Kreditierungen, die vor dem 21. 3. 2016 geschlossen bzw gewährt wurden, nämlich „die bisherigen Bestimmungen“, also das VKrG idF vor der Novelle BGBl I 2016/135 anzuwenden.
[40] Auf die zwischen den Parteien im November 2014 getroffene Stundungsvereinbarung kommt daher – vom zeitlichen Anwendungsbereich her – das VKrG zur Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob sie durch ein Pfandrecht oder ein anderes Recht an einer unbeweglichen Sache oder einem Superädifikat besichert (Hypothekarkredit) oder für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einer unbeweglichen Sache oder einem bestehenden oder geplanten Superädifikat bestimmt war (Immobilienkredit; vgl Foglar‑Deinhardstein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 25 VKrG Rz 10).
[41] 3. Da im vorliegenden Fall im Jahr 2014 kein neuer Kreditvertrag abgeschlossen wurde, ist zu prüfen, ob hier der zweite Abschnitt des VKrG – Rücktrittsrecht des § 12 VKrG – deshalb zur Anwendung kommt, weil ein entgeltlicher Zahlungsaufschub im Sinn des § 25 VKrG vorliegt.
[42] Die nachträglich erklärte Stundung – und zwar sowohl die echte, also die Fälligkeit hinausschiebende (vgl RS0033283), als auch die reine, die Fälligkeit nicht hinausschiebende (vgl RS0017597) – wird als Fall eines Zahlungsaufschubs im Sinn des VKrG angesehen (Foglar‑Deinhardstein in Klang³ § 25 VKrG Rz 25 f; Dehn, Die neue Verbraucherkredit-Richtlinie, ÖBA 2009, 185 [187]; Heinrich/Pendl in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 25 VKrG Rz 2; so auch Schürnbrand/Weber in MünchKomm BGB8 § 506 BGB Rz 14).
[43] So ist etwa eine Tilgungserstreckung (Prolongation) eines Kredits als Zahlungsaufschub im Sinn des VKrG zu qualifizieren („Kette von Verbraucherkreditverträgen“: Foglar‑Deinhardstein in Klang³ § 25 VKrG Rz 20, 32; Zöchling‑Jud in Wendehorst/Zöchling‑Jud, Verbraucherkreditrecht, § 25 VKrG Rz 11).
[44] Der Zahlungsaufschub muss, um nach § 25 Abs 1 VKrG den Vorschriften des 2. Abschnitts unterworfen zu sein, entgeltlich erfolgen (s nur Foglar‑Deinhardstein in Klang³ § 25 Rz 41, Rz 45 f, zur Entgeltlichkeit der nachträglichen Stundung).
[45] Entgeltlichkeit eines Zahlungsaufschubs liegt vor, wenn sich die spätere Zahlungspflicht des Verbrauchers gegenüber der sofortigen Zahlung monetär in einer höheren Zahllast des Verbrauchers niederschlägt; es kommt somit darauf an, ob die Höhe des vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrags danach differenziert, ob er den Betrag bei Fälligkeit zur Gänze bezahlt oder ob die Zahlung (teilweise) später erfolgt (10 Ob 28/14m Punkt 2.4. mwN). Bei der bloßen Vereinbarung und späteren Geltendmachung von Verzugszinsen wurde hingegen die Anwendbarkeit des 2. Abschnitts des VKrG auf das Vertragsverhältnis verneint, weil damit kein Zahlungsaufschub gewährt wird, sondern sich ein allfälliger Verzug als vertragswidriges Verhalten darstellt (10 Ob 28/14m Punkt 2.4.).
[46] Nach der Entscheidung des EuGH vom 8. 12. 2016, C‑127/15, Verein für Konsumenteninformation/INKO (ECLI:EU:C:2016:934) ist eine Vereinbarung dann nicht „unentgeltlich“ im Sinn des Art 2 Abs 2 lit j RL 2008/48/EG , wenn sich der Verbraucher darin verpflichtet, den Gesamtbetrag des Kredits zu zahlen sowie Zinsen und Kosten, die im ursprünglichen Vertrag über die Gewährung des Kredits nicht vorgesehen waren (Rz 37).
[47] Im Hinblick auf die im Anlassfall dem Verbraucher in Rechnung gestellten Kosten eines Inkassobüros stellte der EuGH klar, dass Entgeltlichkeit auch dann vorliegt, wenn die in einer Vereinbarung festgelegten Zinsen und Kosten den Betrag nicht übersteigen, der nach den nationalen Rechtsvorschriften (im Anlassfall § 1333 Abs 2 ABGB) im Fall eines Zahlungsverzugs ohne eine Vereinbarung der Parteien anfallen würden (EuGH C‑127/15 Rz 40). Entgeltlichkeit liegt daher etwa dann vor, wenn in einer Stundungsabrede eine „Bearbeitungsgebühr“ vereinbart wird (Kessal‑Wulf in Staudinger, BGB12 § 506 BGB Rz 5). Derartige Kosten wurden hier aber nicht behauptet.
[48] Wird für einen notleidenden Kredit (bloß) eine Tilgungserstreckung vereinbart, so wird der Vertrag zwar im Ergebnis für den Verbraucher teurer, weil auf die gestundeten Raten für einen längeren Zeitraum als ursprünglich vorgesehen Vertragszinsen verrechnet werden. Allein daraus resultiert aber noch keine Entgeltlichkeit, und zwar auch dann nicht, wenn sich bei einem variabel ausgestalteten Vertragszinssatz infolge einer Zinsanpassung ein zum Nachteil des Verbrauchers veränderter Sollzinssatz ergibt (Kessal‑Wulf in Staudinger [2012], § 506 BGB Rz 5).
[49] 4. Im vorliegenden Fall stellte die beklagte Kreditgeberin den gesamten aushaftenden Kreditsaldo fällig; danach trafen die Parteien für einen befristeten Zeitraum eine Vereinbarung über eine ratenweise Rückführung, wodurch die Durchsetzbarkeit der Gesamtforderung für diesen Zeitraum hinausgeschoben wurde. Irgendeine Regelung über das vom Kläger zu leistende Entgelt wurde nicht getroffen; damit wurde die bereits im ursprünglichen Kreditvertrag getroffene Vereinbarung von Kreditzinsen und Überziehungsprovisionen weder abgeändert noch neu gefasst; zusätzliche Kosten wurden nach dem Klagevorbringen nicht vereinbart. Dass die Stundung entgeltlich erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich.
[50] 5. Selbst wenn das VKrG anwendbar wäre, könnte ein Vertragsrücktritt nach § 12 Abs 1 VKrG das geltend gemachte Klagebegehren nicht tragen.
[51] Nach § 12 Abs 3 VKrG hat der Verbraucher dem Kreditgeber nach dem Rücktritt unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen, den ausgezahlten Betrag samt den seit der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen zurückzuzahlen. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen (§ 12 Abs 3 Satz 2 VKrG).
[52] Beim Rücktritt vom Zahlungsaufschub im Sinn des § 25 VKrG passt diese Regelung nicht, weil kein Geld ausgezahlt wurde (Pesek in Klang³ § 12 VKrG Rz 52). Die Rückabwicklung eines nachträglich, also nach Abschluss des ursprünglichen Vertrags gewährten Zahlungsaufschubs ist dennoch möglich: Diesfalls verliert lediglich die Änderungsvereinbarung ihre Wirkung und die aufgeschobene Zahlungspflicht des Verbrauchers lebt wieder auf (Pesek in Klang³ § 12 VKrG Rz 53; anders die Rechtslage beim ursprünglichen Ratengeschäft, dazu 1 Ob 118/15g).
[53] Ein Grundlage dafür, den vertraglich vereinbarten Sollzinssatz herabzusetzen, vermag daher aufgrund von § 12 Abs 3 Satz 2 VKrG auch das Rücktrittsrecht gemäß § 12 Abs 1 VKrG nicht zu bieten.
[54] 6. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
[55] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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