OGH 1Ob538/93

OGH1Ob538/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Dipl.Vw. DDr. Armin Santner und Dr. Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Jutta * V*, vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 500.000 s.A. infolge von Revisionen beider Teile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Februar 1993, GZ 2 R 345/92‑23, womit infolge von Berufungen beider Teile das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Oktober 1992, GZ 17 Cg 378/91‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00538.93.0511.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision der beklagten Partei wird nicht, jener der klagenden Partei hingegen wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, das im übrigen Umfang bestätigt wird, sowie das erstgerichtliche Urteil werden im Ausspruch über das Zinsenbegehren, das berufungsgerichtliche Urteil auch im Kostenausspruch, dahin abgeändert, dass die beklagte Partei ferner schuldig ist, der klagenden Partei 10,75 % Zinsen aus S 500.000 seit 16.10.1991 sowie die mit S 62.537,28 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 9.322,88 Umsatzsteuer und S 6.600,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die klagende Partei gewährte einer Kommanditgesellschaft Kredit, für den die Beklagte die Haftung als Bürgin und Zahlerin für den Betrag von S 500.000 übernahm. Der Kredit haftet mit einem höheren Betrag als S 500.000 unberichtigt aus.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 500.000 samt 10,75 % Zinsen seit 16. 10. 1991. Zum Zinsenbegehren brachte sie vor, sie hätte eine Verzinsung zumindest in dieser Höhe erzielen können, wäre die Beklagte ihrer Zahlungspflicht zeitgerecht nachgekommen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe lediglich für einen vorläufig auf ein Jahr eingeräumten Kontokorrentkredit mit einem Rahmen von S 500.000 gebürgt. Dieser Kredit sei in vollem Umfang nur bis 31. 5. 1984 zur Verfügung gestellt worden; seine Laufzeit hätte mit diesem Tag enden sollen. Entgegen dieser Abmachung sei das Kreditverhältnis verlängert worden, ohne die Beklagte davon zu verständigen. 1989 sei das Kontokorrentkreditverhältnis aufgekündigt worden. Den Debetsaldo habe die Kommanditgesellschaft aus Mitteln eines wieder ohne Verständigung der Beklagten bei der klagenden Partei aufgenommenen Abstattungskredites beglichen; dieser Kredit hätte in monatlichen Beträgen abgestattet werden sollen. Darin liege eine Novation. Für das neue Kreditverhältnis habe die Beklagte keine Haftung übernommen. Durch die "Projektionen" der Bürgschaft auf das neue Kreditverhältnis sei die Beklagte als Bürgin schlechter gestellt, weil sie nun für ein ca 20 Jahre währendes Kreditverhältnis einstehen müsste. Die in der Bürgschaftsurkunde vorgesehene Erklärung, nach der zu Lasten des Bürgen Stundungen bzw Laufzeitverlängerungen vorgenommen werden könnten, sei ebenso sittenwidrig wie eine Vereinbarung, die trotz vorübergehender Kreditrückzahlung aufrecht bleibe.

Darauf erwiderte die klagende Partei, der der Kommanditgesellschaft gewährte Kredit sei ein revolvierbarer Kontokorrentkredit. Die Bürgschaft sei ohne Befristung übernommen worden. In der Bürgschaftsurkunde sei festgelegt, dass die klagende Partei dem Schuldner auch ohne Wissen der Bürgin Stundungen bzw Laufzeitverlängerungen einräumen könne, die Bürgschaft bei Laufzeitverlängerung in Geltung bleibe und durch vorübergehende Rückzahlung des Kredits bei Fortbestand des Kreditverhältnisses nicht erlösche. Die Laufzeit des Kontokorentkredits sei, wie vorgesehen, mehrmals verlängert worden. Zum 1. 3. 1989 sei der Kontokorrentkredit in einen Abstattungskredit umgewandelt worden, ohne dass das Kreditverhältnis aufgekündigt worden sei. Lediglich die Abstattungsmodalitäten seien geändert worden. Auch die für den Kredit bestellten Sicherheiten seien nicht aufgegeben worden. Weder der Rechtsgrund noch der Hauptgegenstand der Forderung sei geändert worden, so dass keine Novation vorliege. Der Debetsaldo des Kontokorrentkredits sei weder ganz noch teilweise abgedeckt, lediglich die Kontobezeichnung sei aus banktechnischen Gründen geändert worden. Die Umwandlung des Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit gereiche der Beklagten sogar zum Vorteil, weil damit die Wiederausnützbarkeit des Kreditrahmens weggefallen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt; lediglich das Zinsenmehrbegehren von 6,75 % seit 16. 10. 1991 wies es ab.

Es stellte fest, mit Kreditvertrag vom 24. 5. 1983 habe die klagende Partei der Kommanditgesellschaft einen revolvierbaren Kredit von S 500.000 eingeräumt, der kontokorrentmäßig mit 9,5 % zu verzinsen gewesen sei. Im Vertrag sei festgehalten, dass er im vollen Umfang bis 31. 5. 1984 mit Verlängerungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werde. Am selben Tag habe die Beklagte eine Bürgschaftserklärung unterfertigt, nach der sie für alle Ansprüche und Forderungen, die der klagenden Partei aus dem Kreditverhältnis an Hauptsache und Nebensachen entstanden seien oder in Hinkunft noch entstehen würden, die Haftung als Bürgin und Zahlerin gemäß § 1357 ABGB übernommen habe; die klagende Partei sei ferner berechtigt, auch ohne Wissen der Bürgin der Kreditnehmerin Stundungen bzw Laufzeitverlängerungen zu gewähren. Bei Verlängerung der Laufzeit bleibe die Bürgschaft in Geltung und erlösche auch nicht durch vorübergehende Rückzahlung des Kredits bei Fortbestand des Kreditverhältnisses. Am 20. 11. 1984 habe die klagende Partei der Kommanditgesellschaft einen weiteren revolvierbaren Kredit im Ausmass von S 500.000 bis zum 31. 5. 1985 gleichfalls mit Verlängerungsmöglichkeit als Aufstockung des ersten Kredits zur Verfügung gestellt und ihr am 12. 1. 1987 erneut einen revolvierbaren Kredit von S 1,500.000 als Aufstockung des ersten Kredits gewährt. In allen Verträgen sei die uneingeschränkte Verfügbarkeit des Kredits für eine bestimmte Dauer (ein Jahr), aber jeweils mit Verlängerungsmöglichkeit eingeräumt worden. Jeweils nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer habe die klagende Partei der Kommanditgesellschaft die Verlängerung um ein weiteres Jahr angeboten; da sich die Kreditnehmerin zu diesem Angebot nicht geäußert habe, sei das Vertragsverhältnis jeweils verlängert worden. Sowohl den Kreditaufstockungen wie auch von den Laufzeitverlängerungen habe die klagende Partei die Beklagte nicht verständigt. Im Winter 1989 hätten sich die klagende Partei und die Kommanditgesellschaft auf die Umwandlung des aushaftenden Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit geeinigt, ohne die Beklagte hievon zu verständigen. Der Abstattungskredit sei auf einem neuen Konto gebucht worden. Das Kontokorrentkreditverhältnis zwischen der klagenden Partei und der Kommanditgesellschaft sei aber nicht aufgekündigt worden. Die klagende Partei habe der Kommanditgesellschaft auch keinen Kredit zur Aufbringung der Rückzahlungsraten des Abstattungskredites gewährt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Klausel, dass der Kreditnehmerin Stundungen bzw Laufzeitverlängerungen ohne Wissen der Bürgin bewilligt werden könnten, benachteilige diese nicht gröblich, so dass diese Klausel auch nicht von Nichtigkeit betroffen sei. Da das ursprüngliche Kreditverhältnis auch Hauptgegenstand des Abstattungskreditvertrages sei, liege auch kein Neuerungsvertrag vor. Die Bürgschaft werde daher in ihrem Bestand hievon nicht betroffen. Soweit die klagende Partei aber 4 % übersteigende Zinsen fordere, mache sie entgangenen Gewinn geltend, der im Rahmen des Verzögerungsschadens nicht zu ersetzen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Berufung der Beklagten führte es aus, nach § 1378 ABGB erlösche die Bürgschaft mangels anderer Vereinbarung durch einen Neuerungsvertrag, bei einer bloßen Schuldänderung im Sinne des § 1379 ABGB werde dagegen nicht der Rechtsgrund oder Hauptgegenstand ausgewechselt, sondern das Schuldverhältnis nur in seiner Ausgestaltung geändert; das ursprüngliche Schuldverhältnis, dessen wirksamer Bestand vorausgesetzt werde, bleibe also bestehen. Bestünden Zweifel, ob durch einen neuen Vertrag der Hauptgegenstand oder nur Nebenbestimmungen geändert wurden, spreche die Vermutung für den Fortbestand des alten Vertrags, der neue Vertrag gelte als Zusatzvertrag, solange er mit dem alten noch wohl bestehen könne. Wende man diese Grundsätze hier an, sei die Rechtsansicht des Erstgerichts, es liege keine Novation vor, weil nur die Rückzahlungsmodalitäten geändert worden seien, zu billigen. Soweit die Beklagte vermutet, dass die ursprünglich vereinbarte Kreditsumme von S 500.000, für die sie sich verbürgt habe, ohnedies zurückgezahlt worden sei, sei ihr entgegenzuhalten, dass derjenige, der für Forderungen aus einem Kreditverhältnis bis zu einem bestimmten Betrag bürge, bis zu diesem Betrag auch hafte, wenn der Gläubiger dem Hauptschuldner in weiterem Umfang Kredit gewährt; im übrigen habe die Beklagte außer Streit gestellt, dass die Forderung der Klägerin mit mehr als S 500.000 unberichtigt aushafte. Die vom Bürgen Banken gegenüber übernommene Haftung sehe in der Regel eine zeitliche Begrenzung selbst dann nicht vor, wenn der durch die Bürgschaft gesicherte Kredit zunächst befristet gewährt war, das Kreditverhältnis in der Folge aber verlängert werde. Die Bank verletze keine Sorgfaltspflichten, gewähre sie dem Hauptschuldner weiterhin Kredit, ohne den Bürgen zu verständigen; dies müsse hier umso mehr gelten, als mit der Bürgin vereinbart worden sei, dass der Schuldnerin auch ohne deren Wissen Stundungen bzw Laufzeitverlängerungen eingeräumt werden könnten. Sei schon die weitere Kreditgewährung zulässig, ohne dass die Bank Sorgfaltspflichten verletze, könne diese Vertragsklausel nicht sittenwidrig sein.

Der Berufung der klagenden Partei sei entgegenzuhalten, dass diese selbst behauptet habe, sie hätte eine Verzinsung in mindestens der geltend gemachten Höhe erzielen können, wäre die Beklagte ihrer Zahlungspflicht fristgerecht nachgekommen; daraus ergebe sich eindeutig, dass die klagende Partei damit entgangenen Gewinn verlange. Dazu sei nach bürgerlichem Recht grobes Verschulden erforderlich. Die klagende Partei habe aber nur unsubstantiierte Behauptungen aufgestellt, so dass das Begehren in diesem Umfang unschlüssig sei.

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt; der Revision der klagenden Partei kommt dagegen Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

A) Zur Revision der Beklagten:

Nach wie vor beharrt die Beklagte auf ihrem schon bisher eingenommenen Standpunkt, die in ihrer von der klagenden Partei vorformulierten Bürgschaftserklärung aufgenommene Klausel, nach der die klagende Partei berechtigt ist, der Kreditnehmerin auch ohne Wissen der Bürgin Stundungen bzw Laufzeitvereinbarungen einzuräumen, sei als eine die Bürgin gröblich benachteiligende Vertragsbestimmung nichtig; überdies sei die Umwandlung des Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit ein Neuerungsvertrag, durch den die Bürgschaftsrechte des Gläubigers erloschen seien. Keine dieser Einwendungen ist im Ergebnis berechtigt.

Soweit die Beklagte ihre gröbliche Benachteiligung schon daraus ableitet, dass sich ihre Haftungserklärung nach dem Inhalt des für ihre Bürgschaftserklärung verwendeten Vertragsformblatts auch auf Laufzeitvereinbarungen bzw Stundungen ‑ selbst in Fällen, in welchen sie hievon nicht verständigt wurde ‑ erstrecke, ist zunächst zu prüfen, ob diese Klausel eine Haupt‑ oder eine Nebenleistungspflicht festlegt. Die Ausnahme von der im § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle ‑ die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ‑ ist jedoch möglichst eng zu verstehen und soll daher auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, so dass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem Ort und Zeit der Vertragserfüllung, nicht unter diese Ausnahme fallen (Krejci in Rummel, ABGB2 § 879 Rz 238). Die Beklagte kann zwar somit die beanstandete Klausel der Inhaltskontrolle unterziehen lassen, doch kann in dieser Vertragsbestimmung bei sachgerechter Würdigung keine gröbliche Benachteiligung der Bürgin erblickt werden. Die Möglichkeit der Laufzeitverlängerung ist bereits im Kreditvertrag, auf den sich die Bürgschaftserklärung bei Umschreibung von Inhalt und Umfang der Haftung ausdrücklich bezieht, vorgesehen. Der Bürge muss von vornherein damit rechnen, dass die als notwendige Voraussetzung des Kontokorrentkredits (vgl Avancini‑Iro‑Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 5/105) zunächst auf ein Jahr begründete Geschäftsverbindung bei zufriedenstellendem Verlauf verlängert werden soll, bildet sie doch regelmäßig eine der wesentlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Geschäftserfolg der Kreditnehmerin. Außerdem muss sich der Bürge schon bei Übernahme seiner Haftung vor Augen halten, dass die Bürgschaft eine der wesentlichen Voraussetzungen für die (Weiter‑)Gewährung des Kredits ist und sich der Kreditgeber der Haftung auch für den erwartenden Fall der Laufzeitverlängerung (oder der mitunter nicht vermeidbaren Stundung) gewiss sein will. Es läge wohl auch nicht im Interesse des Bürgen, würde der Kreditgeber den erfahrungsgemäß voll ausgenützten Kontokorrentkredit mangels weiterer Bürgenstellung nach Ablauf der zunächst festgelegten Vertragsdauer fälligstellen, müsste er doch dann in vielen Fällen erst recht mit seiner Inanspruchnahme rechnen, weil der Kreditnehmer wegen der für ihn unerwarteten Fälligstellung oft genug außerstande sein wird, den Kredit schon zu diesem Zeitpunkt abzudecken. Eine nach § 879 Abs 3 ABGB gröbliche Benachteiligung des beklagten Bürgen kann deshalb in der hier zu prüfenden Klausel nicht erkannt werden, zumal der Bürge bei einer auf unbestimmte Zeit übernommenen Kreditbürgschaft das Bürgschaftsverhältnis nach der vermuteten Absicht der Parteien ohnehin nach angemessener Dauer aufkündigen kann (JBl 1971, 257; EvBl 1964/180; Gamerith in Rummel aaO § 1353 Rz 3). Im übrigen wäre es Sache der Beklagten gewesen, auf eine konkrete endgültige zeitliche Beschränkung ihrer Bürgenhaftung (mit den ihr daraus drohenden Haftungsnachteilen) zu dringen, sollte sie diesen Wunsch schon bei Vertragsabschluss gehegt haben; dass sie von der klagenden Partei getäuscht oder sonst in Irrtum geführt worden wäre, hat sie nicht behauptet.

Auch die Tatsache, dass die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft offenbar Verbraucherin im Sinne des § 1 Abs 1 KSchG war, ändert an diesem Ergebnis nichts. § 879 Abs 3 ABGB regelt bei Verbrauchergeschäften die Nichtigkeit von Vertragsbestimmungen wegen gröblicher Benachteiligung nicht anders als bei anderen Rechtsgeschäften. Selbst wenn man ‑ was die Beklagte gar nicht behauptet hat ‑ die Klausel am § 6 Abs 2 Z 3 KSchG messen wollte (vgl Krejci in Rummel aaO § 6 KSchG Rz 179), wäre ‑ abgesehen davon, dass gar nicht feststeht, ob nicht die Haftung für die Laufzeitverlängerung ohnehin ausgehandelt worden ist ‑ die Zumutbarkeit der Erstreckung der Bürgenhaftung auf Laufzeitverlängerungen und Stundungen für die Beklagte wohl auch zu bejahen, weil diese Vertragsbestimmung dem Bürgen aus den vorher angestellten Erwägungen bei vernünftiger Betrachtungsweise (vgl Welser in Krejci, HBzKSchG 361) nicht zum Nachteil gereicht.

Dem Gericht zweiter Instanz ist aber auch darin beizupflichten, dass die Bank nach den zwischen den Streitteilen getroffenen Abmachungen die Verständigung der beklagten Bürgin von Verlängerungen der Kreditlaufzeit bzw von gewährten Stundungen unterlassen durfte, ohne dadurch unabdingbare Sorgfaltspflichten zu verletzen. So wie es dem Bürgen grundsätzlich zugemutet werden kann, sich beim Hauptschuldner die notwendigen Auskünfte über den jeweiligen Stand der Hauptschuld zu verschaffen, sofern er keine grobe Verletzung schutzwürdiger Interessen ins Treffen führen kann (JBl 1990,373), kann auch die Pflicht des Gläubigers, den Bürgen von Laufzeitänderungen (oder Stundungen) zu informieren, wirksam abbedungen werden; dass die klagende Partei allenfalls erheischte Auskünfte über die Laufzeit bzw die Kreditfälligkeiten abgelehnt hätte oder die Beklagte den Anspruch auf Auskunfterteilung durch die Kreditnehmerin nicht oder doch nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten hätte durchsetzen können (vgl hiezu JBl 1990,373), hat sie selbst in der Revision nicht vorgebracht.

Bei sachgerechter Würdigung der Folgen des vereinbarten bzw des von der Beklagten nach deren Prozessstandpunkt angestrebten Haftungsumfangs muss die behauptete gröbliche Benachteiligung und damit die Nichtigkeit der beanstandeten Klausel in der Bürgschaftserklärung verneint werden. War die klagende Partei somit berechtigt, der Kreditnehmerin Laufzeitverlängerungen bzw Stundungen zu bewilligen, ohne die Beklagte hievon zu informieren, hat diese als Bürgin und Zahlerin für den von ihr zugestandenen Haftungsbetrag von S 500.000 einzustehen.

Aber auch aus der "Umwandlung" des Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit lässt sich für den von der Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkt nichts gewinnen. Es trifft zwar zu, dass die Bürgschaft nach dem Wortlaut des § 1378 ABGB erloschen wäre, müsste diese Umwandlung als Novation im Sinne des § 1376 ABGB beurteilt werden. Nun wird aber im jüngeren Schrifttum (Ertl in Rummel aaO § 1378 Rz 3 a; P. Bydlinski in ÖJZ 1983, 488 ff und JBl 1986, 298; im Ergebnis ähnlich auch Reischauer in ÖJZ 1984, 365 f) mit gewichtigen Argumenten die Auffassung vertreten, § 1378 ABGB sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass die Bürgschaft auch im Novationsfall fortbestehe, wenn auch die Zustimmung des Bürgen nicht eingeholt worden sein sollte, sofern sich nur infolge des Neuerungsvertrags weder die Art noch das Ausmaß des übernommenen Risikos des Bürgen zu seinen Lasten ändert. Es sei nicht einzusehen, warum die Bürgschaft bei bloßer Schuldänderung gemäß § 1379 ABGB fortdauere, bei der Novation hingegen nicht. Einwänden von Mayrhofer (in Ehrenzweig, Schuldrecht3 AT 363) und Harrer (in Schwimann, ABGB § 1378 Rz 3) hält Ertl (aaO Rz 3) mit Recht entgegen, dass Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Frage, ob eine Novation den Sicherungsgeber beschwere, durch die Beseitigung der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Novation und bloßer Schuldänderung bei weitem aufgewogen werden und ganz allgemein solchen Bedenken durch eine strikte Beurteilung ex ante begegnet werden kann. Die genannten Autoren verlangen für den Fortbestand des Sicherungsrechts, dass dieses im Zuge der Novation vereinbart wurde (vgl nur P. Bydlinski in JBl 1986, 299 f), was im vorliegenden Fall auch in der Kreditumwandlungseinrede vom 1. 3. 1989 in der Tat geschehen ist. Diese Fragen müssen im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend geklärt werden, weil die Umwandlung des Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit ‑ wie im folgenden darzulegen sein wird ‑ als bloße Schuldänderung gemäß § 1379 ABGB zu beurteilen ist.

Nach dieser Vorschrift sind die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllt werden soll, und andere Nebenbestimmungen, durch die weder der Hauptgegenstand noch der Rechtsgrund eines Schuldverhältnisses eine Änderung erfährt, nicht als Neuerungsvertrag zu beurteilen. Durch die Umwandlung des Kontokorrentkredits in einen Abstattungskredit wurde weder der Rechtsgrund (Kredit) noch der Hauptgegenstand (die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers) an sich geändert, sondern es wurden dem Kreditnehmer nun das Recht zur Wiederausnützung des Kreditrahmens entzogen und die Abstattung des festgestellten Saldos durch die Festlegung von Zahlungsfristen und Rückzahlungsraten geordnet, wogegen die Beendigung der Geschäftsverbindung ohne diese Umwandlungsabrede die sofortige Fälligkeit des sich bei der nun vorzunehmenden Verrechnung ergebenden Saldos zur Folge hätte (§ 357 zweiter Satz HGB; Avancini‑Iro‑Koziol aaO Rz 5/120 mwN in FN 282). Durch die Umwandlung des Kreditverhältnisses von einem Kontokorrentkredit in einen Abstattungskredit wurde der Kreditnehmerin damit in Wahrheit von der klagenden Partei nur Ratenzahlung bewilligt (vgl JBl 1992, 111), die als bloße Änderung der Rückzahlungsmodalitäten (SZ 44/179) als Änderung eines bestehenden Schuldverhältnisses im Sinne des § 1379 ABGB zu beurteilen ist (EvBl 1974/250 ua). Da durch die Umwandlung der beklagten Bürgin ‑ wie schon weiter oben dargelegt ‑ keine neuen Lasten auferlegt wurden (§ 1379 ABGB), kann sich diese schon deshalb nicht mit Erfolg auf die in § 1378 ABGB an die Novation geknüpfte Rechtsfolge berufen. Der Bürge, der für die Kreditverbindlichkeit bis zu einer bestimmten Höhe bürgt, haftet bis zu dieser Höhe, auch wenn der Kreditgeber dem Kreditnehmer im weiteren Umfang Kredit gewährt (EvBl 1975/7; HS 10.638/9; SZ 29/5 ua; das gilt jedenfalls ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ für revolvierende Kredite, soweit der Kreditnehmer den (teil‑)verbürgten Sockelkredit vertragsgemäß ausnützen kann (Gamerith aaO § 1353 Rz 2). Nun ist außer Streit gestellt, dass die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung sogar mit mehr als S 500.000 unberichtigt aushaftet, so dass die Vorinstanzen dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben haben.

B) Zur Revision der klagenden Partei:

Soweit die Beklagte deren Zulässigkeit bestreitet, übersieht sie, dass die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO ‑ unter den Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle ‑ schon dann zulässig ist, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, wie im vorliegenden Fall S 50.000 übersteigt; dann ist es aber gleichgültig, ob das Gericht zweiter Instanz das erstgerichtliche Urteil zur Gänze oder zum Teil bzw in welchem Ausmaß bestätigt oder abändert (JAB, 991 BlgNR 17.GP , 11). Daher kann in solchen Fällen auch der Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz über das Zinsenbegehren zulässigerweise bekämpft werden.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Vorinstanzen haben das die gesetzlichen Zinsen von 4 % übersteigende Begehren abgewiesen, weil es darauf gestützt wurde, dass die klagende Partei bei zeitgerechter Zahlung Zinsen in der begehrten Höhe hätte erzielen können und dieser Verzögerungsschaden entgangener Gewinn sei, der im Bereich des bürgerlichen Rechts (offenbar gemäß §§ 1323 f ABGB) nur bei grober Fahrlässigkeit des Schuldners zu ersetzen sei, die klagende Partei aber auffallende Sorglosigkeit nicht bewiesen habe.

Dabei übersahen die Vorinstanzen jedoch, dass gemäß § 1 Abs 2 Z 4 HGB Kaufmann ist, wer imRahmen seines Gewerbebetriebes Bankier‑ und Geldwechslergeschäfte betreibt. Da die klagende Partei vor allem auch das Kreditgeschäft betreibt, das gemäß § 1 Abs 2 Z 3 KWG Bankgeschäft ist, ist sie jedenfalls Kaufmann, auch wenn dieses Grundhandelsgewerbe möglicherweise nur ein Teil ihres Geschäftsbetriebs ist (Straube in Straube, HGB § 1 Rz 30). Nach Art 8 Nr 2 EVHGB umfasst aber der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn; diese Reglung gilt auch für Schadenersatzansprüche aus bloß einseitigen Handelsgeschäften wie der hier zu beurteilenden Bürgschaft, also auch für einen gegen einen Nichtkaufmann gerichteten Schadenersatzanspruch eines Kaufmanns (SZ 48/8; Straube aaO Art 8 Nr 2 EVHGB Rz 2; zweifelnd Koziol, Haftpflichtrecht I2 35).

Im übrigen hat der erkennende Senat aber auch in seiner Entscheidung vom 24. 6. 1992, 1 Ob 15/92, ausgesprochen, dass der Vermögensschaden infolge schuldhaft rechtswidriger Verzögerung der Erfüllung einer Verpflichtung positiver Schaden ist. Ganz allgemein wird die Vernichtung oder Minderung einer objektiv gegebenen Gewinnmöglichkeit ‑ also einer solchen, die im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen wird ‑ als positiven Schaden angesehen (SZ 58/104 uva; Reischauer in Rummel aaO § 1293 Rz 8); eine solche Möglichkeit, Erträge zu erzielen, ist auch dann anzunehmen, wenn der Gläubiger mit dem ihm bei rechtzeitiger Erfüllung vertraglicher Pflichten zu Gebote gestandenen Geldbetrag die marktübliche Verzinsung von Bankkrediten erzielt (SZ 46/81).

In Stattgebung der Revision der klagenden Partei sind ihr deshalb Zinsen in begehrter Höhe zuzusprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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