European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00058.20P.1222.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Beklagte besaß Wald in Slowenien und verkaufte der in Österreich ansässigen Klägerin von 2011 bis 2016 Großmengen an Industrieholz.
[2] Der Einkäufer der Klägerin wusste, dass das Holz aus Slowenien stammte, dass der Beklagte kein österreichischer pauschalierter Land- und Forstwirt war und dass daher auch kein inländischer Umsatzsteuersatz von 12 % bzw 13 % zur Anwendung zu gelangen hatte. Er wusste weiters, dass der Beklagte über keine UID‑Nummer verfügte; die Klägerin forderte den Beklagten erstmals mit Schreiben vom 6. 10. 2016 auf, eine UID‑Nummer zu beantragen bzw bekannt zu geben (bei Umsätzen im Binnenmarkt ist die Verwendung der UID‑Nummer durch die beteiligten Unternehmen Voraussetzung für umsatzsteuerfreie Lieferungen).
[3] In den vom Einkäufer der Klägerin ausgefüllten Kaufvertragsurkunden, die vom Beklagten unterschrieben wurden, ohne auf die darin enthaltenen Angaben zu achten, vereinbarten die Streitteile, dass die Rechnungslegung im Gutschriftensystem erfolgen sollte. Die Klägerin stellte in der Folge Gutschriften aus, in denen sie jeweils 12 % bzw 13 % Umsatzsteuer auswies, zahlte die Brutto-Rechnungsbeträge an den Beklagten und machte Vorsteuer in entsprechender Höhe gegenüber dem österreichischen Finanzamt geltend. Dieses erfuhr im Zuge einer Betriebsprüfung bei der Klägerin, dass es sich beim Beklagten um keinen österreichischen pauschalierten Land- und Forstwirt iSd UStG handelt. Es versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass der Beklagte keine UID‑Nummer angegeben habe und keinen Wald in Österreich besitze, sohin nicht österreichischer pauschalierter Land- und Forstwirt sei. Das Holz sei stets in Slowenien abgeholt worden; es lägen innergemeinschaftliche Erwerbe vor, weshalb die in den Gutschriften nach § 22 UStG ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden könnten. Die Klägerin musste die Vorsteuer von 46.262,30 EUR an das österreichische Finanzamt zurückzahlen.
[4] Die Klägerin begehrte vom Beklagten als Hauptbegehren, ihr
1. den Gesamtbetrag der verrechneten Umsatzsteuer von 46.262,30 EUR sA zu zahlen, und
2. Rechnungen über die Lieferung bzw den Verkauf von einerseits Blochholz und andererseits Faser-/Restholz auszustellen, und zwar unter anderem unter Anführung des Namens des liefernden Unternehmens (Beklagter) und des Namens und der UID‑Nummer des Abnehmers der Lieferung (Klägerin).
Weiters begehrte die Klägerin, „alternativ“ bzw „für den Fall, dass der Beklagte entgegen seines bisherigen Vorbringens doch seine UID‑Nummer einholen würde, sohin in den auszustellenden Rechnungen angeben könnte und der Klägerin somit – sofern nicht bereits verfristet – die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges eröffnet wird“, vom Beklagten, ihr
3. 14.770,99 EUR sA – die Differenz zwischen verrechneter und niedrigerer slowenischer Umsatzsteuer – zu zahlen,
4. Rechnungen über die Lieferung bzw den Verkauf von einerseits Blochholz und andererseits Faser-/Restholz wie im Hauptbegehren auszustellen, jedoch unter zusätzlicher Anführung der UID‑Nummer des liefernden Unternehmens (Beklagter), und
5. festzustellen, dass der Beklagte für jeden Schaden der Klägerin hafte, den diese dadurch erleide, weil der Klägerin der Vorsteuerabzug aus einem, mehreren oder allen der genannten Holzlieferungen nicht gewährt werde.
Die gegen das – das Klagebegehren zur Gänze abweisende – Urteil des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
[5] I. Die geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens sowie die behauptete Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor.
[6] 1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können in der Revision grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963). Das Berufungsgericht hat dargelegt, dass es in Ansehung der Vernehmung des Einkäufers der Klägerin keinen Fehler des erstinstanzlichen Verfahrens erblicken konnte; dieser Umstand kann daher nicht nochmals ins Treffen geführt werden. Die Revision legt weder konkret dar, welche Tatfragen unerörtert geblieben sein sollen, sodass daraus auch ein Mangel des Berufungsverfahrens abzuleiten wäre, noch aufgrund welcher Umstände der Vorwurf gerechtfertigt ist, das Berufungsgericht habe sich einer Scheinbegründung bedient. Soweit dieses ausführte, auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gingen redliche Parteien von der Neutralität der Vorsteuer aus, hat es den Vertrag im Sinne der Vertrauenstheorie so verstanden und objektiv ausgelegt, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017781). Ob in diesem Zusammenhang die Parteien der Auffassung waren, dass die Umsatzsteuer ein Durchlaufposten sei (wozu das Erstgericht eine Negativfeststellung traf), ist, wie sich aus der Behandlung der Rechtsrüge ergeben wird, nicht relevant.
[7] Dasselbe gilt für die behaupteten Mängel, das Berufungsgericht habe eine Überraschungsentscheidung zur den Fragen Schadensentstehung sowie irrtumsrechtliche Vertragsaufhebung bzw ‑anpassung zu verantworten.
[8] Mit der Mängelrüge (unter anderem wegen unterlassener Einholung eines Sachverständigengutachtens zu steuerrechtlichen Fragen) hat sich das Berufungsgericht sehr wohl auseinandergesetzt, indem es teils ihre Relevanz, teils ihre gesetzmäßige Ausführung verneinte.
[9] Die Relevanz der Frage, ob der Beklagte die Umsatzsteuer in Slowenien bezahlt hat, zeigt die Revision nicht auf, zumal die Umsatzsteuer zivilrechtlich betrachtet Teil des Kaufpreises ist (RS0037922) und die Frage der Bereicherung von einer Anfechtung oder Anpassung des Vertrags unter den Voraussetzungen des § 871 ABGB abhängt.
[10] Wenn das Berufungsgericht die Rechtsrüge des Beklagten in dessen Berufung (der das Berufungsgericht Folge gab) als im Kern gesetzmäßig ausgeführt und daher die rechtliche Beurteilung nach allen Seiten hin überprüfbar ansah (RS0043352 [T1, T2]; RS0043338), ist dies schon im Lichte der Behauptung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit UID‑Nummer, zumindest vertretbar. Ein Mangel des Berufungsverfahrens wird auch damit nicht aufgezeigt.
[11] 2. Richtigkeit und Relevanz der Deutung erstinstanzlichen Klagsvorbringens sind – wie die Revision selbst erkennt – im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln. Eine Aktenwidrigkeit wird weder hiermit noch mit dem Hinweis auf einzelne Beweisergebnisse aufgezeigt; im Übrigen versucht die Beklagte in dritter Instanz unzulässigerweise, die Tatsachengrundlage zur Eigenschaft des Beklagten als pauschalierter Land- und Forstwirt in Slowenien zu verändern.
[12] In der Auslegung einer späteren Mitteilung des Beklagten, er sei pauschalierter Land- und Forstwirt, wonach dies nicht – wie von der Klägerin in erster Instanz behauptet – gänzlich und rückwirkend, sondern nur „insoweit“ als Widerruf der Zustimmung zu Gutschriften zu verstehen sei, als solche über die slowenischen Umsatzsteuersätze hinausgingen, liegt keine Aktenwidrigkeit, zumal sich dies auf den Wortlaut von § 11 Abs 7 letzter Satz UStG 1994 stützt, wonach die Gutschrift – ex nunc (vgl VwGH 97/14/0107) – die Wirkung einer Rechnung verliert, „soweit‟ der Empfänger der Gutschrift dem in ihr enthaltenen Steuerbetrag widerspricht, im Übrigen jedoch aufrecht bleibt (vgl BMF , UStR 2000 Rz 1643).
[13] II. Auch die Rechtsrüge der Klägerin vermag keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
[14] 1.1. Nach Art 2 Abs 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl L 2006/347/1 (MwStSyst‑RL), unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt grundsätzlich der Mehrwertsteuer. Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt nach Art 40 MwStSyst‑RL der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.
[15] Dementsprechend unterliegt nach Art 1 UStG 1994 Anh BMR der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer (Abs 1). Ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (Abs 2):
- ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat (Z 1);
- der Erwerber ist a) ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt (Z 2), und
- die Lieferung an den Erwerber a) wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt und b) ist nach dem Recht des Mitgliedstaats, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht aufgrund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei (Z 3).
[16] Jedem innergemeinschaftlichen Erwerb steht spiegelbildlich eine innergemeinschaftliche Lieferung gegenüber (EuGH C‑386/16, Toridas, Rn 31; VwGH Ra 2018/15/0125), die dann vorliegt, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar ist, der Abnehmer dem Unternehmer die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID‑Nummer mitgeteilt hat und der Unternehmer der Verpflichtung zur Abgabe einer zusammenfassenden Meldung nach Art 21 Abs 3 UStG Anh BMR nachgekommen ist (Art 7 Abs 1 UStG Anh BMR).
[17] Nach Art 138 Abs 1 MwStSyst‑RL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
[18] Dementsprechend sind nach Art 6 und Art 7 Abs 1 Z 3 UStG Anh BMR innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei, wenn die Behandlung der Lieferung im Warenbestimmungsland seitens des Leistungsempfängers als steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb gewährleistet ist.
[19] Pauschalierte Land- und Forstwirte iSd Art 295 ff MwStSyst‑RL können hingegen keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung tätigen; sie erbringen vielmehr im Ursprungsland steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen. Eine in einer Rechnung ausgewiesene Steuer ist für den ausländischen unternehmerischen Erwerber eine im Land des liefernden Land- und Forstwirts erstattungsfähige Vorsteuer; hingegen kann im Land des Erwerbers diese Vorsteuer nicht erstattet werden (arg § 12 Abs 1 Z 1 lit a UStG 1994: „im Inland“; vgl VwGH
92/14/0078; BMF , UStR 2000 Rz 3988).
[20] 1.2. Wenn hier der Beklagte als in Slowenien pauschalierter Land- und Forstwirt steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht hätte, so hätte die Klägerin die slowenische Umsatzsteuer in Slowenien als Vorsteuer zurückerstattet erlangen, jedoch keine Vorsteuererstattung in Österreich in Anspruch nehmen können. Käme dem Beklagten diese Eigenschaft nicht zu, hätte er eine steuerfreie Lieferung erbracht, der ein (steuerpflichtiger) innergemeinschaftlicher Erwerb der Klägerin in Österreich entsprochen hätte (Art I UStG Anh BMR).
[21] 1.3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen dieser steuerrechtlichen Vorschriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Der Oberste Gerichtshof wäre mangels Leitfunktion in Steuersachen – worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat – nur zur Korrektur von groben Beurteilungsfehlern der Vorinstanzen aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit berufen (RS0113455); solche liegen hier nicht vor.
[22] 2. Soweit die Revision zur schadenersatzrechtlichen Anspruchsgrundlage argumentiert, es sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Schaden bereits abschließend entstanden, macht sie keine erhebliche Rechtsfrage geltend.
[23] 2.1. Einerseits kommt nach dem oben Gesagten eine Vorsteuerrückvergütung in Österreich keinesfalls in Betracht, sodass insofern ein „Schaden wegen Versagung des Vorsteuerabzugs“ nicht vorliegen kann.
[24] Andererseits hat sich die Klägerin erstmals in der Revision darauf berufen, in Slowenien Vorsteuerrückerstattung für eine – in den von ihr erstellten Gutschriften gar nicht ausgewiesene – slowenische Umsatzsteuer erlangen zu wollen, dies aber wegen Fristablaufs nicht mehr zu können. In diesem Zusammenhang übergeht die Klägerin die selbständig tragfähige Begründung (RS0118709) des Berufungsgerichts, dass ihr das Wissen ihres Mitarbeiters (über die Herkunft des Holzes und den Umstand, dass der Beklagte kein österreichischer pauschalierter Landwirt war und keine UID‑Nummer hatte, und dass der slowenische Steuersatz anzuwenden sei) zurechenbar ist. Wie in diesem Zusammenhang der Beklagte dadurch einen Schaden der Klägerin verursacht haben soll, dass er einen entsprechenden Irrtum fahrlässig veranlasst (vgl RS0014882) oder eine ihn treffende Aufklärungspflicht fahrlässig verletzt (RS0014885) hätte, zeigt die Revision nicht auf.
[25] 2.2. Aus den selben Gründen ist auch die Abweisung des „alternativ“ erhobenen Feststellungsbegehrens jedenfalls vertretbar.
[26] 3. Auch zur bereicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlage ihres Zahlungsbegehrens zeigt die Klägerin keine aufzugreifende Rechtsfrage auf.
[27] 3.1. Bei richtiger betriebswirtschaftlicher Kalkulation wird die Umsatzsteuerbelastung regelmäßig im geforderten Kaufpreis berücksichtigt. Der vom Verkäufer geforderte Preis enthält daher grundsätzlich auch die Umsatzsteuer, sofern nichts anderes vereinbart wurde oder ein abweichender Handelsbrauch besteht (7 Ob 574/92 mwN; vgl RS0038212; RS0038198). Dass der veräußernde Unternehmer nach § 12 Abs 1 UStG 1994 Umsatzsteuer in einer Rechnung gesondert ausweisen darf, die der Leistungsempfänger als Vorsteuerbetrag abziehen kann, ändert nichts daran, dass auch diese Steuer grundsätzlich ein Teil des Kaufpreises ist. Die Berechtigung zur gesonderten Ausweisung beruht nur auf umsatzsteuerlichen Gründen, hat aber auf die zivilrechtliche Leistungspflicht keinen Einfluss (4 Ob 139/10k, 7 Ob 136/10s; RS0037922).
[28] 3.2. Ist eine Rechnung unrichtig, etwa weil sich nachträglich Steuerfreiheit der Lieferung herausstellt, sind allfällige Rückforderungsansprüche des Leistungsempfängers nach Zahlung des ungekürzten Rechnungsbetrags unter irrtumsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Eine Rechnung ist dabei aber ebenso wie eine Quittung nur eine Beweisurkunde, die nicht den nur für Rechtsgeschäfte geltenden Irrtumsregeln unterliegt (RS0016134). Irrtumsrechtlich relevant kann daher nur der Inhalt des abgeschlossenen Geschäfts sein. Hat etwa der Leistungsempfänger bei Vertragsabschluss über die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs geirrt, liegt ein Irrtum über die Berechnung des Preises der Leistung (also ein Kalkulationsirrtum) vor, der dann beachtlich ist, wenn die Kalkulation offen gelegt und damit zum Geschäftsinhalt gemacht wurde (vgl RS0014927; RS0014904 [T3]; RS0014894). Wird die Steuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen, wird in aller Regel von einer Offenlegung der Preiskalkulation und somit von einem Geschäftsirrtum auszugehen sein, der unter den Voraussetzungen des § 871 ABGB – falls der Irrtum durch den Anderen veranlasst war, oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde – zur Anfechtung oder Anpassung des Vertrags berechtigt (vgl 4 Ob 139/10k; 7 Ob 136/10s). Auch ein gemeinsamer Irrtum (also die unrichtige Vorstellung beider Parteien von der Wirklichkeit) berechtigt zur Anfechtung des Vertrags nur dann, wenn der Irrtum die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft (RS0016229).
[29] 3.3. Der Revision ist zwar grundsätzlich zuzugestehen, dass es ausreicht, wenn der Irrende unter der Behauptung der Ungültigkeit des Geschäfts auf Rückzahlung seiner Leistung klagt (RS0016253); das Wort „Irrtum“ muss nicht ausdrücklich verwendet werden, es genügt der Vortrag von Irrtum begründenden Tatsachen (RS0098986 [T1, T5]). Dabei schließt die Behauptung, arglistig getäuscht worden zu sein, die Behauptung eines veranlassten Irrtums mit ein (RS0014810); hingegen ist eine Anfechtung bzw Anpassung wegen gemeinsamen Irrtums mit dieser Behauptung unvereinbar (RS0014810 [T9]). Im Lichte dieser Rechtsprechung kommt es daher auf die im Rahmen der Mängelrüge angesprochene Mehrwertsteuerneutralität nach der Vorstellung der Parteien nicht an.
[30] 3.4. Die Klägerin hat jedoch in erster Instanz vorgebracht, der Beklagte habe nie auf die Unrichtigkeit der ihm übermittelten Gutschriften hingewiesen, sondern wissentlich und wohlwollend die (der Klägerin nicht bewusste) Überzahlung angenommen, die Klägerin habe die gegenständlichen Zahlungen im Glauben an die Zugrundelegung des gesetzlich anzuwendenden Steuersatzes geleistet und der Beklagte habe sich diese rechtswidrig angeeignet, die Überzahlungen seien „irrtümlich“, aufgrund für den Beklagten offensichtlich „irrtümlich falscher Umsatzsteuerausweise“ der Klägerin erfolgt.
[31] Ein nunmehr in der Revision angesprochener gemeinsamer Irrtum der Parteien ist mit dieser in erster Instanz behaupteten Wissentlichkeit des Beklagten nicht vereinbar. Einer Veranlassung durch den Beklagten – iSd § 871 Abs 1 ABGB jedes für die Entstehung des Irrtums adäquat ursächliche, wenn auch nicht schuldhafte Verhalten (RS0016195; RS0016188; RS0014921) – stehen die Feststellungen entgegen, wonach der Klägerin bekannt war, dass der Beklagte über keine österreichische UID‑Nummer verfügt, das Holz aus Slowenien geliefert wurde und kein Umsatzsteuersatz von 12 % (bis 31. 12. 2015) bzw 13 % (ab 1. 1. 2016) zur Anwendung zu gelangen hatte. Welchen Irrtum der Beklagte insofern veranlasst hätte, ist nicht ersichtlich. „Rechtzeitig aufgeklärt“ wurde ein Irrtum nach den Feststellungen nicht; solches wurde auch nicht behauptet. Schließlich zeigt die Revision auch nicht auf, warum ein Irrtum dem Beklagten hätte auffallen müssen. Das Erstgericht hielt dazu fest, dieser erwecke nicht den Eindruck, von sich aus zu wissen, welcher Steuersatz auf die gegenständlichen Lieferungen anwendbar ist. Zwar ist darauf abzustellen, ob ein Irrtum bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (vgl RS0016215; RS0053188; RS0016218 [T1]). Woraus sich dies im hier vorliegenden Einzelfall konkret ergeben soll, führt die Revision nicht aus, zumal eine Rechnungslegung durch Gutschrift gerade dem Umstand Rechnung tragen soll, dass der Leistungsempfänger über die für die Rechnungslegung relevanten Informationen verfügt.
[32] 3.5. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass der Klägerin ein im dargelegten Sinn relevanter Irrtum unterlaufen wäre, der zu einer Vertragsaufhebung oder ‑anpassung und diese zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch im Ausmaß der Überzahlung (vgl 4 Ob 139/10k, 7 Ob 136/10s) führen hätte können.
[33] 4. Soweit die Revision ins Treffen führt, der Beklagte sei zur Rechnungslegung verpflichtet, damit sie Vorsteuer in Slowenien geltend machen könne, zeigt sie ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[34] 4.1. Grundsätzlich haben die Parteien Rechnungslegung im Gutschriftensystem (§ 11 Abs 7 und Abs 8 UStG 1994; Art 224 MwStSyst‑RL) vereinbart. Nach der Rechtsprechung sind die Bestimmungen des § 11 Abs 12 und 14 UStG auch dann anwendbar, wenn die Abrechnung zwischen Geschäftspartnern mittels Gutschrift erfolgt (vgl VwGH 82/15/0026; 97/14/0107). Nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs 12 UStG 1994 obliegt auch die Berichtigung einer Rechnung ihrem Aussteller, sodass das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin schon insofern nicht ersichtlich ist.
[35] 4.2. War der Beklagte im hier relevanten Zeitraum kein slowenischer pauschalierter Land- und Forstwirt, wie die Revision nunmehr ins Treffen führt, dann hätte er – wie oben dargelegt – eine in Slowenien steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erbracht, für die naturgemäß keine Vorsteuerrückerstattung stattfände; für den Abzug der in Österreich fälligen Erwerbsteuer wäre das Vorliegen einer Rechnung zudem nicht Voraussetzung (vgl BMF , UStR 2000 Rz 4057).
[36] 4.3. Eine Vorsteuerrückerstattung in Slowenien würde aber voraussetzen, dass der Beklagte – wohl entgegen dem Standpunkt der Klägerin – in Slowenien pauschalierter Land- und Forstwirt war. Die Revision führt dazu nur ins Treffen, sie könne schon wegen Fristablaufs in Slowenien keine Vorsteuerrückerstattung mehr erwirken. Damit zeigt die Klägerin aber gerade nicht auf, dass sie ein nach der Rechtsprechung für ihr Begehren auf Ausstellung von Rechnungen erforderliches Rechtsschutzbedürfnis (vgl RS0038032 [insb T1]). Zudem hat bereits das Berufungsgericht auf VwGH Ra 2014/15/0041 hingewiesen, wonach Rechnungen von in Österreich pauschalierten Land- und Forstwirten keiner UID‑Nummer bedürfen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug von für innergemeinschaftliche Erwerbe geschuldeter Mehrwertsteuer nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass bloße formelle Verpflichtungen nicht eingehalten wurden, wenn die Behörde über alle notwendigen Daten verfügt, um festzustellen, dass die materiellen Anforderungen erfüllt sind (EuGH C‑590/13, Idexx Laboratories , insb Rn 44 f; vgl auch VwGH Ra 2017/15/0064). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Rechtsfrage führt die Revision auch hier nicht aus.
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