European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00175.20V.1126.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen verboten der Beklagten, in einem von den klagenden Urhebern – die mit den Verwertungsgesellschaften ***** und ***** Wahrnehmungsverträge abgeschlossen hatten – geschaffenen Musikalbum veröffentlichte Musikwerke einzeln oder als Album zu vervielfältigen, zu verbreiten oder sonst zu nutzen (zu verwerten), sofern dies nicht vom Abverkaufsrecht in Österreich hinsichtlich der Single-Auskopplung eines bestimmten Liedes aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Lizenzvereinbarung umfasst ist.
[2] Das Rekursgericht sprach über Zulassungsantrag der Beklagten nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es nicht ausschließen könne, die Grundsätze zur Fassung eines Unterlassungsverbots verletzt und dieses zu weit gefasst zu haben, und sich in diesem Falle eine erhebliche Rechtsfrage stelle, ob die Rechtsprechung, wonach der Urheber auch im Fall der Belastung durch ein ausschließliches Werknutzungsrecht die Befugnis behalte, Verletzungen des belasteten Verwertungsrechts gerichtlich zu verfolgen, auch für den Fall gelte, dass der Urheber seine Verwertungsrechte im Wege von Wahrnehmungsverträgen an Verwertungsgesellschaften übertragen habe.
[3] Weder das Rekursgericht noch die Beklagte zeigen in diesem Zusammenhang das Vorliegen der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO auf. Der Revisionsrekurs ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1. Die Beklagte hatte in ihrem Rekurs den nunmehr im Revisionsrekurs erhobenen Einwand der mangelnden Aktivlegitimation der Kläger nicht erhoben. Wird aber die Entscheidung erster Instanz nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, dann können im Rekurs nicht relevierte Einwände im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [T12, T13]; RS0043573 [insb T29]).
[5] 1.2. Zudem hat der Oberste Gerichtshof bereits festgehalten, dass mit einer treuhändigen Wahrnehmungsbefugnis einer Verwertungsgesellschaft – ähnlich einer Werknutzungsbewilligung – nur die (konstitutive) Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte verbunden ist und dem Urheber dadurch nicht das Recht genommen wird, Verstöße gegen sein Urheberrecht selbst zu verfolgen; seine Aktivlegitimation für die Verfolgung von Verstößen seines Urheberrechts bzw seiner Leistungsschutzrechte bleibt somit bestehen (4 Ob 149/20w [Pkt 3.2]; vgl auch RS0077713).
[6] 2.1. Ein Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der
Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440). Wie ein bestimmtes Klagebegehren und das dazu erstattete Prozessvorbringen zu verstehen sind, ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich eine erhebliche Rechtsfrage grundsätzlich nicht stellt (vgl RS0042828 [insb T25]).
[7] 2.2. Die Kläger haben in erster Instanz vorgebracht, Verwertungshandlungen von Urheberrechten bedürften gemäß §§ 14 ff UrhG der ausdrücklichen Zustimmung des Urhebers, die hier nicht vorgelegen sei.
[8] Die in den Spruch übernommene Ausnahme hinsichtlich des Abverkaufsrechts für ein bestimmtes Lied ist im Zusammenhang mit der Klagserzählung so zu verstehen, dass jeder Eingriff in die genannten Verwertungsrechte hinsichtlich aller angeführten Lieder – und nicht Eingriffe in eine konkrete Aufnahme (eines Werkstücks) – eine Verletzung ist, ausgenommen die Verbreitung (§ 16 UrhG) solcher bereits aufgenommener Werkstücke, die nur das konkret genannte von der Lizenzvereinbarung betroffene Lied beinhalten.
[9] Welche Unklarheit oder Unbestimmtheit in diesem Zusammenhang vorliegen sollte, zeigt der Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar auf.
[10] 3.1. Eine Verletzung von Urheberrechten ist gekennzeichnet durch die Verletzungshandlung, den verletzten Schutzgegenstand (Werkkategorie) und die in ihren Rechten verletzte Person (Urheber, sonstiger Rechteinhaber). Urheberrechte verletzt, wer ohne Bewilligung des Urhebers in die dem Urheber ausschließlich (vgl § 14 Abs 1 UrhG) zustehenden Verwertungsrechte eingreift. Die urheberrechtlich relevante Verletzungshandlung betrifft demnach regelmäßig eines oder mehrere der nach den §§ 15–18a UrhG vorgegebenen Verwertungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, Aufführung und Zurverfügungstellung zum interaktiven Abruf. Die Fassung des Unterlassungsgebots bei Urheberrechtsverletzungen hat daher in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird (4 Ob 88/10k [Pkt 3.1 f] mwN). Ein Unterlassungsgebot ist zwar dann zu weit gefasst, wenn die Beklagte damit zu Unterlassungen verhalten werden soll, zu denen sie bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet wäre (RS0037461). Nach der Rechtsprechung des Senats besteht aber kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen oder gesetzliche Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch aufgrund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann aufgrund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebots ohnehin nicht erfolgreich Exekution geführt werden (RS0114017; 4 Ob 21/15i [Pkt 2.6] mwN).
[11] Bei einem Urheberrechtseingriff hat nicht der Urheber zu behaupten und zu beweisen, dass dem Verletzer keine Werknutzungsrechte zustehen, sondern der Verletzer hat nachzuweisen, dass ihm der Urheber – allenfalls mittelbar – (zumindest) eine Werknutzungsbewilligung eingeräumt habe (RS0039939 [T34]).
[12] 3.2. Der Revisionsrekurs der Beklagten rügt nunmehr, das Unterlassungsgebot sei „absolut“ erlassen worden, ohne eine Ausnahme für den Fall vorzusehen, dass die Beklagte die notwendigen Rechte von einer Verwertungsgesellschaft erworben habe; ihr wäre damit auch Erlaubtes verboten worden. Das Rechtsmittel bezieht sich dabei ausdrücklich darauf, dass sich die Beklagte künftig Rechte lizensieren lassen oder eine mögliche Zustimmung einer Verwertungsgesellschaft erlangen könnte.
[13] Damit wird aber im Lichte der oben dargelegten Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage zur Fassung des Unterlassungsgebots hinsichtlich der (vom Rekursgericht als nicht von einer Rechteeinräumung erfassten) Onlineverkäufe aufgezeigt, zumal vom Revisionsrekurs erkennbar angesprochene neue Tatsachen und deren rechtliche Relevanz je nach Lage des Falls nach den §§ 35 f EO aufzugreifen wären (vgl 4 Ob 166/13k); auf andere Rechte und Tantiemenzahlungen hierfür kommt es dabei nicht an.
[14] 4.1. Auch im Provisorialverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz und hat von dem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt angesehen hat; Tatsachen, die letzteres als nicht bescheinigt annimmt, können in die rechtliche Betrachtung nicht einbezogen werden (RS0002192). Eine Rechtsrüge ist nur dann dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn dargelegt wird, aus welchen Gründen – ausgehend vom von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt – die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Rechtsmittelgericht unrichtig erscheint (vgl RS0043603).
[15] 4.2. Schon in ihrer erstinstanzlichen Äußerung zum Sicherungsantrag hat die Beklagte behauptet, die Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke der Kläger auf physischen Tonträgern erworben zu haben, und eigene Online-Verwertungshandlungen bestritten. Solche Verwertungshandlungen wurden von den Vorinstanzen jedoch dahin als bescheinigt festgestellt, dass die Beklagte die Tonaufnahme des Albums der Kläger online über Digital Service Provider zum entgeltlichen Herunterladen anbot.
[16] Die Rechtsrüge der Beklagten, die hier ihren erstinstanzlichen Standpunkt wiederholt, geht nicht vom – den Obersten Gerichtshof bindenden – festgestellten Sachverhalt aus und ist insoweit nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt; auch eine dem Rekursgericht in diesem Zusammenhang vorgeworfene Aktenwidrigkeit ist nicht ersichtlich.
[17] Der Revisionsrekurs zeigt auch mit seinem Verweis auf § 18a UrhG nicht konkret auf, warum durch die als bescheinigt festgestellten Handlungen der Beklagten, insbesondere die Möglichkeit zum entgeltlichen Download, nicht Verwertungsrechte nach §§ 15 f UrhG beeinträchtigt wären. Auch insofern stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage.
[18] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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