European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00006.19S.0512.000
Spruch:
In Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
*****, Rechtsanwältin in *****, ist schuldig; sie hat als Errichterin des Kaufvertrags über die Liegenschaft EZ ***** und die Baurechtseinlage EZ ***** jeweils der KG *****, Bezirksgericht Urfahr, abgeschlossen zwischen der S***** GmbH & Co KG als Verkäuferin einerseits und DI Patrick Sü***** als Käufer andererseits trotz der von ihr als Treuhänderin übernommenen Verpflichtung, vom treuhändig erlegten Kaufpreis in Höhe von 880.000 Euro die Lastenfreistellung und Auszahlung erst dann vorzunehmen, wenn ein von sämtlichen Vertragsparteien unterfertigter verbücherungsfähiger Kaufvertrag vorliegt, am 15. Dezember 2017 einen Betrag von 879.910 Euro auf das Konto der Verkäuferin bei der Sp***** AG überwiesen, obwohl der Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt verkäuferseitig lediglich von aufgrund einer damals gemäß § 31 Abs 6 GBG nicht (mehr) grundbuchsfähigen Verkaufsvollmacht der Verkäuferin tätigen Personen unterfertigt war.
Die Beschuldigte hat somit treuwidrig über den Kaufpreis verfügt und dadurch ihre Berufspflichten (§ 9 Abs 1, § 10 Abs 2 RAO) verletzt sowie Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes beeinträchtigt.
Sie wird hiefür zu einer Geldbuße in Höhe von 2.500 Euro und zum gänzlichen Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Disziplinarbeschuldigte vom aus dem Spruch ersichtlichen Vorwurf freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO relevierende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 562) Berufung wegen Schuld des Kammeranwalts.
Zutreffend zeigt die Rechtsrüge auf, dass der Disziplinarrat auf Basis der getroffenen Feststellungen zu Unrecht ein disziplinarrechtlich zu ahndendes Fehlverhalten verneint hat.
Bei der Abwicklung von Treuhandgeschäften liegt deren peinlich genaue Durchführung nicht nur im Interesse der Treugeber, sondern ist überdies ein besonderes Standesanliegen (RIS‑Justiz RS0115041, RS0123724, jüngst 20 Ds 3/19z).
Verstöße gegen Treuhandaufträge sind – weil die Anwendung besonderer Sorgfalt bei der Gebarung mit Klientengeldern zu den vornehmsten Pflichten des Rechtsanwalts gehört – als Berufspflichtenverletzung sowie– bei Kenntnis auch nur eines kleinen Personenkreises (RIS‑Justiz RS0054896) – als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Anwaltsstandes zu qualifizieren (RIS‑Justiz RS0055847 [T1, T7]), und zwar selbst dann, wenn mit diesem treuewidrigen Verhalten kein vermögensrechtlicher Nachteil für den Treugeber verbunden ist (RIS‑Justiz RS0055657, RS0101382).
Zur Tatbestandserfüllung hat außer Betracht zu bleiben, ob die Nichtbeachtung der Treuhandverpflichtungen fahrlässig oder vorsätzlich erfolgte. Der Verschuldensgrad kann lediglich bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden (RIS‑Justiz RS0055223 [T1]; RS0055847 [T4]).
Solcherart zeigt die Berufung zutreffend auf, dass die Beschuldigte – aufgrund mangelnder Kenntnis der Bestimmung des § 31 Abs 6 GBG (ES 5) und somit fahrlässig (ES 7) – durch Überweisung des treuhändig erliegenden Betrags an die Verkäuferin trotz Nichtvorliegens eines verbücherungsfähigen Kaufvertrags gegen die von ihr einzuhaltenden Treuhandbedingungen und damit gegen §§ 9 Abs 1, 10 Abs 2 RAO (vgl abermals RIS‑Justiz RS0055847) verstoßen hat. Der Rechtsansicht des Disziplinarrats zuwider hat die Beschuldigte eben dadurch Berufspflichten verletzt und – weil das Verhalten durch die für den Käufer notwendige Klageführung von dem Landesgericht L***** (naturgemäß) einer Mehrzahl von Personen zur Kenntnis gelangte (ES 6; vgl Lehner in Engelhart et al RAO10 § 1 DSt Rz 14 sowie Gartner in Csoklich/Scheuba, Standesrecht3 113 f) – auch Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt.
Außergewöhnliche Begleitumstände, welche die Anwendung des § 3 DSt rechtfertigen könnten (vgl RIS‑Justiz RS0124433), liegen nach den Feststellungen des Disziplinarrats nicht vor.
Das angefochtene Erkenntnis war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – in Stattgebung der Berufung aufzuheben und mit einem Schuldspruch vorzugehen.
Bei der Strafbemessung war mildernd das Geständnis der Beschuldigten und deren bisherige disziplinäre Unbescholtenheit sowie die Begehung aus – wenngleich grober, weil in Rechtsunkenntnis bestehender – fahrlässiger Unerfahrenheit, erschwerend kein Umstand.
Da der Käufer im Gegenstand zwar sogar zur sorgenreichen Beschreitung des Rechtswegs gezwungen war, letztlich aber infolge Versicherungsdeckung keinen finanziellen Schaden erlitt, konnte mit der aus dem Spruch ersichtlichen Geldbuße das Auslangen gefunden werden.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.
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