OGH 11Os8/20s

OGH11Os8/20s18.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schöll als Schriftführer in der Strafsache gegen Dilan C***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Dilan C***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. September 2019, GZ 39 Hv 81/19i‑157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00008.20S.0218.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten Dilan C***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde Dilan C***** mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche von vier Mitangeklagten enthält, jeweils mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (I/1 und 4, IV, VI, VIII/2 und 3) sowie nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (I/2 und 3, V, VIII/1) schuldig erkannt.

Danach hat sie – verkürzt wiedergegeben – von 12. Mai 2018 bis 21. November 2018 in wiederholten Angriffen gemeinsam mit acht im Urteil namentlich genannten und weiteren unbekannten Mittätern (§ 12 StGB) als Mitglieder einer aus diesen bestehenden kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein- und Durchreise von teils zumindest drei Fremden in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gefördert, indem sie in elf im Urteil näher beschriebenen Fällen den dort genannten Mittätern ein auf sie registriertes Mobiltelefon und ein auf sie zugelassenes, im Urteil näher bezeichnetes Fahrzeug zur Koordinierung und zur Durchführung der Schlepperfahrten zur Verfügung stellte, wobei diese Mittäter jeweils nicht zur Einreise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union berechtigte türkische Staatsangehörige von M*****, Italien, über Österreich nach L*****, Deutschland, verbrachten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 (lit) a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Dilan C*****.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) macht nicht deutlich, inwiefern die von den Tatrichtern gezogenen Schlussfolgerungen zur subjektiven Tatseite der Beschwerdeführerin (US 19 f) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0099413, RS0116732, RS0099535) widersprechen sollten. Diese gründeten auf dem Umstand einer mehrjährig andauernden (vorerst) Lebensgemeinschaft und (sodann) Ehe der Angeklagten mit einem (unter anderem als Fahrer des von ihr zur Verfügung gestellten Schlepperfahrzeugs fungierenden und zu den Taten geständigen – US 21 f) Mittäter samt gemeinsamer Wohnungsnahme schon vor den inkriminierten Taten im Zusammenhalt mit ihrer – als vor der Polizei die Schilderung eigener Wahrnehmung nahe legend, in der Hauptverhandlung dies leugnenden, jedoch als auffallend widersprüchlich erachteten – Verantwortung sowie den übrigen objektiven Beweisergebnissen (US 23 f).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit Hinweisen auf vom Schöffensenat ohnedies erörterte Angaben von Mitangeklagten (US 25 bis 27) in Verbindung mit der (wiederholten) Behauptung einer unzureichenden Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite keine nach allgemeiner menschlicher Erfahrung gravierenden Bedenken (RIS-Justiz RS0119583) an der Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu erwecken. Die Beschwerdeführerin stellt den von den Tatrichtern aus den angeführten Verfahrensergebnissen abgeleiteten Schlüssen bloß eigenständig beweiswürdigend (vgl Ratz, WK‑StPO vor §§ 280–296a Rz 11, 13) gegenteilige, für sie günstigere Schlussfolgerungen gegenüber und verfehlt solcherart den Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0118780; zur Berufung auf den Zweifelsgrundsatz RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 9 [lit] a) orientiert sich nicht an den – im Rechtsmittel ohnedies wiedergegebenen – Konstatierungen zum der Angeklagten angelasteten Überlassen eines Mobiltelefons und eines Kraftfahrzeugs zur Koordinierung und zur Durchführung der Schlepperfahrten (US 19 bis 21 iVm US 3 ff) und legt nicht dar, weshalb darin keine tatbestandsmäßige Förderung der Ein- und Durchreise von Fremden liegen sollte (RIS‑Justiz RS0127813; Tipold, WK2 FPG § 114 Rz 10).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass der unbekämpft gebliebene, die Angeklagten Sofu C*****, Mehmet C***** und Yasin G***** betreffende Ausspruch über die Konfiskation (§ 19a Abs 1 StGB) von mehreren (in deren jeweiligem Eigentum stehenden) Mobiltelefonen (US 15) mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 erster Fall StPO) behaftet ist, weil dem Urteil – das insoweit bloß auf die Zustimmung der Angeklagten verweist (US 29) – mangels Feststellungen zur Verwendung der Telefone zur Tatbegehung keine hinreichenden Entscheidungsgrundlagen zu entnehmen sind. Da aber die Angeklagten in der Hauptverhandlung ausdrücklich auf die Ausfolgung verzichtet haben (ON 156 S 15, 38 und 63), bedarf es mangels konkreter Nachteile keiner amtswegigen Maßnahme (RIS‑Justiz RS0088201 [T11, T14]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (ON 162) folgt (§ 285e StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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