OGH 7Ob162/19b

OGH7Ob162/19b23.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** B*****, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 241.863,42 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Juli 2019, GZ 4 R 73/19m‑48, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00162.19B.1023.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger hat mit der Beklagten einen privaten Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, in dem unter anderem die Leistung einer Unfallrente vereinbart wurde. Die maßgeblichen „Klipp-und-Klar-Bedingungen“ der Beklagten für die Unfallversicherung U500 Fassung 12/2007 (in der Folge: U500 ) lauten auszugsweise:

Lebensrente – Art 8

Führt der Unfall zu einer dauernden Invalidität gem Art 7 von mindestens 50 %, wird unabhängig vom Lebensalter der versicherten Person die volle Unfallrente bezahlt.

Beträgt der festgestellte Invaliditätsgrad mindestens 35 %, jedoch weniger als 50 %, gelangt die Hälfte der vereinbarten Monatsrente zur Auszahlung.

[…]

Nach Feststellung unserer Leistungspflicht und der Rentenhöhe beginnt die Rentenleistung rückwirkend mit dem Monatsersten der dem Unfalltag folgt.

Garantiezeitraum:

Die Lebensrente wird lebenslang, jedoch mindestens 20 Jahre (Garantiedauer), monatlich im Voraus bezahlt. Stirbt der Versicherte vor Ablauf der Garantiedauer, so wird die Rente bis zum Ende der Garantiedauer an die Erben – sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde – bezahlt.

Die „Dynamikklausel 4 % für die Unfallversicherung A27D“ (in der Folge: A27D ) lautet:

Die Versicherungssummen sowie die Prämien werden jährlich zur Hauptfälligkeit der Prämie um 4 % erhöht. Die neuen Versicherungssummen bzw Prämien werden dem Versicherungsnehmer jeweils schriftlich bekanntgegeben. Bei der Anpassung werden die Versicherungssummen für dauernde Invalidität, Tod und Schmerzengeld auf volle EUR 10,--, die Versicherungssummen für die Unfall & Umsorgt Lebensrente, Unfall Lebensrente, Taggeld, Spitalgeld und Genesungsgeld auf volle EUR 0,10 gerundet. Versicherungssummen für sonstige Leistungen nach einem Unfall (zB Unfallkosten, Bergungskosten) bleiben unverändert.

Diese Vereinbarung kann – unbeschadet des Fortbestands der sonstigen Vertragsbestimmungen – für sich allein vom Versicherungsnehmer jährlich mit einer Kündigungsfrist von einem Monat auf den Zeitpunkt der Hauptfälligkeit der Prämie schriftlich gekündigt werden.

Gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass monatliche Rentenleistungen nicht nach der Dynamikklausel A27D valorisiert werden, zeigt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbes T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

1.2. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage ist, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RS0121516).

Auch die Auslegung von in Versicherungsbedingungen enthaltenen Klauseln ist aber nur dann revisibel, wenn deren Wortlaut nicht so eindeutig ist, dass Auslegungszweifel verbleiben können (RS0121516 [T6]).

2.1. Voraussetzung der Leistung ist nach Art 7.1 U500, dass die versicherte Person durch den Versicherungsfall – den Eintritt eines Unfalls (Art 2 U500) – auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist.

2.2. Eine private Unfallversicherung dient der Abdeckung bestimmter Folgen eines Unfalls, insbesondere auch der einer eingetretenen dauernden Invalidität. Die Invaliditätsentschädigung wird je nach dem Grad der zurückgebliebenen Dauerfolgen bemessen. Es handelt sich dabei um eine Summenversicherung, da die Leistung – anders als etwa bei der Abgeltung der Unfallskosten – unabhängig von dem Nachweis eines konkreten Vermögensnachteils in voller Höhe gebührt. Trotzdem dient die Invaliditätsentschädigung zumindest der pauschalen Abdeckung eines typischen Einkommensausfalls, aber eben nicht dem Ausgleich eines konkreten Mehraufwands (vgl RS0118777).

2.3. Nach der hier geltenden Klausel A27D werden die Versicherungssummen sowie die Prämien jährlich zur Hauptfälligkeit der Prämie um 4 % erhöht. Dies ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dahin zu verstehen, dass die Valorisierung ausschließlich Versicherungssummen und Prämien betrifft und keine (zusätzliche) Werterhöhung der einzelnen Rentenzahlungen vereinbart wird; es soll bloß eine Anpassung der Versicherungsleistung (im Ausmaß von 4 %) dadurch stattfinden, dass die für einen etwaigen Versicherungsfall (Unfall) zur Verfügung stehende Versicherungssumme (der monatliche Rentenbetrag) jährlich entsprechend erhöht wird. Der Umstand, dass nach der vorliegenden Bedingungslage keine ausdrückliche Klausel wie zu 7 Ob 232/08f vereinbart wurde, wonach die monatliche Unfallrente in der am letzten Polizzendokument ausgewiesenen Höhe gezahlt werde (vgl RS0124346), ändert nichts daran, dass ausgehend vom klaren Wortlaut der Klausel und aus den bereits dargelegten (Pkt 2.2.) auch schon zu 7 Ob 232/08f angestellten systematischen Überlegungen hinsichtlich der Höhe der Versicherungsleistung (hier der monatlichen Rente) auf die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls – dem Unfall als die Leistung des Versicherers auslösenden Ereignis – geltende Versicherungssumme abzustellen ist. Demgemäß ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass die vereinbarten Bedingungen keine Erhöhung der nach Eintritt des Versicherungsfalls auszuzahlenden Rente vorsehen, im Einzelfall nicht zu beanstanden.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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