European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00112.19F.0829.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
I. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil lauten:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 7.304,67 EUR samt 8,52 % Zinsen pA aus 90 EUR vom 25. 5. 2017 bis 5. 7. 2018 und Zinsen pA in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.304,67 EUR seit 6. 7. 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.815,66 EUR samt 9,08 % Zinsen aus 11.537 EUR vom 1. 5. 2016 bis 30. 6. 2016, 8,52 % Zinsen aus 11.537 EUR vom 1. 7. 2016 bis 24. 5. 2017, 8,52 % Zinsen aus 11.447 EUR vom 24. 5. 2017 bis 5. 7. 2018 und Zinsen pA in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.815,66 EUR seit 6. 7. 2018 zu zahlen, wird abgewiesen.“
II. Im Übrigen, also im Umfang der Abweisung von 416,67 EUR samt Zinsen sowie der Kostenentscheidung, wird das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
III. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Der Ehemann der Klägerin trat den Gesellschaftern (alle sind Familienangehörige) der in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Landwirtschaft sämtliche Ansprüche aus den Kaufverträgen über die Lieferung der mangelhaften Luzernesamen ab und diese nahmen die Abtretung an. Die Gesellschafter ermächtigten die Klägerin als Teilhaberin mit der alleinigen gerichtlichen Geltendmachung der Forderung.
Seit 2005 bezieht der Landwirtschaftsbetrieb der Familie der Klägerin Luzernesamen bei der Beklagten. Allen Beteiligten war klar, dass die beklagte Landwirtin über kein Zertifikat zum Vertrieb von Luzernesaatgut verfügt. Sie bietet selbst erzeugtes Saatgut („Nachbausaatgut“) an, das extern auf herkömmliche Art und Weise gereinigt wird; es wird insbesondere nicht auf den Befall mit Kleeseide überprüft und ist nicht als Saatgut zertifiziert. Bei den vom Ehemann der Klägerin im Jahr 2016 von der Beklagten gekauften Produkten handelt es sich um biologisch produzierte Luzernesamen, jedoch weder um amtlich anerkanntes, noch zertifiziertes, noch entsprechend geprüftes oder gekennzeichnetes Saatgut. Bei amtlich anerkanntem und zertifiziertem Saatgut ist der Befall mit Kleeseide ausgeschlossen, bei Nachbausaatgut trotz herkömmlicher Reinigung nicht.
Allen Beteiligten (Klägerin, deren Ehemann, Beklagter, deren Vater) war klar, dass es sich um Nachbausaatgut und nicht um kontrolliertes Originalsaatgut handelt. Mit der Verwendung von Nachbausaatgut geht das Risiko des Befalls mit Kleeseide einher. Wer nicht zertifiziertes Saatgut kauft, der muss damit rechnen, dass dieses mit Kleeseide befallen ist. Ein „ordnungsgemäßer“ Landwirt würde daher kein Nachbausaatgut auf seinen Feldern ausbringen.
Am 30. 3. 2016 erwarb der Ehemann der Klägerin 300 kg Luzernesamen von der Beklagten. Bei der Abholung wurde nichts weiter gesprochen. Es handelte sich um eine übliche Vorgangsweise, weil „von den Beteiligten“ bereits seit Jahren Luzernesamen auf diese Art erworben und abgeholt wurden. Am selben Tag schüttete die Klägerin die von ihrem Ehemann erworbene Luzerne in verschiedene Plastikkübel um, ohne den Inhalt der einzelnen Säcke zu vermischen.
Anfang April 2016 wurden die Samen auf verschiedenen Feldern des landwirtschaftlichen Betriebs der Familie der Klägerin ausgebracht. Vor dem Anbau wurden die Samen – außer der Sichtung beim Umfüllen – nicht überprüft.
Mitte August 2016 mähte der Ehemann der Klägerin ein Feld, auf dem die Samen dieser Tranche angebaut worden waren, und nahm eine ungewöhnliche Verunreinigung wahr. Er und die Klägerin erkannten nach einer entsprechenden Recherche, dass Kleeseide aufgegangen war.
Am darauffolgenden Tag rief der Ehemann der Klägerin den Vater der Beklagten an und berichtete vom Befall mit Kleeseide. Dieser meinte, dass das schon der Fall sein könnte, wenn man die erworbenen Samen mit einem sogenannten „Ausputz“ vermischt habe. Der Ehemann der Klägerin erklärte letztlich, er werde einen Reinigungsschnitt machen und dann werde man weitersehen.
Einige Monate später entnahm die Klägerin eine Stichprobe der Samen aus der Tranche und holte am 10. 4. 2017 einen Prüfbefund ein, wodurch sich der Verdacht auf Verunreinigung mit Kleeseide bestätigte. Die Samen aus dieser Lieferung waren mit Kleeseide durchseucht. Ein Befall von Luzernesamen mit Kleeseide ist mit bloßem Auge nur durch einen geübten Saatgutexperten im Labor erkennbar. Eine Befundung auf Kleeseide durch einen Landwirt mit bloßem Auge ist weder zielführend noch üblich.
Die Kleeseide ist eine Samenpflanze, die parasitisch bevorzugt an verschiedenen Kleearten lebt und diese als Schmarotzerin abtötet. Sie sorgt nicht nur für Ertragsverluste, sondern auch für eine verringerte Stickstofffixierleistung, was zu weiteren Ertrags‑ und Qualitätseinbußen führt. Bei einem Befall mit Kleeseide gilt eine „absolute Nulltoleranz“. Luzernesaatgut, das mit Kleeseide befallen ist, darf nicht in den Verkehr gebracht werden. Bei einem Befall sind nach dem Anbau umfangreiche Maßnahmen erforderlich. Der Klee‑ und Luzerneanbau muss 15 Jahre lang ausgesetzt werden. Nach der Bodenbearbeitung müssen die Geräte zur Vermeidung von Samenverschleppung sorgfältig gereinigt werden.
Der Klägerin und dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb entstanden durch den Befall mit Kleeseide folgende Aufwendungen: Kauf von 230 Rundballen Klee zu 45 EUR pro Ballen (gesamt 10.350 EUR), wobei sich der landwirtschaftliche Betrieb zweimaliges Mähen, zweimaliges Pressen und zweimaliges Wickeln im Zusammenhang mit der Ernte der Luzerne (insgesamt 4.600 EUR) ersparte, die Differenz beträgt daher 5.750 EUR. Dazu kommt ein „Fruchtfolgeschaden“ (15‑jährige Pause) bei einer Fruchtfolge von fünf Jahren durch die notwendige zusätzliche Pacht von Flächen im Ausmaß von 6,97 ha, jedoch berücksichtigend den Deckungsbetrag durch Anbau anderer Pflanzen auf den von Kleeseide befallenen Flächen, insgesamt resultiert daraus ein Schaden von 4.182 EUR.
Die Klägerin und die Mitarbeiter im Familienbetrieb beseitigten den Bewuchs der befallenen Luzerneflächen und bearbeiteten den Boden, woraus ein Aufwand von 890 EUR, der durch die Verunreinigung verursacht war, resultierte.
Nicht festgestellt werden konnte, dass im landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin für eine besondere Reinigung der Gerätschaften gesorgt wurde, mit denen die betroffenen Flächen bearbeitet wurden und werden. Eine ordnungsgemäße Reinigung der Gerätschaften würde 625 EUR an zusätzlichem Aufwand verursachen.
Der landwirtschaftliche Betrieb kann den Restbestand aus dieser Lieferung von Luzernesamen aufgrund des Befalls mit Kleeseide nicht verwenden; dafür wurden ca 90 EUR an anteiligem Kaufpreis gezahlt.
Mit der im August 2017 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten zuletzt die Zahlung von 11.537 EUR. Sie betreibe einen landwirtschaftlichen Biobetrieb. Ihr Vater habe die Luzernesamen von der Beklagten in Bioqualität – laut Zertifikat – zum Anbau im landwirtschaftlichen Betrieb um insgesamt 2.000 EUR erworben. Die Luzerne sei zur weiteren Futtermittelverwendung auf landwirtschaftlichen Grundstücken auf einer Gesamtfläche von 6,97 ha angebaut worden. Nach Eintreten der Reife der Luzerne habe sich herausgestellt, dass diese in hohem Grad mit Kleeseide befallen sei. Dadurch habe die gesamte Luzerneernte vernichtet werden müssen. Der Befall mit Kleeseide sei sofort nach Hervorkommen bei der Beklagten moniert worden. Diese sei jedoch nicht bereit gewesen, für den Qualitätsmangel der Luzernesamen einzustehen. Der Klagebetrag setze sich aus „den 9.932 EUR an Schadensbetrag wie vom Sachverständigen errechnet“, den „schadhaften“ restlichen Luzernesamen von 90 EUR, den „Entsorgungskosten“ von 890 EUR und den Reinigungskosten von 625 EUR zusammen. Den Anspruch betreffend die Rückzahlung des Kaufpreises begehrte die Klägerin (nach dem seinem Wortlaut nach unstrittigen Antwortschreiben Beil ./2; vgl RIS‑Justiz RS0121557 [T2]) am 24. 5. 2017 von der Beklagten; die Schadenersatzansprüche machte sie erstmals in der Verhandlung vom 6. 7. 2018 gegenüber der Beklagten geltend.
Die Beklagte wandte zusammengefasst und für das Revisionsverfahren von Relevanz ein, die verkauften Luzerne seien nicht mit Kleeseide kontaminiert gewesen. Die Klägerin habe die von ihr gekaufte Luzerne mit qualitativ geringwertigem Material („Ausputz“) versetzt, worauf eine allfällige Kontaminierung zurückzuführen sei. Sie habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, weil sie vor der Aussaat das Saatgut überprüfen hätte müssen; da sie dies unterlassen habe, habe sie einen allfälligen Schaden alleine zu verantworten und zu vertreten. Dass der verkaufte Luzernesamen mit Kleeseide befallen gewesen sei, sei auszuschließen, weil dieser „lebensmittelgerecht“ gereinigt worden sei. Diese Reinigung habe ein anderes Unternehmen durchgeführt. Die Klägerin habe gewusst, dass es sich um Nachbausaatgut handle. Sie habe damit rechnen müssen, dass dieses verunreinigt ist, und daher einen allfälligen Schaden selbst zu verantworten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die von der Beklagten erbrachte Leistung sei nicht hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückgeblieben. Der Ehemann der Klägerin habe Nachbausaatgut gekauft, das mit dem Risiko eines Befalls mit Kleeseide behaftet sei. Dieses Risiko sei bei zertifiziertem Originalsaatgut nicht vorhanden, weshalb es auch einen eklatanten Preisunterschied gebe. Ein „ordnungsgemäßer“ Landwirt kaufe kein Nachbausaatgut. Die Klägerin und ihr Familienbetrieb hätten sich durch den Kauf des sehr viel billigeren Nachbausaatguts über die Jahre sehr viel Geld erspart und das Risiko in Kauf genommen, dass die Samen verunreinigt sein könnten. Nun sei der Befall mit Kleeseide aufgetreten und es erscheine „gerecht“, dass die Klägerin, die sich die Jahre zuvor sehr viel Geld erspart hätte, nun für den Schaden selbst aufkommen müsse.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Die Beweisrüge zur Negativfeststellung über die Reinigung der Gerätschaften erledigte es nicht, sondern hielt diese Feststellung im Hinblick auf die Abweisung des Klagebegehrens bereits dem Grunde nach für nicht relevant. Rechtlich führte es aus, trotz der langjährigen Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien ergebe sich daraus keine berechtigte Erwartung der Klägerin auf ein mängelfreies Nachbausaatgut. Sie habe keineswegs darauf vertrauen können, dass auch diese Nachbausaatlieferung mängelfrei und damit nicht kontaminiert ist. Sie sei das Risiko eines allfälligen Befalls mit Kleeseide bewusst eingegangen und dieses Risiko habe sich nunmehr nach Jahren verwirklicht. Aufgrund der jahrelangen Geschäftsbeziehung und des bislang mangelfreien Nachbausaatguts habe die Klägerin nicht „von der gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft der Mangelfreiheit des Saatgutes“ ausgehen dürfen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beklagten der Verwendungszweck bewusst gewesen sei „oder“ diese gegen „die Vorschriften des Saatgutrechts“ verstoßen habe. Sie sei vielmehr in Kenntnis des Risikos gewesen, als sie das Nachbausaatgut erworben habe. Sie habe demnach die Folgen des sich nunmehr nach Jahren erstmals verwirklichten – aber bewusst immer wieder eingegangenen – Risikos selbst zu tragen. Wer dieses Risiko bewusst durch den Kauf eines viel kostengünstigeren Nachbauprodukts eingehe, könne sich im Nachhinein – nach Verwirklichung des Risikos – nicht darauf berufen, dass der Verkäufer ein solches Produkt nicht verkaufen hätte dürfen. Auch wenn die Beklagte „gegen Vorschriften des Saatgutrechts“ verstoßen habe, so trete ihr Verschulden im Hinblick auf das bewusste Eingehen des Risikos durch die Klägerin vollständig in den Hintergrund.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich für zulässig, weil zur Frage, ob sich ein Erwerber von ungeprüftem bzw nicht zertifiziertem Nachbausaatgut durch bewusstes Eingehen „des Risikos des Erwerbs von verseuchtem bzw mit Kleeseide befallenen Saatgut“ bei Verwirklichung des Risikos auf ein „Mitverschulden des Verkäufers“ berufen könne, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Die – von der Beklagten beantwortete – Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Gemäß § 922 Abs 1 ABGB leistet, wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann.
Eine Leistung ist als mangelhaft anzusehen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, also dem Vertragsinhalt, zurückbleibt (RS0018547). Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0018547 [T5, T6]). Der Kaufgegenstand muss auch der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RS0114333 [T3]).
1.2. Der Ehemann der Klägerin, dessen Ansprüche aus dem Kaufvertrag ihr letztlich abgetreten wurden, ist ebenso wie die Beklagte Landwirt. Der Kauf der Luzernesamen war für beide Teile ein unternehmensbezogenes Geschäft im Sinn des § 377 UBG. Nach Abs 1 dieser Bestimmung hat der Käufer dem Verkäufer Mängel der Ware binnen angemessener Frist anzuzeigen, die er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang nach Ablieferung durch Untersuchung festgestellt hat oder feststellen hätte müssen. Eine Befundung auf Kleeseide durch einen Landwirt ist mit bloßem Auge weder zielführend noch üblich. Ein Befall von Luzernesamen mit Kleeseide ist mit bloßem Auge nur durch einen geübten Saatgutexperten im Labor erkennbar. Für den Käufer bestand damit nach der Lieferung keine Möglichkeit, die Verunreinigung der gekauften Luzernesamen mit Kleeseide festzustellen. Dass der Ehemann der Klägerin den Mangel nach dem Anbau der Luzernesamen rechtzeitig im Sinn des § 377 Abs 3 UBG einem Vertreter der Beklagten anzeigte, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Der Käufer hat daher rechtzeitig die Mängelrüge erstattet.
1.3. Gegenstand des Kaufs waren 300 kg Luzernesamen, die von der Beklagten selbst erzeugt worden waren. Der Käufer hatte Kenntnis davon, dass die Beklagte über kein Zertifikat zum Vertrieb von Luzernesaatgut verfügte, es sich um „Nachbausaatgut“ und nicht um zertifiziertes Saatgut handelte. Auch aus der Natur des Geschäfts kann sich ergeben, was gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft ist und daher nach der Verkehrsauffassung stillschweigend vorausgesetzt wird (Reischauer in Rummel/Lukas ABGB4 §§ 922, 923 Rz 42 mit Judikaturnachweisen). Nach § 922 Abs 1 Satz 2 ABGB hat der Übergeber auch dafür Gewähr zu leisten, dass die Sache der Natur des Geschäfts oder (= und) der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann. Es geht demnach um die Brauchbarkeit der Sache, insbesondere deren ordentlichen Gebrauch (Reischauer aaO §§ 922, 923 Rz 97). Luzernesamen werden seit 2005 von der Beklagten bezogen und im landwirtschaftlichen Familienbetrieb der Klägerin angebaut. Über die Qualität des Saatguts wurde zwischen den Parteien des Kaufvertrags nicht näher gesprochen. Zwar muss derjenige, der nicht zertifiziertes Saatgut kauft, damit rechnen, dass dieses mit Kleeseide befallen ist, jedoch ist Natur des Geschäfts (wie der Beklagten bekannt war) die Verwendung des Saatguts auf dem Feld, um die Luzerne später zu ernten und (als Futtermittel) zu verwenden. Brauchbar sind die Luzernesamen nur, wenn sie keine diesen Zwecken entgegenstehenden Verunreinigungen aufweisen, sodass diese Eigenschaft, sofern – wie hier – kein ausdrücklich gegenteiliger Hinweis der Beklagten erfolgte, Vertragsinhalt wurde.
Da die gelieferten Luzernesamen diesem Vertragsinhalt nicht entsprachen, sondern massiv mit Kleeseide verunreinigt waren, ist die Klägerin gemäß § 932 Abs 4 ABGB zur Wandlung des Kaufvertrags berechtigt. Sie begehrt die teilweise Wandlung durch Rückabwicklung des noch vorhandenen, verunreinigten Rests der Lieferung im Wert von 90 EUR. Dieser Kaufpreisteil, der am 24. 5. 2017 gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde, steht ihr daher aus dem Titel der Wandlung (samt Verzugszinsen nach § 456 UGB ab dem Folgetag) zu.
2. Luzerne unterliegt gemäß § 2 Abs 1 Saatgutverordnung, BGBl II 2006/417, und Punkt 1.2.2.16 deren Anlage iVm § 4 Saatgutgesetz 1997 (BGBl I 1997/72 idgF; kurz: SaatG 1997) diesem Bundesgesetz. Saatgut darf grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 7 SaatG 1997 in Verkehr gebracht werden. Unter „Inverkehrbringen“ ist das Vorrätighalten zum Verkauf, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen im geschäftlichen Verkehr zu verstehen (§ 2 Abs 2 SaatG 1997). Durch die Regelung des geschäftlichen Verkehrs mit Saatgut soll eine nachhaltige Schädigung sowohl der Landeskultur durch minderwertiges, insbesondere mit gefährlichen Schadorganismen und Beimengungen kontaminiertes Saat- und Pflanzgut, als auch der Landwirte durch Qualitäts‑ und Ertragseinbußen vermieden werden. Ferner soll ein unlauterer Wettbewerb zu Lasten der Saatgutwirtschaft hintangehalten werden (vgl ErläutRV 580 BlgNR 20. GP 38 [zur Stammfassung]). Schutzzweck des Inverkehrbringens von bestimmtem, in § 7 SaatG 1997 genannten Saatgut (insbesondere zertifiziertem Saatgut) ist daher auch, dass Landwirte durch mangelhaftes Saatgut bei der Ernte keine Qualitäts‑ und Ertragseinbußen erleiden.
Bei den von der Beklagten verkauften biologisch produzierten Luzernesamen handelt es sich weder um amtlich anerkanntes, noch zertifiziertes, noch entsprechend geprüftes oder gekennzeichnetes Saatgut. Es hätte gemäß § 7 SaatG 1997 nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Gegen diese Bestimmung hat die Beklagte verstoßen. Ein Verstoß dagegen erfüllt den Verwaltungsstraftatbestand nach § 71 Abs 1 Z 1 lit a SaatG 1997. Die beklagte Landwirtin wäre gemäß § 2 Abs 3 Z 4 SaatG 1997 nur zur Herstellung und Verwendung des Saatguts im eigenen Betrieb berechtigt gewesen, weil dies nach der gesetzlichen Definition kein „Inverkehrbringen“ ist. Sie hat durch den Verkauf der Luzernesamen (zum Zweck der Aussaat) gegen das genannte gesetzliche Verbot verstoßen, wobei der Käufer als Landwirt vom Schutzzweck erfasst ist; sie hat daher gemäß § 1311 ABGB grundsätzlich für den eingetretenen Schaden zu haften.
3.1. Nach § 1304 ABGB kann die Haftung eines Schädigers in jenem Ausmaß entfallen, in dem ein Verschulden von Seiten des Geschädigten bei einer Beschädigung mitgewirkt hat; im Zweifel haften Schädiger und Geschädigter zu gleichen Teilen.
Hat der Geschädigte selbst eine Ursache gesetzt, die gleichermaßen wie die vom Dritten gesetzte Ursache geeignet war, den Schaden herbeizuführen, haben beide gemeinsam für den Schaden einzustehen (vgl RS0027284). Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens im Sinn des § 1304 ABGB setzt die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern voraus (RS0022681; RS0032045). Ob einem Geschädigten demnach ein Mitverschulden anzulasten ist (RS0022681 [T7]) und welches Gewicht diesem zukommt (vgl RS0087606), hängt zwar regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab. In diesem Punkt liegt aber eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor.
3.2. Nach den Feststellungen war allen Beteiligten klar, dass die Beklagte über kein Zertifikat zum Vertrieb von Luzernesaatgut verfügte und es sich bei den biologisch produzierten Luzernesamen um Nachbausaatgut und nicht um kontrolliertes „Originalsaatgut“ handelte. Wer nicht zertifiziertes Saatgut kauft, muss damit rechnen, dass dieses unerwünschte Verunreinigungen enthält. Mit der Verwendung von Nachbausaatgut geht ua das Risiko eines Befalls mit Kleeseide einher. Ein „ordnungsgemäßer“ Landwirt würde daher kein Nachbausaatgut auf seinen Feldern ausbringen. Diese Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist der Klägerin anzulasten.
Umso mehr musste aber der Beklagten das Risiko eines Befalls mit Kleeseide bekannt sein. Als Produzentin hätte sie zudem erkennen können, dass ihr selbst erzeugtes Saatgut mit Kleeseide verunreinigt ist, hatte sie doch die Möglichkeit, während des Produktionsvorgangs den Zustand der Luzerne und das Vorhandensein bedenklichen Beiwuchses zu überprüfen. Weiters verstieß sie gegen ein an sie als Produzentin gerichtetes Schutzgesetz (§ 7 SaatG 1997).
Hat die Klägerin entgegen dem Handeln eines ordentlichen Landwirts Nachbausaatgut auf den Feldern aufgetragen, veräußerte demgegenüber die Beklagte (verbots- und sorgfaltswidrig) verunreinigtes Nachbausaatgut, hätte diese als Produzentin die Verunreinigung mit Kleeseide erkennen können und ist ihr ebenso wie dem Käufer das mögliche Risiko eines Befalls mit Kleeseide bewusst, so ist eine Verschuldensgewichtung von 1:2 zu Lasten der Beklagten sachgerecht. Die Beklagte hat daher der Klägerin zwei Drittel der festgestellten Schäden zu ersetzen.
4.1. An Schäden sind im landwirtschaftlichen Familienbetrieb Aufwendungen für den Kauf von 230 Rundballen Klee im Ausmaß von 5.750 EUR entstanden. Weiters ist der „Fruchtfolgeschaden“ von 4.182 EUR zu berücksichtigen. Die Beseitigung des Bewuchses der befallenen Luzerneflächen und die Bearbeitung des Bodens erforderte einen Aufwand von 890 EUR. Diese Schadenersatzbegehren sind im Umfang von zwei Drittel berechtigt. Da die Klägerin diese Ansprüche erstmals in der Tagsatzung vom 6. 7. 2018 gegenüber der Beklagten geltend machte, stehen ihr auch erst ab diesem Zeitpunkt Verzugszinsen (nach § 456 UGB) zu.
4.2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts müssen nach der Bodenbearbeitung die Geräte zur Vermeidung von Samenverschleppung sorgfältig gereinigt werden. Eine ordnungsgemäße Reinigung nach der Bearbeitung verursacht einen zusätzlichen Aufwand von 625 EUR. Infolge ihres Mitverschuldens steht der Klägerin ein Drittel dieses Schadensersatzbegehrens jedenfalls nicht zu. Über den weiteren Betrag von 416,67 EUR kann aber noch keine Entscheidung getroffen werden, weil das Berufungsgericht die Beweisrüge der Klägerin zur Negativfeststellung des Erstgerichts, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Familienbetrieb der Klägerin für eine besondere Reinigung der Gerätschaften gesorgt hat, mit denen die betroffenen Flächen bearbeitet wurden und werden, nicht erledigte. Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Behandlung der Beweisrüge nachzuholen und über das verbliebene Teilbegehren zu entscheiden haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin nur Reinigungskosten zu ersetzen wären, die bereits angefallen sind.
5. Der Revision der Klägerin ist somit teilweise Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind in ein entsprechendes Teilurteil abzuändern.
Im Übrigen, also im Umfang von 416,67 EUR samt Zinsen aus diesem Betrag seit 6. 7. 2018, ist das Urteil des Berufungsgerichts aus dem zu 4.2. dargelegten Grund aufzuheben und diesem die abschließende Erledigung der Beweisrüge der Klägerin aufzutragen.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 50 Abs 1, § 52 Abs 1 und 4 ZPO.
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