OGH 6Ob67/19z

OGH6Ob67/19z29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, wegen 30.929,58 EUR sA (Revisionsinteresse 19.284,02 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Dezember 2018, GZ 11 R 149/18i‑78, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. August 2018, GZ 9 Cg 7/16i‑72, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00067.19Z.0829.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob den Werkunternehmer im Hinblick auf Vorarbeiten, die in bloßen Grabungsarbeiten bestanden und deren Umfang nicht feststeht, eine Prüfpflicht (§ 1168a ABGB) trifft.

Im Jahr 2003 ließ der Kläger von einem inzwischen insolventen Unternehmen einen an sein Einfamilienhaus angrenzenden Wintergarten auf seiner Liegenschaft in W***** errichten. Im Jahr 2011 begann ein (anderes) Bauunternehmen mit Aushubarbeiten zur Errichtung eines Pools auf dieser Liegenschaft. Warum es diese Arbeiten nicht fortsetzte, steht nicht fest; im Anschluss daran beauftragte der Kläger aber jedenfalls den Beklagten mit den Aushubarbeiten und Arbeiten am Pool. In weiterer Folge kam es zur Senkung des Wintergarten, was zu Rissen am gesamten Bauwerk im Fassaden‑ und Fensterbereich und auf der Terrasse führte.

Das Erstgericht nahm eine Verletzung der Warnpflicht durch den Beklagten an und verpflichtete ihn zur Zahlung von 4.844,40 EUR. Hätte der Beklagte den Boden untersucht und Erhebungen zur Tiefe des Wintergartenfundaments getätigt, was in der Baubranche bei Einfamilienhäusern und vor allem dann üblich sei, wenn mit der Baugrube sehr nahe an den (hier: Wintergarten‑)Bauteil herangebaut wird, hätte vor Durchführung der Aushubarbeiten eine Bodenverbesserung durchgeführt werden können; die Wintergartenfundamente reich(t)en nicht bis zur Kellersohle des Gebäudes. In diesem Fall wären Schäden nicht eingetreten. Ein Teilklagebegehren von 14.439,62 EUR im Zusammenhang mit Pumpenschacht und Dehnfuge wies das Erstgericht ab, weil diese nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, das restliche Klagebegehren, weil es sich bei den geltend gemachten Kosten um Sowieso‑Kosten gehandelt habe.

Das Berufungsgericht verneinte eine Warnpflichtverletzung und wies das gesamte Klagebegehren ab. Der Beklagte habe keine Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Ausführung des Wintergartenfundaments gehabt, zumal er schlicht die vom zuvor tätig gewesenen Bauunternehmen begonnenen Aushubarbeiten fortsetzte. Es sei dem Beklagten auch keine Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten, weil er bei Übernahme der Aushubarbeiten davon ausgehen durfte, dass das Bauunternehmen alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 1168a ABGB ist, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt, der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. Unter den „Stoff“ iSd § 1168a ABGB fällt auch der vom Bauherrn zur Errichtung eines Gebäudes zur Verfügung gestellte Baugrund (RS0022227 [T3]). „Offenbar“ ist der Mangel eines Stoffes nicht nur dann, wenn er in die Augen fällt und jedermann sogleich erkennbar ist, sondern auch dann, wenn der Mangel bei der auf Seite des Unternehmers vorausgesetzten Fachkenntnis bei sachgemäßer Behandlung des Stoffes und Ausführung der Arbeit von diesem erkannt werden muss (RS002227). Die Warnpflicht des Unternehmers erstreckt sich allerdings nur auf solche Umstände, die vom Unternehmer aufgrund seiner Sachkenntnis als den Werkerfolg allenfalls beeinträchtigend erkannt werden müssen (RS0021966).

1.2. Die Warnpflicht besteht immer nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten (RS0022268). Wenn der Mangel nicht auffallen muss, dann kann eine Warnpflicht nur dann angenommen werden, wenn der Unternehmer eine besondere Kontrollpflicht übernommen hat; dies gilt insbesondere dann, wenn der bestehende Mangel ein anderes Gewerk betrifft (vgl 7 Ob 152/16b).

§ 1168a ABGB gilt auch für den Fall ungenügender Vorleistungen anderer Gewerbetreibender, die Grundlage des bestellten Werkes des Unternehmers sind (RS0025649). Eine Warnpflicht besteht daher auch, wenn der Unternehmer ein von einem anderen gleichwertigen Unternehmer mangelhaft begonnenes Werk zur Vornahme weiterer Arbeiten an diesem Werk übernommen hat (RS0021901). So wurde etwa in der Entscheidung 8 Ob 55/63 ausgeführt, dass dem mit der Verkleidung von Betonstufen beauftragten Unternehmer hätte auffallen müssen, dass die Stufen von einem anderen, zuvor tätigen Unternehmer unsachgemäß hergestellt worden waren. Dies lässt sich damit begründen, dass zu dem Begriff des „Stoffs“ iSd § 1168a ABGB auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers zählen, auf die der Werkunternehmer aufbauen muss (8 Ob 579/90); gleiches gilt für Vorarbeiten des Bestellers selbst (7 Ob 82/97b). Nach zwischenzeitig ständiger Rechtsprechung geht die Aufklärungspflicht allerdings nicht so weit, dass der Werkunternehmer davon ausgehen müsste, dass sein (fachkundiger) „Vormann“ nicht fachgerecht gearbeitet hätte (RS0021941 [T4]; krit Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 [2018] § 1168a Rz 42).

1.3. Ob im Einzelfall das Unterbleiben der Aufklärung über einen bei vorauszusetzender Sachkunde erkennbaren Umstand eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung darstellt, kann wegen der Kasuistik der Fallgestaltung keine allgemein bedeutsame Frage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abgeben (RS0116074); auch der Umfang der Warnpflicht richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (RS0116074 [T1]).

Im vorliegenden Fall ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Schäden, hinsichtlich derer das Erstgericht einen Zuspruch vorgenommen hat, darauf zurückzuführen sind, dass der Beklagte die unsachgemäße Errichtung des Fundaments des Wintergartens nicht erkannt hatte; hätte er eine in der Baupraxis übliche Erhebung zur Tiefe des Wintergartenfundaments durchgeführt, hätten die Schäden durch eine anschließend durchgeführte Bodenverbesserung vermieden werden können. Der Sachverständige hat auch explizit ausgeführt, dass zwar eine Verkehrssitte besteht, die Fundamente eines Wintergartens bis zum Kellerniveau auszuführen, dass es aber dennoch in der Baupraxis üblich sei, vor Aushubarbeiten wie im vorliegenden Fall eine Erhebung vorzunehmen, wenn nahe an einem Wintergarten gebaut werden soll (AS 377, 421). Daraus ließe sich eine Warnpflichtverletzung ableiten.

Zum anderen ist aber beachtlich, dass vor dem Tätigwerden des Beklagten zunächst bereits ein anderes Bauunternehmen mit den Aushubarbeiten begonnen hatte, weshalb die Überlegung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar erscheint, wonach der Beklagte, der zu einer bereits begonnenen Baustelle hinzukam, nicht davon ausgehen musste, dass sein Vormann die in der Baubranche übliche Untersuchung unterlassen hatte. Bei dieser Sonderkonstellation, die sich von dem der Entscheidung 8 Ob 55/63 zugrunde liegenden Fall deutlich unterscheidet, würde es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten darstellen, vom Beklagten zu verlangen, gewissermaßen wieder „von vorne anzufangen“ und zunächst das Fundament des Wintergartens zu prüfen, zumal aus technischer Sicht eine derartige Untersuchung wohl primär vor Beginn von Aushubarbeiten Sinn gemacht hätte. Damit wäre eine (erneute) Prüfung nur dann zu verlangen gewesen, wenn bereits oberflächlich Hinweise auf eine mangelhafte Vorausführung erkennbar gewesen wären. Solche sind aber im Verfahren nicht hervorgekommen.

2. Soweit der Kläger in seiner Revision davon ausgeht, bei den von ihm aufgewendeten und eingeklagten Kosten in Höhe von 14.439,62 EUR im Zusammenhang mit Pumpenschacht und Dehnfuge habe es sich nicht um Kosten zur Fundierung des Wintergartens und damit nicht um Sowieso-Kosten gehandelt, weicht er von seinem eigenen Vorbringen im Verfahren erster Instanz ab:

In der Klage sowie im Schriftsatz ON 5 wurde der gesamte Klagsbetrag von 29.497,48 EUR damit begründet, dass es zu Schäden am Wintergarten gekommen sei und die Behebung „dieser“ Schäden den Klagsbetrag ausmache. Im Schriftsatz ON 13 wurde zwar vorgebracht, dass der Beklagte bestimmte Arbeiten am Schachtraum mangelhaft durchgeführt habe, aber kein Konnex zu den Klagspositionen hergestellt und keine bestimmte Höhe von Schadensbehebungskosten in diesem Zusammenhang behauptet. In der Tagsatzung ON 14 wurde (auch) die Rechnung über 14.439,62 EUR vorgelegt und vorgebracht, es hätten mittlerweile „Sanierungsarbeiten“ stattgefunden; ein Konnex zum Pumpenschacht wurde im Klagsvorbringen nicht hergestellt. In der Tagsatzung ON 19 wurde auf AS 141 erörtert, was das Abflussrohr des Duschplatzes mit der gegenständlichen Rechtssache zu tun habe. Der Kläger brachte diesbezüglich vor, dass es aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Arbeiten des Beklagten zu einer Durchfeuchtung des Erdreichs gekommen sei, „die zuletzt auch die Absenkung des Wintergartens nach sich gezogen habe“; ebenso verhalte es sich mit dem Gräder, der als Füllmaterial zwischen gewachsenem Erdreich und Pool eingefüllt worden sei. Im Schriftsatz ON 41 wurde vorgebracht, die Rechnung Beilage ./O über 14.439,62 EUR beinhalte lediglich eine Position betreffend Abdichtung des Pumpenhauses, welche mit einem Pauschalpreis von 920 EUR in Rechnung gestellt werde, während die übrigen Positionen dieser Rechnung Arbeiten am Wintergarten beträfen; der Beklagte sei mit Abdichtungsarbeiten am Pumpenhaus beauftragt worden. Der Sachverständige führte daraufhin aus, dass keine Position der Beilage ./O den Wintergarten betreffe (AS 371, 415). Inhaltlich äußerte sich der Sachverständige zum Pumpenschacht nicht; es liege im Gerichtsakt nichts auf, dass die Abdichtung vom Beklagten hergestellt worden wäre (AS 263). In der Tagsatzung ON 67 verwies der Beklagte darauf, dass klagsgegenständlich nur die Setzung des Wintergartens sei, nicht jedoch die Abdichtung des Pumpenschachts und daraus resultierende Schadenersatzansprüche; dabei handle es sich um ein komplett neues Thema. Daraufhin erstattete der Kläger kein darauf bezugnehmendes Gegenvorbringen. Abschließend gab die Richterin bekannt, dass die Frage der Dichtheit des Pumpenschachts bzw der fehlenden Dehnfugen nicht klagsgegenständlich sei, sondern nur die Setzung des Wintergartens (AS 417), worauf der Kläger nicht weiter reagierte.

Davon ausgehend ist es jedenfalls vertretbar, wenn sich die Vorinstanzen mit Schäden am Pumpenschacht oder fehlenden Dehnfugen nicht beschäftigten, ordnete der Kläger die Positionen in Beilage ./O doch selbst stets dem Wintergarten zu. Dann fehlt es aber hinsichtlich dieser Kosten an einer Anspruchsgrundlage.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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