OGH 8Ob55/63

OGH8Ob55/6319.3.1963

SZ 36/41

Normen

ABGB §1168a
ABGB §1168a

 

Spruch:

Warnpflicht des Unternehmers nach § 1168a ABGB. auch bei einem vom Besteller mangelhaft begonnenen Werk.

Entscheidung vom 19. März 1963, 8 Ob 55/63.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin führte im Jahre 1960 im Auftrage der Beklagten Bodenverlegungsarbeiten und Wandverkleidungen auf drei verschiedenen Baustellen durch, wobei der vereinbarte Preis bei Bodenverlegungen 280 S pro m2 und bei Wandverkleidungen (Mosaik) 400 S pro m2 betrug. Der gesamte von der Klägerin verrechnete Fakturenbetrag machte 57.394 S aus, worauf die Beklagte 33.877 S 21 g bezahlte. Den Restbetrag von 23.516 S 79 g samt 5% Zinsen seit 5. Oktober 1960 begehrt die Klägerin als noch offenen Fakturenbetrag. Die Beklagte wendete unter anderem Gegenforderungen im Gesamtbetrage von 22.343 S 41 g aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 20.514 S 19 g, die aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes eingewendeten Gegenforderungen mit 1984 S 30 g als zu Recht bestehend, die weiteren Gegenforderungen von 20.359 S 11 g als nicht zu Recht bestehend. Es erklärte demgemäß die Beklagte schuldig, der Klägerin 18.529 S 89 g zu bezahlen. Die Abweisung des Mehrbegehrens unterließ es im Spruch des Urteiles. Das Erstgericht nahm folgenden für die Entscheidung des Revisionsgerichtes wesentlichen Sachverhalt als erwiesen an: Die Stufen auf der Baustelle A.straße 18 seien ungleich hoch. Die Kosten der Behebung belaufen sich auf 500 S; zwecks Behebung der Mängel sei der Schutz der Stufen durch ein Gerüst notwendig, das einen Aufwand von 200 S erfordere. Die Seitenverkleidung der Treppe - das Gewände - müsse bei der Reparatur nicht entfernt werden; doch könne das Mosaik der Gewändeflächen beschädigt werden, wenn bei der Reparatur der Trittflächen der Stufen nicht sehr vorsichtig vorgegangen werde, woraus Mehrkosten von 80 S entstehen würden. Der Unterlagsbeton für die Stufen sei von der Beklagten ungleichmäßig hoch vorbereitet worden. Der Arbeiter der Klägerin habe versucht auszugleichen, soweit dies möglich gewesen sei. Auf der Baustelle in der W.straße 24 seien die Stufen gleichfalls ungleich hoch ausgebildet. Die Kosten der Behebung belaufen sich hier auf 535 S, die notwendige Gerüstung koste 200 S und würde ein unvorsichtiges mit Beschädigung verbundenes Arbeiten einen weiteren Aufwand von 80 S erfordern. Der Arbeiter der Klägerin Gerhard S. habe an dieser Baustelle die Stufen so verlegt, wie der Unterlagsbeton gewesen sei. Die Beklagte habe die Klägerin nicht darauf aufmerksam gemacht, daß der Unterlagsbeton auf den Baustellen für die Stufen ungleich hoch vorbereitet gewesen sei. Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß die Beklagte aus der mangelhaften und ungleichen Stufenausbildung auf den Baustellen in der A.straße und W.straße keine Gegenforderungen ableiten könne, weil die Klägerin nicht Stufen, sondern Stufenverkleidungen herzustellen gehabt habe. Ein Mangel im Werk der Klägerin läge nur dann vor, wenn die Stufenverkleidungen ungleich hoch verlegt worden wären. Tatsächlich sei aber die vorbereitete Unterlage mangelhaft gewesen und es weise daher die Arbeit der Klägerin keinen Mangel auf. Die Warnungspflicht des § 1168a ABGB. habe die Klägerin nicht getroffen, weil die Beklagte Bauunternehmerin sei und daher nicht verlangen könne, daß ihre Handwerker sie auf die Mängel ihrer eigenen Arbeit aufmerksam machen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in seinem stattgebenden Teile bezüglich eines Betrages von 60 S dahin ab, daß es auch diesen Betrag, hinsichtlich dessen die eingewendete Gegenforderung ebenfalls zu Recht bestehe, abwies. Im übrigen gab es der von der beklagten Partei erhobenen Berufung keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die untergerichtlichen Urteile insoferne auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück, als die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung mit einem Betrage von 1595 S als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem Klagebegehren hinsichtlich dieses Betrages samt 5% Zinsen seit 5. Oktober 1960 stattgegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach dem Inhalte des von den Streitteilen abgeschlossenen Werkvertrages hatte die Klägerin die von der Beklagten hergestellten Stufen an den Baustellen A.straße und W.straße zu verkleiden. Nach den Feststellungen der Untergerichte waren die von der Beklagten hergestellten Betonstufen unsachgemäß verlegt worden. Ob und inwieweit der Beklagten wegen mangelhafter Verfliesung dieser Stufen ein Gewährleistungsanspruch nach § 1167 ABGB. zusteht, hängt zunächst davon ab, ob die Klägerin die ungleiche Betonunterlage bei entsprechender Verfliesung etwa durch Auftragen eines verschieden hohen Mörtelbettes hätte ausgleichen können. Ist dies der Fall, dann haftet die Klägerin unter den Voraussetzungen des § 1167 ABGB. für die mangelhafte Herstellung des ihr von der Beklagten übertragenen Werkes. War ihr eine Ausgleichung der Stufenhöhe nicht möglich, dann haftet die Klägerin für den durch das Mißlingen des Werkes entstandenen Schaden, wenn sie es unterlassen hat, die Beklagte aufmerksam zu machen, daß bei der ungleichen Stufenhöhe eine sachgemäße Verfliesung nicht ausgeführt werden könne. Um also beurteilen zu können, ob und inwieweit ein Gewährleistungs- oder Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin wegen unsachgemäßer Verfliesung der von der Beklagten ungleich hoch hergestellten Stufen-Betonunterlage gegeben ist, bedarf es einer Ergänzung des Sachverständigengutachtens und allenfalls noch einer Erörterung mit den Parteien. Der Oberste Gerichtshof kann dem Berufungsgericht darin nicht beipflichten, daß die Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufung zur Warnpflicht der Klägerin nach § 1168a ABGB. als unzulässige Neuerung unbeachtlich sind. Das Erstgericht hat zu dieser Verpflichtung der Beklagten eine Feststellung getroffen; es nahm nämlich als erwiesen an, die Beklagte habe die Klägerin nicht darauf aufmerksam gemacht, daß der Unterlagsbeton für die Stufen ungleich hoch vorbereitet gewesen sei. Diese Feststellung ließ den Schluß zu, daß die Beklagte ihrer Warnpflicht nicht nachgekommen sei. Feststellungen der Unterinstanzen sind aber von der Rechtsmittelinstanz auch dann einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wenn diese Feststellungen ohne diesbezügliche Prozeßbehauptung der beweispflichtigen Partei vorgenommen wurden. Das Gericht hat nach § 272 ZPO. unter sorgfältiger Berücksichtigung der gesamten Verhandlung und Beweisführung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten sei oder nicht. Es können daher Feststellungen nicht außer acht gelassen werden, weil die ihnen entsprechende Prozeßbehauptung nicht in erster Instanz, sondern erst in einer höheren Instanz aufgestellt wurde.

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