OGH 7Ob152/16b

OGH7Ob152/16b13.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. S***** S***** und 2. Dr. T***** S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 12.767,94 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 20. April 2016, GZ 21 R 5/16t‑41, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 4. November 2015, GZ 4 C 662/14v‑36, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00152.16B.1013.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen 12.403,16 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 2. 2014 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 5.488,62 EUR (darin enthalten 914,77 EUR an USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.262,54 EUR (darin enthalten 177,62   EUR an USt und 1.196,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.415,22 EUR (darin enthalten 152,84 EUR an USt und 1.498,20 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben ihr Einfamilienhaus im Jahr 2002 saniert. Dabei wurden mit der Errichtung der Wärmeschutzfassade die beklagte Baumeisterin und mit der Sanierung der Terrasse oberhalb des Wohnzimmers ein Fliesenleger beauftragt.

Eine vom Fliesenleger verwendete Alternativabdichtung samt Gewebeband sollte in Verbindung mit der von ihm am Terrassenrand angebrachten Stirnverblechung dazu dienen, die Terrasse zum darunterliegenden Wohnraum abzudichten und das (Regen‑)Wasser letztlich über das Blech abzuleiten. Diese Form der Abdichtung wurde damals in der Praxis oftmals verwendet, sie entsprach aber schon seinerzeit nicht den anerkannten Regeln der Baukunst; dafür wäre eine Abdichtung mit Bitumen‑ oder Kunststoffabdichtungsbahnen erforderlich gewesen.

Nach Anbringung der Alternativabdichtung samt Gewebeband und Stirnverblechung durch den Fliesenleger und noch vor dem Aufkleben der Fliesen durch ihn begann die Beklagte mit der Anbringung der Wärmedämmplatten im Anschluss an den unteren Aufbau der Terrasse. Ihre Mitarbeiter überzeugten sich nicht, ob die Abdichtung der Terrasse auf der Oberseite ordnungsgemäß durchgeführt wurde; dabei hätten sie bei optischer Kontrolle der noch freiliegenden Alternativabdichtung aufgrund des Erscheinungsbilds erkennen können, dass keine den Regeln der Technik entsprechende Abdichtung hergestellt wurde. Die Beklagte wies die Kläger nicht auf diesen Umstand hin. Gegebenenfalls hätten sich die Kläger für eine fachgerechte andere Abdichtung entschieden.

Die Beklagte wurde von den Klägern nicht damit beauftragt, die Herstellung „des Werks“ auf Übereinstimmung mit den Plänen, auf Einhaltung der technischen Regeln und der behördlichen Vorschriften zu überwachen oder Teilleistungen abzunehmen. Die Beklagte hat den Klägern auch nicht zugesichert, über ihre gesetzliche Warnpflicht hinaus die Kontrolle der Vorarbeiten anderer Unternehmer zu übernehmen.

Die Alternativabdichtung erfüllte über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ihren Zweck, dann wurde sie jedoch undicht. Das Wasser konnte bis zur Bitumenabdeckung direkt oberhalb der Massivrohdecke durchdringen und bahnte sich von dort den Weg hinter den Wärmedämmplatten in die Wohnräume.

Die Klage wurde rechtskräftig hinsichtlich eines Teilbetrags von 364,78 EUR sA an vorprozessualen Kosten vom Erstgericht zurückgewiesen. Im Übrigen begehrten die Kläger von der Beklagten die Zahlung von 12.403,16 EUR sA an Kosten für die Behebung des Wasserschadens. Zum Anspruchsgrund – nur dieser ist im Revisionsverfahren strittig – brachten sie vor, dass die Beklagte ihre Warnpflicht verletzt habe. Für sie sei klar ersichtlich gewesen, dass es aufgrund der vorgefundenen Terrassenarbeiten einmal zu Wasserschäden an der Wärmeschutzfassade kommen würde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie treffe keine Verletzung einer Warnpflicht. Sie sei bloß mit der Aufbringung der Wärmedämmfassade samt Verputz unterhalb der Terrasse beauftragt gewesen. Dabei habe sie die Wärmedämmfassade zwischen Mauerwerk und Stirnverblechung hineinschieben und verkleben müssen. Sie habe grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass der Fliesenleger für eine ordnungsgemäße Feuchtigkeitsisolierung sorgen würde; gegenteilige Anhaltspunkte hätten für sie nicht vorgelegen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 9.437,16 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 2.966 EUR sA ab. Zum Grund des Anspruchs führte es aus, dass die Beklagte eine Verletzung der Warnpflicht treffe. Die Alternativabdichtung samt Verblechung sei „Grundlage“ für ihr eigenes Werk gewesen, weil nicht nur der Baukörper selbst, sondern auch die Fassade eines effektiven Schutzes vor Feuchtigkeitseintritten bedurft habe. Insoweit habe die Beklagte auf die Vorarbeiten des Fliesenlegers aufbauen müssen. Die Beklagte hätte im Zuge der gebotenen Prüfung ohne besondere Untersuchungen aufgrund der von ihr zu erwartenden Fachkenntnis erkennen können, dass selbst bei vertragsgemäßer eigener Leistung die Gefahr des Misslingens des Gesamtwerks und eines Schadens für die Kläger drohe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Die im Zuge der Sanierung des Einfamilienhauses zu den einzelnen Gewerken von den Klägern abgeschlossenen Verträge würden eine wirtschaftliche Einheit darstellen; daher sei von einer Rechtspflicht zur Koordination der selbständigen Teilleistungen der verschiedenen Vertragspartner auszugehen. Die Wärmedämmfassade habe eines effektiven Schutzes vor Feuchtigkeitseintritten bedurft. Dies sei nur dadurch zu erreichen gewesen, dass das Wasser über eine ordnungsgemäß abgedichtete Terrasse oberflächlich über die Stirnverblechung abfließe und nicht bis zur untersten Schicht des Terrassenaufbaus durchsickere. Aufgrund der Verwendung der nicht dem Stand der Technik entsprechenden Alternativabdichtung durch den Fliesenleger habe diese Gefahr jedoch offenkundig bestanden. Davor hätte die Beklagte warnen müssen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Reichweite der Warnpflichten eines Werkunternehmers in Bezug auf eine mangelhafte Vorleistung eines anderen Werkunternehmers, auf welche dessen Gewerk nicht unmittelbar aufbaue, keine Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Die Beklagte hat ihre eigene Werkleistung ordnungsgemäß erbracht. Im vorliegenden Verfahren geht es ausschließlich um die Frage, ob sie die Kläger davor warnen hätte müssen, dass die von einem anderen Werkunternehmer (Fliesenleger) erbrachte Leistung, auf die sie nicht aufbaute, mangelhaft ist.

2.1. Misslingt das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist der Unternehmer gemäß § 1168a Satz 3 ABGB für den Schaden verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt hat. Als „offenbar“ ist dabei anzusehen, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss (RIS‑Justiz RS0022259). Abzustellen ist auf jene Kenntnisse, die nach einem objektiven Maßstab (§ 1299 ABGB) den Angehörigen der betreffenden Branche gewöhnlich eigen sind (RIS‑Justiz RS0022259 [T6]). Unter „Stoff“ ist alles zu verstehen, aus dem oder mit dem das Werk herzustellen ist (RIS‑Justiz RS0022045). Dazu zählen auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers und Vorarbeiten des Bestellers, auf denen der Werkunternehmer aufbauen muss (RIS‑Justiz RS0022045 [T6, T11]).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich jeder Vertragspartner so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, damit die Erreichung des Vertragszwecks nicht vereitelt, sondern erleichtert und Schaden verhütet wird (RIS‑Justiz RS0018232). Bilden die mit verschiedenen Lieferanten abgeschlossenen Verträge eine wirtschaftliche Einheit, besteht grundsätzlich eine Rechtspflicht zur Koordination der selbständigen Teilleistungen der verschiedenen Vertragspartner. Es trifft also bei gemeinsamer Herstellung eines Werks jeden Unternehmer die Pflicht, alles zu vermeiden, was dessen Gelingen vereiteln könnte, und infolge des im Bauwesen typischen Zusammenwirkens von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten die regelmäßige Nebenpflicht zur Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs‑ und Kontrollpflichten, auch wenn keiner von ihnen zum Generalunternehmer bestellt wurde (2 Ob 223/14d mwN; RIS‑Justiz RS0021634, RS0021880; „technischer Schulterschluss“). Diese dürfen allerdings nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0021941, RS0022268 [T3, T4], RS0022252 [T1]). Die Warnpflicht besteht immer nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten (RIS‑Justiz RS0022268). Die Aufklärungspflicht geht jedenfalls nicht so weit, dass der Werkunternehmer davon ausgehen müsste, dass sein (fachkundiger) „Vormann“ nicht fachgerecht arbeiten werde (RIS‑Justiz RS0021941 [T4]).

3. Der Beklagten ist im Zuge der Durchführung der Wärmedämmarbeiten die fehlerhafte Feuchtigkeitsisolierung nicht aufgefallen. Ihr hätte dies bei Erbringung dieser Werkleistung unmittelbar auch nicht auffallen müssen, weil ihre Arbeiten an der Unterseite des Terrassenaufbaus anschlossen; der Mangel befand sich jedoch auf deren Oberseite ausschließlich im Werk des Fliesenlegers. Damit kommt aber eine Haftung der Beklagten für den eingetretenen Wasserschaden nur dann in Betracht, wenn sie eine besondere Kontrollpflicht in Bezug auf die wasserdichte Ausführung der Terrasse getroffen hätte. Eine solche bestand hier aber nicht:

4.1. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Werkleistungen des Fliesenlegers und der Beklagten um zwei getrennte Gewerke. Die Wärmedämmarbeiten der Beklagten an der Fassade bauen nicht auf den Sanierungsarbeiten des Fliesenlegers an der Terrasse auf. Die Wärmedämmarbeiten stehen in keinem technischen Zusammenhang mit der vom Fliesenleger geschuldeten Terrassenabdichtung. Dieser hätte im Rahmen seiner eigenen Leistungserbringung dafür sorgen müssen, dass das Wasser oberflächlich abgeleitet wird und nicht bis zur Decke/zum Mauerwerk vordringen kann und in weiterer Folge Wände und Wärmeisolierung beschädigt. Die Wärmedämmarbeiten der Beklagten spielten für die Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Wasserableitung keine Rolle; ihre Tätigkeit hat auch nicht zu deren Misslingen beigetragen. Die Gefahr der Vereitelung des Erfolgs, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmer bei Erstellung eines Werks ergibt, hat sich hier gerade nicht verwirklicht. Bezogen auf die Terrassenabdichtung bestand daher eine von der ständigen Rechtsprechung anerkannte Kooperationsverpflichtung infolge eines „technischen Schulterschlusses“ und eine darauf gegründete Kontrollpflicht ebenso wenig wie eine allgemeine Prüfpflicht betreffend die Arbeiten des Vormanns.

4.2. Allein daraus, dass sich das Gewerk eines anderen Unternehmers nachteilig auf das eigene Gewerk auswirken kann, wenn es nicht ordnungsgemäß ausgeführt wird, folgt noch keine Prüfpflicht des Werkunternehmers. Besondere Koordinations‑ und Prüfpflichten wurden von der Beklagten nicht übernommen.

4.3. Die Entscheidung 8 Ob 42/05t betrifft den nicht vergleichbaren Fall, dass der Werkunternehmer eine unzureichende Absicherung von Lichtschächten durch einen anderen Werkunternehmer erkannt, darauf Kies aufgebracht und damit die Gefahr des Betretens der Lichtschächte vergrößert hat.

4.4. Im Rahmen der von der Beklagten allein geschuldeten Aufbringung einer Wärmedämmung samt Verputz an der Außenmauer kann ihr demnach insgesamt keine Verletzung der Warnpflicht bezogen auf die vom Fliesenleger mangelhaft aufgebrachte Feuchtigkeitsisolierung der Terrasse vorgeworfen werden.

5.1. Damit hat die Beklagte den eingetretenen Wasserschaden nicht zu verantworten. In Stattgebung der Revision war daher das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

5.2. Die Kostenentscheidung gründet hinsichtlich aller Instanzen auf § 41 ZPO (für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO). Die Einwendungen der Kläger gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen die Kostennote der Beklagten sind berechtigt. Der Beweisantrag vom 22. 10. 2014 nach der vorbereitenden Tagsatzung erschöpft sich in einer Urkundenvorlage; diese hätte ohne Kostenmehraufwand in der nachfolgenden Verhandlung durchgeführt werden können. Der Antrag vom 12. 5. 2015 auf Ladung des Sachverständigen zur Ergänzung seines Gutachtens war im Hinblick auf die bloß vorläufige Gutachtenserstattung in der vorangegangenen Verhandlung, die mit einem bedingten Vergleich endete, nicht erforderlich. Die Bekanntgabe der Adresse eines Zeugen vom 29. 6. 2015 ist Folge eines neuen Vorbringens der Beklagten im Zuge der vorangegangenen Verhandlung; diese zusätzlichen Kosten hat sie daher selbst zu verantworten. Der Beweisantrag vom 21. 7. 2015 betrifft die Anwendbarkeit von Ö‑Normen; darauf hat der Sachverständige bereits im Rahmen seiner vorläufigen Gutachtenserstattung vom 23. 2. 2015 Bezug genommen, weshalb die Beklagte darauf in der Verhandlung vom 18. 6. 2015 ohne Kostenmehraufwand eingehen hätte können. Für die Berufung vom Dezember 2015 gebührt ein ERV‑Zuschlag lediglich in Höhe von 1,80 EUR, für die Revision vom Juni 2016 ein solcher in Höhe von 2,10 EUR (RIS‑Justiz RS0126594 [T1]).

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