European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125973
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Der Kostenrekurs wird zurückgewiesen.
II. Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
III. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 706,46 EUR (darin enthalten 58,24 EUR USt und 357 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurses zu ersetzen.
Begründung:
Beide Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, das Abstellen und das Parken von Fahrzeugen auf der Allgemeinfläche der Liegenschaft zu unterlassen. Der Beklagte parke seit Monaten ein auf seinen Bruder zugelassenes Kraftfahrzeug ohne Berechtigung durch eine Nutzungsvereinbarung oder einen Mietvertrag auf Allgemeinflächen (auf dem Allgemeinparkplatz). Er sei der Ansicht, die Allgemeinfläche allein benützen zu dürfen, weshalb Wiederholungsgefahr bestehe. Der Kläger sei berechtigt, zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum Unterlassungsansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer geltend zu machen.
Der Beklagte wendete ein, die explizit als Parkflächen gewidmeten allgemeinen Abstellplätze aufgrund einer Nutzungsvereinbarung berechtigt zu benutzen.
Das Erstgericht bejahte das Recht des Beklagten, die als allgemeine Parkplatzflächen gewidmeten Abstellplätze aufgrund einer (festgestellten) Benutzungsvereinbarung zu benutzen und wies das Klagebegehren ab.
Aus Anlass der Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts einschließlich des vorangegangenen Verfahrens (erkennbar ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes) als nichtig auf, verwies die Rechtssache nach § 838a ABGB in das außerstreitige Verfahren und hob die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens gegeneinander auf. In der Klage werde nicht behauptet, der Beklagte habe mit seinem Verhalten in eine zuvor bestehende Nutzung des Klägers eingegriffen. Ziel des Klägers sei, die Benützung der gemeinsamen Sache selbst zu erlangen. Ein Anspruch auf Mitbenützung der gemeinsamen Sache gehöre ins außerstreitige Verfahren.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Rekurs des Beklagten gegen die Kostenentscheidung der zweiten Instanz ist nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig und deshalb zurückzuweisen.
II. Der – beantwortete – Rekurs des Beklagten ist jedenfalls zulässig (RIS‑Justiz RS0043890; RS0116348) und auch berechtigt.
1. Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RS0012214). Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs sind zunächst die Klagsbehauptungen maßgeblich (RS0005896; RS0005861). Die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ist hingegen irrelevant (RS0013639).
2. Jeder Mit‑ und Wohnungseigentümer ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Mit‑ oder Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (RS0012137; RS0012112). Solche Klagen gehören nach der Rechtsprechung ungeachtet des § 838a ABGB auf den streitigen Rechtsweg (5 Ob 275/08i [Abstellen von Motorrädern und Dekorationsgegenständen auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft durch eine Wohnungseigentümerin und ihren Ehegatten] = RS0013199 [T2]; 9 Ob 18/13g; Sailer in KBB5 § 838a ABGB Rz 3).
3. Die Klage ist aufgrund der vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen und dem verfolgten Rechtsschutzziel (Unterlassung der Benutzung von Allgemeinflächen) als Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB anzusehen.
3.1 Der Kläger beruft sich auf sein Recht, als Wohnungseigentümer eine Unterlassungsklage zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum durch einen anderen Wohnungseigentümer zu erheben. Den eigenmächtigen Eingriff sieht er darin, dass der Beklagte ständig und dauernd ein Fahrzeug auf einer Allgemeinfläche abstellt, was weder durch eine Nutzungsvereinbarung noch durch einen Mietvertrag gedeckt sei. Eine bestehende Vereinbarung erlaube nur ein „temporäres“ Abstellen von Fahrzeugen.
3.2 Er beruft sich somit inhaltlich darauf, dass das (ihn störende) Parkverhalten des Beklagten nicht mit einem Titel, insbesondere einer bestehenden Benutzungsvereinbarung zu rechtfertigen ist, strebt aber keine (neue) Regelung der Benützung der Allgemeinflächen an, die festlegen soll, welche Wohnungseigentümer in welchem Ausmaß Allgemeinflächen benützen dürfen (§ 17 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG). Der Kläger begehrt auch nicht die Festellung seines ausschließlichen Nutzungsrechts an einer Allgemeinfläche. Ein derartiges Begehren wäre im außerstreitigen Verfahren zu erledigen (9 Ob 7/12p).
3.3 Auch mit dem Vorbringen zur Wiederholungsgefahr typisierte der Kläger sein Rechtsschutzbegehren als auf die Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum (§ 828 ABGB) gerichtete Unterlassungsklage.
3.4 Zu 9 Ob 18/13g bejahte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die Unterlassungsklage eines Miteigentümers, der einem Miteigentümer verbieten wollte, einen Weg entgegen einer bestehenden Benützungsregelung bzw faktischen Gebrauchsordnung („rechtsmissbräuchlich“ oder „überproportional“) zu befahren. Mit einer derartigen Unterlassungsklage ist das hier erhobene Rechtsschutzbegehren vergleichbar.
4. Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs und die Nichtigkeit des Urteils und des durchgeführten Verfahrens angenommen. Es wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über die Berufung zu entscheiden haben (9 Ob 18/13g mwN).
5. Im Berufungsverfahren sind bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs keine von der Verfolgung des Hauptanspruchs zu trennenden Kosten angefallen, weshalb die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelschriftsätze gemäß § 52 Abs 1 ZPO vorzubehalten ist. Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof betrifft ausschließlich den Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs, der nunmehr abschließend erledigt ist. Der in diesem Zwischenstreit unterlegene Kläger hat dem Beklagten die Kosten des Rekurses nach den §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.
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