European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0260DS00012.18S.0520.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Zusatzgeldbuße von 3.000 Euro verurteilt.
Danach hat er
1./ zu D 70/11
1./1./ teilweise zu lit a: mit Schriftsatz vom 14. Februar 2011 vor dem Handelsgericht Wien zu AZ ***** ausgeführt, dass die rechtsfreundliche Vertretung von Michael D***** ein Verstoß gegen §§ 2 und 3 RL‑BA sei,
1./2./ zu lit c: unzulässiger Weise die Beschlagnahme des Kanzleicomputers und die Öffnung der Kanzleikonten von Rechtsanwalt Mag. Thomas F***** mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 an die Staatsanwaltschaft Wien zu AZ 9 St 514/09h verlangt, sowie
2./ zu D 156/11
Rechtsanwalt Mag. Thomas F***** mit Schriftsatz vom 7. März 2011 im Verfahren AZ ***** des Bezirksgerichts Leopoldstadt vorgeworfen, seine Vertretung für Michael D***** sei inkompatibel und gemäß § 879 ABGB, § 9 RAO, §§ 2, 3 RL‑BA rechts- und sittenwidrig, und den Antrag gestellt, das Gericht solle eine Anzeige an die Rechtsanwaltskammer Wien erstatten, sofern das Gericht nicht aus eigenem der Ansicht sei, dass es die Vertretungshandlung für nichtig zu erklären habe.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]), wobei der Beschuldigte im Rahmen der Schuldberufung die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 1, 5, 8, 9 lit a, 9 lit b und 9 lit c StPO geltend macht.
Die Besetzungsrüge (Z 1) zu 1./1./ und 2./ nimmt darauf Bezug, dass diese Schuldsprüche inhaltlich von den korrespondierenden Punkten a./ und c./ des Einleitungsbeschlusses abweichen (Berufung Rz 11 und Rz 39). Weshalb daraus auf eine nicht gehörige Besetzung des erkennenden Spruchkörpers geschlossen werden könne, wird in der Rüge nicht dargelegt. Zudem ist der Berufungswerber seiner Rügeobliegenheit (vgl Fabrizy , StPO 13 § 281 Rz 24) nicht nachgekommen.
Im Übrigen sei zu den in der Rechtsmittelschrift (S 14 f) enthaltenen, an den Obersten Gerichtshof gerichteten Anträgen gemäß § 26 Abs 3 DSt auf Ablehnung der Mitglieder des Disziplinarrats Mag. Erik Fo***** und Dr. Thomas De*****, in welchen der Sache nach erkennbar Nichtigkeit nach Z 1 releviert wird (Rz 61), angemerkt:
Mag. Fo***** war Untersuchungskommissär und hat an den Einleitungsbeschlüssen vom 11. April 2012 mitgewirkt. Erst nach Abschluss seiner Tätigkeit, nämlich mit dem beim Disziplinarrat am 31. Mai 2012 eingelangten Schriftsatz ON 13, machte der Beschuldigte geltend, „dass Mag. Fo***** in Sachen Anzeigen von RA Mag. F***** wiederholt und noch immer als Untersuchungskommissär gegen mich bestellt ist und daher meines Erachtens nicht auch in zusammenhängenden Verfahren an Einleitungsbeschlüssen teilnehmen kann.“ Es wurde aber weder ein Befangenheitsgrund dargestellt noch wurde Mag. Fo***** – im Gegensatz zu anderen in diesem Schriftsatz namentlich angeführten Mitgliedern des Disziplinarrats (S 1 ff) – als befangen abgelehnt. Mag. Fo***** hat auch an der angefochtenen Entscheidung nicht mitgewirkt. Die nun behauptete Befangenheit des Untersuchungskommissärs geht fehl, weil der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO Fälle der nicht gehörigen Besetzung des in erster Instanz erkennenden Senats und der Ausgeschlossenheit eines Senatsmitglieds erfasst, nicht den Untersuchungskommissär (RIS‑Justiz RS0119621, Ratz WK‑StPO § 281 Rz 96; § 77 Abs 3 DSt). Der Präsident des Disziplinarrats hat den gegen Dr. De***** gerichteten Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 28. November 2017 mit der Begründung abgewiesen (ON 62), dass ein vom Beschuldigten gegen den Kanzleipartner Dris. De***** gerichteter Antrag, ihn als Insolvenzverwalter zu entheben, keinen Anlass bietet, die Unabhängigkeit Dris. De***** in Zweifel zu ziehen. Die weitgehend unsubstantiierten und unbescheinigten Berufungsausführungen dazu haben spekulativen Charakter.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu 1./1./ und 2./ (Berufung Rz 30 und Rz 53) vermisst unter Bezugnahme auf die Konstatierung, die inkriminierten Behauptungen seien sachlich unbegründet (ES 12 vorletzter Absatz, 13 zweiter Absatz), die Erörterung eines im Beweisantrag vom 6. Dezember 2017 (ON 63 S 6 letzter Absatz) erwähnten Schreibens des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. April 2009, demzufolge Rechtsanwalt Mag. Thomas F***** einer unzulässigen Doppelvertretung verdächtig sei. Mit diesem Schreiben könne erwiesen werden, dass der Nichtigkeitswerber keineswegs „wider besseres Wissen“ die Anschuldigungen gegen Rechtsanwalt Mag. F***** erhoben habe. Das erwähnte Schreiben ist aber sehr wohl mitberücksichtigt worden, denn es wurde als Beilage ./V–J zum Akt genommen und verlesen (ON 65 S 12) und floss auch in die Beweiswürdigung ein (ES 10 Punkt 3.1.). Im Übrigen betraf das Schreiben nicht die gegenständlichen Vorwürfe, denen zufolge der Disziplinarbeschuldigte konkret im Verfahren AZ ***** des Handelsgerichts Wien (1./1./) und im Verfahren AZ ***** des Bezirksgerichts Leopoldstadt (2./) behauptet hat, die Vertretung des Michael D***** durch Rechtsanwalt Mag. F***** verstoße gegen §§ 2 und 3 RL‑BA (1977) und nicht etwa gegen das Verbot der Doppelvertretung, und das Gericht zur Anzeige an die Rechtsanwaltskammer ***** aufgefordert hat (2./).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, Berufung S 11) zu 1./2./ blieb die Annahme, eine sachliche Rechtfertigung für die inkriminierten Anträge liege nicht vor (ES 13 erster Absatz), nicht unbegründet, sondern legte der Disziplinarrat – empirisch nachvollziehbar – dar, die Haltung des Disziplinarbeschuldigten, das Blockieren des gesamten Computersystems des Rechtsanwalts Mag. Thomas F***** sei nicht schikanös, könne nicht nachvollzogen werden (ES 11 erster Absatz). Auch habe der Berufungswerber kein Substrat mitgeteilt, das die beantragte Beschlagnahme oder die Öffnung der Kanzleikonten rechtfertigen würde (ES 12 1etzter Absatz f).
Die Sachdienlichkeit des dem Beschuldigten vorgeworfenen Verhaltens ist übrigens auch nicht aus der von der Berufung (Rz 19 ff) zitierten Judikatur, wonach das Gericht die Verantwortung zur Sicherung der Integrität des Verfahrens habe, abzuleiten: Die dort erwähnten EGMR‑Entscheidungen betreffen Fälle einer unzureichenden Verteidigung durch einen vom Gericht beigestellten Verfahrenshilfeverteidiger. Die dem Berufungswerber offenbar vorschwebende Möglichkeit einer „Abberufung“ des die Gegenpartei vertretenden Rechtsanwalts durch das Gericht wegen Interessenkollision ist diesen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Auch das innerstaatliche Recht kennt diese Möglichkeit nicht (vgl § 200 Abs 2 ZPO, wonach eine Partei zur Bestellung eines anderen Bevollmächtigten nur dann aufgefordert werden kann, wenn dieser „sein ungehöriges Benehmen fortsetzt oder er sich den zur Erhaltung und Ruhe getroffenen Anordnungen des Vorsitzenden widersetzt.“)
Auch aus den IBA Guidelines on Party Representation in International Arbitration ist für den Berufungswerber nichts zu gewinnen, dies schon deshalb, weil es im gegebenen Fall nicht um ein internationales Schiedsverfahren geht, sondern um Schriftsätze in Straf‑ und in Exekutionssachen.
Gerade das vom Berufungswerber zitierte VfGH‑Erkenntnis B 1619/04 zeigt, dass die Zuständigkeit zur Erteilung einer Weisung, eine bestimmte Vertretung zu unterlassen, aufgrund des sich aus § 23 RAO ergebenden Aufsichts- und Überwachungsrechts ausschließlich bei der Rechtsanwaltskammer liegt (§ 23 RL‑BA 1977 = § 26 RL‑BA 2015). Eine entsprechende Antragstellung oder Anregung bei Gericht ist daher weder erforderlich noch zweckmäßig.
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO rekurriert die Berufung zu 1./1./ darauf, dass entgegen dem Einleitungsbeschluss a./ im Schuldspruch das Eigenschaftswort „wahrheitswidrig“ nicht aufscheint, und zu 1./2. / darauf, dass die Wortfolge aus dem Einleitungsbeschluss c./ „und dadurch unzulässigen Druck ausgeübt“ im Schuldspruch nicht enthalten ist. Von der behaupteten Anklageüberschreitung kann nicht gesprochen werden, weil der Einleitungsbeschluss keine Anklageschrift ist und es im Disziplinarverfahren keine Bindung an den Einleitungsbeschluss gibt ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 DSt § 28 Rz 4; RIS‑Justiz RS0056978). Darüber hinaus wurde im angefochtenen Erkenntnis eine Einschränkung der ursprünglichen Disziplinarvorwürfe vorgenommen, sodass es dem Berufungswerber an der für die Rechtsmittellegitimation vorausgesetzten Beschwer gebricht (vgl Fabrizy , StPO 13 § 282 Rz 1).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./1./ und 2./ vermeint, der Beschuldigte habe entgegen der Ansicht des Disziplinarrats (ES 12 erster, zweiter Absatz) nicht gegen § 18 RL‑BA (1977) verstoßen, weil ein rechtmäßiger Anspruch verfolgt worden sei.
Die Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert jedoch das Festhalten an den erstinstanzlichen Feststellungen (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 584). Die Rechtsrüge wurde nicht prozessordnungsgemäß erhoben, weil sie sich nicht an der Urteilstatsache orientiert, dass die inkriminierten Behauptungen zur Untermauerung der betriebenen Ansprüche nicht geeignet waren und bloß dazu dienten, Mag. F***** zur Niederlegung der Vertretung des Michael D***** zu motivieren (ES 12 erster Absatz, 13 zweiter Absatz), und nicht methodengerecht aus dem Disziplinarrecht ableitet, weshalb hier der Tatbestand des unnötigen „In-den-Streit-Ziehens“ (§ 18 RL‑BA 1977) nicht erfüllt worden sein soll.
Der weiters zu 1./1./ und 2./ behauptete Mangel an Feststellungen zur qualifizierten Öffentlichkeit (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) liegt nicht vor, weil die Äußerungen „dem Handelsgericht und dem Oberlandesgericht Wien“ (1./1./) bzw „dem Bezirksgericht Leopoldstadt“ (2./) – somit einer Vielzahl von Mitarbeitern dieser Gerichte – zur Kenntnis gelangten (ES 12 dritter Absatz, 13 zweiter Absatz).
Dem weiteren Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach die zu 1./1./ und 2./ inkriminierten Behauptungen in Gerichtseingaben entgegen der Ansicht des Disziplinarrats (ES 12 vorletzter Absatz) noch nicht als Verstoß gegen § 21 RL‑BA 1977 einzustufen seien, kann zwar insofern Berechtigung nicht abgesprochen werden, als dem Disziplinarbeschuldigten gar keine Verlautbarung einer Disziplinaranzeige vorgeworfen wird (vgl Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 , RL‑BA 1977 § 21 Rz 3 mwN). In Ansehung des Verstoßes gegen § 18 RL‑BA 1977 ändert sich aber durch den Wegfall der Beurteilung der Sachverhalte auch unter dem Aspekt des § 21 RL‑BA 1977 nichts an der disziplinären Verantwortlichkeit des Rechtsmittelwerbers nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt.
Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./2./, es sei nicht festgestellt worden, inwieweit die Vorwürfe gegen D***** zutreffen, verfehlt in nicht prozessordnungskonformer Weise den Bezug zur Erkenntnistatsache, dass eine sachliche Rechtfertigung für die vom Disziplinarbeschuldigten verlangten Zwangsmaßnahmen nicht gegeben war (ES 12 letzter Absatz f). Die subjektive Tatseite erschloss sich – entgegen der Rüge – für den Disziplinarrat daraus, dass in der vom Disziplinarbeschuldigten verfassten Nachtragsanzeige vom 10. Dezember 2010 (Beilage ./V–F) kein die Zwangsmaßnahmen rechtfertigendes Substrat enthalten war (ES 12 letzter Absatz f).
Die Behauptung, das bei der Staatsanwaltschaft ohne sachliche Rechtfertigung gestellte Verlangen auf Beschlagnahme und Öffnung von Kanzleikonten des Rechtsanwalts Mag. F***** verstoße nicht gegen § 18 RL‑BA 1977, lässt eine methodengerechte Ableitung dieser These aus dem Disziplinarrecht vermissen (vgl zu leichtfertigen Straf- und Disziplinaranzeigen Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 RL‑BA 1977 § 18 Rz 15).
Bei der Geltendmachung eines „untauglichen Versuches“ legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar, weshalb der Disziplinarrat rechtsirrig von der Deliktsverwirklichung ausgegangen sei (ES 13 erster Absatz).
Zum nominell geltend gemachten (Berufung S 2) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO wird kein Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, deutlich und bestimmt bezeichnet (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Im Zusammenhang mit den von der Berufung kritisierten Abweichungen vom Einleitungsbeschluss (vgl oben zur Z 8) führt der Berufungswerber auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit c StPO ins Treffen, sagt aber nicht, weshalb die nach dem Gesetz erforderliche Anklage fehlen soll. Der Kammeranwalt hat gemäß § 36 Abs 1 DSt in der mündlichen Disziplinarverhandlung den Einleitungsbeschluss vorgetragen (ON 65 S 1). Dieser Vortrag ist Ausdruck des im Disziplinarstatut nur ansatzweise verwirklichten strafprozessualen Anklageprinzips ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek , RAO 10 DSt § 36 Rz 1).
Aber auch der Schuldberufung im engeren Sinn war ein Erfolg zu versagen, hat sich der Disziplinarrat doch im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Taten auseinandergesetzt und seine Feststellungen überzeugend begründet, wobei er sich insbesondere auf die zum Akt genommenen Urkunden, aber auch auf die tatsachengeständige Einlassung des Berufungswerbers selbst stützen konnte (ES 10 f). Gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage bestehen daher keine Bedenken.
Mit dem Verweis auf die Entscheidungen 26 Os 2/14k und 26 Os 12/16h ist für den Berufungsstandpunkt nichts zu gewinnen, weil diesen Entscheidungen anders gelagerte disziplinarrechtlich zu beurteilende Äußerungen zugrunde lagen.
Zur Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist festzuhalten, dass der Disziplinarrat die lange Verfahrensdauer bei der Bemessung der Zusatzgeldbuße hinreichend berücksichtigt hat. Außerdem wurde die lange Verfahrensdauer vom Disziplinarbeschuldigten selbst durch seine wiederholt erhobenen unzulässigen Rechtsmittel verursacht (unzulässige Pauschalablehnung des gesamten Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, siehe Beschluss der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 19. Juli 2012, Bk 14/12; unzulässige Beschwerde gegen den einem Ablehnungsantrag nicht stattgebenden Teil des Beschlusses des Präsidenten des Disziplinarrats vom 15. Oktober 2012, siehe Beschluss der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 18. November 2013, 3 Bkd 6/12; unzulässige Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, siehe dessen Beschluss vom 11. Juni 2015, B 337–338/2014; neuerlich unzulässige Beschwerde gegen den einen Ablehnungsantrag nicht stattgebendem Beschluss des Präsidenten des Disziplinarrats vom 28. November 2016, siehe Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. Juni 2017, 26 Ds 1/17x).
Richtig war auch die Beurteilung des Disziplinarrats, dass bei allen drei Fakten die doppelte Qualifikation erschwerend zu berücksichtigen war. Die Entscheidung 27 Os 6/15g, wonach ein Verstoß gegen § 21 RL‑BA 1977 keine Berufspflichtenverletzung, sondern „nur“ eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes darstellt, ist vereinzelt geblieben und offenbar auf die ältere Judikatur der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission (Bkd 25/81, AnwBl 1982, 691) zurückzuführen, die damit begründet wurde, dass § 21 RL‑BA 1977 in Art III „Das Mitglied der Rechtsanwaltskammer und sein Stand“ eingeordnet ist und zum Schutz der Standesangehörigen und des Rechtsanwaltsstandes geschaffen wurde, was keine Berufspflicht begründe. Dies vermag den erkennenden Senat nicht zu überzeugen, weil nicht nur Bestimmungen
über den korrekten Umgang mit
Mandanten, sondern auch mit Standesangehörigen Regelungen der Berufsausübung sind und damit berufliche Pflichten des Rechtsanwalts begründen. Im Übrigen enthielt Art III RL‑BA 1977 auch andere Vorschriften, deren Nichteinhaltung regelmäßig als Berufspflichtenverletzung qualifiziert wurde (wie gerade etwa das „In-den-Streit-Ziehen“ von Kollegen, die leichtfertige Erstattung von Disziplinaranzeigen oder auch die Nichtbefolgung von Aufträgen der Rechtsan-waltskammer). Ein Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot hinsichtlich Disziplinarangelegenheiten verletzt daher nicht nur Ehre und Ansehen des Standes, sondern stellt auch eine Berufspflichtenverletzung dar (20 Os 26/15x, 29 Os 1/14k; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 DSt § 79 Rz 1; Gartner in Csoklich/Scheuba [Hrsg], Standesrecht der Rechtsanwälte 3 141). Im Übrigen verwirklicht auch das von § 18 RL‑BA 1977 (nunmehr § 21 Abs 1 RL‑BA 2015) pönalisierte (schlichte) In‑den‑Streit‑Ziehen eine Berufspflichtenverletzung (26 Os 14/15a, RIS‑Justiz RS0056108).
Der Berufung war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Folge zu geben.
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