OGH 10Bkd7/92 (RS0056978)

OGH10Bkd7/9214.3.1994

Rechtssatz

Die rechtliche Bedeutung des Einleitungsbeschlusses liegt allein darin, dass ein Disziplinarverfahren auf Grund einer für die disziplinäre Ahndung vorausgesetzten konkretisierten Anschuldigung seinen Fortgang nehmen kann. Anders als im gerichtlichen Strafverfahren, in dem der in der StPO normierte Grundsatz gilt, dass die Anklage bei sonstiger Nichtigkeit nicht überschritten werden darf, gibt es im Disziplinarverfahren keine Bindung an den Einleitungsbeschluss (VfSlg 4557, 5697). Anschuldigungspunkte, die im Einleitungsbeschluss nicht enthalten sind, in der mündlichen Disziplinarverhandlung aber "erweitert" und verhandelt wurden, können Gegenstand eines Schuldspruches sein (AnwBl 1983,706). Der im Einleitungsbeschluss (noch) nicht erwähnte Sachverhalt über Standesrechtsfragen kann zum Gegenstand der Verhandlung und damit des Erkenntnisses gemacht werden, wenn der Beschuldigte die Tatsache und den Inhalt eines daraus abzuleitenden standesrechtlichen Vorwurfes erkannt, und sich dazu auch verantwortet hat (AnwBl 1991,473). Wesentlich ist die rechtzeitige Information des Disziplinarbeschuldigten, der keine Schwierigkeiten haben darf, seine Verantwortung auch zu dem nur scheinbar "neuen" Faktum auszuführen.

Normen

DSt 1990 §28
B-VG Art83 Abs2

10 Bkd 7/92OGH14.03.1994
3 Bkd 6/96OGH07.04.2000

Auch; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss ist keine Anklageschrift. Er hat den Charakter einer prozessleitenden Verfügung, die keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die rechtliche Subsumierung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungsweise als Disziplinarvergehen enthält. Auf Grund des Einleitungsbeschlusses wird dem in ein Disziplinarverfahren verfangenen Beschuldigten der disziplinarrechtliche Verfolgungswille der Disziplinarbehörde wegen einer konkret bezeichneten disziplinarrechtlichen Verfehlung in unmissverständlicher Weise bekanntgemacht, damit ihm die Möglichkeit zur ausreichenden Verteidigung und Beschaffung der erforderlich scheinenden Beweismittel gewahrt bleibt. (T1)

2 Bkd 5/01OGH17.06.2002

Vgl auch; Beis wie T1 nur: Der Einleitungsbeschluss ist keine Anklageschrift. Er hat den Charakter einer prozessleitenden Verfügung. (T2)<br/>Beisatz: Der Einleitungsbeschluss muss den vorgeworfenen Sachverhalt jedoch solcherart umschreiben, dass dem Disziplinarbeschuldigten die Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung gegen einen konkreten Anschuldigungspunkt und damit gegen den ihn treffenden Vorwurf disziplinären Fehlverhaltens ermöglicht wird. Er kann auch noch im Rahmen der mündlichen Disziplinarverhandlung ohne weitere Formerfordernisse geändert und erweitert werden. Wird aber über eine Anschuldigung abgesprochen, die weder im Einleitungsbeschluss umschrieben ist noch dem Disziplinarbeschuldigten so rechtzeitig zur Kenntnis gelangt, dass er über das konkret inkriminierte Verhalten informiert wird und seine Verteidigung wirksam darauf einrichten kann, so wird der Disziplinarbeschuldigte in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. (T3)

14 Bkd 11/02OGH18.11.2002

Vgl auch; Beis wie T2; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss übt auf die Berufsrechte des betroffenen Rechtsanwaltes keine wie immer geartete einschränkende Wirkung aus. Er enthält insbesondere auch keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Qualifikation der dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungsweise als Disziplinarvergehen; vielmehr kann darüber nur im Disziplinarverfahren abgesprochen werden. (T4)

12 Bkd 8/01OGH24.03.2003

Vgl auch; Beis ähnlich T2; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss ist ein Rahmen, der vom Disziplinarrat sogar erweitert werden darf. (T5)

11 Bkd 5/03OGH30.06.2003

Vgl auch; Beisatz: Diese Sachlage ist unter dem Aspekt des Art 90 Abs 2 B-VG verfassungsrechtlich unbedenklich, weil es sich bei einem Disziplinarverfahren nicht um ein Strafverfahren im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handelt. (T6)

2 Bkd 4/03OGH26.01.2004

Beis wie T1 nur: Der Einleitungsbeschluss ist keine Anklageschrift. Er hat den Charakter einer prozessleitenden Verfügung, die keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die rechtliche Subsumierung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungsweise als Disziplinarvergehen enthält. (T7)

4 Bkd 4/03OGH21.06.2004

Vgl auch; Beis wie T3

7 Bkd 6/04OGH18.10.2004

Vgl auch; Beis wie T3 nur: Der Einleitungsbeschluss muss den vorgeworfenen Sachverhalt solcherart umschreiben, dass dem Disziplinarbeschuldigten die Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung gegen einen konkreten Anschuldigungspunkt und damit gegen den ihn treffenden Vorwurf disziplinären Fehlverhaltens ermöglicht wird. (T8)<br/>Beis wie T4 nur: Der Einleitungsbeschluss enthält keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Qualifikation der dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungsweise als Disziplinarvergehen; vielmehr kann darüber nur im Disziplinarverfahren abgesprochen werden. (T9)

16 Bkd 4/05OGH31.05.2005

Vgl auch; Beis wie T2; Beisatz: Das künftige Erkenntnis des Disziplinarrates wird durch den Einleitungsbeschluss in keiner Weise präjudiziert. (T10)

4 Bkd 2/05OGH24.10.2005

Vgl auch; Beis ähnlich wie T1; Beis wie T4 nur: Der Einleitungsbeschluss übt auf die Berufsrechte des betroffenen Rechtsanwaltes keine wie immer geartete einschränkende Wirkung aus. (T11)

6 Bkd 2/05OGH13.02.2006

Vgl auch; Beis ähnlich wie T1; Beis wie T5; Beis wie T10

9 Bkd 3/05OGH22.05.2006

Vgl auch; Beisatz: Ebensowenig ist der Disziplinarrat an den Einleitungsantrag des Kammeranwalts inhaltlich gebunden, mit dem nur das Verfahren zur Durchführung von Untersuchungshandlungen für die Stoffsammlung formell eingeleitet wird, um später dem Disziplinarrat die Entscheidung zu ermöglichen, ob ein Einleitungsbeschluss zu fassen ist. (T12)

16 Bkd 2/06OGH12.06.2006

Vgl auch; Beis ähnlich wie T2; Beis wie T5; Beis wie T8; Beis wie T9

11 Bkd 7/06OGH07.05.2007

Vgl auch; Beisatz: Gegenstand der Verurteilung dürfen nur Fakten sein, die im Einleitungsbeschluss erwähnt oder von einer Ausdehnung in erster Instanz erfasst sind. (T13)

9 Bkd 1/07OGH10.12.2007

Auch; Beis wie T2; Beis wie T8; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss kann aber auch ohne weitere Formerfordernisse geändert und erweitert werden. (T14)<br/>Beisatz: Es kommt entscheidend nur darauf an, dass dem auf Grund eines Einleitungsbeschlusses in ein Disziplinarverfahren verfangenen Beschuldigen der disziplinarrechtliche Verfolgungswille der Disziplinarbehörde wegen einer konkret bezeichneten disziplinarrechtlichen Verfehlung in unmissverständlicher Weise bekannt gemacht wird, damit ihm die Möglichkeit zur ausreichenden Verteidigung und Beschaffung der erforderlich erscheinenden Beweismittel gewahrt bleibt. (T15)

10 Bkd 2/07OGH08.02.2008

Vgl auch; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss ist nur eine abgesondert nicht anfechtbare und bloß verfahrensleitende Verfügung (keine Anklage wie im Anklageprozess), er legt aber den Rahmen und den Gegenstand der mündlichen Disziplinarverhandlung und damit auch jenen des Erkenntnisses fest. Auf Grund des Einleitungsbeschlusses muss der Disziplinarbeschuldigte in die Lage versetzt werden, Art und Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu erkennen um daher zeitgerecht seine Verantwortung und Verteidigung für die mündliche Disziplinarverhandlung einrichten zu können. So gesehen hat der Einleitungsbeschluss eine bedeutende Funktion, obwohl er selbst für den nach mündlicher Verhandlung entscheidenden Disziplinarsenat in keiner Weise bindend ist. „Keine Bindung" gilt für den meritorischen Verfahrensausgang in I. Instanz, sehr wohl aber besteht eine Bindung an den schon erwähnten „Verfahrensrahmen", wie er im Einleitungsbeschluss zum Ausdruck kommt. Dieser darf ohne Zustimmung des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwaltes in der mündlichen Verhandlung auf Tathandlungen, die bisher vom Einleitungsbeschluss nicht erfasst sind, nicht ausgedehnt werden. (T16)

1 Bkd 3/08OGH08.09.2008

Auch; Beisatz: Dem Einleitungsbeschluss kommt nicht die Funktion einer Anklageschrift nach der StPO zu, sie soll lediglich dem Disziplinarbeschuldigten Klarheit darüber verschaffen, welcher disziplinäre Vorwurf gegen ihn erhoben wird. (T17)

9 Bkd 3/08OGH23.02.2009

Auch; Beis wie T2; Beis ähnlich wie T8; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss ist nur eine bloß verfahrensleitende Verfügung (und keine Anklage wie im Anklageprozess), mit dem der Disziplinarbeschuldigte in die Lage versetzt werden muss, Art und Gegenstand der konkret gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu erkennen und daher zeitgerecht seine Verantwortung und Verteidigung für die mündliche Verhandlung einrichten zu können. Dieser Einleitungsbeschluss kann im Rahmen einer Disziplinarverhandlung erweitert und geändert werden. Einer Zustimmung bedarf es dazu nicht, wenn entweder über einen Vorwurf abzusprechen ist, der im Einleitungsbeschluss umschrieben wird, oder dem Disziplinarbeschuldigten der Vorwurf so rechtzeitig zur Kenntnis gelangt, dass er seine Verteidigung wirksam auf den konkreten Anschuldigungspunkt ausrichten kann. (T18)

14 Bkd 4/09OGH25.05.2009

Auch; Beis wie T15; Beis ähnlich wie T17; Beisatz: Konkrete Anschuldigungspunkte, die im Einleitungsbeschluss nicht enthalten sind, in der mündlichen Disziplinarverhandlung aber „erweitert" und verhandelt wurden, können Gegenstand eines Schuldspruchs sein. (T19)

2 Bkd 3/08OGH11.05.2009

Vgl auch; Beis wie T8; Beis wie T14; Beis ähnlich wie T17; Beis ähnlich wie T18; Beisatz: Der Einleitungsbeschluss im Disziplinarverfahren ist nicht als Anklageschrift im Sinn der StPO zu qualifizieren. Der Einleitungsbeschluss kann auch ohne weitere Formerfordernisse in der mündlichen Disziplinarverhandlung geändert und erweitert werden. Der Einleitungsbeschluss legt aber doch den Rahmen und den Gegenstand der mündlichen Disziplinarverhandlung und damit auch jenen des Erkenntnisses fest. Aufgrund des Einleitungsbeschlusses muss der Disziplinarbeschuldigte in die Lage versetzt werden, Art und Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu erkennen, um zeitgerecht seine Verantwortung und Verteidigung für die mündliche Disziplinarverhandlung einrichten zu können. Der im Einleitungsbeschluss (noch) nicht erwähnte Sachverhalt über Standesrechtsfragen kann zum Gegenstand der Verhandlung und damit des Erkenntnisses gemacht werden, wenn der Beschuldigte die Tatsache und den Inhalt eines daraus abzuleitenden standesrechtlichen Vorwurfs erkennen und sich dazu auch verantworten konnte. Wesentlich ist daher die rechtzeitige Information des Disziplinarbeschuldigten, damit dieser seine Verantwortung auch auf „modifizierte" Fakten einstellen kann. (T20)

5 Bkd 1/08OGH24.11.2008

Auch; Beis wie T13

9 Bkd 2/09OGH10.05.2010

Auch; nur T9

13 Bkd 2/10OGH18.10.2010

Vgl auch; Beis wie T8; Beis wie T9

4 Bkd 1/10OGH20.09.2010
3 Bkd 3/13OGH02.09.2013

Auch; Beis wie T13; Beis wie T14

25 Os 6/15tOGH09.09.2015

Auch; Beis wie T12

26 Os 9/15sOGH19.04.2016

Auch

20 Os 10/16wOGH27.01.2017

Auch; Beis wie T2; Beisatz: Dem Disziplinarbeschuldigten muss allerdings, sei es durch die Konkretisierung des Vorwurfs im Einleitungsbeschluss, sei es durch einen Hinweis in der Verhandlung, die Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung gewahrt bleiben. (T21)<br/>Beisatz: Die durch Art 6 MRK garantierte Wahrung der Verteidigerrechte muss in gleicher Weise für das Disziplinarverfahren gelten, auch wenn dort die Bindung an die Anklage fehlt. (T22)

20 Ds 13/17tOGH14.11.2017

Auch; Beis ähnlich wie T15; Beis wie T21

26 Ds 12/18sOGH20.05.2019

Vgl

28 Ds 4/18dOGH17.01.2019

Auch

20 Ds 14/20vOGH13.04.2021

Vgl; Beis wie T3; Beis wie T7

20 Ds 5/21xOGH09.09.2021

Vgl; Beis wie T13; Beis wie T20

Dokumentnummer

JJR_19940314_OGH0002_010BKD00007_9200000_004