European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0200OS00010.16W.0127.000
Spruch:
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung wegen Strafe wird die Geldbuße auf 3.500 Euro reduziert.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch Freisprüche von weiteren disziplinarrechtlichen Vorwürfen enthält, wurde der Disziplinarbeschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 1. und 2. Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.
Danach hat er im Konkursverfahren über das Vermögen der W***** GmbH (AZ 14 S 127/13m des LG St. Pölten) als Vertreter der Schuldnerin auf eine Anfrage des Masseverwalters Dr. S***** mit seinem Schreiben vom 2. Oktober 2013 eine unklare Auskunft zum Bestehen einer Rechtsschutzversicherung der Schuldnerin und zur Frage, ob diese Rechtsschutzversicherung im Verfahren AZ 3 Cg 45/12s des Landesgerichts Linz [in dem die Sc***** GmbH einen Rechtstitel gegen die W***** GmbH erlangt hatte – ES 2 f] Leistungen erbrachte, erteilt.
Dies führte dazu, dass der Masseverwalter – vom Disziplinarbeschuldigten intendiert (ES 6, 7) – vorerst zur Auffassung gelangte, es habe keine Rechtsschutzversicherung gegeben (ES 3).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (in der Sache teilweise auch wegen Nichtigkeit) und über die Strafe. Der Kammeranwalt der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die in der Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld vorgebrachten Gründe vermögen der denkrichtigen und lebensnahen Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu den entscheidungswesentlichen Tatsachen und deren Begründung nichts entgegenzusetzen:
Soweit der Berufungswerber die – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfolgte teilweise Wiederholung (ES 6 f) der – Feststellung, er habe mitgeteilt, „dass aus einer Rechtsschutzversicherung keine Zahlung erfolgt [sei]“ (ES 3), als „verkürzt und damit verfälscht“ kritisiert, bekämpft er die Feststellung des Bedeutungsinhalts seiner eigenen schriftlichen Äußerung (Blg ./A 1). Der Disziplinarrat hat indes diese Tatsache nach Sprachgebrauch, Aufmachung und Wortwahl unter Berücksichtigung der Begleitumstände und aus Sicht des Adressaten (RIS‑Justiz RS0092588) mängelfrei und zutreffend konstatiert. Aus den Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten dazu geht nicht hervor, worin der Unterschied des Sinngehalts bestehen soll: der Disziplinarrat hatte die schriftliche Äußerung vom 2. Oktober 2013 mit „es erfolgte keine Zahlung der Rechtsschutzversicherung“ zusammengefasst, während der Rechtsmittelwerber wörtlich erklärt hatte, „[z]ur Anfrage … darf ich mitteilen, dass keine Zahlung aus der Rechtsschutzversicherung in diesem Fall an die Firma Sc***** erfolgt [sei]“). Überdies zeigt die realiter erfolgte Auslegung durch den Masseverwalter die Richtigkeit der bezweifelten Beweiswürdigung: Jener hatte nämlich die schriftliche Information des Disziplinarbeschuldigten mit dem Sinngehalt weitergegeben, für das Verfahren AZ 3 Cg 45/12s liege keine Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung vor. Dr. S***** erklärte weiters als Zeuge (TZ 13, S 2), „… er [habe] damals das Schreiben des Kollegen ***** vom 02. 10. 2013 so aufgefasst, dass es keine Rechtsschutzversicherung gibt ...“.
Aus diesem Grund sind auch die weiteren Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten zu einem dem Schreiben vom 2. Oktober 2013 vorangegangenen Telefonat mit dem Masseverwalter und seine (theoretischen) Überlegungen zum Verständnis berufsmäßiger Parteienvertreter im Allgemeinen und Masseverwalter im Besonderen im Umgang mit Rechtsschutzversicherungsleistungen nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu erschüttern. Für diese spricht zusätzlich der Schriftverkehr des Masseverwalters mit dem Rechtsvertreter der Sc***** GmbH vom 28. und 29. Oktober 2013 (Blg ./A 4 bis ./A 9), in dessen Verlauf er Letzteren ermächtigte, Informationen über das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung und allfällige Leistungen einzuholen. Eine derartige Ermächtigung wäre unverständlich, wenn der Masseverwalter zu diesem Zeitpunkt bereits vom Bestand einer Rechtsschutzversicherung und von Leistungen daraus Kenntnis gehabt hätte.
Das Berufungsvorbringen zu einer späteren (am 4. November 2013 erfolgten) Aufklärung des Masseverwalters über das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung, den Zahlungen daraus und deren Verwendung betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand, weil die Verletzung der standesrechtlichen Vorschriften bereits mit der unklaren Auskunft am 2. Oktober 2013 beendet war.
Die Kritik am angefochtenen Erkenntnis, eine Verletzung der Auskunftspflicht gegenüber dem Masseverwalter könne dem Disziplinarbeschuldigten deshalb nicht vorgeworfen werden, weil er in der Sache lediglich die Anfrage eines Gläubigers (der durch § 99 IO nicht geschützt sei) beantwortet habe, kann die Berufung ebenso wenig zu einem Erfolg führen wie der Einwand, dem Disziplinarbeschuldigten selbst sei keine Verletzung einer deliktstypischen Sorgfaltspflicht vorzuwerfen.
Nach § 99 IO ist der Schuldner verpflichtet, dem Masseverwalter alle zur Geschäftsführung erforderlichen Aufklärungen zu erteilen. Diese Auskunftspflicht bezieht sich nicht nur auf die zur Abwicklung des Konkursverfahrens erforderlichen Informationen, sondern auch auf das der Konkurseröffnung vorangegangene Handeln des Schuldners und auf alle jene Umstände, die mögliche Anfechtungsansprüche begründen können (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 99, Rz 8; RIS‑Justiz RS0065411). Die (an sich umfassende) Verpflichtung zur Auskunftserteilung kann zwar im Einzelfall durch die Aufforderungen des Masseverwalters an den Schuldner noch näher konkretisiert werden (insbesondere wenn der Masseverwalter Auskünfte über angemeldete Forderungen oder geltend gemachte Aus‑ und Absonderungsansprüche verlangt), es bedarf aber im Allgemeinen dieser Aufforderung nicht, sondern ist der Schuldner schon von sich aus verhalten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (RIS‑Justiz RS0065414).
Das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung des Schuldners und die Kenntnis von Leistungen daraus ist für den Masseverwalter naturgemäß von Bedeutung und somit vom allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 99 IO umfasst. Sie war es auch in concreto, wie dessen Aussage in TZ 13, S 1 zeigt: „[…] wenn ich wegen der Rechtsschutzversicherung gefragt habe, [wurde mir] von der Frau des Gemeinschuldners, die im Büro der Gemeinschuldnerin tätig war, immer gesagt, ich möge mich an den Disziplinarbeschuldigten wenden . “
Bei Besprechungen im Vorfeld des kurz darauf eingebrachten Insolvenzantrags über das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung und die möglichen Leistungen daraus war es der dem Disziplinarbeschuldigten gegenüber geäußerte Wunsch der Schuldnerin, dass Zahlungen aus dieser Versicherung unter anderem für die offenen Kostenforderungen des eigenen Anwalts verwendet werden und nicht der Prozessgegnerin zugutekommen sollten (TZ 65, S 2: „Letzte Priorität war seitens meiner Mandantschaft, dass die klagende Partei ihre Kosten ersetzt bekommt“).
Dadurch erhielt der Berufungswerber aber in Kenntnis der Benachteiligungsabsicht des Geschäftsführers der Schuldnerin eine der Anfechtung nach § 28 Z 1 IO unterliegende Deckung seines zu diesem Zeitpunkt als Insolvenzforderung zu qualifizierenden Kostenanspruchs. In Benachteiligungsabsicht handelt der spätere Schuldner nämlich bereits dann, wenn er (zumindest in der Form des dolus eventualis) weiß und will, dass durch seine Rechtshandlungen Gläubiger benachteiligt werden können, wenn diese Benachteiligung auch nicht der einzige Beweggrund sein muss. Andere Gläubiger werden schon dann benachteiligt, wenn ihre Befriedigung vereitelt, verzögert oder erschwert wird ( Rebernig in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 28 Rz 11 mwN; RIS‑Justiz RS0064166). Überdies war die Deckung seiner Kostenforderung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbeschuldigte bereits Kenntnis von der materiellen Insolvenz hatte, auch von der Anfechtung nach §§ 30, 31 IO bedroht, da seine Absicht und jene des Geschäftsführers geradezu auf die Herbeiführung der dadurch ermöglichten Aufrechnungslage gerichtet war (vgl König , Anfechtung 5 , Rz 14/1 ff). Die vom Rechtsmittelwerber ins Treffen geführten §§ 19 Abs 4, 19a RAO vermögen im Gegenstand an all dem nichts zu ändern.
Mag die Frage nach dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung auch von einem Gläubiger gekommen sein, so bezog sie sich doch jedenfalls auch auf eine im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung, zu der der Masseverwalter gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten als Vertreter der Schuldnerin weitere Aufklärung verlangt hatte (ES 3 und 6). Es konnte dem Disziplinarbeschuldigten in diesem Zusammenhang nicht verborgen geblieben sein, dass die Einziehung der Versicherungsleistung durch ihn bzw die Verrechnung mit seiner Kostenforderung für den Masseverwalter anfechtungsrechtlich relevant war.
Die Auskunftspflicht nach § 99 IO trifft zwar nur den Schuldner (bzw die in § 69 Abs 3 IO genannten Personen), der Disziplinarbeschuldigte handelte aber mit seiner Stellungnahme gegenüber dem Masseverwalter als Vertreter der Schuldnerin. Als solcher Vertreter war er nach § 9 Abs 1 RAO ebenso wie die Schuldnerin verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben für eine solche Auskunft (wahrheitsgemäß und vollständig) einzuhalten (zur Beachtung gesetzlicher Wahrheits‑ und Vollständigkeitspflichten durch den Vertreter vgl Lehner in Engelhart et al , RAO 9 , § 9 Rz 8 mwN).
Soweit der Disziplinarbeschuldigte in der rechtlichen Würdigung seines Verhaltens durch den Disziplinarrat einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot bzw eine Überschreitung der durch den Einleitungsbeschluss gezogenen Grenzen sieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Verurteilung weder wegen einer anderen Tat noch einem anderen disziplinarrechtlichen Vergehen als dem im Einleitungsbeschluss vom 23. Februar 2015 (TZ 58) zur Last gelegten ergangen ist: Es ging immer nur um die Beurteilung seines Schreibens vom 2. Oktober 2013 als Reaktion auf die Anfrage des Masseverwalters. Der Disziplinarrat hatte im Einleitungsbeschluss – nicht zuletzt aufgrund der Aussage des Masseverwalters – vermutet, der Disziplinarbeschuldigte habe durch die von ihm bewusst gewählten Worte (TZ 70, S 3, „[…] höchst präzise gewählt“) das Bestehen der Rechtsschutzversicherung, zumindest aber die Tatsache, dass er daraus Deckung erhalten hatte, bewusst verschleiern wollen. Das verurteilende Erkenntnis gelangte zum Vorwurf, die gebotene Auskunft sei – den Verpflichtungen des Disziplinarbeschuldigten zuwider – jedenfalls unklar gewesen. Das ist indes kein vom Einleitungsbeschluss abgesetztes zusätzliches Tatgeschehen (zur Tatidentität vgl Lewisch , WK‑StPO § 262 Rz 29 mwN; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 512 ff).
Dazu kommt, dass der Einleitungsbeschluss eine prozessleitende Verfügung darstellt. Sein Zweck besteht ausschließlich darin, dem Disziplinarbeschuldigten den Sachverhalt so zu beschreiben, dass er zweifelsfrei erkennen kann, worüber im weiteren Verfahren bzw in einer mündlichen Verhandlung abgesprochen werden wird. Auch eine vom Einleitungsbeschluss abweichende rechtliche Würdigung durch das verurteilende Erkenntnis ändert nichts daran, dass es lediglich auf den inkriminierten Sachverhalt ankommt, bei dessen Würdigung und rechtlicher Beurteilung der Disziplinarrat völlig frei ist ( Lehner in Engelhart et al , RAO 9 , § 36 DSt, Rz 5 f; RIS‑Justiz RS0056014; RS0056153).
Dem Disziplinarbeschuldigten muss allerdings, sei es durch die Konkretisierung des Vorwurfs im Einleitungsbeschluss, sei es durch einen Hinweis in der Verhandlung, die Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung gewahrt bleiben (RIS‑Justiz RS0056978). Dem wurde nach Lage des Falls Genüge getan: Bereits durch den Einleitungsbeschluss wusste der Disziplinarbeschuldigte, dass ihm die mangelhafte Beantwortung der Anfrage des Masseverwalters durch sein Schreiben vom 2. Oktober 2013 vorgeworfen wird. In der mündlichen Disziplinarverhandlung am 7. März 2013 wurde ihm in concreto vorgehalten, er hätte in seiner Antwort nicht nur den Sachverhalt vollständig offenlegen, sondern auch auf die bereits erfolgte Zahlung hinweisen müssen. Der Disziplinarbeschuldigte rechtfertigte sich sogar damit, er sei dazu nicht verpflichtet gewesen (TZ 70 S 3: „Das muss ich nicht.“).
Wenn der Rechtsmittelwerber argumentiert, er hätte – bei rechtzeitiger Kenntnis von der späteren rechtlichen Qualifikation seines Verhaltens – zusätzlich die Vernehmung des Masseverwalters als Zeugen zum Beweis dafür verlangt, dass aus dessen Sicht die Mitwirkungspflicht nach § 99 IO nicht verletzt worden sei, macht er in der Sache zwar eine Verletzung der durch Art 6 EMRK garantierten Verteidigerrechte geltend, die den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 8 StPO darstellen kann (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen im Rahmen der Berufung wegen Schuld siehe RIS‑Justiz RS0128656) – indes zu Unrecht.
Der Schutzzweck des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK liegt darin, die Verteidigung des Beschuldigten nicht zu behindern. Daher kann die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht nur dann aufgegriffen werden, wenn es an der Tatidentität im prozessualen Sinn fehlt, sondern überdies dann, wenn es zu Abweichungen in der rechtlichen Beurteilung gegenüber der Anklage (dem Verfolgungsantrag) kommt. Die durch Art 6 MRK garantierte Wahrung der Verteidigerrechte muss in gleicher Weise für das Disziplinarverfahren gelten, auch wenn dort die Bindung an die Anklage fehlt (RIS‑Justiz RS0056978).
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 8 StPO setzt im gerichtlichen Strafverfahren zumindest voraus, dass sich die Tatbilder (die äußere Tatseite) der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat und jener des Anklagetenors wesentlich unterscheiden (Lewisch, WK‑StPO § 262 Rz 73 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 512 ff; RIS-Justiz RS0121419). Diese Bedingung kann als Abgrenzungsmerkmal bei der Prüfung der Frage, ob in grundrechtswidriger Weise Verteidigungsrechte verletzt wurden, nicht unmittelbar auf das Disziplinarverfahren übertragen werden. Das Disziplinarrecht kennt nämlich nur zwei Tatbestände, wobei vor allem die Verletzung des Rechtsgutes von Ehre und Ansehen des Standes kaum eine relevante Eingrenzung der Tat bewirkt (so zutreffend Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 22 DSt Rz 9 mwN). Die Identität des disziplinarrechtlichen Tatbildes allein hindert also noch nicht die Anfechtung wegen Verletzung der Verteidigungsrechte. Damit ist für den Disziplinarbeschuldigten aber nichts gewonnen, weil er im Gegenstand in seinen Rechten tatsächlich nicht beeinträchtigt wurde. Spätestens mit dem Vorhalt des Disziplinarrats in der Verhandlung vom 7. März 2016 war dem Disziplinarbeschuldigten klar, dass ihm die mangelhafte Offenlegung des tatsächlichen Sachverhalts zum Vorwurf gemacht wird, er konnte sich also darauf rechtzeitig einstellen. In diese Richtung hat er sich auch ausdrücklich verteidigt und das Bestehen einer derartigen Verpflichtung bestritten. Überdies hatte der Berufungswerber den Masseverwalter in der Disziplinarverhandlung vom 9. November 2015 als Zeugen beantragt, diesen Antrag aber im Hinblick auf dessen bereits vorliegende schriftliche Aussage (TZ 13) zurückgezogen. Welches Beweisthema der Geschäftsführer der Schuldnerin hätte belegen sollen, ließ der Disziplinarbeschuldigte bei diesbezüglicher Erwähnung im Gerichtstag im Dunkeln.
Im bisher behandelten Umfang versagt – wie bereits die Generalprokuratur ausführte – das Rechtsmittel sohin zur Gänze.
Der Disziplinarrat hatte bei der Strafbemessung als erschwerend offenbar die zu DV 29/9 erfolgte Verurteilung wegen Verstoßes gegen (richtig) § 1 DSt iVm § 9 Abs 1 RAO berücksichtigt. Die Rechtskraft dieser Verurteilung ist am 7. Mai 2010 eingetreten, die Geldbuße von 1.500 Euro hat der Disziplinarbeschuldigte am 15. Juli 2010 bezahlt. Damit war die Strafe nach § 74 Z 2 DSt zum Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses bereits getilgt: Die Tilgung tritt ex lege mit Ablauf der Tilgungsfrist ein. Abzustellen ist auf den Tag der Fällung des Erkenntnisses (das war der 7. März 2016) und nicht etwa auf den Tatzeitpunkt (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 73 DSt Rz 2). Getilgte Verurteilungen dürfen in einem Disziplinarverfahren– entgegen der Entscheidung des Disziplinarrats – weder erwähnt noch berücksichtigt werden; dem Rechtsmittelwerber kommt somit bisher ordentlicher Wandel zugute.
Neben den vier Sorgepflichten des Disziplinarbeschuldigten war der Umstand zu berücksichtigen, dass durch die Herbeiführung der Aufrechnungslage nur – aber immerhin – ein Teil der Kosten des Disziplinarbeschuldigten gedeckt wurde.
Einen Milderungsgrund stellt § 34 Abs 2 StGB dar, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretende Grund unverhältnismäßig lang gedauert hat. Der Disziplinarbeschuldigte war seit Februar 2014 in Kenntnis des gegen ihn geführten Verfahrens, das im Jahr 2015 und nach dem Erkenntnis erster Instanz nicht zügig genug geführt wurde. Zum Ausgleich des dadurch bewirkten Grundrechtsverstoßes war die schuldangemessene Strafe von 4.000 Euro auf eine Geldbuße von 3.500 Euro zu reduzieren.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.
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