European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124654
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.216,34 EUR (darin 369,39 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Beide Streitteile sind im Vertrieb von Kaffeevollautomaten tätig.
Die Klägerin macht geltend, ein Mitarbeiter der Beklagten habe unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die geeignet seien, das Unternehmen der Klägerin zu schädigen. Sie beantragt, gestützt auf §§ 1 und 7 UWG, Unterlassung.
Die Beklagte wendete unter anderem die Verjährung des Anspruchs ein.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Verjährung ab. Sie gingen von folgendem Sachverhalt aus:
Der Geschäftsführer der Klägerin hat am 14. 12. 2016 vom klagsgegenständlichen Vorfall erfahren, Vergleichsverhandlungen sind mit 7. 6. 2017 gescheitert, die Klage wurde am 21. 8. 2017 eingebracht, wobei die Beklagte am 7. 8. 2017 auf die Erhebung des Verjährungseinwands für den Zeitraum 7. 8. 2017 bis 21. 8. 2017 verzichtete, soweit der Anspruch am 7. 8. 2017 noch nicht verjährt war.
In rechtlicher Hinsicht führten die Vorinstanzen aus:
Auch wenn man wegen des Verjährungsverzichts der Beklagten auf den 7. 8. 2017 abstellte, bedeute dies eine Untätigkeit von zwei Monaten ab Scheitern der Vergleichsverhandlungen, welche Zeitspanne angesichts der kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten jedenfalls zu lang sei. Konkrete Umstände, die dieses lange Zuwarten ausnahmsweise rechtfertigen würden, habe die Klägerin nicht aufzeigen können. Aufgrund der Schnelllebigkeit gerade in Wettbewerbssachen sei ein rasches Handeln erforderlich. Aufgrund des zu langen Zuwartens der Klägerin sei sie der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Vergleichsgespräche verlustig geworden, sodass der Anspruch mit Ablauf des 14. 6. 2017 verjährt sei.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, welche grundsätzliche Nachfrist für bis an das Fristende des § 20 UWG (sechs Monate) geführte Vergleichsverhandlungen einzuräumen sei.
Die Revision der Klägerin, mit welcher sie die Klagsstattgebung, in eventu Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, begehrt, ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Vergleichsgespräche führen nach ständiger Rechtsprechung zu einer Ablaufshemmung der Verjährung (RIS‑Justiz RS0034518). Scheitern die Verhandlungen, muss die Klage unverzüglich, das heißt binnen angemessener Frist eingebracht werden (RIS‑Justiz RS0034450; RS0020748). Dasselbe gilt im – hier vorliegenden – Fall, dass Vergleichsverhandlungen so kurz vor Ende der Verjährungsfrist enden, dass eine Einbringung der Klage vor Fristablauf nicht mehr möglich ist (2 Ob 48/94; 1 Ob 111/14a).
2. Wie lange der Geschädigte nach dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen mit der Einbringung der Klage noch zuwarten darf, entzieht sich einer generalisierenden Festlegung mathematisch exakt bestimmter Unter- oder Obergrenzen, weil es insofern auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (RIS‑Justiz RS0044464 [T5]; vgl auch RS0034805). Nur eine grobe Fehlbeurteilung könnte folglich die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründen (RIS‑Justiz RS0042405). Eine solche zeigt die Klägerin mit der Behauptung, die Nachfrist müsse jedenfalls mehr als zwei Monate betragen, nicht auf (vgl 1 Ob 111/14a [6 Wochen zu lange]). Eine derartige Aussage ergibt sich insbesondere nicht aus der lediglich obiter (vgl RIS‑Justiz RS0042672) auf § 203 BGB verweisenden Entscheidung 3 Ob 223/06z. Zumal das österreichische Recht eine § 203 BGB entsprechende Norm, die eine ausdrückliche Untergrenze von drei Monaten vorsieht, nicht kennt, begründet es auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass die deutsche Rechtsprechung und Lehre diese Grenze auch für wettbewerbsrechtliche Ansprüche beachtet (vgl 4 Ob 115/18t). Zu 3 Ob 205/08f wiederum ging es um die Frage, wann Vergleichsverhandlungen überhaupt vorliegen. Auch daraus ist für die Klägerin nichts zu gewinnen.
3. Vielmehr entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine ursprünglich kürzere als die dreijährige Verjährungsfrist ein berücksichtigungswürdiger Faktor bei der Beurteilung der Angemessenheit der Nachfrist nach Scheitern von Vergleichsverhandlungen sein kann (1 Ob 510/85; 4 Ob 290/97v; 7 Ob 120/99v; alle zu § 1111 ABGB [ein Jahr]). Wenn die Vorinstanzen daher im vorliegenden Fall, in dem der Anspruch der nur sechsmonatigen Frist des § 20 Abs 1 UWG unterfällt, ein Untätigbleiben der Klägerin von zwei Monaten als nicht mehr unverzügliche Geltendmachung des Anspruchs beurteilt haben, ist dies keine krasse Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.
4. Entscheidend ist nicht die längere oder kürzere Dauer der Untätigkeit, sondern ob diese Untätigkeit gerechtfertigt gewesen ist (RIS-Justiz RS0034710). Dass das Berufungsgericht daher erkennbar auch den mit der Vorbereitung der Klage verbundenen Aufwand berücksichtigt hat, entspricht der Rechtsprechung (7 Ob 180/17x; 1 Ob 111/14a). Hingegen finden die Ausführungen der Revisionswerberin zur besonderen Aufwendigkeit des Verfahrens im Akteninhalt keinen Niederschlag. Die auf §§ 1 und 7 UWG (und „jeden sonst erdenklichen“, jedoch nicht ausgeführten Rechtsgrund) gestützte Klage betrifft einen einzigen Vorfall, bei dem ein Mitarbeiter der Beklagten gegenüber einem Kunden der Klägerin herabsetzende Äußerungen über ihr Unternehmen getätigt haben soll. Die Klagsschrift umfasst vier Seiten, von denen wiederum nur drei dem Sach‑ und Rechtsvortrag gewidmet sind. Der vorbereitende Schriftsatz behandelt ausschließlich das Thema der eingewandten Verjährung. Wenn das Berufungsgericht unter diesen besonderen Umständen des Einzelfalls davon ausging, die Einbringung dieser Klage zwei Monate nach Scheitern der Vergleichsverhandlung sei keine unverzügliche Geltendmachung und überschreite die angemessene Frist zur Vorbereitung, bedarf dies keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass diese der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (vgl RIS‑Justiz RS0112296; RS0035962; RS0035979).
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